• Audio CD

24 Kundenbewertungen

Schuld an allem ist sowieso Matzes Freundin: Sina fand, dass eine Gruppenreise durch Namibia genau das Richtige vor dem Umzug wäre. Und sie hat den falschen Handyadapter gekauft. Nicht schlimm eigentlich, hätte Matze nicht vor der Abreise vergessen, die Reservierungsgebühr für die Eigentumswohnung zu überweisen. Jetzt ist es zu spät. Jetzt wird er mit neun Volltrotteln in alberner Wanderkleidung zwei Wochen lang in einem Minibus quer durch Namibia gerüttelt. Als Sina ihm dann auch noch immer neue Einrichtungsideen präsentiert, weiß Matze, dass er heimlich das Geld überweisen und die Wohnung…mehr

Produktbeschreibung
Schuld an allem ist sowieso Matzes Freundin: Sina fand, dass eine Gruppenreise durch Namibia genau das Richtige vor dem Umzug wäre. Und sie hat den falschen Handyadapter gekauft. Nicht schlimm eigentlich, hätte Matze nicht vor der Abreise vergessen, die Reservierungsgebühr für die Eigentumswohnung zu überweisen. Jetzt ist es zu spät. Jetzt wird er mit neun Volltrotteln in alberner Wanderkleidung zwei Wochen lang in einem Minibus quer durch Namibia gerüttelt. Als Sina ihm dann auch noch immer neue Einrichtungsideen präsentiert, weiß Matze, dass er heimlich das Geld überweisen und die Wohnung retten muss. Keine leichte Aufgabe zwischen Feldbett und Funkloch. Vor allem, wenn der einzige Ort mit Handyempfang die riesige Holzgiraffe am Pool ist.
Der Jaud liest das Roman »Sitzreihe 12 war die letzte, die zwischen Tortellini und Hühnchen wählen durfte. Ich saß in Reihe 13. Schon auf dem Hinflug hätte mir klar sein können, dass der Jahresurlaub zum Albtraum wird.« Wer an allem schuld ist, ist für Matze sowieso klar: seine Freundin Sina. Während er in endlosen Verhandlungen die neue Eigentumswohnung klargemacht hat, sollte sie einfach nur »irgendwas« buchen. Hat sie auch. Doch musste dieses »irgendwas« ausgerechnet eine zweiwöchige Gruppenreise durch Namibia sein, ein Land, in dem jede hüftkranke Schildkröte schneller ist als das Internet? Was hat er denn verbrochen, dass man ihn nun täglich in einen Kleinbus voller Bekloppter sperrt, um ihn dann zu österreichischen Schlagern über afrikanische Schotterpisten zu rütteln? Und warum stolpert er bei minus zwei Grad in einem albernen Wanderhut über die Dünen der Kalahari, statt auf Mallorca ein Bierchen zu schlürfen? Als Matze dann noch daran erinnert wird, dass die sicher geglaubte Wohnung an andere Käufer geht, wenn er nicht sofort die fünftausend Euro Reservierungsgebühr überweist, hat er gleich noch drei neue Probleme: Das nächste Internetcafé ist fünfhundert Kilometer entfernt, der Handyakku plattgedaddelt und das einzige Ladegerät fest in österreichischer Hand. »Ich drücke meine Nase ans Busfenster und blicke hinaus ins weite Land. Die Namibier winken uns und lachen. Klar lachen sie, sie sind ja frei. Wir nicht. Wir sind die in Blech gepackte Rache für die deutsche Kolonialzeit.«
Autorenporträt
Tommy Jaud wurde in Schweinfurt geboren und arbeitete dort nach dem Abitur für genau zwei Tage bei McDonald's (zuständig für Mc Rib). Er begann ein Germanistikstudium in Bamberg und moderierte bei Antenne Thüringen, zog dann nach Köln, wo er für die "Wochenshow" arbeitete und als Creative Producer bei "Ladykracher". 2004 schrieb Jaud seinen ersten Roman, weitere folgten. Tommy Jaud schrieb auch die Drehbücher zu den Komödien "Vollidiot", "Resturlaub" und "Zwei Weihnachtsmänner". Derzeit lebt und schreibt Tommy Jaud als freier Autor vor allem in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2010

Dummheit schützt vor Kasse nicht

Verkauft sich wie geschnitten Brot mit hohem Vollidiotenanteil: "Hummeldumm", die Fernreisensatire des Gagschreibers Tommy Jaud, führt die Bestsellerliste an. Warum nur?

Als im Frankfurter Hauptbahnhof vor wenigen Tagen das neue Buch von Tommy Jaud plakatiert wurde, ahnte man schon, was folgen würde: Das Werk würde nach Erscheinen in den Bahnhofsbuchhandlungen zu Türmen aufgeschichtet werden, diese würden beharrlich schrumpfen, und eine Woche später würde "Hummeldumm" an der Spitze der Bestsellerlisten stehen. So geschah es dann auch.

Fremd wirkte das Plakat mit seiner knallorangen Grundfarbe an den Wänden des öffentlichen Raums, wo sonst meist dezente Bilder junger Musikerinnen prangen, und doch verwies das Motiv - ein Erdmännchen in einem Wanderschuh, daneben der Buchtitel "Hummeldumm" - auf ein Hauptthema der aktuellen Büchersaison: die Dummheit.

Das Erdmännchen, das dann auch das Buchcover zierte, kann dabei als heimliches Leitmotiv der Frühjahrsbelletristik gelesen werden, begegnete es uns doch schon in dem gerade von den Bestsellerspitzenplätzen verdrängten "Axolotl Roadkill", in dem es in routiniert dekadenter Unkorrektheit über die hyperaktiven, gedächtnisschwachen Scharrtiere heißt: "Ja, diese Scheißerdmännchen sehen leider Gottes auch echt so unglaublich bescheuert aus, die haben irgendwie nichts anderes verdient, als gefressen zu werden." Auch bei Jaud sind die Erdmännchen keine Leuchten, werden aber gerade deshalb im Handlungsverlauf gebraucht; einem von ihnen ist das Buch sogar gewidmet.

Es gibt also wenigstens drei Möglichkeiten, in einem Bestseller des Jahres 2010 zu der angeblich verbreiteten Landplage der Dummheit Stellung zu beziehen. Entweder man lehnt sie vehement und mit erhobenem Zeigefinger ab ("Seichtgebiete", "Die verblödete Republik"), wünscht ihr tabubrüchig die Ausrottung (Hegemann) oder umarmt sie als Pointengeber (Jaud) unter gelegentlichem Einsatz distanzierender Gesten.

Macht was mit Computer

Nur zu einem und sei es vergifteten Lob der Torheit im Stile eines Erasmus von Rotterdam kann sich heute offenbar niemand mehr durchringen. Dabei wäre das zeitgemäßer als alles andere - lebt doch zum Beispiel ein Großteil der erfolgreichen Comedy-Industrie unserer Tage, zu der auch Tommy Jaud als früherer Gag-Schreiber Harald Schmidts, Autor der Sat.1-"Wochenshow" und kreativer Kopf der Serie "Ladykracher" gehörte, offenbar recht kommod von ihr - man denke nur an Mario Barth, der sich mit großem Erfolg über die Dummheit seiner Freundin auslässt, an Cindy aus Marzahn, die die trotzige Borniertheit von Hartz-IV-Empfängern karikiert, oder all die Fernsehsendungen, die sich über die Dummheiten anderer Fernsehsendungen mokieren. Wohinter im Grunde nur eine modernisierte Form der Beutelschneiderei steckt, bei der der werberelevante Kunde mit der wohlfeilen Ware Dummheit abgespeist und somit seinerseits für dumm verkauft wird.

Die Dummenhatz, die niemanden schlauer macht, schafft Gemeinschaftserlebnisse von seltener Eintracht und ermöglicht es somit auch der deutschen Unterhaltungskultur, mehr und mehr den Buchmarkt zu fluten. Davon profitierte Tommy Jaud schon mit seinem Romanerstling "Vollidiot" und den Nachfolgern "Resturlaub" und "Millionär" - allesamt Bücher von bescheidenem literarischen Niveau.

Und das muss man leider auch gleich den ersten Seiten des neuen Buchs bescheinigen: Ein junger Kölner, der in Frankfurt beruflich "irgendwas mit Computer" macht, sitzt im Flugzeug nach Namibia, stößt "mit knirschenden Plastikbechern" (kann Plastik knirschen?) mit seiner Freundin auf den gerade abgeschlossenen Mietvertrag für die neue Traumwohnung an und weiß, wie im Anfangskapitel in einem komplett überdehnten Spannungsbogen gleich mehrfach betont wird, noch nicht, was ihm blüht. Konkret ist das eine blind gebuchte Gruppenreise in Gesellschaft von wanderwilligen Kampfrentnern, Wetterfeen, Fitness-Ossis und anderen Knallchargen, die verschiedener deutscher Dialekte mächtig sind und eine - hauptsächlich durch Bustransfers geprägte - Rundreise durch das frühere Deutsch-Südwestafrika mit ihrem Gemecker und ihren dummen Fragen zur Fahrt in die Abgründe des Bildungspessimismus verwandeln.

Das Ganze mündet in die Dauerkatastrophe, als der Hauptfigur bewusst wird, dass sie die Reservierungsüberweisung für die Anmietung der Traumwohnung versäumt hat, und die labile Telekommunikation Namibias immer wieder verhindert, diese nachzuholen. Reichhaltig werden dabei die Angebote gestreut, sich mit dem intellektuell unterforderten Loser zu identifizieren, der großmäulig seinen Sozialneid und seinen Spießerhass durch die pointendurchtränkte Daueransprache seiner Freundin verarbeitet.

Erdmännchen im Wahnsinn

Doch die Handlung nimmt eine doppelte Wendung, bei der ein Erdmänchen eine gewisse Rolle spielt. Zunehmend gibt Jaud seinen Kommentator, der aus dem Busfenster auf die Slums blickt und dem dabei nichts außer der geplatzten Traumwohnung im Kopf herumschwirrt, selbst der Kritik preis. Und die Pointe des Buchs ist dann sogar radikal zivilisationskritisch: Dem an die Grenzen des iPhone-Akkus gelangenden digitalen Wahnsinn wird der Stecker gezogen, und das rein analoge Nacherzählen eines alten Buchs wird unter dem offenen Himmel über der Wüste zum kathartischen Moment für alle Gruppenreisenden.

Hiermit geht Jaud eine Reflexionsstufe über die Unterhaltungsmaschinerie, aus der er stammt, hinaus. Und am Schluss gelingen ihm sogar Momente der Transzendenz. Kitschig wird es allerdings bei der menschelnden Schlussbotschaft, die stark an einen anderen Bestseller der letzten Jahre erinnert: Hape Kerkelings Pilgerbuch "Ich bin dann mal weg", in dem der Erzähler es sich geradezu auferlegt, die Dummheit seiner Mitmenschen lieben zu lernen. Hieran knüpft Jaud mit einer sozialen und energieeffizienten Erdmännchen-Ethik an, die schon im Motto des Buches angedeutet wird: "Wir sind alle überfordert. Wir brauchen mehr Nachsicht miteinander."

Es ist erhellend, Jauds Buch an den Regeln zu messen, die im englischen "Guardian" gerade von berühmten zeitgenössischen Autoren zum Verfassen guter Romane aufgestellt wurden, denn es verstößt gegen fast alle. Insofern spricht es für eine gesunde Selbsteinschätzung des früheren Germanistik-Studenten Jaud, den Begriff "Roman" für seine Bücher abzulehnen und lieber von "Comedy-Romanen" zu sprechen.

Diese Ambitionslosigkeit scheint Jaud auch deshalb nicht schwerzufallen, weil sie Teil seiner Erfolgsstrategie ist. Zu diesem Ergebnis gelangt man zumindest, wenn man sich auf die Frage einlässt, warum Daniel Kehlmann mit seinem letzten Buch "Ruhm", das ja ebenfalls von scheiternder Telekommunikation handelt, oder Thomas Kapielski, der seine Umwelt mit ganz ähnlichen Augen wie Jaud betrachtet, trotz literarischen Mehrwerts nicht ähnliche Wiederholungserfolge feiern.

"Wer verkaufen will, muss vereinfachen", hat Jaud einmal in einem Interview gesagt, und dieser Einsicht folgt er auch in seinem neuen Buch geflissentlich durch den Einsatz zuweilen plattester Umgangssprache, mit Vergleichen aus der Fernsehwelt und einer linearen Dramaturgie ohne Parallelhandlungen und Zeitsprünge. Dass er diesmal aus der sicheren Deckung heraus Giftpfeile gegen den Zeitgeist abfeuert, verdient dabei mehr als Nachsicht. "Hummeldumm" ist ein Comedy-Roman, der nicht aus seiner Haut kann, obwohl er nur zu gern hinausmöchte.

UWE EBBINGHAUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr