Wo der Hobbit seinen Anfang nahm
Pip und Flora laufen aus dem Sunny Bay Home für elternlose Kinder davon und geraten mitten in eine andere Welt. Sie entdecken das Land der Schnerge, einen magischen Ort tief im Wald. Hier gibt es Zimtbären, ausschweifende Feste und kuriose Rituale - aber auch Hexen und boshafte Wesen. Zum Glück haben die beiden Kinder den chaotischen, liebenswerten Schnerg Gorbo zum Freund. Größter Fan der Schnerge war wohl J.R.R. Tolkien, dem die Originalversion des Textes als Vorbild für den »kleinen Hobbit« diente.
Kinderfantasy wie aus dem Auenland: Fantastik-Großmeister Gert Heidenreich liest.
Pip und Flora laufen aus dem Sunny Bay Home für elternlose Kinder davon und geraten mitten in eine andere Welt. Sie entdecken das Land der Schnerge, einen magischen Ort tief im Wald. Hier gibt es Zimtbären, ausschweifende Feste und kuriose Rituale - aber auch Hexen und boshafte Wesen. Zum Glück haben die beiden Kinder den chaotischen, liebenswerten Schnerg Gorbo zum Freund. Größter Fan der Schnerge war wohl J.R.R. Tolkien, dem die Originalversion des Textes als Vorbild für den »kleinen Hobbit« diente.
Kinderfantasy wie aus dem Auenland: Fantastik-Großmeister Gert Heidenreich liest.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2021Bis wir trunken ratzen
„Im kleinen wilden Schnergenland“ – ein Fantasy-Klassiker aus den
Zwanzigerjahren, neu erzählt von Veronica Cossanteli
Der Verlag wirbt mit der Information, der Kinderbuchklassiker „The Marvellous Land of Snergs“ von E.A. Wyke-Smith von 1927 sei, nach Tolkiens eigenem Bekunden, das Vorbild für den „Kleinen Hobbit“. Doch der Vergleich führt leicht in die Irre. Tolkiens Roman ist die Geburtsstunde eines einzigartig komplexen Paralleluniversums. Die Schnergengeschichte dagegen ist unterhaltsame Fantasy für Kinder mit einer gehörigen Portion Witz, Schauder und tugendhafter Belehrung. Die Abenteuer zweier Menschenkinder und ihres Schnergenfreundes hat nun die britische Autorin Veronica Cossanteli neu erzählt.
Im ihrem Schnergenland – freundlich, farbig und kindlich illustriert von Paddy Donnelly – gibt es einen Riesen, der am liebsten Kleinkinder fressen wollte, wenn er denn nicht zum Vegetarier umerzogen worden wäre. Es gibt eine Hexe, es gibt Schnodderwürmer, Säbelzahn-Tausendfüßer, Vampirfalter und Heulschnecken. Zwischen dem Land der kleinen Schnerge und dem der verfeindeten Kelpse wuchern äußerst hinterlistige Wälder. Und irgendwo am Rande gibt es den letzten Zipfel einer Ansiedlung von Nudelingen – so heißen die Menschen. Vor allem bevölkern Halbnudeln, also Kinder, ein Waisenhaus an der Sunny Bay. Geführt wird das Heim für „überflüssige und aus Zufall elternlose Kinder“ von einer strengen Dame namens Miss Watkyns, hinter deren rauer Schale sich eine herzensgute Seele verbirgt (Mary Poppins lässt grüßen!). Oberstes Prinzip ihres Regiments scheint die Einhaltung von Regeln zu sein. Offensichtlich umgibt sie eine derart magische Aura, dass sogar ihr Goldfisch artig im Glas unablässig die gleichen Kreise im Uhrzeigersinn zieht. Erwähnenswert sind noch ein uralter Kapitän und seine zahnlose Mannschaft, die auf einem Segelschiff in der Nachbarbucht residieren. Letztlich aber führt der Umstand, dass Schnerge für Haushaltsdienste im Heim herangezogen werden, zu dem Dilemma, das die Geschichte in Bewegung bringt. Eben steht einer von ihnen, Gorbo, mit gesenktem Haupt vor Miss Watkyns. Neben ihm, gleichermaßen zerknirscht, Flora und Pip, die neuesten Zöglinge im Heim, die sich, zusammen mit ihrem Schnergenfreund, einfach nicht an das strenge Reglement gewöhnen wollen und von der Leiterin ermahnt werden. Der Junge stammt aus einer Zirkusakrobatenfamilie und wurde vom Vater misshandelt. Und Flora wurde von ihrer wohlhabenden Mutter abgeschoben und entschloss sich, nicht mehr zu sprechen. Die Hexe Malicia, die etwas Geheimnisvolles mit Miss Watkyns verbindet, versucht, Flora zu entführen. Damit beginnt für die beiden Kinder, für Gorbo und ein zugelaufenes Hündchen eine Abenteuerreise durch fantastische Welten, bei der man sich als teilnehmender Beobachter – ganz anders als bei Tolkien – trotz Dramatik stets auf der sicheren Seite fühlt.
Cossanteli hat sich auf muntere, zeitgemäße und hintergründige Weise vom Original inspirieren lassen. Und Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn ist bei jedem der vielen wunderbar schrägen Sprachspiele anzumerken, welchen Spaß es ihm bereitet, sich mit den magnoelefantasmagorischen Geschöpfen zu verständigen: „Wir singen, bis wir trunken ratzen, // wir tanzen, bis die Blasen platzen. // Ein wahrer Schnerg geht brav und nett // nach einem Kopfstand erst ins Bett.“
SIGGI SEUSS
Veronica Cossanteli: Im kleinen wilden Schnergenland. Neu erzählt nach einem Roman von E.A. Wyke-Smith. Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. Mit Bildern von Paddy Donnelly. Thienemann 2021. 238 Seiten, 15 Euro.
Uwe-Michael Gutzschhahn
machen die Sprachspiele viel Spaß
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Im kleinen wilden Schnergenland“ – ein Fantasy-Klassiker aus den
Zwanzigerjahren, neu erzählt von Veronica Cossanteli
Der Verlag wirbt mit der Information, der Kinderbuchklassiker „The Marvellous Land of Snergs“ von E.A. Wyke-Smith von 1927 sei, nach Tolkiens eigenem Bekunden, das Vorbild für den „Kleinen Hobbit“. Doch der Vergleich führt leicht in die Irre. Tolkiens Roman ist die Geburtsstunde eines einzigartig komplexen Paralleluniversums. Die Schnergengeschichte dagegen ist unterhaltsame Fantasy für Kinder mit einer gehörigen Portion Witz, Schauder und tugendhafter Belehrung. Die Abenteuer zweier Menschenkinder und ihres Schnergenfreundes hat nun die britische Autorin Veronica Cossanteli neu erzählt.
Im ihrem Schnergenland – freundlich, farbig und kindlich illustriert von Paddy Donnelly – gibt es einen Riesen, der am liebsten Kleinkinder fressen wollte, wenn er denn nicht zum Vegetarier umerzogen worden wäre. Es gibt eine Hexe, es gibt Schnodderwürmer, Säbelzahn-Tausendfüßer, Vampirfalter und Heulschnecken. Zwischen dem Land der kleinen Schnerge und dem der verfeindeten Kelpse wuchern äußerst hinterlistige Wälder. Und irgendwo am Rande gibt es den letzten Zipfel einer Ansiedlung von Nudelingen – so heißen die Menschen. Vor allem bevölkern Halbnudeln, also Kinder, ein Waisenhaus an der Sunny Bay. Geführt wird das Heim für „überflüssige und aus Zufall elternlose Kinder“ von einer strengen Dame namens Miss Watkyns, hinter deren rauer Schale sich eine herzensgute Seele verbirgt (Mary Poppins lässt grüßen!). Oberstes Prinzip ihres Regiments scheint die Einhaltung von Regeln zu sein. Offensichtlich umgibt sie eine derart magische Aura, dass sogar ihr Goldfisch artig im Glas unablässig die gleichen Kreise im Uhrzeigersinn zieht. Erwähnenswert sind noch ein uralter Kapitän und seine zahnlose Mannschaft, die auf einem Segelschiff in der Nachbarbucht residieren. Letztlich aber führt der Umstand, dass Schnerge für Haushaltsdienste im Heim herangezogen werden, zu dem Dilemma, das die Geschichte in Bewegung bringt. Eben steht einer von ihnen, Gorbo, mit gesenktem Haupt vor Miss Watkyns. Neben ihm, gleichermaßen zerknirscht, Flora und Pip, die neuesten Zöglinge im Heim, die sich, zusammen mit ihrem Schnergenfreund, einfach nicht an das strenge Reglement gewöhnen wollen und von der Leiterin ermahnt werden. Der Junge stammt aus einer Zirkusakrobatenfamilie und wurde vom Vater misshandelt. Und Flora wurde von ihrer wohlhabenden Mutter abgeschoben und entschloss sich, nicht mehr zu sprechen. Die Hexe Malicia, die etwas Geheimnisvolles mit Miss Watkyns verbindet, versucht, Flora zu entführen. Damit beginnt für die beiden Kinder, für Gorbo und ein zugelaufenes Hündchen eine Abenteuerreise durch fantastische Welten, bei der man sich als teilnehmender Beobachter – ganz anders als bei Tolkien – trotz Dramatik stets auf der sicheren Seite fühlt.
Cossanteli hat sich auf muntere, zeitgemäße und hintergründige Weise vom Original inspirieren lassen. Und Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn ist bei jedem der vielen wunderbar schrägen Sprachspiele anzumerken, welchen Spaß es ihm bereitet, sich mit den magnoelefantasmagorischen Geschöpfen zu verständigen: „Wir singen, bis wir trunken ratzen, // wir tanzen, bis die Blasen platzen. // Ein wahrer Schnerg geht brav und nett // nach einem Kopfstand erst ins Bett.“
SIGGI SEUSS
Veronica Cossanteli: Im kleinen wilden Schnergenland. Neu erzählt nach einem Roman von E.A. Wyke-Smith. Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. Mit Bildern von Paddy Donnelly. Thienemann 2021. 238 Seiten, 15 Euro.
Uwe-Michael Gutzschhahn
machen die Sprachspiele viel Spaß
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Siggi Seuß hält Veronica Cossantelis Neuerzählung des Kinderbuchklassikers von E. A. Wyke-Smith für gelungen. Mit Witz, teilnehmender Beobachtung und gebändigter Moral und Dramatik erzählt die Autorin laut Seuß von den Abenteuern zweier Kinder im Schnergenland, wo Säbelzahntausendfüßler, Schnodderwürmer, Squiesel, Hexen undWobser ihr Unwesen treiben. Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn trifft den Ton, so Seuß, und bewahrt den Hintersinn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein kleines Glanzstück dieses Kinderbuch-Herbstes." Katrin Hörnlein DIE ZEIT Newsletter "Was wir lesen" 20211007