Vogelzug ist - im Hinblick auf die riesigen, wandernden Vogelscharen, die enorm weiten Zugstrecken, verblüffenden Orientierungsleistungen, erstaunlichen physiologischen Anpassungen und vieles mehr - ein Phänomen der Superlative. Zugvögel haben im Laufe der Evolution nahezu alle Gebiete unserer Erde erobert und ihre Wanderzüge umspannen praktisch die gesamte Oberfläche unseres Planeten wie ein Netz. Jedes Jahr begeben sich mehr als die Hälfte der rund 10.000 heute lebenden Vogelarten auf Wanderungen, das sind insgesamt 50 Milliarden einzelne Lebewesen. Die Forschung der letzten hundert Jahre, insbesondere die Vogelberingung, hat die meisten Wanderbewegungen aufgeklärt. In den letzten fünfzig Jahren ist es zunehmend gelungen, die Steuerungs- und Orientierungsmechanismen zu analysieren. Dabei zeichnet sich ab, daß Zugbewegungen vor allem auf ererbten Zeit- und Richtungsprogrammen basieren. So ist Vogelzug seit geraumer Zeit auch zu einem Modell moderner Evolutionsforschung geworden.Sorge bereitet heutzutage der Rückgang vieler Zugvögel. In mitreißendem Vortragsstil behandelt Peter Berthold alle wesentlichen Aspekte des Vogelzugs und seiner Erforschung bis hin zu den neuesten Entwicklungen, etwa der Satelliten-Telemetrie.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2005DAS HÖRBUCH
Fernweh
Gruß der Mönchsgrasmücke: Ein Hörbuch über den Vogelzug
„Über Vogelzug zu reden, bereitet grundsätzlich große Freude”, gesteht Peter Berthold gleich zu Beginn des Hörbuchs „Faszination Vogelzug”. Er hätte es auch schwer verhehlen können. Mit nicht nachlassender Begeisterung spricht der Professor für Ornithologie und Direktor der Vogelwarte Radolfzell zwei Stunden über die nomadische Lebensweise, die viele Vögel pflegen. Und faszinierend ist tatsächlich, was dabei „geleistet” wird: Jedes Jahr fliegt die Rauchschwalbe von England nach Südafrika und wieder zurück. Fernreisen als angeborenes Verhalten.
Die Küstenseeschwalbe gleichwohl kann über derartige Entfernungen nur müde lächeln. Sie nistet in unserem Sommerzirkumpolar, also an den Küsten Grönlands und Alaskas, um dann den südlichen Sommer in der Antarktis zu verbringen. Diese Flugstrecke aber scheint sie noch nicht ganz auszulasten, denn zu allem Überfluss umrundet sie die Antarktis erst einmal, bevor sie sich dort niederlässt. So kommen leicht 50000 Kilometer Jahreswanderstrecke zusammen, mehr als eine Million Kilometer Lebensleistung. Einen VW Käfer hätte man bei solch einem Tachostand ins Museum gestellt, meint Berthold, dass könne man also auch mit jeder ordentlichen Küstenseeschwalbe tun, „die würde sich allerdings bedanken”.
Ebenso faszinierend wie die Ausdauer- und Navigationsleistungen vieler Zugvögel, sind der Eifer und die Gründlichkeit, mit der der Vogelzugforscher ans Werk geht. Im Stil eines Propädeutikums breitet Berthold die Fragen der Vogelzugforschung vor dem Hörer aus: Woher weiß ein Vogel, ob und wann er ziehen muss? Woher weiß er, wohin er ziehen kann? Wie bereitet er sich auf die Reise vor? Berthold gibt ausführlich und mit vielen Beispielen und Anekdoten angereichert Antwort.
Solche Professoren hätte man sich gewünscht! Nicht nur, dass Berthold in seiner Leidenschaft mitreißt, man glaubt, mehr erfahren zu haben, als man je in zwei Stunden hätte erlesen können. „Faszination Vogelflug” ist ein Hörbuch, dass die Idealvorstellung einer lehrreichen und zugleich unterhaltsamen Vorlesung verwirklicht und das im Unterschied zu vielen anderen nicht-fiktionalen Hörbüchern wie eine spannende, lebendige Erzählung dahin fließt. Berthold spricht nach Stichworten, frei und hin und wieder improvisierend, niemals aber stotternd, stolpernd, Fehler machend. Eine nachträgliche Bearbeitung scheint gar nicht notwendig gewesen zu sein, alles wirkt wie aus einem Guss. Am Ende grüßt noch eine Viertelstunde lang die Mönchsgrasmücke mit ihrem hübschen Gesang.
TOBIAS LEHMKUHL
PETER BERTHOLD: Faszination Vogelflug. Supposé, Köln 2004. 2 CD, 130 Minuten, 24,80 Euro.
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Fernweh
Gruß der Mönchsgrasmücke: Ein Hörbuch über den Vogelzug
„Über Vogelzug zu reden, bereitet grundsätzlich große Freude”, gesteht Peter Berthold gleich zu Beginn des Hörbuchs „Faszination Vogelzug”. Er hätte es auch schwer verhehlen können. Mit nicht nachlassender Begeisterung spricht der Professor für Ornithologie und Direktor der Vogelwarte Radolfzell zwei Stunden über die nomadische Lebensweise, die viele Vögel pflegen. Und faszinierend ist tatsächlich, was dabei „geleistet” wird: Jedes Jahr fliegt die Rauchschwalbe von England nach Südafrika und wieder zurück. Fernreisen als angeborenes Verhalten.
Die Küstenseeschwalbe gleichwohl kann über derartige Entfernungen nur müde lächeln. Sie nistet in unserem Sommerzirkumpolar, also an den Küsten Grönlands und Alaskas, um dann den südlichen Sommer in der Antarktis zu verbringen. Diese Flugstrecke aber scheint sie noch nicht ganz auszulasten, denn zu allem Überfluss umrundet sie die Antarktis erst einmal, bevor sie sich dort niederlässt. So kommen leicht 50000 Kilometer Jahreswanderstrecke zusammen, mehr als eine Million Kilometer Lebensleistung. Einen VW Käfer hätte man bei solch einem Tachostand ins Museum gestellt, meint Berthold, dass könne man also auch mit jeder ordentlichen Küstenseeschwalbe tun, „die würde sich allerdings bedanken”.
Ebenso faszinierend wie die Ausdauer- und Navigationsleistungen vieler Zugvögel, sind der Eifer und die Gründlichkeit, mit der der Vogelzugforscher ans Werk geht. Im Stil eines Propädeutikums breitet Berthold die Fragen der Vogelzugforschung vor dem Hörer aus: Woher weiß ein Vogel, ob und wann er ziehen muss? Woher weiß er, wohin er ziehen kann? Wie bereitet er sich auf die Reise vor? Berthold gibt ausführlich und mit vielen Beispielen und Anekdoten angereichert Antwort.
Solche Professoren hätte man sich gewünscht! Nicht nur, dass Berthold in seiner Leidenschaft mitreißt, man glaubt, mehr erfahren zu haben, als man je in zwei Stunden hätte erlesen können. „Faszination Vogelflug” ist ein Hörbuch, dass die Idealvorstellung einer lehrreichen und zugleich unterhaltsamen Vorlesung verwirklicht und das im Unterschied zu vielen anderen nicht-fiktionalen Hörbüchern wie eine spannende, lebendige Erzählung dahin fließt. Berthold spricht nach Stichworten, frei und hin und wieder improvisierend, niemals aber stotternd, stolpernd, Fehler machend. Eine nachträgliche Bearbeitung scheint gar nicht notwendig gewesen zu sein, alles wirkt wie aus einem Guss. Am Ende grüßt noch eine Viertelstunde lang die Mönchsgrasmücke mit ihrem hübschen Gesang.
TOBIAS LEHMKUHL
PETER BERTHOLD: Faszination Vogelflug. Supposé, Köln 2004. 2 CD, 130 Minuten, 24,80 Euro.
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