Was macht eine freie und gleichberechtigte Gesellschaft aus? Wofür stehen wir? Was hält uns zusammen? Mutige Statements von Albert Einstein bis Greta Thunberg
#wir sind mehr!, Friedenspreise, Aufrufe zum Miteinander, gegen Spaltung und für eine demokratische Gesellschaft - im gesamten 20. Jahrhundert und bis heute gab es Menschen, die sich engagieren. Ob Thomas Mann, der 1945 zu mehr Menschlichkeit aufruft, oder Albert Schweitzer, der den Geist der Humanität beschwört. Ob John F. Kennedy mit "Ich bin ein Berliner" die demokratische Gesellschaft fordert oder später Stéphane Hessel, der mit "Empört euch!" deren Werte bedroht sieht. Ob Campino zum Aufstand der Anständigen ruft oder Greta Thunberg für Klimaschutz einsteht. Sie alle haben Botschaften, stehen für ein Deutschland und eine Welt der Visionen und Ziele im Sinne einer freien und friedlichen Gesellschaft.
In diesen Originalaufnahmen sind zu hören: Thomas Mann, Albert Einstein, Albert Schweitzer, Lise Meitner, Erich Kästner, John F. Kennedy, Astrid Lindgren, Heinrich Böll, Jan Josef Liefers, Christine Nöstlinger, Campino, Greta Thunberg u. v. a.
1 MP3-CD, 3h 4min
#wir sind mehr!, Friedenspreise, Aufrufe zum Miteinander, gegen Spaltung und für eine demokratische Gesellschaft - im gesamten 20. Jahrhundert und bis heute gab es Menschen, die sich engagieren. Ob Thomas Mann, der 1945 zu mehr Menschlichkeit aufruft, oder Albert Schweitzer, der den Geist der Humanität beschwört. Ob John F. Kennedy mit "Ich bin ein Berliner" die demokratische Gesellschaft fordert oder später Stéphane Hessel, der mit "Empört euch!" deren Werte bedroht sieht. Ob Campino zum Aufstand der Anständigen ruft oder Greta Thunberg für Klimaschutz einsteht. Sie alle haben Botschaften, stehen für ein Deutschland und eine Welt der Visionen und Ziele im Sinne einer freien und friedlichen Gesellschaft.
In diesen Originalaufnahmen sind zu hören: Thomas Mann, Albert Einstein, Albert Schweitzer, Lise Meitner, Erich Kästner, John F. Kennedy, Astrid Lindgren, Heinrich Böll, Jan Josef Liefers, Christine Nöstlinger, Campino, Greta Thunberg u. v. a.
1 MP3-CD, 3h 4min
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2020Geschichtliche Tage
Eine Anthologie versammelt Originaltöne „für eine bessere Gesellschaft“
Er klingt ein wenig schüchtern, als spreche er mehr zu sich, als zu einem Publikum, aber was Albert Einstein zu sagen hat, ist klar und fest formuliert: „Seltsam erscheint unsere Lage auf dieser Erde. Jeder von uns erscheint da unfreiwillig und ungebeten zu kurzem Aufenthalt, ohne zu wissen, warum und wozu. Im täglichen Leben fühlen wir nur, dass der Mensch um anderer willen da ist, solcher, die wir lieben, und zahlreicher anderer, ihm schicksalsverbundener Wesen. Oft bedrückt mich der Gedanke, in welchem Maße mein Leben auf der Arbeit meiner Mitmenschen aufgebaut ist, und ich weiß, wie viel ich Ihnen schulde. (...) Ich achte stets das Individuum und hege eine unüberwindliche Abneigung gegen Gewalt und gegen Vereinsmeierei. Aus allen diesen Motiven bin ich leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist, lehne jeden Nationalismus ab, auch wenn er sich nur als Patriotismus gebärdet. (...) Ich bin zwar im täglichen Leben ein typischer Einspänner, aber das Bewusstsein, der unsichtbaren Gemeinschaft derjenigen anzugehören, die nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit streben, hat das Gefühl der Vereinsamung nicht aufkommen lassen.“
Der Text trägt den Titel „Mein Glaubensbekenntnis“. Einstein schrieb ihn im August 1932 in Caputh nieder. Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 hatten über 13,745 Millionen Deutsche die NSDAP gewählt, die damit zur stärksten Partei wurde. Die politische und wirtschaftliche Krise der Republik trat in ihre entscheidende Phase, eine Mehrheit im Lande gab sich dem Rausch der Kampfkollektive hin, akzeptierte Gewalt oder ignorierte sie, trieb das, was Einstein zurückhalten „Vereinsmeierei“ genannt hatte, auf die nationalistische, kollektivistische, gegen die Rechte des Individuums gerichtete Spitze. Einstein sprach seinen Text wahrscheinlich Ende September, Anfang Oktober 1932 im Auftrag der Liga für Menschenrechte auf Schallplatte ein. Anfang Dezember reiste er in die USA, um dort Gastvorlesungen zu halten. Er kehrte nicht nach Deutschland zurück, am 10. Mai 1933 wurden auch seine Schriften von nationalsozialistischen Studenten verbrannt.
Die Schallplattenaufnahme eröffnet eine Anthologie mit Originalaufnahmen. Unter dem Titel „#Haltung“ hat die erfahrene Hörbuchlektorin Christiane Colloredo 31 Beispiele für „Haltung im Sinne einer demokratischen, humanistischen Gesellschaft und einer zukunftsorientierten und zukunftsfähigen Gesellschaft“ zusammengetragen. Thomas Mann und Astrid Lindgren kommen ebenso zu Wort wie Christian Ude und Campino, Greta Thunberg, Luisa Neubauer, Rezo und viele andere Youtuber. John F. Kennedy bekennt, ein Berliner zu sein, Ronald Reagan fordert, die Berliner Mauer einzureißen, der Schauspieler Jan Josef Liefers spricht in der Hauptstadt der DDR zu Zehntausenden auf dem Alexanderplatz, Dr. Motte auf der Loveparade des Jahres 1998: „One world, One future“.
Man kann in dieser Hör-Anthologie einige Entdeckungen machen. Am 19. Januar 1949 berichtet die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert, Jahrgang 1896, den „verehrten Hörerinnen und Hörern“, dass im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates in Bonn „dank der Initiative der Sozialdemokraten die Gleichberechtigung der Frau in die Verfassung aufgenommen worden ist“. Dieser Tag sei „ein geschichtlicher Tag“ gewesen, sagt sie und fügt hinzu: „Lächeln Sie nicht, ess ist nicht falsches Pathos einer Frauenrechtlerin, das mich so sprechen lässt“.
Sie hatte die Öffentlichkeit mobilisiert und nach langen Kämpfen als eine von nur vier Frauen unter den 65 Abgeordneten im Parlamentarischen Rat durchgesetzt, dass die schlichte Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz kam. Den Hörerinnen und Hörern versicherte sie: „Ich bin Jurist (!) und unpathetisch, und ich bin Frau und Mutter und zu frauenrechtlerischen Dingen gar nicht geeignet“. Sie spreche aus dem „Empfinden einer Sozialistin heraus“. Nach jahrzehntelangem Kampf um Gleichberechtigung habe sie das Ziel erreicht. Einerseits distanziert sie sich von „frauenrechtlerischen Dingen“, andererseits beruft sie sich auf ihre Erfahrungen als „weiblicher Anwalt“, um das Unrecht, das Frauen angetan wurde, anzuprangern. Wie im Falle des leisen, sehr persönlichen Glaubenbekenntnisses von Einstein, lohnt es sich, über die Position und mehr noch über die Art, in der sie formuliert wurde, nachzudenken.
Leider liefert die Anthologie dafür zu wenig Informationen und huldigt lieber einem Kult des Engagements. Haltung beweist sich doch in erster Linie in einem konkreten Dagegen- und Dafürsein. Sie wird deutlich, wenn man die Gegenstimmen kennt, die Widerstände, die Lage gerade an den historischen Tagen. Wenn in einer beeindruckenden Ansprache der Landrat des Landkreises Osterholz bei Bremen um freundliche Aufnahme deutscher Flüchtlinge bittet – etwa 25000 kam dort im Winter 1945 an –, dann sollte man sich die Lage in ganz Europa, das Elend der befreiten KZ-Häftlinge, die Schicksale der Displaced Persons vor Augen führen.
„Die Flüchtlinge bleiben hier“, sagt der namentlich nicht genannte Landrat, „sie werden unsere Mitglieder und -bürger. Sie dürfen nicht angesehen werden, als seien sie Bettler, die zu uns gekommen sind“. Es sei dafür zu sorgen, dass sie „hier bei uns Heimatgefühl und Heimatberechtigung genießen“, weil sie voraussichtlich nie zurückkehren werden nach Pommern, Ostpreußen und Schlesien.
Was verbindet diese pragmatische Aufforderung mit den Friedenspreisreden von Astrid Lindgren und Carolin Emcke, mit den Statements von Bruce Springsteen während seines Ost-Berliner Konzerts 1988 und Dr. Mottes Ansprache an die Raver zehn Jahre später? Die Zusammenstellung der verschiedenen Stimmen ist vom Krisengefühl geleitet, dass gegenwärtig „Demokratie, Friede, Gemeinschaft in Frage gestellt werden“. Gerade in Krisen – aber wann waren Demokratie und Frieden wirklich ungefährdet? – hilft es, sich mit Geschichte zu beschäftigen, Traditionen zu bilden oder zu bekräftigen. Man könnte sich Tag für Tag mit einem der Statements dieses Hörbuchs befassen, sie wirklich zu verstehen versuchen. Das würde einen guten Monat dauern. Sie einfach so und rasch hintereinander zu konsumieren, birgt die Gefahr, sich bequem einzurichten auf der sicheren Seite, abgehoben vom tagespolitischen Geschehen.
JENS BISKY
Christiane Collorio (Hrsg.): #Haltung. Statements für eine bessere Gesellschaft. Der Hörverlag, München 2020. 1 MP3 CD, ca. 184 Minuten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Anthologie versammelt Originaltöne „für eine bessere Gesellschaft“
Er klingt ein wenig schüchtern, als spreche er mehr zu sich, als zu einem Publikum, aber was Albert Einstein zu sagen hat, ist klar und fest formuliert: „Seltsam erscheint unsere Lage auf dieser Erde. Jeder von uns erscheint da unfreiwillig und ungebeten zu kurzem Aufenthalt, ohne zu wissen, warum und wozu. Im täglichen Leben fühlen wir nur, dass der Mensch um anderer willen da ist, solcher, die wir lieben, und zahlreicher anderer, ihm schicksalsverbundener Wesen. Oft bedrückt mich der Gedanke, in welchem Maße mein Leben auf der Arbeit meiner Mitmenschen aufgebaut ist, und ich weiß, wie viel ich Ihnen schulde. (...) Ich achte stets das Individuum und hege eine unüberwindliche Abneigung gegen Gewalt und gegen Vereinsmeierei. Aus allen diesen Motiven bin ich leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist, lehne jeden Nationalismus ab, auch wenn er sich nur als Patriotismus gebärdet. (...) Ich bin zwar im täglichen Leben ein typischer Einspänner, aber das Bewusstsein, der unsichtbaren Gemeinschaft derjenigen anzugehören, die nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit streben, hat das Gefühl der Vereinsamung nicht aufkommen lassen.“
Der Text trägt den Titel „Mein Glaubensbekenntnis“. Einstein schrieb ihn im August 1932 in Caputh nieder. Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 hatten über 13,745 Millionen Deutsche die NSDAP gewählt, die damit zur stärksten Partei wurde. Die politische und wirtschaftliche Krise der Republik trat in ihre entscheidende Phase, eine Mehrheit im Lande gab sich dem Rausch der Kampfkollektive hin, akzeptierte Gewalt oder ignorierte sie, trieb das, was Einstein zurückhalten „Vereinsmeierei“ genannt hatte, auf die nationalistische, kollektivistische, gegen die Rechte des Individuums gerichtete Spitze. Einstein sprach seinen Text wahrscheinlich Ende September, Anfang Oktober 1932 im Auftrag der Liga für Menschenrechte auf Schallplatte ein. Anfang Dezember reiste er in die USA, um dort Gastvorlesungen zu halten. Er kehrte nicht nach Deutschland zurück, am 10. Mai 1933 wurden auch seine Schriften von nationalsozialistischen Studenten verbrannt.
Die Schallplattenaufnahme eröffnet eine Anthologie mit Originalaufnahmen. Unter dem Titel „#Haltung“ hat die erfahrene Hörbuchlektorin Christiane Colloredo 31 Beispiele für „Haltung im Sinne einer demokratischen, humanistischen Gesellschaft und einer zukunftsorientierten und zukunftsfähigen Gesellschaft“ zusammengetragen. Thomas Mann und Astrid Lindgren kommen ebenso zu Wort wie Christian Ude und Campino, Greta Thunberg, Luisa Neubauer, Rezo und viele andere Youtuber. John F. Kennedy bekennt, ein Berliner zu sein, Ronald Reagan fordert, die Berliner Mauer einzureißen, der Schauspieler Jan Josef Liefers spricht in der Hauptstadt der DDR zu Zehntausenden auf dem Alexanderplatz, Dr. Motte auf der Loveparade des Jahres 1998: „One world, One future“.
Man kann in dieser Hör-Anthologie einige Entdeckungen machen. Am 19. Januar 1949 berichtet die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert, Jahrgang 1896, den „verehrten Hörerinnen und Hörern“, dass im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates in Bonn „dank der Initiative der Sozialdemokraten die Gleichberechtigung der Frau in die Verfassung aufgenommen worden ist“. Dieser Tag sei „ein geschichtlicher Tag“ gewesen, sagt sie und fügt hinzu: „Lächeln Sie nicht, ess ist nicht falsches Pathos einer Frauenrechtlerin, das mich so sprechen lässt“.
Sie hatte die Öffentlichkeit mobilisiert und nach langen Kämpfen als eine von nur vier Frauen unter den 65 Abgeordneten im Parlamentarischen Rat durchgesetzt, dass die schlichte Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz kam. Den Hörerinnen und Hörern versicherte sie: „Ich bin Jurist (!) und unpathetisch, und ich bin Frau und Mutter und zu frauenrechtlerischen Dingen gar nicht geeignet“. Sie spreche aus dem „Empfinden einer Sozialistin heraus“. Nach jahrzehntelangem Kampf um Gleichberechtigung habe sie das Ziel erreicht. Einerseits distanziert sie sich von „frauenrechtlerischen Dingen“, andererseits beruft sie sich auf ihre Erfahrungen als „weiblicher Anwalt“, um das Unrecht, das Frauen angetan wurde, anzuprangern. Wie im Falle des leisen, sehr persönlichen Glaubenbekenntnisses von Einstein, lohnt es sich, über die Position und mehr noch über die Art, in der sie formuliert wurde, nachzudenken.
Leider liefert die Anthologie dafür zu wenig Informationen und huldigt lieber einem Kult des Engagements. Haltung beweist sich doch in erster Linie in einem konkreten Dagegen- und Dafürsein. Sie wird deutlich, wenn man die Gegenstimmen kennt, die Widerstände, die Lage gerade an den historischen Tagen. Wenn in einer beeindruckenden Ansprache der Landrat des Landkreises Osterholz bei Bremen um freundliche Aufnahme deutscher Flüchtlinge bittet – etwa 25000 kam dort im Winter 1945 an –, dann sollte man sich die Lage in ganz Europa, das Elend der befreiten KZ-Häftlinge, die Schicksale der Displaced Persons vor Augen führen.
„Die Flüchtlinge bleiben hier“, sagt der namentlich nicht genannte Landrat, „sie werden unsere Mitglieder und -bürger. Sie dürfen nicht angesehen werden, als seien sie Bettler, die zu uns gekommen sind“. Es sei dafür zu sorgen, dass sie „hier bei uns Heimatgefühl und Heimatberechtigung genießen“, weil sie voraussichtlich nie zurückkehren werden nach Pommern, Ostpreußen und Schlesien.
Was verbindet diese pragmatische Aufforderung mit den Friedenspreisreden von Astrid Lindgren und Carolin Emcke, mit den Statements von Bruce Springsteen während seines Ost-Berliner Konzerts 1988 und Dr. Mottes Ansprache an die Raver zehn Jahre später? Die Zusammenstellung der verschiedenen Stimmen ist vom Krisengefühl geleitet, dass gegenwärtig „Demokratie, Friede, Gemeinschaft in Frage gestellt werden“. Gerade in Krisen – aber wann waren Demokratie und Frieden wirklich ungefährdet? – hilft es, sich mit Geschichte zu beschäftigen, Traditionen zu bilden oder zu bekräftigen. Man könnte sich Tag für Tag mit einem der Statements dieses Hörbuchs befassen, sie wirklich zu verstehen versuchen. Das würde einen guten Monat dauern. Sie einfach so und rasch hintereinander zu konsumieren, birgt die Gefahr, sich bequem einzurichten auf der sicheren Seite, abgehoben vom tagespolitischen Geschehen.
JENS BISKY
Christiane Collorio (Hrsg.): #Haltung. Statements für eine bessere Gesellschaft. Der Hörverlag, München 2020. 1 MP3 CD, ca. 184 Minuten, 20 Euro.
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