Fans von Nick Hornbys "High Fidelity" werden erfreut sein zu erfahren, dass diese englischsprachige Ausgabe den Hörer wieder in die Welt der Musik entführt. Ein zurückgezogen lebender Rockstar der 80er kommt durch die Wieder-Wiederveröffentlichung seines Albums in Kontakt zu seinen größten Fans. Eine Geschichte über zwei einsame Herzen, die über Jahrzehnte und Kontinente zueinander finden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2009Was geschah damals auf der Toilette?
Nick Hornby, Meister der charmanten Rocksentimentalität, sollte darüber nachdenken, ob er für sein Lebensthema nicht zu alt ist. Sein neuer Roman "Juliet, Naked" wirkt kindisch
Da gibt es diesen Wahnsinnstypen, Tucker Crowe, total abgefahren, der hat früher Wahnsinnsplatten gemacht, Singer/Songwriter, so was in der Richtung, aber mehr mit Independent-Feeling, also besser als Bob Dylan und die ganzen anderen zusammen, und von diesem Tucker Crowe ist jetzt 'ne neue Platte erschienen, "Juliet, Naked" heißt sie, eine total abgefahrene Demoversion seines legendären Albums "Juliet" von 1986, das war das Jahr, in dem er untertauchte, nachdem er auf einer Toilette irgendwo in Minneapolis so ein merkwürdiges Erlebnis hatte.
Nick Hornby ist jetzt zweiundfünfzig Jahre alt, und wenn es auch nicht so ist, dass er in seinem neuen Buch direkt diesen Ton anschlägt, so muss man sich doch fragen, wie jemand in diesem Alter noch so kindische, alberne Sachen schreiben kann wie die Geschichte des musikbesessenen, ungefähr fünfundvierzigjährigen Universitätsdozenten Duncan, dessen Lebensinhalt darin besteht, möglichst viel über den einigermaßen obskuren Rockmusiker Tucker Crowe herauszufinden und möglichst viel darüber zu reden, der den immer dringender werdenden Kinderwunsch seiner Freundin Annie quasi vor dem Plattenteller aussitzt und diese sogar dazu überredet, von England nach Minneapolis zu fliegen, um dem Verschwinden Tucker Crowes an Ort und Stelle, also auf dem Locus, auf den Grund zu gehen.
Hier, gleich am Anfang des Buchs, hätte Hornby noch die Kurve kriegen können, wenn er der Sache einen wirklich abgedrehten Zug verpasst hätte, vielleicht in der Art von "Trainspotting", nicht aber diese im Grunde bloß muffige Fanmythologie, mit der Hornby noch nicht einmal seine Enkel langweilen kann, falls er schon welche hat.
Man soll nicht ungerecht sein: Die Beschäftigung mit Rockmusik ist keine vertane Zeit und zur Not auch ein literarisches Thema. Aber Hornby hätte all diese ausgedachten, schnell ermüdenden Einzelheiten einer verpfuschten Karriere, mit denen ungefähr das halbe Buch bestritten wird, lieber weglassen sollen. Dass das Ganze, wie schon zu lesen war, als "Abgesang" auf das Fantum gemeint sein soll, ist kaum anzunehmen, dazu gibt Hornby sich zu viel Mühe und wirkt der Roman zu identifikatorisch. Eines aber muss man dem alten Rockschwerenöter lassen: Klug ist er trotzdem. Es fallen in der zweiten Hälfte, in der sich eine Reihe überraschender Wendungen ergibt, um die ihn jemand wie Paul Auster vermutlich noch beneiden würde, treffende, zuweilen richtig anrührende Bemerkungen über die Themenfelder "Leben und Kunst" sowie "Verantwortung" ab, die Hornby in dieser Beiläufigkeit so schnell keiner nachmacht und die etwas versöhnlicher stimmen - aber nur etwas: Ein fiktiver, verkrachter Rocker ist in dieser Form einfach nicht abendfüllend.
EDO REENTS
Nick Hornby: "Juliet, Naked". Roman. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Verlag Kiepenheuer & Witsch. 360 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nick Hornby, Meister der charmanten Rocksentimentalität, sollte darüber nachdenken, ob er für sein Lebensthema nicht zu alt ist. Sein neuer Roman "Juliet, Naked" wirkt kindisch
Da gibt es diesen Wahnsinnstypen, Tucker Crowe, total abgefahren, der hat früher Wahnsinnsplatten gemacht, Singer/Songwriter, so was in der Richtung, aber mehr mit Independent-Feeling, also besser als Bob Dylan und die ganzen anderen zusammen, und von diesem Tucker Crowe ist jetzt 'ne neue Platte erschienen, "Juliet, Naked" heißt sie, eine total abgefahrene Demoversion seines legendären Albums "Juliet" von 1986, das war das Jahr, in dem er untertauchte, nachdem er auf einer Toilette irgendwo in Minneapolis so ein merkwürdiges Erlebnis hatte.
Nick Hornby ist jetzt zweiundfünfzig Jahre alt, und wenn es auch nicht so ist, dass er in seinem neuen Buch direkt diesen Ton anschlägt, so muss man sich doch fragen, wie jemand in diesem Alter noch so kindische, alberne Sachen schreiben kann wie die Geschichte des musikbesessenen, ungefähr fünfundvierzigjährigen Universitätsdozenten Duncan, dessen Lebensinhalt darin besteht, möglichst viel über den einigermaßen obskuren Rockmusiker Tucker Crowe herauszufinden und möglichst viel darüber zu reden, der den immer dringender werdenden Kinderwunsch seiner Freundin Annie quasi vor dem Plattenteller aussitzt und diese sogar dazu überredet, von England nach Minneapolis zu fliegen, um dem Verschwinden Tucker Crowes an Ort und Stelle, also auf dem Locus, auf den Grund zu gehen.
Hier, gleich am Anfang des Buchs, hätte Hornby noch die Kurve kriegen können, wenn er der Sache einen wirklich abgedrehten Zug verpasst hätte, vielleicht in der Art von "Trainspotting", nicht aber diese im Grunde bloß muffige Fanmythologie, mit der Hornby noch nicht einmal seine Enkel langweilen kann, falls er schon welche hat.
Man soll nicht ungerecht sein: Die Beschäftigung mit Rockmusik ist keine vertane Zeit und zur Not auch ein literarisches Thema. Aber Hornby hätte all diese ausgedachten, schnell ermüdenden Einzelheiten einer verpfuschten Karriere, mit denen ungefähr das halbe Buch bestritten wird, lieber weglassen sollen. Dass das Ganze, wie schon zu lesen war, als "Abgesang" auf das Fantum gemeint sein soll, ist kaum anzunehmen, dazu gibt Hornby sich zu viel Mühe und wirkt der Roman zu identifikatorisch. Eines aber muss man dem alten Rockschwerenöter lassen: Klug ist er trotzdem. Es fallen in der zweiten Hälfte, in der sich eine Reihe überraschender Wendungen ergibt, um die ihn jemand wie Paul Auster vermutlich noch beneiden würde, treffende, zuweilen richtig anrührende Bemerkungen über die Themenfelder "Leben und Kunst" sowie "Verantwortung" ab, die Hornby in dieser Beiläufigkeit so schnell keiner nachmacht und die etwas versöhnlicher stimmen - aber nur etwas: Ein fiktiver, verkrachter Rocker ist in dieser Form einfach nicht abendfüllend.
EDO REENTS
Nick Hornby: "Juliet, Naked". Roman. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Verlag Kiepenheuer & Witsch. 360 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main