F.W. Bernstein ist niemand, der leere Versprechungen macht, und deshalb gilt dieses Motto, mit dem er sein epochales Werk "Die Gedichte" eröffnete, auch für diese CD. Süße und wilde Lyrik erklingt da, angefangen von Tierliedern und Weltuntergängen über Satiren bis hin zu Balladen und Sonetten. Gute Laune macht dem Hörer dieser CD dabei nicht nur F.W. Bernsteins sanfter Bariton, mit dem er seine besten Gedichte der Welt vorträgt, sondern auch seine musikalische Begleitung:Anne Bärenz und Frank Wolff sorgen mit Cello und Klavier für jene leichte, schwebende Atmosphäre, die die Bernsteinschen Verse erst so recht zum Funkeln bringt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2004DAS HÖRBUCH
Brummend zischen
Schnauzbärtiger Wunderknabe: In F. W. Bernstein erwacht das Tier
Wenn in F. W. Bernstein, dem Karikaturisten und Dichter, das Tier erwacht, wie der Titel dieses Hörbuchs androht, welcher Art gehört es an? Ist es ein Dackel, ein Stier, ein Aal oder ein Täubchen? Ein vierbeiniger Specht mit Trüffelnase? Oder ein Haubenbär?
Der Haubenbär spricht mit Bedacht:
Die Bären werden nachts gemacht.
Dann rennt er mit Gegröle
in seine Bärenhöhle.
Die Höhle, aus der F. W. Bernstein kommt, wurde noch nicht entdeckt, aber er ist eine Erscheinung schon als Mensch: lang und dünn, weißhaarig und mit einem großen weißen Schnauzbart unter der eine große Brille tragenden Nase. Auf dem Cover-Foto seines neuen Hörbuchs hält Bernstein eine Vogelfeder in der Hand, und wer diese CD gehört hat, der würde vielleicht nicht vor Verblüffung taumeln, wenn er erführe, dass Bernstein sich seine Schreib- und Zeichenfedern aus dem eigenen Federkleid rupft. Denn Bernstein ist eine schwer einzuordnende Ausnahmeerscheinung.
F. W. Bernsteins Reimgedichte kommen erst durch seine eigene Lesung so richtig zur Geltung. Er liebt hörbar den Rhythmus, nämlich den Marschtakt, den er beim Sprechen mit Synkopen verziert. Tarammtammtam, taramm-tamm-tammmm. Eine Singstimme hat Bernstein nicht, sein klopfender Vortrag wird zu einem brummenden, zischenden, poltrigen Sprechgesang.
Aber stärker als ein animalisches Wesen tönt ein kindliches aus dem Dichter, der sich an albernen Reimen, namentlich den vom Hörer nicht erwarteten, fast diebisch zu freuen scheint.
Der Adler ist sowohl
real als auch Symbol.
Als letzteres bedeutet er
Gewalt und Geilheit, Macht und Ehr’ Durst, Hoffnung, Staat und Gnade.
Was? Geilheit nicht? Wie schade.
Diese Platte strahlt eine heitere Gemütlichkeit aus, die sowohl völlig unzeitgemäß ist, aber auch in keine Zeit einzuordnen. Das ist kein alter Humor, sondern ein absolut individueller, ohne Bosheit, fast möchte man meinen auch ohne Grobheit, denn selbst wenn mal ein grobes Wort fällt, klingt aus Bernsteins Mund, als sei er ein Knabe, der solche Worte aus reiner Freude an der sittlichen Abweichung einmal zur eigenen Unterhaltung ausprobiert.
Kongenial begleitet wird der Dichter von Anne Bärenz und Frank Wolff, die als Duo auf Cello und Klavier alles zu spielen scheinen, was Musik ist: Schubert und Chaplin, Debussy und die Internationale, Freddy Quinn und Kurt Weill. Selbst wenn anfangs noch der viele Beifall als Nebengeräusch stört – auch die Zuhörer dieser Live-Aufnahmen wurden bald so gebannt, dass sie den lästigen Zwischenbeifall reduzierten.
Um so mehr hat der Hörer davon, dem diese wunderbare Platte vom schnauzbärtigen Wunderknaben F.W. Bernstein sehr ans Herz gelegt sei.
MARTIN Z. SCHRÖDER
F.W. BERNSTEIN: In mir erwacht das Tier. Musik: Anne Bärenz und Frank Wolff. Kunstmann Verlag, München 2004. 1 CD, 72 min., 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Brummend zischen
Schnauzbärtiger Wunderknabe: In F. W. Bernstein erwacht das Tier
Wenn in F. W. Bernstein, dem Karikaturisten und Dichter, das Tier erwacht, wie der Titel dieses Hörbuchs androht, welcher Art gehört es an? Ist es ein Dackel, ein Stier, ein Aal oder ein Täubchen? Ein vierbeiniger Specht mit Trüffelnase? Oder ein Haubenbär?
Der Haubenbär spricht mit Bedacht:
Die Bären werden nachts gemacht.
Dann rennt er mit Gegröle
in seine Bärenhöhle.
Die Höhle, aus der F. W. Bernstein kommt, wurde noch nicht entdeckt, aber er ist eine Erscheinung schon als Mensch: lang und dünn, weißhaarig und mit einem großen weißen Schnauzbart unter der eine große Brille tragenden Nase. Auf dem Cover-Foto seines neuen Hörbuchs hält Bernstein eine Vogelfeder in der Hand, und wer diese CD gehört hat, der würde vielleicht nicht vor Verblüffung taumeln, wenn er erführe, dass Bernstein sich seine Schreib- und Zeichenfedern aus dem eigenen Federkleid rupft. Denn Bernstein ist eine schwer einzuordnende Ausnahmeerscheinung.
F. W. Bernsteins Reimgedichte kommen erst durch seine eigene Lesung so richtig zur Geltung. Er liebt hörbar den Rhythmus, nämlich den Marschtakt, den er beim Sprechen mit Synkopen verziert. Tarammtammtam, taramm-tamm-tammmm. Eine Singstimme hat Bernstein nicht, sein klopfender Vortrag wird zu einem brummenden, zischenden, poltrigen Sprechgesang.
Aber stärker als ein animalisches Wesen tönt ein kindliches aus dem Dichter, der sich an albernen Reimen, namentlich den vom Hörer nicht erwarteten, fast diebisch zu freuen scheint.
Der Adler ist sowohl
real als auch Symbol.
Als letzteres bedeutet er
Gewalt und Geilheit, Macht und Ehr’ Durst, Hoffnung, Staat und Gnade.
Was? Geilheit nicht? Wie schade.
Diese Platte strahlt eine heitere Gemütlichkeit aus, die sowohl völlig unzeitgemäß ist, aber auch in keine Zeit einzuordnen. Das ist kein alter Humor, sondern ein absolut individueller, ohne Bosheit, fast möchte man meinen auch ohne Grobheit, denn selbst wenn mal ein grobes Wort fällt, klingt aus Bernsteins Mund, als sei er ein Knabe, der solche Worte aus reiner Freude an der sittlichen Abweichung einmal zur eigenen Unterhaltung ausprobiert.
Kongenial begleitet wird der Dichter von Anne Bärenz und Frank Wolff, die als Duo auf Cello und Klavier alles zu spielen scheinen, was Musik ist: Schubert und Chaplin, Debussy und die Internationale, Freddy Quinn und Kurt Weill. Selbst wenn anfangs noch der viele Beifall als Nebengeräusch stört – auch die Zuhörer dieser Live-Aufnahmen wurden bald so gebannt, dass sie den lästigen Zwischenbeifall reduzierten.
Um so mehr hat der Hörer davon, dem diese wunderbare Platte vom schnauzbärtigen Wunderknaben F.W. Bernstein sehr ans Herz gelegt sei.
MARTIN Z. SCHRÖDER
F.W. BERNSTEIN: In mir erwacht das Tier. Musik: Anne Bärenz und Frank Wolff. Kunstmann Verlag, München 2004. 1 CD, 72 min., 17,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Susanne Mayer scheint sich mit dieser CD gut amüsiert zu haben. F.W. Bernstein gelinge es mühelos, in Versform zu verpacken, "was man nicht unbedingt für lyriktauglich gehalten hätte". Zum Beispiel "Juckreiz im Intimbereich". Der Dichter selbst liest auf der CD im "kontrollierten Schnarrton", das Publikum steuert "gereiftes Lachen" bei. Alles in allem genau das richtige für den Frühling, glaubt Mayer.
© Perlentaucher Medien GmbH
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