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Produktdetails
  • Verlag: Kein & Aber
  • Anzahl: 4 Audio CDs
  • Gesamtlaufzeit: 295 Min.
  • Erscheinungstermin: 10. Februar 2003
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 9783036911458
  • Artikelnr.: 11833426
Autorenporträt
Harry Rowohlt, geboren 1945 in Hamburg, lebte als Autor, Übersetzer und begnadeter Vortragskünstler in Hamburg Eppendorf. Er brillierte unregelmäßig als Penner Harry in der Fernsehserie 'Lindenstraße'. 1999 erhielt er den "Johann-Heinrich-Voß-Preis" der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Januar 2001 erhielt er den Satirepreis "Göttinger Elch". Harry Rowohlt verstarb im Juni 2015.
Trackliste
CD 1
1Milo,Murphy & Spudorgan Hall00:20:54
2Die schönste Frau in Killoyle00:05:48
3Quatschkopp Wolftone Grey00:07:05
4Das eherne Ehepaar Powers00:08:15
5Pater Doyle in-und auswendig00:09:15
6Milo der Lohnsklave00:20:46
CD 2
1Stadtbummel mit Strongbow & Kathy00:07:35
2Gottesdienst in Killoyle00:08:21
3Emmet Powers & Pater Doyle00:12:38
4Kaffetrinken und Rückbesinnung00:03:36
5Milos Bilanz in eroticis etc.00:12:33
6Der große Leonid Glossowitsch00:11:05
7Pater Doyle durch und durch00:10:35
8Marktbummel in Killoyle00:10:17
CD 3
1Emmets kleine Spritztour00:04:40
2Held Milo & Kathy die Schöne00:12:07
3G-Day!00:14:28
4Pater Doyles Irrtum00:17:36
5Eheliche Wonnen chez Powers00:09:45
6Milos Beförderung00:18:33
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2000

Milo, Murphy und leberbestimmte Launen
Roger Boylan geht in „Killoyle” Flann O’Briens Wege
Würde Harry Rowohlt heimlich einen Roman schreiben und unter Pseudonym veröffentlichen, so könnte das Ergebnis aussehen wie Killoyle – für den Roger Boylan als Autor zeichnet. Die Originalausgabe ist bei der „Dalkey Archive Press” in Normal, Illinois, erschienen; auch dies klingt nach einem grandiosen Fake. Dass man von Roger Boylan noch nichts gehört oder gelesen hat, gibt dem Verdacht zusätzliche Nahrung. Unbegründet ist er dennoch: Harry Rowohlt hat dieses wahnwitzige Buch nicht verfasst, sondern nur furios und eigenwillig übersetzt (1). Der Autor ist 46 Jahre alt, in den USA geboren (2), aber in Irland und einigen anderen Gegenden Europas aufgewachsen, was, an der Anzahl der von ihm erwähnten Länder gemessen (3), einige Zeit gedauert haben muss.
Boylans Humor ist mindestens so irisch wie der vieler Iren, doch der Mann lebt in Texas und sagt über einen seiner Helden: „Wie die meisten Iren fühlte sich Milo teilweise als Amerikaner. ” Die Lektüre von Flann O’Brien, gestand Boylan, war sein „Damaskus” und habe ihm den Weg zum Schreiben gewiesen. Manchmal, aber vielleicht liegt das auch an Harry Rowohlt, hat man beim Lesen von Killoyle” den Eindruck, Flann O'Brien wäre bloß für 33 Jahre ins mythische Dunkel seiner Stammkneipen abgetaucht gewesen, um nun zurückzukehren und die Welt mit einem neuen Opus zu verblüffen.
Roger Boylan ist auch so belesen wie sein Vorbild. Es würde mich nicht überraschen, wenn er auch Jean Paul gelesen hätte und ihn haushoch übertreffen möchte, wenn es um die Anzahl und Länge ironischer Anmerkungen geht. Das erste Kapitel von Killoyle” hat 21 Seiten und 27 Fußnoten, die mitunter mehr Platz einnehmen als die eigentliche Erzählung. Gelegentlich widersprechen die Anmerkungen dem Erzähler und fallen ihm in den Rücken; oft erzählen sie zusätzliche kleine Geschichten, manchmal führen sie Figuren ein, die unversehens nach oben rutschen in den Plot des Romans.
Roger Boylan erzählt so fabulierfreudig, dass es schon ein kleines Wunder ist, wenn dabei überhaupt so etwas wie eine kontinuierlich fortschreitende Story zustandekommt. Zu Beginn wird sie noch vom Schauplatz abgesichert, vom fiktiven Städtchen Killoyle, das sich aus vielen irischen Vorbildern zusammensetzt, vom nordirischen Portrush über den Wallfahrtsort Knock und das noble Bray bis zum Zockerkaff Bundoran, und, wenn den geographischen Angaben des Autors („41 Meilen südöstlich von Cork”) zu trauen wäre, in der irischen See liegen müsste.
In Killoyle lebt Milo Rogers. Er will, wie es der Lyriker Patrick Kavanagh formulierte, zum stehenden Heer der einhunderttausend irischen Poeten gehören. Vorerst aber arbeitet er als Oberkellner im Hotel Spudorgan Hall. Er leidet an den frühen Sperrstunden, am Durst, an Geld- und Sex-Mangel. Die Journalistin Kathy McRory Hickman, Witwe eines nur mäßig geliebten Mannes und Fan des privaten deutschen Fernsehkanals Sieg (mit Triumph des Willens im Abendprogramm!) wird ihm helfen.
Weil das ein sehr irischer Roman ist, kommt auch ein Pfarrer vor: Father Doyle schätzt Whiskey, Zigaretten, einen anständigen Fluch und die Erinnerung an Rom. Auch sonst ist er kein unrechter Mann, nur hat er das Pech, dass der Papst seine Gemeinde zusperrt wie ein Konzernchef eine Zweigstelle. Größeren missionarischen Eifer entwickelt Wolfetone Grey, der mit anonymen nächtlichen Anrufen das Volk von Killoyle von der Heilslehre des Sektengründers Glossowitsch zu überzeugen versucht. Gott selbst hat den Russen am Telefon darauf aufmerksam gemacht, dass die Namen seiner Auserwählten allesamt mit dem Buchstaben G beginnen. Von Zweiflern, die auf Goebbels und Göring verweisen, lässt sich Grey nicht irritieren.
Namen sind ohnehin Boylans Spezialgebiet: Die mythologischen „Fir Bolgs” werden zu einer parlamentarischen Splittergruppe. Milos Freund, der Oberkellner von Spudorgan Hall, heißt Murphy, wie „Murphys Law”; Kathy stellt sich nach einer Nacht mit ihm in einer „leberbestimmten Laune” die Frage, ob es auf der Welt Trüberes, „Mörphigeres” gebe. Mit Namen wie Wolfetone und Emmet hat Boylan Helden der irischen Unabhängigkeit verewigt, und einen nordirischen Sektierer nennt er, nach Ian Paisley, höhnisch Owen Parsley.
Des weiteren treibt in dem Ort Tom Maher sein Unwesen, der Mann, dem der Sprung von der Anmerkung in die Story – und damit gleichzeitig auch vom Hafenmeister zum Immobilienhai – glückte. Maher versucht, eine Häuserzeile mit dem konzentrierten Gestank von „Gülloflex Instant” zu entmieten, verhaftet wird er aber, weil in seinem Pub ein Gast an gepanschtem Fusel gestorben ist.
Anfangs gleicht Roger Boylans Dramaturgie einem Reigen, doch seine Geschichte beginnt sich zu drehen wie ein Karussell; der Autor zieht das Tempo immer weiter an, bis am Ende die Zentrifugalkraft seine Figuren hinaustreibt in die Welt. Mit dieser Bewegung ufert auch die Story endgültig aus.
Milo wird um ein Haar mit einem Pfeifenbesteck ermordet, Grey leitet in Nordirland eine mobile Sekte gottesfürchtiger Bankräuber; Emmet Power, Geschäftsführer von Spudorgan Hall, bringt es zum Direktor eines Jesuitenkollegs bei Frascati, und Maher dehnt seine Geschäfte auf EU-Dimensionen aus.
Roger Boylan ist sich, nach eigener Aussage, nicht sicher, ob er mit seinem Buch einen Zweck verfolgt: „Vor allem möchte ich schreiben, was ich selbst gern lesen würde. ” So wurde Killoyle auch eine heimliche Hommage an Samuel Becketts „Murphyund Molloyund natürlich anAt-Swim-Two-Birds” von Flann O’Brien. Dass Boylan dabei frei bleibt von den Erschöpfungen des Epigonentums, spricht für seine erzählerische Phantasie. Wenn nun ein Gegner dieses Romans die Botschaft vermissen und behaupten würde, er sei nur heiße Luft, so wäre ihm zu entgegnen: Sie erwärmt einen beim Lesen.
H. G. PFLAUM
(1) Der Liffey (trotz „Anna Livia”-Allegorie), die Pint (ich habe immer ein Pint getrunken, oder mehrere, aber nie eine), und Father Doyle wird kategorisch zum Pater, obwohl er ein ganz normaler Pfarrer ist.
(2) Für Fragen und Kommentare bietet der Autor im Internet seine e-mail-Anschrift an: rboylan@hrw.com.
(3) Unter anderem in Dublin, im nordirischen Portrush, in Genf, Paris und Rom. Sein Vater, sagt Boylan, war Fachmann für Glockenspiele an Kirchtürmen.
ROGER BOYLAN: Killoyle. Roman. Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins. Hamburg 1999. 317 Seiten, 29 Mark.
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