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Im September 1941 nahm der deutsche theoretische Physiker Werner Heisenberg an einer von der Nazi-Kulturpropaganda organisierten Konferenz in Kopenhagen teil. Dabei nutzte er die Gelegenheit, seinen Kollegen und Mentor Niels Bohr zu besuchen. Die private Begegnung führte zu einer Verstimmung zwischen beiden, die auch nach dem Krieg nicht ausgeräumt werden konnte. Wodurch der Konflikt ausgelöst wurde, wird auch in Zukunft mit Exaktheit nicht mehr zu klären sein. Vielleicht ging es um den Bau einer Atombombe und die möglichen Konsequenzen, vielleicht um einen Versuch Heisenbergs, Bohr zur…mehr

Produktbeschreibung
Im September 1941 nahm der deutsche theoretische Physiker Werner Heisenberg an einer von der Nazi-Kulturpropaganda organisierten Konferenz in Kopenhagen teil. Dabei nutzte er die Gelegenheit, seinen Kollegen und Mentor Niels Bohr zu besuchen. Die private Begegnung führte zu einer Verstimmung zwischen beiden, die auch nach dem Krieg nicht ausgeräumt werden konnte. Wodurch der Konflikt ausgelöst wurde, wird auch in Zukunft mit Exaktheit nicht mehr zu klären sein. Vielleicht ging es um den Bau einer Atombombe und die möglichen Konsequenzen, vielleicht um einen Versuch Heisenbergs, Bohr zur Kollaboration mit Nazi-Deutschland zu überreden; vielleicht aber machten die Kriegsbedingungen schon vorab jede Konversation unmöglich.
Michael Frayns international erfolgreiches Stück spielt mehrere mögliche Szenarien dieser brisanten Begegnung durch. Dabei überträgt er Annahmen und Konzepte der Quantenmechanik, an deren Entwicklung Heisenberg entscheidend beteiligt war, auf die Bühne und wirf t somit die Frage nach der Wahrscheinlichkeit oder vielmehr nach der Unausweichlichkeit verschiedener Interpretationen eines Ereignisses auf. Obwohl "Kopenhagen" sich auf die aktuelle historische Forschung stützt, bleibt das Stück letztlich eine geschichtliche Fiktion. "Kopenhagen" wirft grundsätzliche historiographische Fragen nach Möglichkeiten und Grenzen der Geschichtsschreibung auf.
Autorenporträt
Michael Frayn, geboren 1933, verfasste nach seinem Philosophie-Studium neben seiner journalistischen Tätigkeit für den "Manchester Guardian", den Londoner "Observer" und die BBC eine Reihe von vorwiegend satirischen Romanen und Theaterstücken um bürgerliche Konvention, Snobismus, Heuchelei und überkommene Strukturen wie z.B. "Der nackte Wahnsinn" (1982). Sein Roman "Headlong" wurde für den Booker-Prize nominiert. Daneben übersetzte Frayn Werke von Anouilh, Tolstoij, Trifonov, Tschechow. Sein erster Film "Clockwise" kam 1986 (Hauptrolle: John Cleese) heraus. Sein zweiter Film "First and Last" gewann 1990 den "International Emmy Award". Für seinen Roman "Das Spionagespiel" erhielt Frayn 2002 den Whitbread Novel Award.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2001

Unscharf
Die quantenmechanische
Dramaturgie Michael Frayns
Auf der Website des Kopenhagener Niels-Bohr-Archivs steht seit dem 23. September 2001 eine Ankündigung, die Mitte November noch einmal bekräftigt wurde: „Die Familie von Niels Bohr hat sich entschieden, alle in ihrem Besitz befindlichen Dokumente, seien sie geschrieben oder von Niels Bohr diktiert, freizugeben, die in besonderer Weise auf das Treffen zwischen Bohr und Heisenberg im September 1941 Bezug nehmen.” Bald können sich die Wissenschaftshistoriker über den nie abgeschickten Brief Niels Bohrs aus dem Jahr 1958 beugen, in dem er der Nachkriegsdarstellung Werner Heisenbergs vom Treffen der beiden entgegengetreten sein soll.
Die Freigabe der Dokumente hat viel zu tun mit dem Erfolg des Dreipersonenstücks „Kopenhagen” (1998) von Michael Frayn, in dem Figuren namens Niels Bohr, Margarete Bohr und Werner Heisenberg rückblickend das Treffen von 1941 noch einmal nachspielen. Zu dem diskursiven Erdbeben, das dieses Drama ausgelöst hat, gehörten auch mehrere Tagungen am Bohr-Archiv in Kopenhagen: Warum fuhr Heisenberg nach Kopenhagen? Woran zerbrach die Freundschaft mit Bohr? War Heisenberg bereit, für Hitler die Atombombe zu bauen, oder zögerte er und war womöglich gar ein Saboteur? Wie weit war er sich bewusst, dass er durch seine Auslandsreisen, zumal wenn er in ein besetztes Land reiste, der Propaganda des nationalsozialistischen Deutschland diente?
Nicht nur, dass diese lang schon diskutierten Fragen der Wissenschaftshistoriker sich mit dem Stoff des Stückes überschneiden, hat die vielen Stellungnahmen ausgelöst. Sondern vor allem die Frage nach dem Status der bisher gegebenen Antworten. Denn das Drama lädt dazu ein, Wissenschaftsgeschichte und Quantentheorie ineinander zu spiegeln. Der „Zauberstab der Analogie” (Novalis) rückt dabei klassische Physik und klassische Historiographie auf der einen, Quantenmechanik und „postmoderne” Wissenschaftsgeschichte auf der anderen Seite zu einem Parallelogramm zusammen, in dem sich trefflich streiten lässt: über die „Unschärferelation” von Geschichte und Erinnerung ebenso wie über „quantenmechanische” Dramaturgie.
Heisenbergs platonische Poetik
Das dokumentiert dieser Band in hinreißendem Nebeneinander des Unvereinbaren: während die einen den Dramatiker Frayn als Bündnisgenossen beim Abschied von der Fiktion eindeutig formulierbarer historischer Wahrheiten begrüßen, machen ihm die anderen quellenkritisch den Prozess. Friedensangebote im Patt zwischen „Relativismus” und „Wahrheitsillusion” sind womöglich von einem kürzlich eingerichteten Projekt am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen über „die künstlerische Produktion von Geschichte” zu erwarten.
Aber dieses Projekt ist der Reflex einer alten Strategie, die gerade Werner Heisenberg meisterhaft beherrschte. Sein Lebensbericht „Der Teil und das Ganze” ist auch deshalb ein Longseller, weil schon in Heisenberg ein Michael Frayn steckte, der die historischen Figuren dramaturgisch ordnete. Zwar stammt das Motto seines Buches von Thukydides, die Poetik aber von Plato. Vom Untertitel an – „Gespräche über Atomphysik” – unterstellt Heisenberg die Erzählung seiner Lebensgeschichte dem Modell der platonischen Dialoge. Daraus geht die Aura der modernen Physik hervor. Eine wahrhaft dekonstruktive Lektüre dieser Strategie fehlt im Kreis der hier versammelten Essays.
LOTHAR
MÜLLER
MICHAEL FRAYN: Kopenhagen. Deutsch von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting. Mit einem Nachwort des Autors und zwölf wissenschaftshistorischen Lesarten. Wallstein Verlag, Göttingen 2001. 270 Seiten, 38 Mark.
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