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Im Winter 1959/60 gibt Shmuel Ash sein Studium auf und zieht in das Haus eines behinderten alten Mannes in Jerusalem als dessen Helfer und Begleiter. Hier begegnet ihm die verführerische, unnahbare Atalja Abrabanel. Neugier und Lust packen ihn, aber sie warnt ihn, sich in sie zu verlieben.
Nach und nach gelingt es ihm, ihr Geheimnis zu enthüllen, das sie mit Gershom Wald, dem schroffen alten Mann, teilt, das die beiden auf unheilsame Weise eng miteinander verbindet und das Haus zu einem Gefängnis werden lässt.
Amoz Oz hat einen Liebesroman geschrieben und zu gleich ein Buch über Israel
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Produktbeschreibung
Im Winter 1959/60 gibt Shmuel Ash sein Studium auf und zieht in das Haus eines behinderten alten Mannes in Jerusalem als dessen Helfer und Begleiter. Hier begegnet ihm die verführerische, unnahbare Atalja Abrabanel. Neugier und Lust packen ihn, aber sie warnt ihn, sich in sie zu verlieben.

Nach und nach gelingt es ihm, ihr Geheimnis zu enthüllen, das sie mit Gershom Wald, dem schroffen alten Mann, teilt, das die beiden auf unheilsame Weise eng miteinander verbindet und das Haus zu einem Gefängnis werden lässt.

Amoz Oz hat einen Liebesroman geschrieben und zu gleich ein Buch über Israel und das geteilte Jerusalem - eine Geschichte seines Landes mit seinen Hoffnungen und seiner Verzweiflung.
Autorenporträt
Amos Oz, 1939 als Amos Klausner in Jerusalem geboren, nahm 1954 beim Eintritt in den Kibbuz Chulda den Namen Oz an. Er ist einer der wichtigsten literarischen Stimmen Israels und Mitbegründer der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now). Seine Werke wurden in 37 Sprachen übersetzt. Er hat zahlreiche Preise erhalten, darunter den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1998 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem Israel-Preis ausgezeichnet. Seit 1986 lebt er mit seiner Familie in Arad in der Negev-Wüste.Mirjam Pressler, geboren 1940 in Darmstadt, besuchte die Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt am Main und lebt heute als Übersetzerin und Schriftstellerin in der Nähe von München. Sie ist die Übersetzerin des Tagebuchs der Anne Frank, hat eine Biographie Anne Franks veröffentlicht (Ich sehne mich so. Die Lebensgeschichte der Anne Frank) und mit großem Erfolg insgesamt fast vierzig Bücher publiziert. Mirjam Pressler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, so u.a. 1995 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis für Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen, 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille für Verdienste um die deutsche Sprache, 2002 mit dem Deutschen Bücherpreis (Kinderbuch) für Malka Mai, 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis für ihr literarisches Lebenswerk, 2010 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis Sonderpreis Gesamtwerk, 2015 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse sowie dem Internationalen Literaturpreis in der Kategorie Übersetzung und 2017 mit d

em Literaturpreis der Landeshauptstadt München für ihr literarisches Gesamtwerk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2015

In diesem Staat wohnen viele Meinungen

Eine Jerusalemer Schicksals-WG denkt über die israelische Frage nach: "Judas", der neue Roman von Amos Oz, ist ein Kammerspiel zur Lage des Landes.

Es beginnt damit, dass ein Hydrologe für seine Liebste "ein schönes Halstuch" aussucht. "Dann kaufte er ihr noch ein grünes orientalisches Kleid zum Geburtstag nach dem jüdischen Kalender, der zwei Tage später stattfand." Das Wichtigste und für seine künftige Braut Ausschlaggebende aber: "Er erinnerte sich sogar an die Geburtstage ihrer Eltern." Damit scheint die Sache so klar wie bedauerlich - bedauerlich für den wildlockigen Helden des neuen Romans von Amos Oz. Denn an diesen Halstuch-Langweiler verliert er seine Freundin. Es ist ein profanes Motiv, das diesen großen politischen Roman in Gang setzt, der eben nicht nur die Entwicklungsgeschichte eines Studenten entfaltet, sondern auch gleich die eines ganzen Staates: Israels.

Amos Oz' autobiographischer Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" (2004) inspirierte vor mehr als zehn Jahren einen weltweiten Boom israelischer Literatur. Um den Selbstmord der Fania Klausner, hinter der sich Oz' eigene Mutter verbarg, entspinnt der Roman eine fesselnde, bewegende Familiengeschichte zwischen intellektuellem Zionismus, Holocaust und israelischer Staatsgründung. Seither sind alle Romane und Erzählungen von Amos Oz Erörterungen nicht nur zur Frage des Judentums, sondern auch der des jüdischen Staates.

In "Judas", seinem neuen Werk, verfährt Oz nicht anders, allerdings legt er seine Geschichte dieses Mal weniger episch an. Sie beginnt im Winter 1959/60, kurz nach dem Suez-Feldzug, der damals nicht nur auf ägyptischer Seite zahlreiche Tote forderte. Der Traum vom israelischen Staat in friedlicher Koexistenz mit seinen arabischen Nachbarn ist bereits zehn Jahre nach seiner Gründung trüb geworden. Schmuel Asch bricht sein Theologie-Studium ab. Sein Vater hat eine Firmenpleite hingelegt, der elterliche Geldhahn ist also zu, und Schmuels Freundin macht kurzen Prozess - ausgerechnet mit einem Hydrologen brennt sie durch. Das ist ein guter Gag, denn der Wasserkundler repräsentiert nicht nur das vermeintlich Verschmockte einer Berufsgruppe, sondern auch die Überlegenheit eines Expertenkreises, der den Schlüssel zur überlebenswichtigen Wasserfrage hat. Die Urbarmachung der Negevwüste durch eine Jordanwasser-Entnahme aus Gebieten außerhalb des israelischen Staatsgebiets ist seit jeher ein politisch heißes Eisen. Hydrologen, so verstehen wir, sind vielleicht dröge Zeitgenossen, aber eben auch dies: ein Versprechen auf die Zukunft.

Dem kann ein idealistischer Student wenig entgegensetzen, erst recht dann nicht, wenn er sich unorthodoxe Gedanken über Jesus, den Nazarener, und Judas Ischariot, den Verräter, macht. Er fragt sich, ob sich der Fluch jedes einzelnen Juden, auf ewig mit Judas gleichgesetzt zu werden, aufheben lässt. Wie wäre es, wenn man behauptete, nicht Jesus und nicht Paulus, sondern Judas sei in Wirklichkeit der Begründer des Christentums gewesen, weil es ohne Judas keine Kreuzigung gegeben hätte und ohne die Kreuzigung bekanntermaßen kein Christentum? Ohne Judas wäre Jesus, der im Babylonischen Talmud zu verschiedenen Zeiten nur dreimal erwähnt wird und dem auch die zeitgenössischen Historiker wenig Aufmerksam gewidmet haben, vermutlich als wundertätiger Freak aus Galiläa in die Geschichte eingegangen. Und was wäre wohl geschehen, wenn die Juden aus biblischen Zeiten den Juden Jesus nicht abgelehnt hätten? "Die Kirche wäre nicht entstanden. Und vielleicht hätte ganz Europa eine nachgiebige und geläuterte Version des Judentums übernommen. So wären uns die Diaspora, die Verfolgungen, die Pogrome, die Inquisition, die Ritualmordbeschuldigungen, die Judenfeindlichkeit und auch die Schoah erspart geblieben."

Diese Gedanken kann Schmuel mit einem alten körperbehinderten Mann namens Gerschom Wald teilen, der gemeinsam mit einer mysteriösen Schönheit, die weder seine Frau noch seine Geliebte noch seine Tochter ist, in einer Jerusalemer Villa lebt. Schmuel ist einer Anzeige am Schwarzen Brett gefolgt, in der es hieß, man suche einen belesenen Gesprächspartner gegen Kost und Logis.

Amos Oz nutzt die altbewährte Gesprächskonstruktion zwischen einem idealistischen Novizen auf der Suche nach sich selbst und einem zynischen Greis auf Abschiedstour, um jeweils historische Referate in die sich entspinnende Lovestory zwischen Schmuel und der geheimnisvollen Atalja einzupflegen. Das macht den Gang der Dinge ziemlich berechenbar. Die Form des Romans, könnte man sagen, wird deutlich über seinen hochgelehrsamen Inhalt legitimiert. "Judas" ist ein Kaleidoskop akademischer Positionen zur Religions- und Staatsfrage.

Denn wie sich bald zeigt, hatte die schöne Atalja einen berühmten Vater. Schealtiel Abrabanel soll ein Gegenspieler Ben Gurions gewesen sein. Innerhalb der zionistischen Weltorganisation und der Jewish Agency hatte er sich irgendwann nach dem Judasprinzip gegen seinen politischen Mitstreiter gewendet. Ben Gurion wollte den Staat, der fiktive Abrabanel wollte ihn nicht mehr. Er setzte auf Völkerverständigung, geriet ins Abseits und verbitterte. Seine Tochter heiratete einen gewissen Micha, der wiederum während des Unabhängigkeitskriegs ermordet wurde. Es handelt sich gleichsam um den Sohn Gerschom Walds, bei dem Atalja wohnt - eine Schicksals-WG.

"Ben Gurion sieht manchmal Dinge, die andere nicht sehen, oder sie sehen es erst nach vielen Jahren. Ich bin weit weg von allen möglichen Weltverbesserern, aber dieser Mann verbessert die Welt dadurch, dass er ein großer Realist ist", sagt der alte Wald. Es ist die Position eines Mannes, der sein Liebstes im Kampf gegen die Araber verloren hat. "Ben Gurion", sagt Schmuel, der wegen eines Asthmaleidens nie eingezogen wurde, "war vielleicht in seiner Jugend ein Arbeiterführer, eine Art Volkstribun, aber heute steht er an der Spitze eines selbstgerechten Nationalstaates und hat nicht aufgehört, hohle biblische Phrasen zu verbreiten, von der Erneuerung früherer Zeiten und der Verwirklichung der Visionen der Propheten." Und Atalja glaubt nicht mal mehr an die Liebe. Sie konsumiert ab und an einen Verehrer, um ihn gleich wieder abzustoßen. Natürlich ist Schmuel Asch die große Ausnahme von dieser Regel.

"Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?" So fragt der Prophet Jeremiah. Amos Oz versucht es mit literarischen Mitteln, doch bleibt sein Buch in der Anlage etwas zu programmatisch. Seine Figuren, die immer etwas zu betont nach Veilchenparfüm duften oder allzu durchschaubare Verführungspläne schmieden, wirken wie einem Lehrgedicht entsprungen. Dafür entschädigt die Fülle fein gewebter Betrachtungen zur Lage des Landes. Von Mirjam Pressler, die als Übersetzerin vor allem israelischer Literatur über Jahrzehnte Großes geleistet hat, stammt die gewohnt souveräne Übersetzung. So kann man "Judas" nicht anders als mit großem Interesse lesen. Oz führt auf virtuose Weise Weltpolitik mit Religionsgeschichte zusammen und stellt so auch das Schicksal Europas in einen erhellenden Zusammenhang.

KATHARINA TEUTSCH

Amos Oz: "Judas".

Roman.

Aus dem Hebräischen übersetzt von Mirjam Pressler. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 332 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2015

Der Kuss
des
Vermessens
Der Nahost-Konflikt
als Kammerspiel:
Amos Oz
hat einen Roman
geschrieben,
der die Frage
nach dem
historischen
Jesus auf den jungen
Staat Israel
spiegelt. „Judas“
heißt sein Buch
VON STEPHAN SPEICHER
Dass der Mann, der nach den Passionsberichten der Evangelien Jesus verriet, den Namen Judas trug, hat einiges bedeutet für die Entstehung und Steigerung des Antisemitismus. Denn Judas wurde im umstandslosen Verfahren der mittelalterlichen Etymologie als „Jude“ verstanden, sein Verrat als Tat eines exemplarischen Angehörigen seines Volkes. Wenn Amos Oz seinen neuen Roman „Judas“ betitelt hat, so geht es, wie man vermuten muss, um das Verhältnis von Juden und Christen. Davon ist in der Tat auch die Rede. Aber diese Überlegungen sind nur der Hintergrund dieses Buches. Mehr geht es um Verrat, den Verrat an den eigenen Idealen und den Verrat am eigenen Volk, dem Volk Israels.
  Und es geht um den Verrat am eigenen Leben und seinen Möglichkeiten: Ein junger Mann, Schmuel Asch, gibt sein Studium auf. Die Eltern sind in Not geraten, sie können den Sohn nicht mehr unterstützen. Darüber hinaus hat ihn die Freundin verlassen. Und zuletzt fehlt ihm auch der innere Antrieb zum Abschluss der Arbeit, die sich „Jesus in den Augen der Juden“ widmen wollte. Dann findet er einen Anschlag am Schwarzen Brett der Universität: Student der Geisteswissenschaften gesucht, der einem alten, gebildeten Herrn Gesellschaft leistet. Im Gegenzug gibt es freies Wohnen und eine bescheidene monatliche Zahlung.
  Damit beginnt ein Drei-Personen-Roman, ein Kammerspiel in erzählender Form, das man sich aber auch gut auf der Bühne denken kann. Die Personen der Handlung: Schmuel Asch, der alte Herr Gershom Wald und dessen Schwiegertochter Atalja Abrabanel. Zwischen diesen dreien entwickelt sich das Buch. Wenige Male treten Atalja und Schmuel vor die Tür, aber dies vor allem, um ein Bild Jerusalems im Winter 1959/60 zu geben. Die Stadt machte einen „stillen und nachdenklichen Eindruck“. Wenn hier von den drei handlungstragenden Personen die Rede ist, so muss das ergänzt werden. Eine vierte Person spielt schon bald eine wichtige Rolle, auch wenn sie tot ist, der Vater Ataljas, Schealtiel Abrabanel. Er war „eine Art Ein-Mann-Opposition, den Ben Gurion dann aus der Führungsmannschaft geschmissen hat, damit er ihn nicht mehr stören konnte“. Abrabanel setzte auf eine Verständigungslösung zwischen Juden und Arabern. Die Gründung des Staates Israels gegen die Araber im Mai 1948, worauf dann sofort der Unabhängigkeitskrieg folgte, hielt er für einen Fehler. Das und seine andauernde Sympathie für die Araber brachten ihn in den Ruf eines Verräters.
  Der junge Schmuel Asch sympathisiert mit diesen Überlegungen, sein alter Gesprächspartner Gershom Wald stand damals „voll und ganz auf der Seite des grausamen Realismus von Ben Gurion und nicht auf Seiten der unrealistischen Ideen Abrabanels“. Und dies nicht im Glauben an die Eigeninteressen Israels, sondern auch aus der grundsätzlicher Furcht heraus vor jeder Politik, die große Werte verwirklichen will: „Menschheitsliebe ist mit einem antiquierten Geruch von Blutvergießen verbunden.“
  Schmuel Asch hat andere Instinkte. Seine Studien zum historischen Jesus und dessen jüdischer Öffentlichkeit hat ihm die Hoffnung auf die Kraft von Liebe und Nachgiebigkeit eingepflanzt – nicht allerdings eine Neigung zum Christentum als festem Lehrgebäude. Aber wo kommt dies überhaupt her? Dass Jesus als Jude starb, dass erst Paulus von Tarsus das Christentum erfunden habe, das ist nicht neu. Schmuel Asch geht weiter: Er sieht in Judas den Mann, der Jesus für den Sohn Gottes hielt und ihn zur Selbstopferung bestimmte. Judas habe gehofft, Jesus als der Messias werde vom Kreuz steigen und seine Göttlichkeit zeigen. Als er sich in dieser Hoffnung getäuscht sah, habe er sich erhängt, der einzige der Apostel, der das Schicksal seiner Meisters geteilt habe. Kein Verräter also. Oder doch einer, ein Verräter nämlich an der Sache des jüdischen Glaubens? Oder an der bescheidenen Güte des historischen Jesus, der sich nicht für den Messias hielt und von Judas in diese Rolle gedrängt wurde, die ihn ans Kreuz brachte?
  Die Frage nach dem historischen Jesus, der Reaktion der Juden auf ihn und der Entstehung des Christentums als einer neuen, durch Paulus dogmatisch konstruierten Religion wird auf die Lage des jungen Staates Israel gespiegelt. Gerade elf Jahre ist er alt, die Erinnerung an das Zusammenleben von Juden und Arabern ist noch lebendig. Es wird viel geredet in diesem Roman, immer interessant, fast immer klug. Doch auch, was klug ist, widerspricht sich regelmäßig. Das ist das eigentlich Schreckliche.
  Abrabanel lebte noch in der Hoffnung, Streitende „müssten sich nur besser kennenlernen, dann würden sie sich sofort mögen“, es gehe darum, ein Missverständnis auszuräumen. Aber die Lage ist schwieriger: „Zwischen Juden und Arabern besteht kein Missverständnis, es hat nie ein Missverständnis gegeben. Im Gegenteil. Seit Jahrzehnten besteht zwischen ihnen ein vollkommenes Verständnis: Die einheimischen Araber hängen an diesem Land, weil es ihr einziges ist, sie haben kein anderes, und wir hängen an diesem Land aus genau den gleichen Gründen.“
  Was gerade zitiert wurde, hat ganz ähnlich Nahum Goldmann, der langjährige Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, ausgesprochen. Überhaupt blitzen seine Überlegungen immer wieder hinter denen Abrabanels auf, gelegentlich auch hinter denen Walds. Und dass das so ist, zeigt, wie sich die frühen Überzeugungen mittlerweile verwirrt haben. „Judas“ ist auch ein Roman der Anspielungen und Zitate, er bewegt sich wie die Gesellschaft, in der er spielt, in einer bis zur Undurchdringlichkeit vorgeformten Welt. Kaum etwas, zeigt Oz, hätte falscher sein können als die zionistische Hoffnung vom „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“. „Judas“ ist ein Roman aus Gesprächen, mehr aber noch aus Charakteren. Was sie besprechen, das haben sie erlebt. Was sie politisch befürwortet haben, das ist gegen sie ausgeschlagen.
  Gershom Wald, der den Kampf der Israelis gegen die Araber 1948 für unvermeidlich hielt, hatte einen Sohn, Micha, einen hochbegabten Mathematiker. Obwohl schon 37 Jahre alt, meldete er sich im Unabhängigkeitskrieg, fiel und wurde grauenhaft verstümmelt von den Feinden. Der Vater lebt mit dem Gefühl, den Sohn in Armee und Tod hineingepredigt zu haben. Israels Gründungsakt ist zu seiner Tragödie geworden.
  Atalja aber war die Frau seines Sohnes. Sie bat Micha, nicht in den Krieg zu gehen. Es sei lächerlich, ein Cowboyspiel. „Ihr kamen alle Männer lächerlich vor, immer.“ Über den Verlust Michas kommt sie nicht hinweg, was indes nicht ihre erotische Wirkung mindert. Asch verliebt sich im Nu in sie, in ihre ruhige, spöttische, überlegene Schönheit. Aus der Liebe wird nichts werden. Asch ahnt es, Atalja weiß es. Aber in ihrem gefassten Unglück liegt eine eigene Anziehungskraft.
  Die Schönheit der Jüdinnen sei, schreibt Heine im „Rabbi von Bacharach“, von „eigentümlich rührender Art“, das Bewusstsein der Verfolgung und des Unglücks verbreite über ihre Züge „eine gewisse leidende Innigkeit, und beobachtende Liebesangst, die unsere Herzen sonderbar bezaubern“. Für Asch gibt es keine Rettung vor dieser Anziehung, ihrer „warmen Kälte“. Es kommt zu Momenten der Nähe, sogar zum Sex, aber beide wissen, dass es Momente bleiben werden. Er findet in ihr eine persönliche Schwere, die seinem Leben Bedeutung gäbe, sie in Asch eine verwirrte Freundlichkeit, die sich von der straffen, politisch wie militärisch aufgesteiften Selbstsicherheit vieler israelischer Männer unterscheidet.
  Der historische Stoff drängt in Roman wie Drama zu Breite und Figurenreichtum. Amos Oz ist jedoch das große Kunststück gelungen, den Nahost-Konflikt in einem Kammerspiel zu behandeln. Geschichte spielt sich nicht in Handlungen ab, sondern in Gestalten oder vielleicht richtiger: Was geschehen ist und geschieht, das setzt sich in den Figuren ab, als Einsicht und Trauer. „Glücklich sind die Träumer und verdammt der Mann, der die Augen aufmacht.“
Juden und Araber verstehen
sich nicht? Ganz im Gegenteil:
Beide tun schließlich dasselbe
Der breite historische Stoff
wird hier komprimiert zu einer
schlanken Erzählung
            
  
  
  
Amos Oz : Judas. Roman.
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015.
335 Seiten, 22,95 Euro. E-Book 19,99 Euro.
War Judas
derjenige der Apostel,
der Jesus am meisten liebte? Szene aus
Mel Gibsons Film „The Passion of the Christ“.
Foto: Verleih
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»Ein grandioser Roman über Verrat und Dissidenz « Denis Scheck ARD Druckfrisch 20150413