Wenn der erste Schnee fällt, ziehen sich die Menschen zurück in ihre Häuser und halten Winter schlaf. Robert, Annina und Kudowski bleiben wach und machen sich auf den Weg. Ihre Fahrt durch den Schnee in Richtung Süden wird zu einer Reise dorthin, wo nicht nur der Winter zu Ende geht ...
CD 1 | |||
1 | 1. Im Winter dein Herz | 00:10:37 | |
2 | 2. Im Winter dein Herz | 00:08:27 | |
3 | 3. Im Winter dein Herz | 00:06:25 | |
4 | 4. Im Winter dein Herz | 00:07:04 | |
5 | 5. Im Winter dein Herz | 00:07:03 | |
6 | 6. Im Winter dein Herz | 00:08:33 | |
7 | 7. Im Winter dein Herz | 00:07:00 | |
8 | 8. Im Winter dein Herz | 00:07:59 | |
9 | 9. Im Winter dein Herz | 00:05:38 | |
10 | 10. Im Winter dein Herz | 00:06:26 | |
11 | 11. Im Winter dein Herz | 00:11:06 | |
CD 2 | |||
1 | 12. Im Winter dein Herz | 00:07:38 | |
2 | 13. Im Winter dein Herz | 00:07:02 | |
3 | 14. Im Winter dein Herz | 00:05:26 | |
4 | 15. Im Winter dein Herz | 00:05:31 | |
5 | 16. Im Winter dein Herz | 00:07:15 | |
6 | 17. Im Winter dein Herz | 00:06:04 | |
7 | 18. Im Winter dein Herz | 00:06:55 | |
8 | 19. Im Winter dein Herz | 00:07:34 | |
9 | 20. Im Winter dein Herz | 00:12:17 | |
10 | 21. Im Winter dein Herz | 00:10:10 | |
11 | 22. Im Winter dein Herz | 00:07:49 | |
CD 3 | |||
1 | 23. Im Winter dein Herz | 00:12:00 | |
2 | 24. Im Winter dein Herz | 00:08:29 | |
3 | 25. Im Winter dein Herz | 00:05:26 | |
4 | 26. Im Winter dein Herz | 00:06:22 | |
5 | 27. Im Winter dein Herz | 00:02:42 | |
6 | 28. Im Winter dein Herz | 00:07:27 | |
7 | 29. Im Winter dein Herz | 00:05:51 | |
8 | 30. Im Winter dein Herz | 00:05:46 | |
9 | 31.Im Winter dein Herz | 00:09:32 | |
10 | 32. Im Winter dein Herz | 00:04:44 | |
11 | 33. Im Winter dein Herz | 00:07:42 | |
12 | 34. Im Winter dein Herz | 00:09:20 | |
13 | 35. Im Winter dein Herz | 00:01:22 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012Im Reich des Glückskeks-Philosophen
Drei traurige Reisende unterwegs in einer schlafenden Welt: Benjamin Leberts Roadnovel ins Innere seiner Helden
Ritchie Blackmore brettert über die von Schnee bedeckte Landstraße. Annina hat ihren schwarzen Geländewagen nach dem legendären Gitarristen von Deep Purple benannt, jetzt durchquert sie mit ihm Städte, von denen einmal gesagt wurde, sie würden niemals schlafen. Und die man sich auch nicht vorstellen konnte, ohne Lärm und wie das wäre, wenn man in den Straßenschluchten jedes noch so leise Geräusch einzeln wahrnehmen könnte. Weil alle Menschen schlafen würden.
Von einem auf den anderen Tag ist in Benjamin Leberts Roman "Im Winter dein Herz" genau dieser Fall eingetreten: Selbst die lärmsüchtigsten Großstädte sind verstummt, die Bewohner liegen friedlich in ihren verrammelten Häusern, in warme Decken eingehüllt, leise schnarchend. Die Hälfte der Weltbevölkerung hat sich die Tierwelt zum Vorbild genommen und hält Winterschlaf. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dieser sowohl gesund, als auch dem Klimaschutz dienlich und bekämpft darüber hinaus die Überbevölkerung auf der Welt, denn man kann natürlich auch im Winterschlaf sterben, sich fortpflanzen aber eher nicht. Für ein ungestörtes Träumen sorgen kleine, bunte Schlafpillen. Ein dreimonatiges Nickerchen auf Rezept.
Annina jedoch ist hellwach geblieben. So wie auch der psychisch labile Robert, der kraftlos wie ein Fisch ohne Gräten auf der Rückbank lümmelt. Gemeinsam mit dem stumpfen Macho Kudowski machen sie sich auf eine Reise Richtung Süddeutschland, die vielversprechend beginnt, jedoch schon bald den verlassenen, öden Landschaften und Städten gleicht, welche sie durchqueren.
Denn was im ersten Moment wie eine interessante Alternativweltgeschichte anmutet, entwickelt sich schon bald zu einer Beichte persönlichen Scheiterns: Robert hat aufgrund von Versagensängsten seit Monaten keinen Bissen mehr hinunterbekommen. In die geschlossene Anstalt wurde er schließlich mit einem Fliegengewicht von 49 Kilogramm eingewiesen. Annina hingegen leidet unter den mitleidigen Blicken ihrer Eltern, die viel lieber einen Sohn gehabt hätten. Und Kudowski hat die Polizeischule geschmissen, wechselte aus Trotz die Seiten und saß daraufhin jahrelang im Gefängnis. Wenn diese drei schlaflosen Ausreißer ihr Leben auf Facebook bewerten sollten, sie würden einen Dislike-Button fordern.
Und da sie die Gegenwart als so kalt und bedrohlich wie die am Fenster vorbeiziehende Winterlandschaft empfinden, schwelgen sie lieber in Erinnerungen an unbeschwerte Kindertage: Der gemeinsame Fußballnachmittag mit dem Vater, die TKKG-Hörspielkassetten, die Koranschule oder der Kohlgeruch in Omas Wohnung. Unfreiwillig hat man bei diesen Monologen über "Momente der Geborgenheit" das Gefühl, einer Mischung aus Therapiesitzung und Daily-Soap beizuwohnen, Glückskeks-Philosophie inklusive: "Wir können keine großen Dinge tun. Nur Kleine. Dafür aber mit Liebe", sagt Annina an einer Stelle, ganz ohne Ironie. Der noch bei seinem Debüt "Crazy" so originelle Lebert-Sound - diese Verbindung von jugendlicher Nonchalance mit philosophischer Ernsthaftigkeit - verkümmert hier zu sentimentalem Pathos. Während Lebert wie mit einem Dauerzoom die Innenwelt seiner Anti-Helden durchforstet, vergisst er leider, eine spannende Geschichte zu entwickeln. Die Utopie einer Gesellschaft im Winterschlaf wird dabei letztlich zur unwichtigen Hintergrundkulisse degradiert. Es ist ein Roadtrip im Schritttempo, als hätte Jack Kerouac in "On the Road" die exzentrischen Beatniks weggelassen.
Das Ziel der Reise ist dann ein Krankenhaus, in dem Roberts schwerkranker Vater liegt. Dort berichtet ihm der kolossal unsportliche Robert von seinem ersten Fußballtor, das er vor kurzem geschossen hat. Da umspielt ein stolzes Lächeln die Lippen des Vaters. Es sind diese Szenen, bei denen einem in all der kalten Winterlichkeit eigentlich warm ums Herz werden sollte. Stattdessen kann man sich nun, nach 127 gefühlsbetonten Seiten, ein Gähnen nicht mehr verkneifen.
NICOLAS GARZ
Benjamin Lebert: "Im Winter dein Herz". Hoffmann und Campe, 156 Seiten, 18,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Drei traurige Reisende unterwegs in einer schlafenden Welt: Benjamin Leberts Roadnovel ins Innere seiner Helden
Ritchie Blackmore brettert über die von Schnee bedeckte Landstraße. Annina hat ihren schwarzen Geländewagen nach dem legendären Gitarristen von Deep Purple benannt, jetzt durchquert sie mit ihm Städte, von denen einmal gesagt wurde, sie würden niemals schlafen. Und die man sich auch nicht vorstellen konnte, ohne Lärm und wie das wäre, wenn man in den Straßenschluchten jedes noch so leise Geräusch einzeln wahrnehmen könnte. Weil alle Menschen schlafen würden.
Von einem auf den anderen Tag ist in Benjamin Leberts Roman "Im Winter dein Herz" genau dieser Fall eingetreten: Selbst die lärmsüchtigsten Großstädte sind verstummt, die Bewohner liegen friedlich in ihren verrammelten Häusern, in warme Decken eingehüllt, leise schnarchend. Die Hälfte der Weltbevölkerung hat sich die Tierwelt zum Vorbild genommen und hält Winterschlaf. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dieser sowohl gesund, als auch dem Klimaschutz dienlich und bekämpft darüber hinaus die Überbevölkerung auf der Welt, denn man kann natürlich auch im Winterschlaf sterben, sich fortpflanzen aber eher nicht. Für ein ungestörtes Träumen sorgen kleine, bunte Schlafpillen. Ein dreimonatiges Nickerchen auf Rezept.
Annina jedoch ist hellwach geblieben. So wie auch der psychisch labile Robert, der kraftlos wie ein Fisch ohne Gräten auf der Rückbank lümmelt. Gemeinsam mit dem stumpfen Macho Kudowski machen sie sich auf eine Reise Richtung Süddeutschland, die vielversprechend beginnt, jedoch schon bald den verlassenen, öden Landschaften und Städten gleicht, welche sie durchqueren.
Denn was im ersten Moment wie eine interessante Alternativweltgeschichte anmutet, entwickelt sich schon bald zu einer Beichte persönlichen Scheiterns: Robert hat aufgrund von Versagensängsten seit Monaten keinen Bissen mehr hinunterbekommen. In die geschlossene Anstalt wurde er schließlich mit einem Fliegengewicht von 49 Kilogramm eingewiesen. Annina hingegen leidet unter den mitleidigen Blicken ihrer Eltern, die viel lieber einen Sohn gehabt hätten. Und Kudowski hat die Polizeischule geschmissen, wechselte aus Trotz die Seiten und saß daraufhin jahrelang im Gefängnis. Wenn diese drei schlaflosen Ausreißer ihr Leben auf Facebook bewerten sollten, sie würden einen Dislike-Button fordern.
Und da sie die Gegenwart als so kalt und bedrohlich wie die am Fenster vorbeiziehende Winterlandschaft empfinden, schwelgen sie lieber in Erinnerungen an unbeschwerte Kindertage: Der gemeinsame Fußballnachmittag mit dem Vater, die TKKG-Hörspielkassetten, die Koranschule oder der Kohlgeruch in Omas Wohnung. Unfreiwillig hat man bei diesen Monologen über "Momente der Geborgenheit" das Gefühl, einer Mischung aus Therapiesitzung und Daily-Soap beizuwohnen, Glückskeks-Philosophie inklusive: "Wir können keine großen Dinge tun. Nur Kleine. Dafür aber mit Liebe", sagt Annina an einer Stelle, ganz ohne Ironie. Der noch bei seinem Debüt "Crazy" so originelle Lebert-Sound - diese Verbindung von jugendlicher Nonchalance mit philosophischer Ernsthaftigkeit - verkümmert hier zu sentimentalem Pathos. Während Lebert wie mit einem Dauerzoom die Innenwelt seiner Anti-Helden durchforstet, vergisst er leider, eine spannende Geschichte zu entwickeln. Die Utopie einer Gesellschaft im Winterschlaf wird dabei letztlich zur unwichtigen Hintergrundkulisse degradiert. Es ist ein Roadtrip im Schritttempo, als hätte Jack Kerouac in "On the Road" die exzentrischen Beatniks weggelassen.
Das Ziel der Reise ist dann ein Krankenhaus, in dem Roberts schwerkranker Vater liegt. Dort berichtet ihm der kolossal unsportliche Robert von seinem ersten Fußballtor, das er vor kurzem geschossen hat. Da umspielt ein stolzes Lächeln die Lippen des Vaters. Es sind diese Szenen, bei denen einem in all der kalten Winterlichkeit eigentlich warm ums Herz werden sollte. Stattdessen kann man sich nun, nach 127 gefühlsbetonten Seiten, ein Gähnen nicht mehr verkneifen.
NICOLAS GARZ
Benjamin Lebert: "Im Winter dein Herz". Hoffmann und Campe, 156 Seiten, 18,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Mit diesem geradezu poetischen Roman erreicht Benjamin Lebert ein neues Level. Allein diese Idee, aus der heraus so großartig erzählt, ist unvorstellbar. Unvorstellbar gut!« Aachener Zeitung, 10.03.2012