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"Gesucht wird Jesus Christus. Angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt. Besondere Kennzeichen: Narben an Händen und Füßen..."
Klaus Kinskis berühmtester Auftritt, der Vortrag seiner eigenen Fassung des Neuen Testaments, am 20. 11. 1971 in der Berliner Deutschlandhalle ist längst skandalumwitterte Legende. Die Interaktion des streibaren Weltstars mit den diskussionswütigen 68ern im Publikum führte zu mehreren Abbrüchen und Neuanfängen der Veranstaltung, die schließlich nach Mitternacht inmitten einer Hundertschaft verbliebener Zuhörer…mehr

Produktbeschreibung
"Gesucht wird Jesus Christus. Angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt. Besondere Kennzeichen: Narben an Händen und Füßen..."

Klaus Kinskis berühmtester Auftritt, der Vortrag seiner eigenen Fassung des Neuen Testaments, am 20. 11. 1971 in der Berliner Deutschlandhalle ist längst skandalumwitterte Legende. Die Interaktion des streibaren Weltstars mit den diskussionswütigen 68ern im Publikum führte zu mehreren Abbrüchen und Neuanfängen der Veranstaltung, die schließlich nach Mitternacht inmitten einer Hundertschaft verbliebener Zuhörer störungsfrei stattfinden konnte.

Bisher konnte man diesem wichtigen Stück deutscher Bühnengeschichte nur auszugsweise auf Bootlegs beiwohnen. Random House Audio legt nun erstmals den lange erwarteten, vollständigen Mitschnitt von Kinskis Evangelium vor. Auf über 150 Minuten ist nun nachzuerleben, wie aus einem geplanten Textvortrag ein regelrechtes Happening unter der Regie von Klaus Kinski wurde.

"Naja, denke ich, das ist ja wieder wie vor 2000 Jahren. Dieses Gesindel ist noch beschissener als die Pharisäer. Die haben Jesus wenigstens ausreden lassen, bevor sie ihn angenagelt haben."

Klaus Kinski (in seiner Biographie "Ich brauche Liebe")
Autorenporträt
Klaus Kinski, 1926 - 1991, wirkte als Schauspieler in 130 Filmen mit. Nur einmal führte er Regie, bei seinem Leib-und-Magen-Projekt PAGANINI, welches er seit Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts angekündigt hatte und erst 1987 drehte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2008

Der du ein Maul hast
Ist das die Wahrheit über '68? Kinski als Erlöser und Depp

Wer ein paar Jahre nach 1968 geboren worden ist, konnte sich in den vergangenen Monaten wundern: Wie auf Kommando betraten zum Jubiläum sich aufplusternde 68er-Veteranen die Bühne und lieferten sich eine bizarr-polemische, immer noch völlig durchideologisierte Schlacht über das, was 1968 gewesen sein sollte. Es ging um die Hoheit über die Geschichte: "So ist es gewesen", sagte jeder von ihnen - um in notorischem Bekenntniszwang noch einmal ausführlich auszuholen, was er persönlich so alles erlebt hatte: Götz Aly therapierte sich in "Unser Kampf" selbst, indem er die 68er, zu denen er gehört hatte, in plakativen und zum Teil völlig haltlosen Vergleichen als Wiedergänger der Nazis verdammte; Peter Schneider nannte sein Buch "Rebellion und Wahn" im Untertitel "Mein '68" und verteidigte sich auf Podien gegen Aly; Dany Cohn-Bendit fand, Aly hätte sein Buch besser "Memoiren eines Arschlochs" nennen sollen, und erzählte dann seine französische Version; Rainer Langhans sagte einfach "Ich bin's".

Erkenntnisstiftend war das nicht. Eher hatte man den Eindruck, dass hier ein paar Einzelfälle gegeneinander antraten und die Geschichtsschreibung eitel zukleisterten. Nachgeborene kamen als Adressaten offenbar gar nicht erst in Betracht. Und so ist es bezeichnend, dass, wer von den Errungenschaften der 68er-Bewegungen lebt, Interessanteres ausgerechnet von einem Großästheten wie Karl Heinz Bohrer erfährt: "Sechs Szenen Achtundsechzig" heißt sein unideologischer und sogar auch lustiger Beitrag im Mai-Heft der Zeitschrift "Merkur", der in Anekdoten die Ambivalenzen der Zeit klar zur Sprache bringt. Bohrer ist Jahrgang 1932.

Auch dies ist eine persönliche Rückschau. Und wenn man diese langsam satthat, geht man besser gleich ins Kino: Vom Donnerstag an nämlich ist dort die Dokumentation einer Szene zu sehen, die, gerade weil sie völlig unkommentiert bleibt, mehr über 1968 zu sagen vermag als die ganze Memoirenliteratur zusammen: Am 20. November 1971 trat in der Deutschlandhalle in Berlin vor studentischem Publikum der Schauspieler Klaus Kinski auf, um seinen eigenen Text "Jesus Christus Erlöser" zu rezitieren; eine Idee, die er schon seit zehn Jahren verfolgt hatte, für die er bis dahin allerdings keinen Konzertveranstalter hatte gewinnen können. Jetzt waren die Hippies da, die Platte von Andrew Lloyd Webbers Rockmusical "Jesus Christ Superstar" mit Deep-Purple-Sänger Ian Gillan war ein Riesenerfolg; ein Star wie Kinski - so dachte es sich der Konzertveranstalter Klaus Berenbrok -, der über Jesus als einen der "furchtlosesten, freiesten, modernsten aller Menschen" sprechen wollte, "der sich lieber massakrieren lässt, als lebendig mit den anderen zu verfaulen", das war eine sichere Tourneenummer. Es kam zum Eklat. Kinski trat kurz nach dem Berliner Krawallabend zwar noch einmal in Düsseldorf auf, da aber schon ohne Gage. Berenbrok hatte alle Verpflichtungen abgegeben und ging in Konkurs. "Jesus Christus Erlöser" ist die Dokumentation einer Eskalation. Kinski selbst hatte ein paar Leute engagiert, die den Auftritt aufnehmen sollten. Zweieinhalb Stunden 16-Millimeter-Material von vier Kameras sind erhalten; der Regisseur und Nachlassverwalter Kinskis, Peter Geyer, hat sie zusammengeschnitten zu einem beeindruckenden Film, der es noch einmal richtig krachen lässt.

Die Bühne ist leer und dunkel, im Lichtkegel der Scheinwerfer tritt der 45-jährige Kinski auf, der - damit fängt es schon an - in seinem bedruckten Blumenhemd, in lilablauen Jeans und mit schulterlangem Haar eigentlich selbst aussieht wie ein in die Jahre gekommener Hippie. Im Publikum: viertausend mehrheitlich junge Menschen, die, zum Teil, auf dem Boden sitzen, rauchen und mit großem Ernst zur Bühne aufschauen.

Kinski beginnt zu rezitieren, bald kommen die ersten Zwischenrufe. Einen, der als Ausraster bekannt ist, provoziert man gern, allein aus Gründen der Unterhaltung. Es funktioniert: Je mehr Zwischenrufe kommen, desto autoritärer wird Kinskis Stimme, bis diese mit scheinbar zornig-wütendem Wahrheitsanspruch von oben herab an alte Zeiten zu erinnern beginnt. Aus der Hippie-Erscheinung, die einen rebellischen Jesus-Text vorträgt, wird in der Wahrnehmung von unten ein diktatorischer Tyrann, der Feind von gestern, ein "Kapitalist" zumal, der mit seinen Filmen "Millionen" verdient hat. Als ein junger Mann in Strickpulli dann "Sei nicht unverschämt!" ruft, rastet Kinski völlig aus.

"Komm du hierher, der du ein so großes Maul hast!", schreit Kinski, worauf der Mann tatsächlich auf die Bühne kommt: "Leute", erklärt er, leider sehr ungelenk, "ich bin kein großer Redner, und es ist vielleicht möglich, dass von euch welche Christus suchen. Aber ich glaube, er ist es nicht, denn Christus war duldsam, soviel ich weiß. Und wenn ihm einer widersprochen hat, dann hat er versucht, ihn zu überzeugen. Er hat nicht gesagt: halt die Schnauze!"

Kinski ist daraufhin nicht mehr zu halten, verlässt die Bühne, kommt wieder, wiederholt seinen Text von vorn, bis andere kommen, ihm das Mikrofon wegreißen; Kinski versucht, mit der Mikrofonstange zurückzuschlagen. Von unten dröhnt es da schon in Sprechchören: "Kinski ist ein Faschist."

Rebellion und Wahn liegen hier offen zutage, in der ganzen Bandbreite der Stimmungen und Reflexe: das Aufbegehren gegen den völlig unzeitgemäßen autoritären Ton eines tyrannischen Exzentrikers; der ideologische Kurzschluss, der jeden über dreißig zum Nazi erklärt; die basisdemokratische Sehnsucht, die sich dem Diktat von oben nicht beugen will; die Diskrepanz zwischen friedensliebenden Diskutanten und gewaltbereiten Wortführern. All das entzündet sich an einer Figur, die widersprüchlicher nicht sein könnte, nicht aber in ihren Widersprüchen wahrgenommen, sondern sofort zur feindlichen Angriffsfläche wird. Kinski will eigentlich nur eins: in Ruhe seinen Text sprechen.

Peter Geyer lässt nach ungefähr sechzig Minuten den Abspann laufen. Man will schon seine Sachen packen, da geht der Film, wie damals der Abend, noch weiter: Es ist weit nach Mitternacht, hundert junge Menschen harren noch immer in der Halle aus, der Rest ist tumulthaft längst gegangen. Plötzlich kommt Kinski noch einmal hervor, diesmal müde und ernst. Er steigt von der Bühne herab, stellt sich in die Mitte der Verbliebenen, um, zunächst ohne Mikrofon, seinen "Erlöser"-Text von vorn zu sprechen: "Gesucht wird Jesus Christus. Angeklagt wegen Verführung anarchistischer Tendenzen Verschwörung gegen die Staatsgewalt. Besondere Kennzeichen: Narben an Händen und Füßen. Angeblicher Beruf: Arbeiter. Nationalität: Unbekannt. Decknamen: Menschensohn Friedensbringer Licht der Welt Erlöser . . ." Gesicht und Stimme des Tyrannen hat er abgelegt. Er spricht bis zu Ende. Form und Inhalt - und, auf Augenhöhe, der Sprecher und sein Publikum kommen so zusammen. Es ist, als wäre Klaus Kinski, für diesen einen Moment, in der Zeit angekommen.

JULIA ENCKE

Ab Donnerstag im Kino

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Das selbst für Kinski denkwürdige Skandal-Ereignis erscheint nun, zu seinem 80igsten Geburtstag, gleich doppelt: als Buchversion und als CD-Dokument. Allerdings darf in diesem Fall der Hörversion mit dem einmaligen Live-Flair eindeutig der Vorzug gegeben werden!" -- NDR Kultur

"Die Radikalität seines persönlichen Evangeliums und die Vorwürfe des Publikums [...] verleihen dem Hörbuch einen explosiven Charakter... Gerade diese Mischung, das Mit- und Gegeneinander des Sprechers und der Hörer, machen das Hörbuch zu einem einmaligen Erlebnis." -- Frankfurter Rundschau

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Uwe Ebbinghaus betrachtet Klaus Kinskis legendären Auftritt als "Jesus Christus Erlöser" am 20. November 1971 in der Berliner Deutschlandhalle, der jetzt erstmals komplett auf CD nachzuhören ist, als aufschlussreiches zeithistorisches Dokument. Dass diese Veranstaltung gründlich in die Binsen ging und schließlich in einen großen Radau ausartete, verwundert Ebbinghaus nicht. Ausführlich schildert er die gereizte Stimmung des Publikums, die wütenden Reaktionen Kinskis, die zu zahlreichen Unterbrechungen des Programms führten, bei denen sich der Künstler hinter der Bühne mit Cognac zu besänftigen suchte. Immer wieder fühlt er sich beim Zuhören peinlich berührt. Zugleich aber findet er die Aufnahme überaus "spannend", kann man doch miterleben, unter welchen Bedingungen "künstlerische Ambition" scheitert. Außerdem hat er einiges über die abstruse Überpolitisierung in den frühen siebziger Jahren gelernt. Auch wenn ihm Kinskis Text mit seinen modischen Referenzen an den politischen Geschmack nicht gerade gelungen erscheint, kann er dem Publikum mit seinem Verlangen nach "planer Authentizität" und "dienstfertiger Stellungnahme" den Vorwurf der Kunstferne nicht ersparen.

© Perlentaucher Medien GmbH