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"In Mexiko ist es das Beste, wenn man ein hässliches Mädchen ist."
Ladydi wächst in einem Dorf in den mexikanischen Bergen auf. Es ist eine karge und harte Welt. Eine Welt, in der verzweifelte Mütter ihre Töchter als Jungen verkleiden oder in Erdlöchern verstecken, sobald am Horizont die Geländewagen der Drogenhändler auftauchen. Aber Ladydi träumt von einer richtigen Zukunft. Ein Job als Hausmädchen in Acapulco verspricht die Rettung, doch dann verwickelt ihr Cousin sie in einen Drogendeal ...
(5 CDs, Laufzeit: 5h 54)

Produktbeschreibung
"In Mexiko ist es das Beste, wenn man ein hässliches Mädchen ist."

Ladydi wächst in einem Dorf in den mexikanischen Bergen auf. Es ist eine karge und harte Welt. Eine Welt, in der verzweifelte Mütter ihre Töchter als Jungen verkleiden oder in Erdlöchern verstecken, sobald am Horizont die Geländewagen der Drogenhändler auftauchen. Aber Ladydi träumt von einer richtigen Zukunft. Ein Job als Hausmädchen in Acapulco verspricht die Rettung, doch dann verwickelt ihr Cousin sie in einen Drogendeal ...

(5 CDs, Laufzeit: 5h 54)
Autorenporträt
Nicolai von Schweder-Schreiner, geboren in Lissabon, lebt in Hamburg. Er übersetzt aus dem Englischen und dem Portugiesischen. Außerdem arbeitet er als Komponist und Musiker.

Nina Hoss, 1975 in Stuttgart geboren, sammelte schon als Abiturientin erste Erfahrungen vor der Kamera im Kinofilm "Und keiner weint mir nach". Bei dieser Produktion wurde Bernd Eichinger auf sie aufmerksam und verpflichtete sie für die Rolle der Rosemarie Nitribit in der Neuverfilmung von "Das Mädchen Rosemarie". 1999 schloss Hoss ihr Schauspielstudium an der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin ab. Neben einem Engagement am Deutschen Theater in Berlin ist sie auch in zahlreichen TV- und Kinoproduktionen zu sehen, u. a. in Doris Dörries "Nackt" und in "Die weiße Massai". 2003 und 2005 erhielt sie den Grimme-Preis in Gold. Für ihre Hauptrolle im Kinofilm "Yella" wurde Hoss 2008 mit dem Deutschen Filmpreis und dem silbernen Bären auf der Berlinale ausgezeichnet. 2012 erschien der Kinofilm "Barbara" von C

hristian Petzold, in dem sie die Hauptrolle spielt. 2014 war sie in "Phoenix" und "A Most Wanted Man" zu sehen.

Jennifer Clement, 1960 in Connecticut geboren, wuchs in Mexiko-Stadt auf, studierte in New York und Paris Literaturwissenschaft und hat Lyrik und mehrere Romane veröffentlicht.
Trackliste
CD 1
1Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:03
2Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:06:46
3Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:08:43
4Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:06:01
5Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:41
6Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:07:32
7Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:08:28
8Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:02:11
9Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:24
10Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:09
11Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:03:44
12Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:25
CD 2
1Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:06:05
2Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:03:36
3Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:54
4Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:09:22
5Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:07:39
6Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:06:34
7Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:15
8Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:28
9Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:39
10Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:41
11Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:03:34
12Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:48
CD 3
1Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:03:20
2Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:22
3Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:08:40
4Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:08:25
5Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:10
6Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:57
7Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:14
8Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:05:48
9Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:06:02
10Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:07:03
11Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:02:47
12Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:08:13
13Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten00:04:11
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2014

Guerrero heißt Krieger . . .

. . . und gerade sind hier, in der mexikanischen Provinz Guerrero, 40 Studenten verschleppt worden. Meistens sind es aber die Mädchen, die entführt, vergewaltigt, getötet werden. Das ist der Drogenkrieg. Jennifer Clements Roman "Gebete für die Vermissten" erzählt von diesem Krieg. Grausam und genau. Eine Begegnung mit der Autorin

Ihr Mädchen seid alle so dumm, sagte er."

"Ich bin froh, dass ich keine Tochter habe."

"Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich kotzen."

Eigentlich wusste Ladydi, wie man auf solche Männer reagiert. Man steckt ihnen einen Zeigefinger ins Auge und höhlt es aus wie eine Muschel. Das hat sie von ihrer Mutter gelernt. Nur war der Mann, dem Ladydi nun gegenübersaß, ein Polizist, und sie selbst trug Handschellen. Sie war machtlos. Und konnte auch diesem Mann, wie allen Männern in ihrem bisherigen Leben, nichts entgegensetzen außer ein Arschloch auf den Lippen und einen Fluch, den sie in Gedanken gen Himmel stieß. So was wie: "Möge eine gigantische Termite aus seinem Nabel wachsen oder eine Ameise aus seinem Ohr. Möge ein Wurm seinen Penis fressen."

Ladydi stammt aus einem Bergdorf zwischen Mais-, Mohn- und Marihuanafeldern im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Dort lebt sie mit ihrer Mutter Rita in einer Hütte mit Wellblechdach und Lehmboden, Skorpionen, roten Ameisen, Papayabäumen und einem Friedhof aus Bierflaschen. Mädchen wie Ladydi gibt es in Guerrero viele. Sie heißen Paula, Estefani, Maria. Sie sind Töchter ohne Väter mit Müttern ohne Männer. Weil die längst weg sind, als Barkeeper in Acapulco oder als Tellerwäscher in den Vorstädten von San Diego und Los Angeles. Wenn sie nicht gestorben sind, im Drogenkrieg erschossen oder auf der Flucht in die Vereinigten Staaten im Rio Grande ertrunken - was ihren Frauen nur recht wäre, diesen Matriarchinnen wider Willen, denen meist kaum mehr bleibt als die Wut im Bauch, die Angst im Herzen und die Rache auf der Zunge.

Diesen Müttern und Töchtern hat die Schriftstellerin Jennifer Clement ihren Roman "Gebete für die Vermissten" gewidmet. Mit ihnen hat sie in elf Jahren mehr als zweihundert Interviews geführt - mit Frauen von Drogenhändlern, die fliehen konnten, mit Müttern, deren Töchter auf offener Straße entführt wurden, mit ehemaligen Sexsklavinnen, Gefängnisinsassinnen und Sozialarbeitern. Auch, weil den Vermissten und ihren Angehörigen sonst niemand zuhört. Laut Nichtregierungsorganisationen wurden von insgesamt mehr als 100000 Entführungen im Jahr 2013 nicht mal 1500 zur Anzeige gebracht. Die Geschichten dieser Frauen hat Clement in einen Dreiakter über das Mädchen Ladydi García Martínez verwoben, der sie von ihrer Kindheit im Dschungel von Guerrero über eine Stelle als Dienstmädchen bei einem Drogenboss in Acapulco bis ins Frauengefängnis von Mexiko-Stadt begleitet. Auch auf die Gefahr hin, als Autorin selbst in die Schusslinie der Drogenkartelle zu geraten - bisher waren durchgeschnittene Telefonkabel und zerstochene Reifen die einzige Reaktion auf ihr Buch.

Clement ist auf Lesereise in Deutschland. Sie sitzt in einem roséfarbenen Cashmere-Twinset, ihre blonden Locken im Nacken zusammengebunden, in einer Hotellobby in Berlin-Charlottenburg.

"Ich hab' gehört, Sie sind heute Morgen erst angereist. Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug und der Jetlag . . ."

"Jetlag? Ich kenne keinen Jetlag. Das ist eine Frage der Einstellung, und ich finde nichts langweiliger als Menschen, die sich über ihren Jetlag beschweren. Get over it."

Amerikanisches Lächeln. Clement ist in Connecticut geboren, aber in Mexiko-Stadt aufgewachsen. Sie ist mit Lyrik und einem Buch über Suzanne Mallouk, die Muse von Jean-Michel Basquiat, bekannt geworden und war drei Jahre lang Vorsitzende des mexikanischen PEN, ausgerechnet, als der Drogenkrieg eskalierte und ein mexikanischer Journalist nach dem anderen brutal umgebracht wurde. Gabriel Huge. Guillermo Luna. Esteban Rodríguez. Regina Martínez. Clement organisierte in dieser Zeit eher Demonstrationen als Literaturworkshops, sprach bei Politikern, Richtern, Juristen vor, doch für die mehr als achtzig Journalisten, die seit dem Jahr 2000 ermordet wurden, ist bis heute niemand ins Gefängnis gegangen.

Nebenbei recherchierte sie für "Gebete für die Vermissten". Ohne zu wissen, wo die Interviews sie hinführen würden. Zu Essays, zu einem Sachbuch, zu Zeitungsartikeln. "Bis mir die Putzfrau einer Freundin in Mexiko-Stadt eines Tages erzählte, dass sie bei ihr Zuhause, im Bundesstaat Guerrero, ihre Töchter in Erdlöchern verstecken." Da kam das Bild von Mexiko als einem Kaninchenbau versteckter Frauen und die Vorstellung, wie es sein muss in einem Loch mitten in einem Maisfeld zu liegen, "über dir ein paar Palmenblätter, den Geruch von Erde in der Nase, dein Herz trommelt und dann kommt dieser SUV und du weißt, das sind die Männer von der Drogenmafia, die kommen, um dich zu holen". In dem Moment sei die Stimme ihrer Hauptfigur Ladydi zu ihr gekommen.

Sofort sei klar gewesen, dass das Buch in Guerrero spielen muss. "Ich suche nach sinnlichen und sprachlichen Überraschungen, wie das Schöne und das Hässliche zusammenfinden, wie es in schrecklichen Situationen Liebe geben kann, ich suche nach Adjektiven, Metaphern, Geschmäckern, Gerüchen." Dafür müsse man einen Ort schon ziemlich gut kennen. So wie Clement Guerrero. Als sie selbst noch ein kleines Mädchen war, hat ihre Familie oft in dem Bundesstaat am Pazifik Urlaub gemacht. Diese ersten unschuldigen Besuche merkt man ihrem Roman an. Wie fasziniert sie vom Dschungel und seinen Bewohnern gewesen sein muss: "Guerrero heißt übersetzt Krieger, darauf sind die Menschen dort stolz. Man sagt, sie seien gefährlich wie ein weißer Skorpion, der sich unter deinem Kopfkissen versteckt." Für diese Beobachtung ist die Wirklichkeit ihr bester Zeuge. Erst Ende September verschwanden in Guerrero 43 Studenten auf mysteriöse Weise, an dem Ort, an dem sie sich zuletzt aufhielten, wurde ein Massengrab gefunden. Als Clement von den Guerreros erzählt, fehlen ihr ein paar englische Wörter. Der amerikanische Lyriker W. S. Merwin hat mal über Clement gesagt, sie schreibe zwar auf Englisch, "aber sie träumt auf Spanisch". Von dieser Beziehung lebt ihre Geschichte. Von einem Blick einer einheimischen Ausländerin auf ihre Heimat.

Sie selbst bezeichnet ihr Buch als ein Requiem für das Land, das sie liebt. Als eine Totenmesse. Dabei geht ihre Sprache keinesfalls im Trauerflor. "Gebete für die Vermissten" ist kein exotisierender Mitleidsporno. Dafür sind die Figuren viel zu widerständig, zu ungehobelt, viel zu souverän. Wie Ladydis Mutter Rita, eine Frau so dünn wie ein kleiner Finger, meistens betrunken, deren "Füße in ihren Plastikflipflops so weit nach vorn rutschten, dass die Zehen sich wie Krallen vorn über den Rand bogen", die alles über Troja und das Römische Reich weiß, weil sie nachmittags immer History Channel schaut und Lebensweisheiten wie Ohrfeigen verteilt: "Das Leben ist böse."

"Einen rosa Schlüpfer zu tragen, ist schlimmer als nackt zu sein."

"An einem Ort ohne Männer zu leben, ist wie schlafen, ohne zu träumen."

"Ein Gerücht ist mir lieber als die Wahrheit."

"Die Welt einer Frau steckt in ihrer Unterhose."

Der Roman treibt den Leser tief in den mexikanischen Dschungel Guerreros und in die Seelen seiner Bewohner, die, so schmutzig wie ihr Äußeres ist, als "so etwas wie Verwandte von Papayabäumen, Leguanen und Schmetterlingen" durchgehen. Vor allem, wenn ein neuer Lehrer wie José Rosa aus der Stadt kommt, mit einem Atem, der nach "Glassscheiben, nach Zement und nach Fahrstühlen zum Mond" schmeckt und mit dessen Ankunft so etwas "wie ein großer Spiegel" in den Dschungel fällt. Ein Spiegel, in dem sich Ladydi und ihre Freundinnen selbst mit den Augen des Neuankömmlings betrachten konnten. In solchen Momenten verscheucht man auch als Leser vorsichtshalber ein paar imaginäre Ameisen von seinen nackten Beinen.

Clement hat erlebt, wie das Mexiko ihrer Kindheit sich in einen Moloch aus Drogen und Gewalt verwandelt hat, in ein wahrscheinlich nie wieder zu entwirrendes Knäuel aus Schuld und Sühne, Gefallen und Gefallenen. In diesem Mexiko bleibt keiner, nicht mal ein Mädchen wie Ladydi, ohne Sünde.

MAREIKE NIEBERDING.

Jennifer Clement: "Gebete für die Vermissten". Roman. Aus dem Englischen von Nicolai Schweder-Schreiner. Suhrkamp, 229 Seiten, 19,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Clement destilliert das Gehörte und Erfahrene in eine schlanke, wie hingetuschte Erzählung von hoher poetischer Kraft.« Paul Ingendaay Frankfurter Allgemeine Zeitung 20141011