Schüchtern? Jetzt nicht mehr! Nach einer unverhofften Begegnung mit den Wölfen wird aus dem zurückhaltenden Kindergartenkind Franziska ein selbstbewusstes Mädchen. Und nach deren Pfeife tanzen sogar die Wölfe. Dagegen sind die Schafe, die Franziska im Urlaub trifft, ein wenig dusselig. Zum Glück weiß Franziska auch hier Rat. Außerdem nimmt sie Elche bei sich zuhause auf - als Geschwisterersatz sozusagen. Aber irgendwie ist das nicht das gleiche.
Gegen den Strich, mit klugen und dialogstarken Texten von der vielfach ausgezeichneten Autorin Pija Lindenbaum - u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2012.
Gegen den Strich, mit klugen und dialogstarken Texten von der vielfach ausgezeichneten Autorin Pija Lindenbaum - u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2012.
buecher-magazin.deDie kleine Franziska hat Angst. Vor jeder Kleinigkeit. Alles, woran andere Kinder beim Spielen Spaß haben, ist nichts für das Kindergartenkind. Doch ausgerechnet, als sie im Wald die anderen Kinder aus den Augen verliert und eine Horde (sprechender) Wölfe kennenlernt, macht das schüchterne Mädchen eine erstaunliche Wandlung durch: Statt sich vor Angst in die Hose zu machen, ermuntert sie die Wölfe, die "nur hinter Bäumen stehen und knirrrrschen wollen", selbstbewusst und fast schon autoritär zum gemeinsamen Spielen… In einer weiteren Geschichte (drei sind es insgesamt) funktioniert das Einzelkind kurzerhand ein paar Elche zu ihren Brüdern um (was allerdings eher nach hinten losgeht). Die "Franziska"-Bücher von Pija Lindenbaum sind etwas andere Kinderbücher mit einer erfrischend anderen Hauptfigur. Laura Maires junge Stimme passt perfekt, und bei den Tieren - zum Beispiel den bedrohlich-quengeligen Wölfen - beweist die Schauspielerin große Variationsbreite - und zaubert überdies mit ihrer gekonnten Betonung, etwa wenn Franziska die Wölfe nach ihrer Pfeife tanzen lässt, zuweilen gar das Bild von Pippi Langstrumpf vors geistige Auge. Lustige Geräusche runden den Hörspaß ab.
© BÜCHERmagazin, Christian Bärmann (bär)
© BÜCHERmagazin, Christian Bärmann (bär)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2003Wer fürchtet sich vorm wilden Wolf ? Niemand!
Ein Bilderbuch über ein kleines, starkes Mädchen, das seine Angst besiegt
Na das wird ein Spaß”, jubelt Frau Köpke, die Erzieherin immer wieder den Kindern zu. Doch Franziska ist da nicht so sicher. Sie traut sich nämlich fast gar nichts, denn blitzschnell stellt sie sich vor, was passieren könnte: Hunde, die beißen, Hosen, die nass werden, Knie die schmerzen. Vorsichtig klettert sie Stein für Stein über den Bach auf die andere Seite der Wiese, um dort beim Kindergartenausflug schöne Blätter zu suchen. Emsig bückt sie sich, aber auf einmal ist es still. Alle sind weg. Ganz allein sitzt sie nun in ihrer roten Jacke und mit dem Eimerchen auf dem Schoß am Waldrand. Die Bäume erscheinen unendlich hoch und dunkel. Es knirscht gefährlich. Zwischen den Stämmen zeigen sich, wie kleine gelbe Lämpchen, Wolfsaugen. Ein ganzes Rudel steht hinter den Bäumen.
Franziska überlegt: Was könnte geschehen? Erst einmal ruft man „Los kommt vor!” Dann sagt man, wer man ist, redet ein wenig und schließlich bittet man um Hilfe. Als Franziska dabei erfährt, dass die Wölfe noch nicht einmal den Weg zum Kindergarten kennen, muss sie bleiben, um auf Rettung zu warten. Weil aber die Wölfe nur dumm hinter den Bäumen stehen und mit den Zähnen knirschen, gibt das Mädchen den Ton an. Und wie? Natürlich mit Spielen. Das Laufspiel „Wolf und Küken” verstehen die Wölfe zwar nicht, aber krank sein und gekitzelt werden, auf Bäume klettern und gerettet werden - das schon. Und was sie zum Einschlafen wünschen, das wissen sie auch genau: Ein trauriges Lied, das so richtig ihre Wolfsseelen rührt. Als Franziska singt, machen sie gemütlich ihre Augen zu. Nun erst kuschelt sie sich in das warme Fell ihrer neuen Gefährten. Da am frühen Morgen noch immer kein Mensch gekommen ist, geht sie leise davon und erreicht mühelos die Wiese vor dem Kindergarten. Mit erhobenen Armen winkt sie zurück. Diese Franziska traut sich sogar auf das Dach des Kinderhauses!
Was war passiert? Mit ihrer ungeheuren Vorstellungskraft hatte das schüchterne Mädchen die Ordnung auf den Kopf gestellt und sich tatkräftig und stark erlebt. Bedenkenlos hatte sie die gefährlichen Wölfe reglementiert. Und die Biester hatten einfältig brav, wenn auch ein wenig quengelig, gehorcht. Sie wurden gefüttert wie Kinder und mussten vorm Schlafengehen natürlich Pippi machen. Urkomisch ist dieses Rollenspiel, das Pija Lindenbaum mit Wölfen originell besetzt hat. Birgitta Kicherer, die preisgekrönte Übersetzerin hat den Humor des Originals aufgegriffen. So bekommen zum Beispiel die Wölfe als Abendlied „Mariechen saß weinend im Garten,” vorgesungen .
In farbkräftigen Aquarellen und mit karikierendem Federstrich erzählt Pija Lindenbaum ihre Geschichte. Mit ihrem entwaffnenden Pragmatismus wird dieses Kind zu einer beeindruckenden Heldin eines beschwingend amüsanten Buches. Solche Mädchen machen nicht nur müde Wölfe munter. Viel Spaß! (ab 4 Jahre)
ELISABETH HOHMEISTER
PIJA LINDENBAUM: Franziska und die Wölfe. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Moritz Verlag 2002. 40 Seiten, 13,80 Euro.
Illustrationen aus Pija Lindenbaum: Franziska und die Wölfe
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Ein Bilderbuch über ein kleines, starkes Mädchen, das seine Angst besiegt
Na das wird ein Spaß”, jubelt Frau Köpke, die Erzieherin immer wieder den Kindern zu. Doch Franziska ist da nicht so sicher. Sie traut sich nämlich fast gar nichts, denn blitzschnell stellt sie sich vor, was passieren könnte: Hunde, die beißen, Hosen, die nass werden, Knie die schmerzen. Vorsichtig klettert sie Stein für Stein über den Bach auf die andere Seite der Wiese, um dort beim Kindergartenausflug schöne Blätter zu suchen. Emsig bückt sie sich, aber auf einmal ist es still. Alle sind weg. Ganz allein sitzt sie nun in ihrer roten Jacke und mit dem Eimerchen auf dem Schoß am Waldrand. Die Bäume erscheinen unendlich hoch und dunkel. Es knirscht gefährlich. Zwischen den Stämmen zeigen sich, wie kleine gelbe Lämpchen, Wolfsaugen. Ein ganzes Rudel steht hinter den Bäumen.
Franziska überlegt: Was könnte geschehen? Erst einmal ruft man „Los kommt vor!” Dann sagt man, wer man ist, redet ein wenig und schließlich bittet man um Hilfe. Als Franziska dabei erfährt, dass die Wölfe noch nicht einmal den Weg zum Kindergarten kennen, muss sie bleiben, um auf Rettung zu warten. Weil aber die Wölfe nur dumm hinter den Bäumen stehen und mit den Zähnen knirschen, gibt das Mädchen den Ton an. Und wie? Natürlich mit Spielen. Das Laufspiel „Wolf und Küken” verstehen die Wölfe zwar nicht, aber krank sein und gekitzelt werden, auf Bäume klettern und gerettet werden - das schon. Und was sie zum Einschlafen wünschen, das wissen sie auch genau: Ein trauriges Lied, das so richtig ihre Wolfsseelen rührt. Als Franziska singt, machen sie gemütlich ihre Augen zu. Nun erst kuschelt sie sich in das warme Fell ihrer neuen Gefährten. Da am frühen Morgen noch immer kein Mensch gekommen ist, geht sie leise davon und erreicht mühelos die Wiese vor dem Kindergarten. Mit erhobenen Armen winkt sie zurück. Diese Franziska traut sich sogar auf das Dach des Kinderhauses!
Was war passiert? Mit ihrer ungeheuren Vorstellungskraft hatte das schüchterne Mädchen die Ordnung auf den Kopf gestellt und sich tatkräftig und stark erlebt. Bedenkenlos hatte sie die gefährlichen Wölfe reglementiert. Und die Biester hatten einfältig brav, wenn auch ein wenig quengelig, gehorcht. Sie wurden gefüttert wie Kinder und mussten vorm Schlafengehen natürlich Pippi machen. Urkomisch ist dieses Rollenspiel, das Pija Lindenbaum mit Wölfen originell besetzt hat. Birgitta Kicherer, die preisgekrönte Übersetzerin hat den Humor des Originals aufgegriffen. So bekommen zum Beispiel die Wölfe als Abendlied „Mariechen saß weinend im Garten,” vorgesungen .
In farbkräftigen Aquarellen und mit karikierendem Federstrich erzählt Pija Lindenbaum ihre Geschichte. Mit ihrem entwaffnenden Pragmatismus wird dieses Kind zu einer beeindruckenden Heldin eines beschwingend amüsanten Buches. Solche Mädchen machen nicht nur müde Wölfe munter. Viel Spaß! (ab 4 Jahre)
ELISABETH HOHMEISTER
PIJA LINDENBAUM: Franziska und die Wölfe. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Moritz Verlag 2002. 40 Seiten, 13,80 Euro.
Illustrationen aus Pija Lindenbaum: Franziska und die Wölfe
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002Wo die wilden Wölfe wohnen
Frech und genial: Pija Lindenbaum schickt ein Kind in den Wald
Rotkäppchen heißt jetzt Franziska. Sie trägt einen roten Kapuzenpulli, geht in einen schwedischen Kindergarten und hat vor jeder Kleinigkeit Angst. Hätte die Märchen-Mutter sie in den Wald zur Großmutter geschickt, wäre sie sicherlich niemals vom Wege abgekommen. Man könnte sich ja an Tannennadeln pieksen, hätte sie gedacht. So eine ist Franziska. Ein großer dunkler Wald ist nichts für sie, genau wie einiges andere auch: Hunde streicheln, Regenwürmer anfassen, über den Bach springen - sollen doch die anderen Kinder all das tun, johlend und lachend, sie hält sich lieber abseits. Oder sie klammert sich an der dicken Frau Köpke fest, obwohl die nichts anderes sagt als "Na, das wird ein Spaß!" Franziska ist es nicht so wichtig, daß eine Sache Spaß macht. Hauptsache, sie ist nicht gefährlich.
Pija Lindenbaum hat schon einmal ein Märchen umgekrempelt. Mit "Elsemarie und die kleinen Papas" hat sie sich vor zehn Jahren über die modernen Väter lustig gemacht, indem sie ihnen die Rolle der Zwerge in "Schneewittchen" zuteilte - ein schräges, anarchisches Bilderbuch. "Franziska und die Wölfe" ist auf den ersten Blick braver erzählt, hat aber eine um so nachhaltigere subversive Kraft. Denn hier geht es um die innere Stärke der ängstlichen Kinder. Franziska ist entsetzlich passiv: Als sie die anderen im Wald aus den Augen verliert, bleibt sie einfach sitzen, wo sie ist. Bloß nicht bewegen, dann passiert auch nichts, scheint ihr Motto zu sein. Es ist erholsam, einmal auf eine Bilderbuchheldin zu treffen, die nicht frisch-frech-fröhlich, mädchen-mutig und sozial kompetent herumwuselt, sondern einfach nur dasitzt und ihren Ängsten und Schrullen freien Lauf läßt - und dabei eine Menge erlebt.
Denn jetzt kommen die Wölfe. Als die grauen Gesellen, fünf große Wölfe und ein niedliches Wölfchen, hinter den Baumstämmen hervorschleichen, hat Franziska gar keine Zeit, Angst zu kriegen, weil sie sofort mit ihnen Dinge unternimmt, die ihr Spaß machen. Außerdem ist sie die Bestimmerin. Als die Wölfe ihr erklären: "Wir spielen nicht. Wir stehen nur hinter Bäumen und knirschen", da bringt Franziska ihnen resolut das Spielen bei.
Für Franziska ist keine Angst dabei - Leute, die sich vor jeder Kleinigkeit fürchten, sind oft erstaunlich sicher, wenn es um Größeres geht. Für den Betrachter dagegen ist die Sache mit einer guten Portion Angstlust verbunden, wie man sie nur genießt, wenn man in Sicherheit ist. Struppige, mächtige Tiere mit gelben Augen und scharfen Zähnen versammeln sich da um das kleine Mädchen. Aber es sind nicht gerade Intelligenzbestien, wie man dank Pija Lindenbaums lakonischem Zeichenstrich sofort erkennt, mit dem sie die törichten Wölfe ebensowenig schont wie etwa dicke Erwachsene. Franziska behandelt die Wölfe wie eine Kindergartentante: geduldig, aber in wichtigen Fragen unnachgiebig. Vor dem Schlafengehen schickt sie alle zum Pinkeln hinter ihre Bäume. Da hocken sie und schauen mit schläfrigen Augen hinter den Stämmen hervor, während es "klingt, als würde es im Wald regnen". Unvermeidlich, daß dies ein Lieblingsbild der Kinder wird.
Wenn Pija Lindenbaum ihre Franziska so unbefangen mit den Wölfen umspringen läßt, mit aller Fürsorglichkeit, die zu einer echten Autoritätsperson gehört, dann grüßt sie damit einen seit vielen Jahren heißgeliebten Bilderbuchjungen, Maurice Sendaks Max mit seinen "Wilden Kerlen". Die Geschichte von Franziska ist künstlerisch schlichter angelegt und auf allen Ebenen weniger stilisiert. Bei ihr überwiegt die Wirklichkeit, bei Max das Träumerische. Dennoch: Falls Bilderbücher heute überhaupt noch Klassiker werden können, dann hat "Franziska" ein starkes Potential dazu, ein ähnlich elementares Bucherlebnis für Kinder zu werden wie die "Wilden Kerle".
Das liegt auch daran, daß dieses Buch niemanden zu einer bestimmten Deutung zwingt. Keine enttäuschende Auflösung kommt am Schluß, etwa in dem Sinn, es sei alles nur ein Traum gewesen. Es wird allerdings sehr sachte angedeutet, daß Franziska sich nach ihrer Schicksalsnacht bei den Wölfen durchaus ein wenig mehr traut als vorher. Die Geschichte bleibt ganz bei sich und in manchen Dingen ein Rätsel. Das werden alle zu schätzen wissen: die, welche sich vor jeder Kleinigkeit fürchten, und die anderen, bei denen es schon etwas mehr sein muß.
MONIKA OSBERGHAUS
Pija Lindenbaum: "Franziska und die Wölfe". Aus dem Schwedischen übersetzt von Birgitta Kicherer. Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2002. 40 S., geb., 13,80 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frech und genial: Pija Lindenbaum schickt ein Kind in den Wald
Rotkäppchen heißt jetzt Franziska. Sie trägt einen roten Kapuzenpulli, geht in einen schwedischen Kindergarten und hat vor jeder Kleinigkeit Angst. Hätte die Märchen-Mutter sie in den Wald zur Großmutter geschickt, wäre sie sicherlich niemals vom Wege abgekommen. Man könnte sich ja an Tannennadeln pieksen, hätte sie gedacht. So eine ist Franziska. Ein großer dunkler Wald ist nichts für sie, genau wie einiges andere auch: Hunde streicheln, Regenwürmer anfassen, über den Bach springen - sollen doch die anderen Kinder all das tun, johlend und lachend, sie hält sich lieber abseits. Oder sie klammert sich an der dicken Frau Köpke fest, obwohl die nichts anderes sagt als "Na, das wird ein Spaß!" Franziska ist es nicht so wichtig, daß eine Sache Spaß macht. Hauptsache, sie ist nicht gefährlich.
Pija Lindenbaum hat schon einmal ein Märchen umgekrempelt. Mit "Elsemarie und die kleinen Papas" hat sie sich vor zehn Jahren über die modernen Väter lustig gemacht, indem sie ihnen die Rolle der Zwerge in "Schneewittchen" zuteilte - ein schräges, anarchisches Bilderbuch. "Franziska und die Wölfe" ist auf den ersten Blick braver erzählt, hat aber eine um so nachhaltigere subversive Kraft. Denn hier geht es um die innere Stärke der ängstlichen Kinder. Franziska ist entsetzlich passiv: Als sie die anderen im Wald aus den Augen verliert, bleibt sie einfach sitzen, wo sie ist. Bloß nicht bewegen, dann passiert auch nichts, scheint ihr Motto zu sein. Es ist erholsam, einmal auf eine Bilderbuchheldin zu treffen, die nicht frisch-frech-fröhlich, mädchen-mutig und sozial kompetent herumwuselt, sondern einfach nur dasitzt und ihren Ängsten und Schrullen freien Lauf läßt - und dabei eine Menge erlebt.
Denn jetzt kommen die Wölfe. Als die grauen Gesellen, fünf große Wölfe und ein niedliches Wölfchen, hinter den Baumstämmen hervorschleichen, hat Franziska gar keine Zeit, Angst zu kriegen, weil sie sofort mit ihnen Dinge unternimmt, die ihr Spaß machen. Außerdem ist sie die Bestimmerin. Als die Wölfe ihr erklären: "Wir spielen nicht. Wir stehen nur hinter Bäumen und knirschen", da bringt Franziska ihnen resolut das Spielen bei.
Für Franziska ist keine Angst dabei - Leute, die sich vor jeder Kleinigkeit fürchten, sind oft erstaunlich sicher, wenn es um Größeres geht. Für den Betrachter dagegen ist die Sache mit einer guten Portion Angstlust verbunden, wie man sie nur genießt, wenn man in Sicherheit ist. Struppige, mächtige Tiere mit gelben Augen und scharfen Zähnen versammeln sich da um das kleine Mädchen. Aber es sind nicht gerade Intelligenzbestien, wie man dank Pija Lindenbaums lakonischem Zeichenstrich sofort erkennt, mit dem sie die törichten Wölfe ebensowenig schont wie etwa dicke Erwachsene. Franziska behandelt die Wölfe wie eine Kindergartentante: geduldig, aber in wichtigen Fragen unnachgiebig. Vor dem Schlafengehen schickt sie alle zum Pinkeln hinter ihre Bäume. Da hocken sie und schauen mit schläfrigen Augen hinter den Stämmen hervor, während es "klingt, als würde es im Wald regnen". Unvermeidlich, daß dies ein Lieblingsbild der Kinder wird.
Wenn Pija Lindenbaum ihre Franziska so unbefangen mit den Wölfen umspringen läßt, mit aller Fürsorglichkeit, die zu einer echten Autoritätsperson gehört, dann grüßt sie damit einen seit vielen Jahren heißgeliebten Bilderbuchjungen, Maurice Sendaks Max mit seinen "Wilden Kerlen". Die Geschichte von Franziska ist künstlerisch schlichter angelegt und auf allen Ebenen weniger stilisiert. Bei ihr überwiegt die Wirklichkeit, bei Max das Träumerische. Dennoch: Falls Bilderbücher heute überhaupt noch Klassiker werden können, dann hat "Franziska" ein starkes Potential dazu, ein ähnlich elementares Bucherlebnis für Kinder zu werden wie die "Wilden Kerle".
Das liegt auch daran, daß dieses Buch niemanden zu einer bestimmten Deutung zwingt. Keine enttäuschende Auflösung kommt am Schluß, etwa in dem Sinn, es sei alles nur ein Traum gewesen. Es wird allerdings sehr sachte angedeutet, daß Franziska sich nach ihrer Schicksalsnacht bei den Wölfen durchaus ein wenig mehr traut als vorher. Die Geschichte bleibt ganz bei sich und in manchen Dingen ein Rätsel. Das werden alle zu schätzen wissen: die, welche sich vor jeder Kleinigkeit fürchten, und die anderen, bei denen es schon etwas mehr sein muß.
MONIKA OSBERGHAUS
Pija Lindenbaum: "Franziska und die Wölfe". Aus dem Schwedischen übersetzt von Birgitta Kicherer. Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2002. 40 S., geb., 13,80 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Das muss wohl Begeisterung sein. Monika Osberghaus schreibt dem Bilderbuch von Pija Lindenbaum ein "starkes Potenzial" zu, ein Klassiker zu werden. Von der Geschichte des ängstlich-passiven Mädchens Franziska, das eines Tages im Wald ein Wolfsrudel trifft und sich mit ihm anfreundet, gehe eine "subversive Kraft" aus. "Erholsam" findet es die Rezensentin, einmal eine Bilderbuchheldin zu treffen, die nicht "frisch-frech-fröhlich, mädchen-mutig und sozial kompetent herumwuselt", sondern einfach sitzen bleibt und ihren "Ängsten und Schrullen freien Lauf lässt". Einen weiteren großen Vorteil des Buchs sieht die Rezensentin in der zurückhaltenden Pädagogik und dem offenen Schluss, der den Leser nicht zu einer Deutung zwingt. Dadurch bleibe die Geschichte bei sich "und in manchen Dingen ein Rätsel".
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Falls Bilderbücher heute überhaupt noch Klassiker werden können, dann hat Franziska ein starkes Potenzial dazu, ein ähnlich elementares Bucherlebnis für Kinder zu werden wie 'Die wilden Kerle'." Monika Osberghaus, F.A.Z. "Diese Franziska hat das Zeug zur Serienheldin." General-Anzeiger, Bonn "Frech und genial!" Frankfurter Allgemeine Zeitung "Schwer zu sagen, worüber man mehr lachen muss, über den Text oder über die Zeichnungen." Bayerischer Rundfunk