Liebe Leserinnen, liebe Leser, lasst euch nicht von dem Titel und dem Cover des Romans in die Irre führen: Bei Alena Schröders „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ handelt es sich nicht um einen rührseligen Liebesroman, sondern um eine bewegende generationenübergreifende
Familiengeschichte.
Der Roman setzt sich aus zwei Erzählsträngen zusammen: Der erste Erzählstrang…mehrLiebe Leserinnen, liebe Leser, lasst euch nicht von dem Titel und dem Cover des Romans in die Irre führen: Bei Alena Schröders „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ handelt es sich nicht um einen rührseligen Liebesroman, sondern um eine bewegende generationenübergreifende Familiengeschichte.
Der Roman setzt sich aus zwei Erzählsträngen zusammen: Der erste Erzählstrang spielt in der Gegenwart, der zweite in der Vergangenheit.
Im ersten Erzählstrang lernen wir die 27-jährige Hannah kennen, sie ist Studentin und promoviert im Fach Germanistik, obwohl sie eigentlich gar nicht weiß, was sie vom Leben erwartet. Seit ihre Mutter vor einigen Jahren an Krebs gestorben ist, befindet sich Hannah in einem Loch der Traurigkeit, aus dem sie, wie es ihr scheint, nur ihr Doktorvater Andreas, für den sie romantische Gefühle hegt, herauszuholen vermag. Das einzige Familienmitglied, das ihr geblieben ist, ist ihre Großmutter Evelyn, die Hannah jede Woche im Altersheim besucht. Als sie eines Tages einen Brief aus Israel auf Evelyns Tischchen entdeckt, in dem es um ein Restitutionsverfahren geht, wird Hannah schlagartig bewusst, dass sie nicht das Geringste über ihre Familie und ihre Wurzeln weiß. Die ohnehin wortkarge Evelyn will über die Vergangenheit nicht sprechen und so muss Hannah versuchen auf eigene Faust Antworten auf immer drängender werdende Fragen zu finden. Nur ein übereifriger Geschichtsstudent, Jörg, steht ihr dabei zur Seite.
Der zweite Erzählstrang beginnt 1923 als die neunzehjährige Senta den ehemaligen Fliegerpiloten Ulrich kennenlernt und ungewollt schwanger wird. Senta und Ulrich heiraten, doch Senta ist nicht glücklich als Ehefrau und Mutter. Nach drei Jahren unglücklicher Ehe lassen die beiden sich scheiden, ihre gemeinsame Tochter Evelyn bleibt bei Ulrich und seiner Schwester Trude. Senta geht nach Berlin, wo ihre beste Freundin Lotte bereits seit drei Jahren lebt, und baut sich eine neue Existenz auf. Zunächst als Schreibkraft und dann als Journalistin lernt sie den Redakteur Julius Goldmann kennen, mit dem sie in zweiter Ehe glücklich wird. Doch ihnen stehen harte Zeiten bevor, als die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Den beiden gelingt es rechtzeitig das Land zu verlassen, doch Itzig, Julius‘ Vater, der einen Kunsthandel betreibt, möchte bis zum Ende nicht wahrhaben, was noch bevorsteht.
Alena Schröder ist dem breiten Publikum bereits durch einige Sachbücher bekannt, „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist allerdings ihr erstes fiktionales Buch. Dass die Autorin hier mit einem fiktionalen Werk debütiert, mag man kaum glauben, so ausgefeilt ist die literarische Struktur des Romans, so einwandfrei und überzeugend die Figurenzeichnung und deren Innenleben. Ob wir nun in Hannahs, Evelyns, Jörgs, Andreas‘ oder in Sentas, Ulrichs, Trudes, Lottes, Julius‘ oder Itzigs Innenleben eintauchen – jede der Figuren nimmt uns für sich ein. Mag man ihre Beweggründe auch nicht alle nachvollziehen, Verständnis und Empathie empfindet man für jede der Figuren. Obwohl die Autorin ein fiktionales Werk mit „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ geschaffen hat, liest sich der Roman wie eine wahrhafte Familiengeschichte. Was es mit dem Titel auf sich hat, erfährt man auf Seite 90 des Buches. Es ist Sentas Beschreibung eines Bildes von Vermeer, das ihr Schwiegervater ihr schenkte und das sie, zusammen mit den vielen anderen Werken, die die Nationalsozialisten Itzig wegnahmen, wiederzuerlangen versucht. Wie ein roter Faden zieht sich dieses Bild durch die Romangeschichte, es hält die einzelnen Stränge jedoch nur locker zusammen, denn der Kunstraub und das Resitutionsverfahren sind nur der Rahmen für eine Geschichte, die viel Wichtigeres sagen möchte.
Und uns allen eine Botschaft mit auf den Weg gibt: „Vertrauen Sie dem Schicksal. Und folgen Sie den Spuren, aber vergessen Sie nicht, dabei selbst welche zu hinterlassen.“