Covergestaltung, Buchtitel und Inhaltsbeschreibungen sind gut aufeinander abgestimmt und wecken die Hoffnung auf ein fesselndes Leseabenteuer, bei dem man den Überlebenskampf der Hauptprotagonistin Grace beobachtet. Genau diese Geschichte erzählt die Autorin auch, doch ganz anders als erwartet.
Denn von Anfang an ist klar, dass Grace das Unglück überleben und des Mordes angeklagt wird. Die…mehrCovergestaltung, Buchtitel und Inhaltsbeschreibungen sind gut aufeinander abgestimmt und wecken die Hoffnung auf ein fesselndes Leseabenteuer, bei dem man den Überlebenskampf der Hauptprotagonistin Grace beobachtet. Genau diese Geschichte erzählt die Autorin auch, doch ganz anders als erwartet.
Denn von Anfang an ist klar, dass Grace das Unglück überleben und des Mordes angeklagt wird. Die Frage, ob Grace die richtigen Entscheidungen treffen und überleben wird, ist damit also geklärt. Dennoch ist die Erzählung interessant und entwickelt stellenweise eine sogartige Wirkung. Denn man stellt sich beim Lesen die Frage, welche dramatischen Szenen sich wohl auf dem Rettungsboot abspielen werden, die letztendlich dazu führen, dass Grace sich vor Gericht verantworten muss.
Die Autorin verwendet eine sehr distanzierte Erzählweise. Grace schreibt die Eindrücke, die sie während der 21 Tage bis zur Rettung gesammelt hat, in einem Tagebuch für ihre Anwälte nieder. Diese Rekonstruktion soll Grace vor Gericht entlasten. Damit beobachtet man die Szenen also direkt aus ihrer Sicht. Sie lässt dabei allerdings keinen Blick hinter ihre Fassade zu, sondern berichtet distanziert und relativ emotionslos von den Geschehnissen an Bord. Dadurch fällt es nicht gerade leicht, Sympathien für sie aufzubauen. Denn stellenweise wirkt sie sehr berechnend und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Doch kann man ihr das zum Vorwurf machen? Eine falsche Entscheidung hätte ihren Tod bedeutet. Der Erzählstil wirkt durch die gewählte Perspektive zunächst etwas veraltet, denn Grace berichtet in ihren eigenen Worten von den Ereignissen. Da diese sich allerdings im Jahre 1914 zugetragen haben, passt der Stil sehr gut zum Geschehen und spiegelt den damaligen Zeitgeist wider.
21 Tage bis zur Rettung sind eine lange Zeit. Es kommt zu dramatischen Szenen und folgenschweren Entscheidungen. Hunger, Durst, Mutlosigkeit und Verzweiflung machen sich verständlicherweise breit. Das Boot ist überladen, Wasser dringt ständig ein und die Gefahr unterzugehen ist allgegenwärtig. Sturm, Regen, Kälte - aber auch gnadenlos sengende Hitze erschweren das Überleben auf dem Boot. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, denn die Passagiere sind sich stets bewusst, dass nicht alle überleben werden. Doch wer opfert sich freiwillig und sichert damit das Überleben von Menschen, die man vorher nicht kannte und die einem selbst nichts bedeuten? Diese Frage schwebt ständig über dem Boot, denn man verfolgt gebannt, wen es als nächsten treffen wird. Dadurch ist die Atmosphäre düster und angespannt. Durch Gerüchte, die an Bord durch aller Munde gehen, stellt man sich beim Lesen die Frage, was wohl zum Untergang geführt hat und welche Bedeutung das für die Erzählung hat.
Gespannt verfolgt man die Gerichtsverhandlung und die Dinge, die dort noch ans Tageslicht kommen. Dennoch bleibt einiges unausgesprochen und Antworten auf Fragen, die man sich an Bord des kleinen Rettungsbootes gestellt hat, gibt es kaum. Beim Zusammenklappen des Buchs bleibt deshalb ein etwas ratloses Gefühl zurück. Ein etwas runderes Ende wäre wünschenswert gewesen.
Insgesamt gesehen habe ich mich allerdings größtenteils sehr gut unterhalten. Die Schilderungen von Grace konnten mich fesseln, sodass ich unbedingt erfahren wollte, was noch an Bord passieren wird. Ihre distanzierte und relativ emotionslose Sicht auf die Dinge kann ich ihr nicht zum Vorwurf machen. Denn wenn ich selbst an ihrer Stelle gewesen wäre, dann hätte ich meine Gefühle und Ängste sicher auch nicht den Anwälten und dem Gericht preisgegeben, und für diesen Zweck war die Rekonstruktion der Ereignisse ja schließlich gedacht. Da ich mir allerdings vom Ende deutlich mehr erhofft hatte, kann ich mich doch "nur" zu drei Bewertungssternchen durchringen.