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Etwas Besonderes soll er werden, der erste richtige Jagdausflug des elfjährigen Jungen mit seinem Vater, Großvater und einem Freund des Vaters. Als sie das Jagdrevier der Familie erreichen, sehen sie in der Ferne einen Wilderer. Der Vater lässt den Jungen durchs Zielfernrohr seines Jagdgewehrs auf den Eindringling blicken - doch statt nur zu beobachten, drückt er ab. Bestürzung über die eigene Tat, Tränen oder Reue bleiben aus. Ist dem Jungen die Tragweite seiner Tat nicht bewusst? Hat er kein Mitgefühl? Was als Ausflug geplant war, wird zu einem archaischen Ringen, das die Männer an ihre Grenzen bringt. …mehr

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Produktbeschreibung
Etwas Besonderes soll er werden, der erste richtige Jagdausflug des elfjährigen Jungen mit seinem Vater, Großvater und einem Freund des Vaters. Als sie das Jagdrevier der Familie erreichen, sehen sie in der Ferne einen Wilderer. Der Vater lässt den Jungen durchs Zielfernrohr seines Jagdgewehrs auf den Eindringling blicken - doch statt nur zu beobachten, drückt er ab. Bestürzung über die eigene Tat, Tränen oder Reue bleiben aus. Ist dem Jungen die Tragweite seiner Tat nicht bewusst? Hat er kein Mitgefühl? Was als Ausflug geplant war, wird zu einem archaischen Ringen, das die Männer an ihre Grenzen bringt.
Autorenporträt
David Vann wurde 1966 auf Adak Island/Alaska geboren. Seine Romane sind vielfach preisgekrönt und erscheinen in 22 Ländern. David Vann lebt in Neuseeland und ist derzeit Professor an der University of Warwick in England.

Miriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, studierte Anglistik und Amerikanistik in Hamburg und den USA. Zuletzt erschienen in ihrer Übersetzung Werke von David Vann, NoViolet Bulawayo und Eimear McBride.

Christian Brückner, geboren 1943 in Schlesien, wuchs in Köln auf. Engagements am Theater, kontinuierliche Arbeit für Funk und Fernsehen. 1990 erhielt er den Grimme-Preis Spezial in Gold. Schwerpunkt seiner Arbeit heute: öffentliche Literaturlesungen, oft eingebunden in einen musikalischen Zusammenhang. 2000 Gründung des Hörbuchverlags parlando mit seiner Frau Waltraut. 2005 Auszeichnung des gesamten Programms mit dem Deutschen Hörbuchpreis. 2012 wurde Christian Brückner der Sonderpreis für sein Lebenswerk verliehen, 2017 erhielt er den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik und 2018 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Rezensionen
Ich sehe für Amerika keine Hoffnung mehr

Seine Heimat hat er in den letzten Jahren nur noch einmal betreten. Eine Begegnung mit dem Schriftsteller David Vann, dessen neuer Roman "Goat Mountain" jetzt auf Deutsch erscheint.

Ein elfjähriger Junge und sein Gewehr. Der Vater des Kindes und der Großvater, der wie ein unbarmherziger, alttestamentlicher Gott über die Familie herrscht. Der beste Freund des Vaters, der selbst schon zur Familie gehört und schließlich Zeuge ihrer erschreckenden Apokalypse wird. Das sind Figuren aus "Goat Mountain", dem neuen Roman des amerikanischen Schriftstellers David Vann. Darin erinnert sich ein namenloser Erzähler, wie er im Herbst 1978 zusammen mit den Älteren zum Jagdrevier der Familie in Nordkalifornien aufbrach, um seinen ersten Hirsch zu schießen und die seit Generationen in die blutige Erde dieses Ortes eingeschriebene Geschichte fortzuerzählen.

Es ist die Geschichte von Tod und Männlichkeit, von Blutrausch und Allmacht, dem Mythos jenes Quells unversiegbarer Manneskraft, der aus einem schweißnassen Kadaver entspringt - Voodoo einer atavistischen, im Dickicht der Zivilisation lauernden Welt. Als der Vater den Sohn durch das Zielfernrohr seiner .300 Magnum einen Wilderer auf ihrem Land betrachten lässt und der Junge den Mann ins Fadenkreuz nimmt, seinem Instinkt folgt und den Wilderer erschießt, geht ein Riss durch die Zeit, und der Mensch zeigt sich in seiner nackten, aller Hemmnisse beraubten Gestalt.

"Ich erinnere mich, wie das Blut in meinen Schläfen pochte, wenn ich als Kind mit meinem Gewehr auf einen Hirsch zielte, und ich nichts anderes mehr hören konnte", sagt David Vann. "Im Töten lag eine absolute Faszination, und im Alter von elf Jahren hatte ich bereits zwei Hirsche erlegt und gab mich dem Blutrausch mit der gleichen Leidenschaft hin wie die anderen Männer meiner Familie. Als mich mein Vater dann durch das Zielfernrohr seines Gewehrs einen Wilderer betrachten ließ, packte mich ein Schwindel, so als stünde ich am Rand einer Klippe, und etwas in mir, irgendetwas, von dem ich damals nicht wusste, dass es in mir ist, wollte abdrücken. Ich habe mich oft gefragt, was mich als Kind davon abgehalten hat, es zu tun und den Augenblick vorüberziehen zu lassen, statt den Wilderer zu erschießen."

Vann sitzt im Konferenzraum von Suhrkamp, seinem deutschen Verlag, der nun "Goat Mountain" herausbringt. Auf der Durchreise von Neuseeland in die Türkei ist der amerikanische Schriftsteller nur für ein paar Tage in Berlin, wo er lieber in Parks allein durchs Unterholz streift als sich in einem Café der Einsamkeit der Großstadt auszuliefern - "dieser Welt der Illusionen", wie es in seinem 2012 erschienenen Roman "Dreck" heißt, dessen verstörender Protagonist sich nach Transzendenz und Erlösung verzehrt; dieser Verirrung einer konsum- und technikversessenen urbanen Gegenwart, der sich Vann wie in früheren Romanen nun auch in "Goat Mountain" wieder radikal verweigert. Im Regenwald von Alaska ist der 1966 auf Adak Island geborene Sohn eines Zahnarztes mit dem Gefühl der Angst vor Bären und Wölfen aufgewachsen, "dem Gefühl, beobachtet und gejagt zu werden", so beschreibt er es, "und doch auch vollkommen im Einklang mit der Welt, so wachsam und lebendig, wie ich es in einer Stadt niemals sein könnte".

In Berlin erzählt er jetzt von der Entstehung des neuen Romans, mit dem er die "letzten Reste" des autobiographischen Materials über seine von Gewalt zerrüttete, von mehreren Selbstmorden und einem Mord erschütterte Familie "weggebrannt" hat. Sechs Jahre lang hat er aus diesem Material geschöpft, seit seinem literarischen Debüt mit "Legend of a Suicide". Vann hatte nach dem Selbstmord seines Vaters dessen Waffen geerbt und als Dreizehnjähriger, als er mit seiner Mutter in Santa Rosa lebte, nachts durch das Zielfernrohr der geladenen .300 Magnum in die Schlafzimmer der Nachbarn geblickt. "Etwas in mir war bereit zu töten und ist es vielleicht noch immer", sagt er, "und dieses Etwas ist etwas Teuflisches, das ich verabscheue, von dem ich aber dennoch nicht glaube, dass es verleugnet oder ignoriert werden darf. Ich glaube, dass es erforscht werden muss und dass das dämonische Land der Literatur ein sicherer Ort ist, um es zu tun."

Jammer und Klage, Schreie von bebendem Zorn und unnennbarer Qual ziehen sich durch Vanns Werk. Das Heulen des Vaters, der in "Sukkwan Island", einer langen, in Deutschland unter dem Titel "Im Schatten des Vaters" separat veröffentlichten Erzählung aus "Legend of a Suicide", seinen toten Sohn entdeckt: nur noch Haut und Knochen des von einer Kugel zerrissenen Kopfes, mit einer Hälfte des gerade noch erkennbaren Gesichts. Der gequälte Tierlaut des Mannes, der in "Die Unermesslichkeit" von seiner Frau mit Pfeil und Bogen getötet wird, und der schreiende Schmerz im Kopf der Frau, die sich schließlich selbst "wie ein Tier zur Schlachtbank zu führen" versucht. Das Stöhnen und Schluchzen des Jungen, der in "Dreck" bei sengender Hitze das Grab für die von ihm eingesperrte Mutter schaufelt, das Flehen dieser Mutter, ihr Wüten, das Kratzen der blutigen Finger am Holz. Das sind Affekte eines Menschen, der den tiefen Schmerz persönlicher Erfahrung hinter der Maske eines Schriftstellers verbirgt, der vorgibt, in der Tradition der antiken Tragödie zu arbeiten.

"Die moderne Welt ist eine der Zerstreuung und Entfremdung", sagt Vann, der im Anschluss an "Goat Mountain" eine Bearbeitung des Medea-Mythos geschrieben hat, einen vor mehr als dreitausend Jahren spielenden, in den Vereinigten Staaten voraussichtlich 2016 erscheinenden Roman namens "Bright Air Black". "Was mir an der griechischen Tragödie gefällt, sind nicht nur die dramatischen Einheiten von Ort und Zeit und die Beschränkung auf wenige Figuren, sondern auch die Konzentration auf die wesentlichen Fragen der Menschheit. Wer sind wir? Was macht das Wesen des Menschen aus? Welche verborgenen Gesetze bestimmen unser Familienleben und sind das Fundament unserer Gesellschaft? Die Frage nach dem Guten und dem Bösen. Es braucht nicht viel, um uns zu zerbrechen und das Tier oder Monster in uns zu entfesseln."

Vann trägt ein ordentliches Sakko, ein gebügeltes Hemd. Er hat kurzes schütteres Haar, weiche, auch im Alter von 47 Jahren noch immer jungenhaften Züge, alterslose Haut und strahlende Zähne. Er zeigt ein einnehmendes Lächeln, mit dem er sich jedem noch so geringen Wort der Bewunderung für sein faszinierendes, vor allem in Europa erfolgreiches Werk dankbar unterwirft. Sein kontrolliertes, freundliches Gebaren, das nichts von dem Schrecken und der Verstörung preisgibt, deren Kraft sein Schreiben antreibt, ist eine einzige Provokation. So, als wäre Euripides ein glücklicher Mensch gewesen.

Es gibt ein Foto des jungen David Vann mit zwei toten Hirschen und seiner Winchester - ein Foto, so anmutig wie das von Lee Harvey Oswald, der im heimischen Garten sein Carcanogewehr präsentiert. "Meine Bücher sind implizit antiamerikanisch, allein schon, weil ich in ihnen nicht den Mythos der frontier weitererzähle, dieses wilden Grenzlands, wo sich das Individuum seiner eigenen Tugenden versichern kann", sagt Vann, der in seinem ersten Buch, der 2005 erschienenen Autobiographie "A Mile Down", die Geschichte seines eigenen, auf hoher See ausgetragenen und in der Tiefe eines Sturms beinahe verlorenen Kampfes mit diesem Mythos erzählt. "Viele Amerikaner lieben diesen romantischen Stuss noch heute, aber die Landschaften meiner Bücher sind stattdessen Abbilder unserer ganzen Schlechtigkeit." Seelenlandschaften wie das eisige Alaska in "Im Schatten des Vaters", die dörrende Erde in "Dreck". Spiegel eines inneren Infernos, in dem auch in "Goat Mountain" die Figuren qualvoll zugrunde gehen - Berge des Zorns, Wälder der Mordlust.

"Die Wahrheit ist, dass sich Amerika in einer Abwärtsspirale in Richtung Armut und Verzweiflung befindet und sich Millionen von Amerikanern an ihre Waffen klammern, weil sie dieser Entwicklung ohnmächtig ausgeliefert sind. Ein Gewehr gibt dir das Gefühl von Macht", sagt Vann. Seit Jahren bekämpft er die amerikanischen Waffengesetze und hat sich damit die mächtige Waffenlobby zum Feind gemacht: ein politisches Engagement, mit dem Vann auch die eigenen Dämonen zu bezwingen versucht, ein Credo, so stark wie die bannende Kraft der Literatur. "Die Waffenliebe der Amerikaner ist Ausdruck des Unvermögens, darüber zu sprechen, wie schrecklich das eigene Leben in Wirklichkeit ist."

Vann lebt inzwischen in den Bergen von Neuseeland und hat im Laufe der beiden letzten Jahre nur einen einzigen Tag in den Vereinigten Staaten verbracht; voraussichtlich wird er noch für ein weiteres Jahr keinen Fuß mehr auf die verhasste Heimaterde setzen. "Ich sehe für Amerika keine Hoffnung mehr", sagt er, "Amerika ist ein gewalttätiges, ein schreckliches Land, das seine eigenen Probleme verleugnet." Er lässt den Blick schweifen und lächelt - vielleicht nur, weil er in den Regalen den Regenbogen der Edition-Suhrkamp-Bände entdeckt. "Aber eine Gesellschaft, die ihre Probleme verleugnet, ist ebenso zum Untergang verdammt wie eine Familie, die dies tut. Wenn du Schriftsteller bist, musst du dich den Problemen stellen. Du musst deine Familie auf den Altar legen und die Axt schwingen. Du musst jeden einzelnen von ihnen in Stücke hauen und den Flammen übergeben."

THOMAS DAVID

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