Armin Mueller-Stahl erzählt eine tief berührende Geschichte über verlorene Illusionen, die Liebe zur Musik und eine lebenslange Freundschaft - voll poetischer Spannung und Melancholie.
Nach dem Tod der jungen Geigerin Hannah treffen sich ihr Vater, der erfolgreiche Schriftsteller Hermann Krämer, und sein Jugendfreund Arnold in der Suite eines Luxushotels. Ihr Gespräch wird für Hermann zur Konfession, zur Lebensbeichte, an deren Ende er das Geheimnis aufdeckt, das beider Leben seit langem überschattet. Und es ist ein Requiem für Hannah. Sie hat mit vier Jahren begonnen, Geige zu spielen, und es darin zu großer Meisterschaft gebracht. Für Hermann ist sie das Zentrum seines Seins, bewundert, gehütet, über alles geliebt. Doch sie ahnt nichts von dem Geheimnis ihrer Herkunft.
Als Hannah die Wahrheit erfährt, flieht sie entsetzt und verunglückt wenig später tödlich. Hermann steht vor den Trümmern seines Lebens, Hannah ist tot, seine Ehe zerbrochen. Doch er hat auch einen Freund wiedergefunden.
Nach dem Tod der jungen Geigerin Hannah treffen sich ihr Vater, der erfolgreiche Schriftsteller Hermann Krämer, und sein Jugendfreund Arnold in der Suite eines Luxushotels. Ihr Gespräch wird für Hermann zur Konfession, zur Lebensbeichte, an deren Ende er das Geheimnis aufdeckt, das beider Leben seit langem überschattet. Und es ist ein Requiem für Hannah. Sie hat mit vier Jahren begonnen, Geige zu spielen, und es darin zu großer Meisterschaft gebracht. Für Hermann ist sie das Zentrum seines Seins, bewundert, gehütet, über alles geliebt. Doch sie ahnt nichts von dem Geheimnis ihrer Herkunft.
Als Hannah die Wahrheit erfährt, flieht sie entsetzt und verunglückt wenig später tödlich. Hermann steht vor den Trümmern seines Lebens, Hannah ist tot, seine Ehe zerbrochen. Doch er hat auch einen Freund wiedergefunden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2005Wenn der Himmel weint
Künstlerexistenzen: Eine Erzählung von Armin Mueller-Stahl
In Heinrich Breloers Dreiteiler "Die Manns" ließ Armin Mueller-Stahl hinter der förmlichen Würde und Reserviertheit des Großschriftstellers eine gedämpfte Wärme durchschimmern. Die Maske Thomas Manns, des bürgerlichen Romanciers, mit so viel verhaltener Noblesse getragen, stand ihm gut. Bei dieser Konstellation traf Schauspieler auf Schauspieler: Thomas Mann hatte sich das Repräsentieren zur Lebensaufgabe gemacht, liebte seine kunstvolle Selbstinszenierung und erwies sich dabei als brillanter Akteur. Armin Mueller-Stahl strebt ebenfalls nach der Doppelrolle. Nach Drehschluß widmet er sich der filigranen Kunst des Schreibens.
Die Erzählung "Hannah" läßt sich durchaus als Epilog zu seiner Rolle in Breloers "Jahrhundertroman" lesen. Denn wieder leuchtet Armin Mueller-Stahl eine Künstlerexistenz aus, diesmal mit den Werkzeugen des Literaten. Sein Ich-Erzähler Hermann Krämer, durch seinen Vornamen mit einer autobiographischen Schattierung ausgestattet, ist Schriftsteller und wird sogar als Anwärter auf den Nobelpreis für Literatur gehandelt. In der Suite eines Kölner Luxushotels wartet er auf seinen Schulfreund Arnold. Die beiden Männer in fortgeschrittenem Alter, zwei ineinander verflochtene Existenzen, sind verbunden durch die Liebe zu Helen, die Hermanns Ehefrau wurde, und durch einen lange zurückliegenden, von Hermann arrangierten Betrug. Hermann bereitet sich auf den Monolog, den er Arnold präsentieren möchte, Anklage, Bekenntnis und Rechtfertigungsrede zugleich, vor wie auf einen Auftritt im Theater. Er ist ein kalkulierender Artist; durch ihn zitiert Armin Mueller-Stahl jenen für sein Werk blutenden, vom Menschlichen abgeschnittenen Künstler herbei, als der sich Thomas Mann ins Gedächtnis der Literaturgeschichte eingeschrieben hat. Auf Mueller-Stahls Bühne darf er noch einmal auftreten, und in Zitaten wird eines seiner literarischen Urbilder beschworen: Dr. Aschenbach heißt der gefürchtete alte Klassenlehrer, an den sich der Schriftsteller im Gespräch mit seinem Jugendfreund erinnert.
Während Armin Mueller-Stahl seinen Thomas Mann in einem milden Halbdunkel weichzeichnete, setzt er seinen Ich-Erzähler einem harten und allzu grellen Licht aus. Vieles ist zu laut, zu plakativ, die Kontrasteffekte plump, so daß man stets die Absicht dahinter bemerkt. Hermann Krämer, der unter der schweren Bronze des Großschriftstellers zu ersticken droht, sehnt sich, wie könnte es anders sein, nach Leichtigkeit und Mühelosigkeit. Dieses Ideal sah er verkörpert in seiner verstorbenen Tochter Hannah, einem musikalischen Wunderkind von überirdischer Schönheit. Das Spiel dieser "göttlichen Geigerin" sei so "leicht, leicht, leicht" gewesen, als würde "der Himmel selbst" musizieren. Sie steht doch tatsächlich "da, wo Anne-Sophie Mutter steht"! Als Hermann ihr auf einer Reise nach Marokko die Wahrheit über ihre Herkunft offenbarte, war das tragische Ende unvermeidlich. Sie verschwand einfach, wie das solche Zauberwesen zu tun pflegen, und ging auf merkwürdige Weise zugrunde.
Hermanns Enthüllungen sind allzu früh allzu absehbar. Im Verschwommenen verlieren sich dagegen die Motive für seine Feindseligkeit dem großherzigen Arnold gegenüber. Genau scheint er sie selbst nicht zu kennen. Für einen hochreizbaren Künstler ist er aus zu grobem Holz geschnitzt. Seine Eigenschaften ergeben kein Ganzes: Dieser beherrschte, kaltherzige Regisseur seines eigenen Lebens, der seinen Freund in ein abgekartetes Spiel verwickelte, "ein Narziß, ein Übervater, ein selbsternannter Gott und ein Mephisto", soll eine Handschrift haben, der "jede Gefühlsböe" anzusehen ist? Hermann Krämer hat etwas Übertriebenes und Halbfertiges, und man möchte ihn, wie einen überspannten Mimen im Theater, ausbuhen.
Der hohe Ton kippt leicht ins Belanglose. Angestrengt wirkt der Dreiklang von Tod, Musik und Ewigkeit, der sich als wehmütige Begleitmelodie durch den Text zieht. "Wenn ich Bach spiele, weiß ich, was Unendlichkeit ist. Er ist die Unendlichkeit selbst. Bach ist die Brücke ins Jenseits": Um diese bedeutungsschweren Worte der Tochter kreisen Hermanns Gedanken. Solche Kunstandacht kommt angesichts der Erzählung nicht auf.
ANDREA NEUHAUS
Armin Mueller-Stahl: "Hannah". Erzählung. Aufbau-Verlag, Berlin 2004. 134 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Künstlerexistenzen: Eine Erzählung von Armin Mueller-Stahl
In Heinrich Breloers Dreiteiler "Die Manns" ließ Armin Mueller-Stahl hinter der förmlichen Würde und Reserviertheit des Großschriftstellers eine gedämpfte Wärme durchschimmern. Die Maske Thomas Manns, des bürgerlichen Romanciers, mit so viel verhaltener Noblesse getragen, stand ihm gut. Bei dieser Konstellation traf Schauspieler auf Schauspieler: Thomas Mann hatte sich das Repräsentieren zur Lebensaufgabe gemacht, liebte seine kunstvolle Selbstinszenierung und erwies sich dabei als brillanter Akteur. Armin Mueller-Stahl strebt ebenfalls nach der Doppelrolle. Nach Drehschluß widmet er sich der filigranen Kunst des Schreibens.
Die Erzählung "Hannah" läßt sich durchaus als Epilog zu seiner Rolle in Breloers "Jahrhundertroman" lesen. Denn wieder leuchtet Armin Mueller-Stahl eine Künstlerexistenz aus, diesmal mit den Werkzeugen des Literaten. Sein Ich-Erzähler Hermann Krämer, durch seinen Vornamen mit einer autobiographischen Schattierung ausgestattet, ist Schriftsteller und wird sogar als Anwärter auf den Nobelpreis für Literatur gehandelt. In der Suite eines Kölner Luxushotels wartet er auf seinen Schulfreund Arnold. Die beiden Männer in fortgeschrittenem Alter, zwei ineinander verflochtene Existenzen, sind verbunden durch die Liebe zu Helen, die Hermanns Ehefrau wurde, und durch einen lange zurückliegenden, von Hermann arrangierten Betrug. Hermann bereitet sich auf den Monolog, den er Arnold präsentieren möchte, Anklage, Bekenntnis und Rechtfertigungsrede zugleich, vor wie auf einen Auftritt im Theater. Er ist ein kalkulierender Artist; durch ihn zitiert Armin Mueller-Stahl jenen für sein Werk blutenden, vom Menschlichen abgeschnittenen Künstler herbei, als der sich Thomas Mann ins Gedächtnis der Literaturgeschichte eingeschrieben hat. Auf Mueller-Stahls Bühne darf er noch einmal auftreten, und in Zitaten wird eines seiner literarischen Urbilder beschworen: Dr. Aschenbach heißt der gefürchtete alte Klassenlehrer, an den sich der Schriftsteller im Gespräch mit seinem Jugendfreund erinnert.
Während Armin Mueller-Stahl seinen Thomas Mann in einem milden Halbdunkel weichzeichnete, setzt er seinen Ich-Erzähler einem harten und allzu grellen Licht aus. Vieles ist zu laut, zu plakativ, die Kontrasteffekte plump, so daß man stets die Absicht dahinter bemerkt. Hermann Krämer, der unter der schweren Bronze des Großschriftstellers zu ersticken droht, sehnt sich, wie könnte es anders sein, nach Leichtigkeit und Mühelosigkeit. Dieses Ideal sah er verkörpert in seiner verstorbenen Tochter Hannah, einem musikalischen Wunderkind von überirdischer Schönheit. Das Spiel dieser "göttlichen Geigerin" sei so "leicht, leicht, leicht" gewesen, als würde "der Himmel selbst" musizieren. Sie steht doch tatsächlich "da, wo Anne-Sophie Mutter steht"! Als Hermann ihr auf einer Reise nach Marokko die Wahrheit über ihre Herkunft offenbarte, war das tragische Ende unvermeidlich. Sie verschwand einfach, wie das solche Zauberwesen zu tun pflegen, und ging auf merkwürdige Weise zugrunde.
Hermanns Enthüllungen sind allzu früh allzu absehbar. Im Verschwommenen verlieren sich dagegen die Motive für seine Feindseligkeit dem großherzigen Arnold gegenüber. Genau scheint er sie selbst nicht zu kennen. Für einen hochreizbaren Künstler ist er aus zu grobem Holz geschnitzt. Seine Eigenschaften ergeben kein Ganzes: Dieser beherrschte, kaltherzige Regisseur seines eigenen Lebens, der seinen Freund in ein abgekartetes Spiel verwickelte, "ein Narziß, ein Übervater, ein selbsternannter Gott und ein Mephisto", soll eine Handschrift haben, der "jede Gefühlsböe" anzusehen ist? Hermann Krämer hat etwas Übertriebenes und Halbfertiges, und man möchte ihn, wie einen überspannten Mimen im Theater, ausbuhen.
Der hohe Ton kippt leicht ins Belanglose. Angestrengt wirkt der Dreiklang von Tod, Musik und Ewigkeit, der sich als wehmütige Begleitmelodie durch den Text zieht. "Wenn ich Bach spiele, weiß ich, was Unendlichkeit ist. Er ist die Unendlichkeit selbst. Bach ist die Brücke ins Jenseits": Um diese bedeutungsschweren Worte der Tochter kreisen Hermanns Gedanken. Solche Kunstandacht kommt angesichts der Erzählung nicht auf.
ANDREA NEUHAUS
Armin Mueller-Stahl: "Hannah". Erzählung. Aufbau-Verlag, Berlin 2004. 134 S., geb., 16,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Tobias Lehmkuhl ist alles andere als begeistert. In der Rahmenhandlung, die den Rezensenten stark an Sandor Marais "Die Glut" erinnert, treffen sich zwei alte Freunde und sprechen über ihre Liebe zur gleichen Frau und deren Tochter Hannah. Diese Enthüllungen schockieren Lehmkuhl aber nicht, sondern wirken auf ihn "allzu kalkuliert". Auch können die Inhalte der Gespräche den Rezensenten nicht begeistern: "Hier wird etwas psychologisiert, da ein wenig philosophiert und am Ende gibt es eine dicke Umarmung der beiden übrig gebliebenen". Dabei sprechen ihm die Figuren zu korrekt, so dass sie "hölzern und unnatürlich" wirken. Besonders stört Lehmkuhl der "Hauch des Tragischen", der die Erzählung ständig begleite und der Lesung einen "angestrengten und anstrengenden Ernst" verleihe, der nur "seltenst" durch Tempowechsel durchbrochen wird. Der Rezensent weiß deshalb bedauernd, dass er ein paar Minuten später das ganze Buch wieder vergessen werde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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