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Eine junge Frau, deren hoffnungsvoller Flirt durch ein Handy zerstört wird, und ein junger Mann, der beim Liebesspiel im entscheidenden Moment nur daran denken kann, wie er sein Ikea-Klappbett aufkriegt. Ein älterer Herr, der nicht mehr fremdgeht, weil die Alimente jetzt so teuer würden, und ein junger Schnösel, der sich heimlich Papas Jaguar leiht und darin statt einer weiblichen Eroberung unversehens ein rasendes Wildschwein transportiert. Eine Schwangere, die den Tod ihres ungeborenen Kindes verschweigt, um ihrer Kusine die Hochzeit nicht zu verderben, und ein ehemaliges Liebespaar, das…mehr

Produktbeschreibung
Eine junge Frau, deren hoffnungsvoller Flirt durch ein Handy zerstört wird, und ein junger Mann, der beim Liebesspiel im entscheidenden Moment nur daran denken kann, wie er sein Ikea-Klappbett aufkriegt. Ein älterer Herr, der nicht mehr fremdgeht, weil die Alimente jetzt so teuer würden, und ein junger Schnösel, der sich heimlich Papas Jaguar leiht und darin statt einer weiblichen Eroberung unversehens ein rasendes Wildschwein transportiert. Eine Schwangere, die den Tod ihres ungeborenen Kindes verschweigt, um ihrer Kusine die Hochzeit nicht zu verderben, und ein ehemaliges Liebespaar, das sich noch einmal wieder sieht, als alles zu spät ist.
Anna Gavalda ist nichts Menschliches fremd, am wenigsten die Liebe. Sie beherrscht das komische wie das ernste Register und trifft dabei stets den richtigen Ton - "Manche Bücher sind so gut, dass Sie beim Lesen das Gefühl haben, der Autor sei Ihr Freund", schrieb die französische Presse über Anna Gavalda. Ihre Chronik des modernen Alltags ist erh eiternd und erbarmungslos zugleich: unser Leben, auf den Punkt gebracht.
"Keiner kann sich so in andere hineinversetzen wie sie." LIBERATION
"Ein weiblicher Sempé." LE FIGARO
Autorenporträt
Anna Gavalda, geb. 1970, ist auf dem Land aufgewachsen, hat in Paris Literatur studiert und wurde mit ihrem ersten Erzählband auf einen Schlag berühmt. Sie lebt mit ihren zwei Kindern bei Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2002

Klappsofa mit Tücken
Anna Gavalda appelliert an die Sehnsüchte liebender Leser

Gäbe es Zuckerwattenliteratur, man müßte diese Erzählungen dazurechnen. Süß und rosa lockend, im Mund ein kurzes Lustgefühl auslösend, das sich schnell im Nichts verflüchtigt. Anna Gavaldas Geschichten sind zarte Verführungen. Sie stören nicht, irritieren nicht und haben doch einen unübersehbaren Unterhaltungswert. Ganz ohne Ambitionen sind sie allerdings nicht, ein gewisser Bildungsanspruch ist ohne Zweifel vorhanden, der in homöopathischen Dosen dem Leser eingeträufelt wird. Geschrieben sind sie in einer luftig leichten Dessertsprache, die vor coolen Trendbegriffen strotzt und mit Szenen-Slang und flapsigen Einschüben aus der Alltagskultur durchsetzt ist.

Ist es ein Wunder, daß die zweiunddreißigjährige französische Debütantin mit dieser Mischung auf Anhieb Erfolg hatte? Ihre Geschichten avancierten in Frankreich prompt zum vieldiskutierten Kultbuch, das über Monate auf den französischen Bestsellerlisten stand. Schon der Titel appelliert an die schlichten Ursehnsüchte: "Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet". Ja, und dieser Jemand wartet nun in der Titelerzählung auf dem Boulevard Saint-Germain, in feinerer, intellektuell angemessen vorbelasteter Umgebung und trifft ganz zufällig auf die Ich-Erzählerin.

Nun muß man sich diese Geschichte mit dem zweideutigen Titel "Kleine Praktiken aus Saint-Germain" - in ihrem Tempo und mit dem spöttisch flimmernden Untergrund eine der stärksten des Buches - nicht als plumpe Herz-Schmerz-Story vorstellen. Dazu ist die Autorin, die in Paris Literatur studierte und als Französischlehrerin tätig ist, viel zu gebildet. Sie weiß, daß Klischees erst dann literarisch produktiv werden, wenn sie so zugespitzt sind, daß sie jederzeit umkippen und ihre spöttische Ladung freigeben könnten. Sie hat es nämlich auf die Karikierung des Trivialen abgesehen. Schon im zweiten Satz also eine selbstironische Anspielung auf Françoise Sagan, die das alles schon lange und viel besser gemacht habe, eine Seite weiter flitzt ein Cupido-Pfeil durch die Buchseiten, und als dieser endlich den Unbekannten trifft, denkt das Fräulein geschwind an Baudelaires Gedicht "Einer Vorübergehenden gewidmet" und zitiert die passenden Verse: "Dich hätte ich geliebt, dich die's erkannt".

So weit, so witzig. In der amourösen Kurzbegegnung zwischen dem Unbekannten in der Tweedjacke und der jungen Frau, die jetzt ein bißchen nervös wird auf der Schwelle zu einer Liebesgeschichte, erkennen wir den unbändigen Willen, den Kitsch des Groschengenres zu persiflieren. Man goutiert also die Beschreibung des ersten schweigenden Spaziergangs der beiden durch die Rue Saint-Jacques als Echo auf die triviale Vorlage, quittiert nicht ohne Applaus den Einfall, daß der entflammte Held sich ausschließlich darüber das Hirn zermartert, ob die Angebetete wohl Strumpfhosen oder Strümpfe trage, eine Frage, in der er sich beim ersten Glas Wein durch das absichtliche Fallenlassen einer Serviette Gewißheit verschafft - und schaut dem wie erwartet platzenden Happy-End gefaßt entgegen. Aber reicht das?

Das Verfahren funktioniert so lange, wie die Themen süffig sind und durch ihre grundsätzliche Leichtgewichtigkeit - oder ist es schon fast Belanglosigkeit? - eine pfiffige sprachliche Abfertigung erlauben. Das trifft etwa für die Geschichte "Klick-klack" zu, die mit dem symptomatischen Satz "Seit fünfeinhalb Monaten habe ich Lust auf Sarah Briot, die Verkaufsleiterin" einsetzt und mit einem Verführungsversuch des täppischen Helden endet, der sich im entscheidenden Moment in der Frage verrennt, wie wohl das Ikea-Bettsofa "Klickklack" aufzuklappen sei.

Nun versucht sich Gavalda aber an den unterschiedlichsten Stoffen des Alltags. Ihre Ich-Erzähler sind bald Frauen, bald Männer, ihr Experimentierfeld sind einmal die Szenen bürgerlicher Ehen, dann wieder verjährte und verpaßte Liebschaften, vernachlässigte Jugendliche, frustrierte Altgattinnen oder hysterische Autorinnen. Sobald sich Anna Gavalda aber diesen ernsthafteren Themen zuwendet, wirkt ihr spaßiger Ton irritierend und ihr erzählerischer Zugriff unpassend. Ihre Darstellung eines "Ungewollten Schwangerschaftsabbruchs", ein Text, der die tragische Erfahrung einer Frau schildert, welche ihr Kind vorzeitig verliert, kann nicht überzeugen. Auch wenn es um ausgeleierte Ehen bürgerlicher Überanpasser geht, die im Netz ihrer wechselseitigen Berechnungen baumeln und sich gemeinsam zu Tode schweigen, versagt die Erzähltechnik dieser Autorin. Wenn sich Anna Gavalda gar sozialkritisch dem verwöhnten, vernachlässigten Nachwuchs der französischen Elite nähert, der sich in sinnlose Abenteuer verirrt (wie in "Junior"), dann bleibt kaum mehr als eine literarische Fingerübung für Fortgeschrittene.

Anna Gavalda: "Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet". Erzählungen. Aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger. Carl Hanser Verlag, München 2002. 167 S., geb., 15,40 .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.03.2002

Café au lait
Diese kleinen, leichten
Erzählungen von Anna Gavalda
Neuerdings lieben die Deutschen die Leichtigkeit, es ist fast schon eine nationale Hausaufgabe: Denn auf dem langen Weg der Deutschen nach Westen ist die Leichtigkeit ästhetisch das, was in der Politik der Citoyen, die Zivilgesellschaft oder das atlantische Bündnis ist. Nicht mehr „Rapallo spielen” (Helmut Kohl) heißt für die Literatur: Statt metaphysischem Höhenkoller Geist und Witz der Gesellschaftsbeobachtung, statt Tiefe Klarheit, statt Innerlichkeit Transparenz: Zola statt Dostojewski.
Wie schön in diesem Sinne, dass jetzt der französische Sensationserfolg der Anna Gavalda ins Deutsche übersetzt wurde (von Ina Kronenberger): „Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet” heißt der Band mit Erzählungen der jungen Schriftstellerin. Und schon sind die ersten Kritiker entzückt, denn sie haben eine nationale Schuld abzutragen: In diesem Land, der Heimat der Schwerblütigen, wird ja angeblich streng zwischen U- und E-Kunst unterschieden, und alles, was künstlerisch in Ballettschuhen und nicht in Knobelbechern daherkommt, findet vor der lutherischen Strenge der Deutschen keine Gnade. Im Sinne der reeducation kriegen sich die neuen Deutschen deshalb gar nicht mehr ein, wenn ihnen von jenseits des Rheins ein Buch wie das von Anna Gavalda geschenkt wird. Wie leicht und trotzdem ziemlich gut, jubiliert der ehrwürdige Kritiker der Zeit: Eine „Urenkelin von Maupassant”!
Wildsau im Jaguar
Die Erzählungen von Anna Gavalda erzählen von einem fast perfekten Rendezvous, bei dem nur das Piepsen des nicht abgestellten Handys den finalen Abschluss vermasselt; von dem bedrückenden Schweigen eines saturierten Ehepaars auf der Fahrt in ihr prächtiges Wochenendlandhaus, wobei die Frau ihr seelisches Unglück mit dem hübschen Kostüm von Cerruti aufwiegt, und ihr Mann die Seitensprünge eingestellt hat, seit ein Kollege ihm beim Golfspiel die zu erwartenden Unterhaltszahlungen vorgerechnet hat; von der Frau, die eben einen ungewollten Schwangerschaftsabbruch hatte, wovon noch keiner etwas weiß, und es nun in ihrem Verlustschmerz ertragen muss, dass bei einem Hochzeitsfest eine andere junge Frau die Hände auf ihren Bauch legt, weil es heißt, dies bringe Glück (für den Handaufleger); vom blasierten Rockstar, der in seinem Leben zig Mächen gehabt hatte, doch die eine, die Scheue, die Stille, bringt ihn komplett aus dem Trott; von dem Handelsvertreter, der erst aus dem Fernsehen erfährt, dass er eine Massenkarambolage mit vielen Toten auf der Autobahn ausgelöst hat; und von dem jungen Schnösel, der sich aus Renommisterei heimlich den Jaguar seines Vaters für eine Party ausleiht und trotzdem nicht nur nicht „die Blonde mit den großen Titten” abkriegt, sondern den Wagen glatt noch von einer Wildsau in Slapsticklaune komplett, nämlich von innen und außen, ruiniert bekommt.
Die ganze wohlsortierte Bandbreite unserer Gemütszustände ist in diesen Geschichten abgedeckt: Die Depression des Scheiterns, der Übermut der Liebe, die Melancholie des Bilanzziehens, der Trotz des tapferen Gegenhaltens, der Kitzel der Phantasie und das Schmunzeln der Weisheit. Alles sehr liebenswürdig und – wie man früher gesagt hätte – pfiffig. Oder auch: Zart und verschmitzt. Technisch läuft das alles sehr glatt, aber gerade das verärgert, weil es immer wieder die gleichen Tricks der dick aufgetragenen Lakonie sind, die die angestrebte Leichtigkeit ins Werk setzen.
Cupido-Pfeil
In den französischen Filmen aus den Achtzigern saßen immer hübsche Mädchen mit einer Schale Milchkaffee und einem Buch im Café und standen so ein für die sehr französische Kombination aus Intellektualität und Sinnlichkeit. Dieses Lebensgefühl (liberté tojour) trägt auch die Erzählungen von Anna Gavalda. Zum Beispiel die erste des Buches, „Kleine Praktiken aus Saint-Germain”, die mit dem piepsenden Handy. Die Ich-Erzählerin verspricht eine „Herz-Schmerz-Geschichte”, die die Leser doch so sehr lieben, „aber Sie können nun einmal keine Groschenromane lesen, wenn Sie bei Lipp oder im Deux-Magots sitzen”. Anna Gavalda, so muss man das wohl verstehen, kann man im Lipp oder im Deux-Magots sehr wohl lesen. Aber von wegen Groschenroman. Die Erzählerin schleppt zwar auf dem Boulevard Saint-Germain einen fremden Mann ab („Ich werfe ihm ein schelmisches Lächeln zu, à la Cupido-Pfeil”), versäumt aber nicht, an Baudelaires Gedicht „An eine Vorübergehende” zu denken. Sofort ironisiert sie diese Anspielung: Bildung ja, aber doch nur mit Augenzwinkern. Als die beiden („Bosswaaa, Monsieur”, sagt der Kellner) dann im Restaurant sitzen, läuft alles prima, der Mann lässt seine Serviette fallen, um zu sehen, ob sie Strümpfe oder Strumpfhosen trägt (ach, die Franzosen sind Kenner und Könner), und fast wäre die Sache perfekt, würde da nicht plötzlich des Herrn Handy klingeln, und dieser einen verstohlenen Blick auf das Display werfen. Diese Nacht verbringen die beiden allein. „Ich hasse meinen Stolz”, beschließt die Erzählerin die Geschichte. Keine Frage: Das ist sehr leicht. Aber zugleich viel zu brav, um ernsthaft (sic!) zu amüsieren.
IJOMA MANGOLD
ANNA GAVALDA: Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet. Erzählungen. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger. Hanser Verlag, München 2002. 168 Seiten, 14,90 Euro.
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