Nobelpreisträger als Protagonist
Ein Jahr vor seinem Tode besuchte der 79jährige Thomas Mann im Rahmen einer Lesereise für den «Felix Krull» Düsseldorf. Hans Pleschinski hat in seinem Roman «Königsallee» diesen Aufenthalt zu einer amüsanten Geschichte verarbeitet, mit der er dem Nobelpreisträger
einerseits ein weiteres Denkmal setzt, ihn andererseits aber im Kreise seiner Entourage als…mehrNobelpreisträger als Protagonist
Ein Jahr vor seinem Tode besuchte der 79jährige Thomas Mann im Rahmen einer Lesereise für den «Felix Krull» Düsseldorf. Hans Pleschinski hat in seinem Roman «Königsallee» diesen Aufenthalt zu einer amüsanten Geschichte verarbeitet, mit der er dem Nobelpreisträger einerseits ein weiteres Denkmal setzt, ihn andererseits aber im Kreise seiner Entourage als kauzigen, verwöhnten und unselbständigen alten Mann beschreibt, womit er sich zweifellos sehr nahe an die Wirklichkeit hält. Fiktion hingegen ist das Zusammentreffen mit Klaus Heuser, den er tatsächlich 1927 auf Sylt kennengelernt hatte und mit dem ihn einst eine homosexuelle Beziehung verband. Vorbild für diesen Plot ist Manns «Lotte in Weimar», in dem sich Goethe und seine einstige Liebe Charlotte Buff wieder begegnen, die ihrerseits für die Lotte in «Die Leiden des jungen Werthers» Vorlage war. Klaus Heuser nun stand Pate für den Joseph in Manns großer Tetralogie, aber auch für den Felix Krull. Die Bezüge gehen so weit, dass als Analogie zu «Lotte in Weimar» in einer als «Das siebente Kapitel» betitelten Passage hier wie dort die Träume und Phantasien beider alten Männer beim Aufwachen am frühen Morgen thematisiert werden. Kenntnisse der Werke beider Schriftsteller sind zwar hilfreich, um all diese Anspielungen und Verweise auch verstehen und hinreichend würdigen zu können, aber Pleschinskis geistreicher Roman bietet neben dem köstlichen Lesespaß zusätzlich den in klassischer deutscher Literatur weniger sattelfesten Lesern eine Fülle von nützlichen Informationen zu diesen Lichtgestalten.
Man könnte den Roman als bitterböse Komödie auffassen, denn neben den teilweise fast slapstickartigen Auftritten der vielen schrulligen Akteure wirkt der gefeierte Schriftsteller im Düsseldorf der Nachkriegszeit wie ein Erlöser, ein Heilsbringer geradezu für das in tiefe Schuld verstrickte Deutschland. Dessen Nazi-Vergangenheit ist allenthalben zu spüren, personifiziert hier durch den als Kriegsverbrecher verurteilen, aber schon wieder entlassenen Generalfeldmarschall Kesselring, der nun ausgerechnet am selben Tage im gleichen Hotel wie Thomas Mann Quartier nimmt , was die Direktion des vornehmen «Breidenbacher Hofs» einen Eklat befürchten lässt. Und auch der einstige Liebe Klaus Heuser wohnt hier mit seinem jungen asiatischen Lebensgefährten, was weitere Verwicklungen bedeuten könnte, wie Erika Mann mutmaßt, die den Vater begleitet. Die Tragik Thomas Manns, dessen sexuelle Orientierung zur damaligen Zeit nicht in Einklang zu bringen war mit seiner öffentlichen Bedeutung, wobei jene nicht zuletzt auch eine Folge seiner genüsslich und kunstvoll zelebrierten Selbstdarstellung, um nicht zu sagen Selbstüberhöhung war, diese Tragik also wird hier sehr gekonnt und faktenreich thematisiert.
Die originelle Idee für das in siebzehn Kapitel aufgeteilte, zweitägige Geschehen mit etlichen Rückblenden setzt Pleschinski mit Hilfe eines furiosen, vielköpfigen Figurenensembles in Szene, angefangen vom Mann-Clan mit Thomas, Katia, Erika und Golo bis hin zum wunderlichen Liftboy im Hotel oder der sturmerprobten Kellnerin in der «Neusser Stube», allesamt humorvoll geschildert. Deren weit ausholende Dialoge sind ebenso amüsant wiedergegeben wie die stimmig beschriebene Atmosphäre in jenen großbürgerlichen Kreisen der frühen Nachkriegszeit. Wobei Pleschinski sich sprachlich eng an seinen Protagonisten anlehnt, damit aber zuweilen auch karikaturhaft überzeichnet, so geistreich und druckreif nämlich spricht niemand auf der Welt, auch ein Thomas Mann nicht, selbst wenn es da einmal von ihm heißt: «Der hat noch Bildung geschlürft wie die Germanen Met». Einer strengen Analyse sollte man dieses Buch also nicht unterziehen, es ist ein heiterer Roman, kein Sachbuch, auch wenn viel Authentisches darin verarbeitet ist bis hin zum persönlichen Nachlass des 1994 verstorbenen Klaus Heuser. Ein rundum gelungener Roman insoweit, und damit ein herzerfrischendes Lesevergnügen.