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Alle verreisen in den Sommerferien ins Ausland. Nur Ina bleibt zu Hause - dabei hätte sie gerne genauso spannende Urlaubspläne wie die anderen. Und plötzlich hört sie sich vor ihrer Klasse sagen, sie würde in den Süden fahren. Damit die Lüge nicht auffliegt, bleibt Ina in den Ferien von morgens bis abends in ihrem Zimmer. Doch dann entdeckt der Neue aus der Klasse sie am Fenster und macht ihr einen vollkommen verrückten Vorschlag ...

Produktbeschreibung
Alle verreisen in den Sommerferien ins Ausland. Nur Ina bleibt zu Hause - dabei hätte sie gerne genauso spannende Urlaubspläne wie die anderen. Und plötzlich hört sie sich vor ihrer Klasse sagen, sie würde in den Süden fahren. Damit die Lüge nicht auffliegt, bleibt Ina in den Ferien von morgens bis abends in ihrem Zimmer. Doch dann entdeckt der Neue aus der Klasse sie am Fenster und macht ihr einen vollkommen verrückten Vorschlag ...
Autorenporträt
Marianne Kaurin, geboren 1974, studierte am Norwegischen Kinderbuchinstitut in Oslo. 2012 debütierte sie mit ihrem Jugendroman Beinahe Herbst (Arctis), für den sie zwei der wichtigsten Jugendliteraturpreise Norwegens erhielt. 2021 folgte die Auszeichnung mit dem Deutschen Kinderliteraturpreis für Irgendwo ist immer Süden (WooW Books). Die Autorin wohnt mit ihrer Familie in Oslo.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2020

Für einen Kurs im Muttersein

Erzählen, nicht deuten: Marianne Kaurins Roman "Irgendwo ist immer Süden".

Von Elena Geus

In dem Buch "Geschichte einer Himmelsrichtung" heißt es, in den Süden zeige "die Kompassnadel des Glücks". "In den Süden" ist das, was Ina einfällt, als am letzten Schultag vor den Ferien alle Kinder der 6a von ihren Urlaubszielen erzählen: Mallorca, Florida, Südfrankreich, Dubai. Nur Ina kann nicht prahlen, ihr drohen lange Wochen in Tyllebakken, einer hässlichen Betonwohnanlage irgendwo in Norwegen, "Güllebakken" genannt, weil es, zivilisiert ausgedrückt, Mist ist, dort zu wohnen.

Vilmer, der Junge, der an diesem letzten Tag zu Besuch ist, weil er in der Siebten dazustoßen wird, sagt, wie es ist: Er fährt nicht weg, sein Vater ist pleite. Für Ina ist diese Offenheit undenkbar, zu groß ist die Scham. Schon am Anfang des Romans wird deutlich: Das Mädchen möchte fast schon verzweifelt dazugehören. Wie ein Mantra wiederholt es, dass es Freunde suche, die es hoch- und nicht runterziehen. Als einige Klassenkameraden spotten, Süden sei doch kein Ort, greift die Lehrerin ein: "Der Süden kann theoretisch an jedem beliebigen Ort der Welt liegen."

Inas erster Eindruck von Vilmer ist vernichtend: ein bekloppter Typ in hässlichen Klamotten, ein Loser. Dass dem nervigsten Nachbarn der Welt kein bisschen die entscheidenden Antennen fehlen, wie das Mädchen vermutet, wird schnell klar. Der Junge hat, im Gegenteil, ein sehr feines Gespür. Nachdem er Ina auf die Schliche gekommen ist, dass sie sich in ihrer Wohnung verschanzt, weil ihre zwar vage, aber verheißungsvoll klingende Angabe, in den Süden zu reisen, eine Lüge war, lockt er sie mit Hartnäckigkeit aus ihrem Exil und gibt sich große Mühe, ihr Luftschloss Wirklichkeit werden zu lassen.

Marianne Kaurin versteht es, auch das Nichtgesagte wirken zu lassen. Dass sich Inas alleinerziehende Mutter durch eine Umschulung quält und Vilmers Vater trinkt, das wird erwähnt, aber - auch weil der Roman durchgängig aus Inas Perspektive erzählt - nicht gedeutet. Inas schonungslose Feststellung, ihre Mutter brauche einen Kurs im Muttersein, sagt genug.

Wunderbar beschrieben ist, wie die beiden Kinder eine verlassene, gammelige Hausmeisterwohnung in ihr Südenparadies verwandeln: mit einer Fototapete mit Sonnenuntergang als Selfie-Hintergrund, einem aufblasbaren Planschbecken als Pool und belegten Broten, die zu Club-Sandwiches werden. Mit ausreichend Phantasie wird eben auch der hässlichste Hinterhof zum Wellness-Resort.

Für Ina ist das zunächst ein Spiel auf Zeit und Vilmer ein Südenkumpel, der mit Beginn des Schuljahres ausgedient haben wird. In der Kelleroase wird aber nicht nur die Sehnsucht nach südländischem Flair gestillt, es gehen - ungeplant und deswegen umso schöner - auch Träume nach einem echten Freund und einem ersten Kuss in Erfüllung. Als Inas Lügen auffliegen, verrät sie ihr Zusammensein jedoch als peinlich-kindischen Zeitvertreib, als sei ihr jede Orientierung verlorengegangen, wie man die behandelt, die einem guttun.

Man könnte Kaurin vorhalten, dass sie nach "Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus" wieder auf die Rahmenhandlungen "Neues Kind in der Klasse; zwei, die sich in einem Rollenspiel umkreisen" setzt, doch jede ihrer Geschichten von Annäherung, einander verlieren und wiederfinden ist auf eigene Art rührend, und in Sprache, Ton und Gedanken passgenau zum Alter. Und jede ihrer kleinen Liebesgeschichten hat einen besonderen Charme.

In der Hinterlassenschaft des Hausmeisters finden die Kinder ein Heft mit Gedichten - schlechten Gedichten, doch Zeugnis einer großen, nie erfüllten Liebe. Diese hübsche Nebenhandlung kommt fast ein wenig zu kurz, denn die ehemalige Angebetete, inzwischen eine alte Dame, ist es, die Ina den entscheidenden Unterschied erklärt zwischen Entschuldigung sagen und Entschuldigung tun und die damit den Kompass des Mädchens wieder in die richtige Richtung weisen lässt.

Marianne Kaurin: "Irgendwo ist immer Süden".

Aus dem Norwegischen von Franziska Hüther. Woow Books, Hamburg 2020. 240 S., geb., 15,- [Euro]. Ab 10 J.

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