Laduuuuuma heißt Tooooor! Einstimmung auf die WM 2010.
All die Geschichten und Schicksale, die dem Autor im Laufe der Jahre zwischen Kairo und Kapstadt begegnet sind, haben einen gemeinsamen Nenner: Sie erzählen davon, wie der Fußball den Kontinent verzaubert. Eine unterhaltsame Afrikareise.
All die Geschichten und Schicksale, die dem Autor im Laufe der Jahre zwischen Kairo und Kapstadt begegnet sind, haben einen gemeinsamen Nenner: Sie erzählen davon, wie der Fußball den Kontinent verzaubert. Eine unterhaltsame Afrikareise.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2010Mal zauberhaft, mal wie verhext
Fußballgeschichten aus und über Südafrika - neue Bücher zum Sportereignis das Jahres
Die Prognose lag nur knapp daneben. Auch in der Literatur brauchte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft einen neuen Kapitän. Allerdings nicht wegen einer Verletzung. Michael Ballack, so die Fiktion, hatte es einfach nicht mehr in die Stammelf beim FC Chelsea geschafft und musste deshalb zu Hause bleiben. Und auch nicht Philipp Lahm wurde sein Nachfolger, sondern Bastian Schweinsteiger, ein Spieler, der offenbar einigen Respekt genießt in Südafrika. Wie ein "zaubernder Irrer", schreibt der Kapstädter Autor Leighton Kerry, habe Schweinsteiger bei der Weltmeisterschaft vor vier Jahren in Deutschland gespielt. Und so endet Kerrys Erzählung, die zugleich den Band "Elf - Fußballgeschichten aus Afrika" beschließt, mit dem Gedanken an den Kauf eines Schweinsteiger-Trikots bei der WM 2010. Ein gutes Omen für das deutsche Team? In jedem Fall ein guter Auftakt für eine Entdeckungsreise durch die Welt des afrikanischen Fußballs. Denn einen Gewinner hat diese erste WM auf afrikanischem Boden schon vor dem Anpfiff hervorgebracht: den fußball- und kulturinteressierten Leser, dem gleich eine ganze Reihe guter Bücher diesen fremden Kosmos auf bunte und manchmal auch bedrückende Weise nahebringen.
Die "Fußballgeschichten" etwa, erschienen im Peter Hammer Verlag, der sich mit Eduardo Galeanos "Der Ball ist rund und Tore lauern überall" schon um die südamerikanische Fußballliteratur verdient gemacht hat, steigen mit Leichtigkeit hinter die Fassade des Hochglanzprodukts, das so eine WM ja immer sein soll. Sie zeigen stattdessen etwas von der Zwiespältigkeit eines solchen Unternehmens in einem zerrissenen Land wie Südafrika. Die Hoffnungen, natürlich, die gerade die einfachen Menschen mit dieser WM verbinden. Meist aber zugleich auch die bitteren Enttäuschungen - oder einfach nur den von Gewalt, Armut und Krankheit bestimmten Alltag in den Townships, an dem sich, WM hin oder her, so schnell nichts ändern wird.
Afrika, ein verlorener Kontinent? Das wäre ein Fehlschluss und ein allzu einseitiges Bild. Zwei deutsche Korrespondenten, Thilo Thielke und Bartholomäus Grill, schreiben in ihren Afrika-Büchern mit großer Überzeugung und jeder Menge eigener Erfahrung dagegen an. Nicht im Sinne einer romantischen Verklärung, aber mit Respekt vor der afrikanischen Realität und einem sympathischen Blick auf die aus europäischer Sicht so chaotisch anmutenden Verhältnisse. Nach der Lektüre des einen wie des anderen ist klar: Fußball ist in Afrika mehr als ein Spiel, das zum großen Geschäft geworden ist. Er ist auch nicht eine Metapher für das Leben - er ist das Leben selbst: manchmal leicht, öfter aber irrational, verrückt oder sogar todernst. Bei Thielkes "Traumfußball" trübt zwar der flapsige Stil das Vergnügen, und manche Episode leidet darunter, dass seit der Erstveröffentlichung schon ein paar Jahre vergangen sind. An der Lebendigkeit, zu der die vielen hervorragenden Fotos ihren Teil beitragen, ändert das nichts. Etwas weniger Effekt, dafür mehr Tiefe in der Reflexion bietet Grills "Laduuuuuma!", das sich den afrikanischen "Tor"-Schrei als Titel geliehen hat. Für das Reisegepäck dürfte es nicht nur aus Gründen des Formats das besser geeignete Werk sein: Es ist einfach näher an der Gegenwart - und damit auch an der WM. Lesenswert, aber doch ein gutes Stück schmaler als die Konkurrenten, ist ein anderes Journalisten-Werk: "Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer" von Christian Ewers.
Wer mehr über das Land und weniger über Fußball erfahren möchte, sollte es mit dem Band "Nicht von hier und nicht von dort" von Robert von Lucius, dem langjährigen Afrika-Korrespondenten dieser Zeitung, versuchen, das anlässlich der WM in aktualisierter Auflage erschienen ist. Wer sich umgekehrt in erster Linie für den Fußball interessiert, dürfte mit einem englischsprachigen Werk am besten bedient sein: "Feet of the Chameleon" von Ian Hawkey, einem Korrespondenten der "Sunday Times", lässt in dieser Hinsicht keine Wünsche offen.
Bei allen unterschiedlichen Perspektiven - an einem Aspekt kommt eigentlich niemand vorbei, der über Fußball in Afrika schreibt: dem (Aber-)Glauben an magische Kräfte. Ob man von Voodoo, Juju, Muti oder Gris-gris spricht: Es gibt auf dem ganzen Kontinent die kuriosesten Geschichten von Zauber und Gegenzauber. Der Politologe und Dokumentarfilmer Oliver Becker hat dem Thema Fußball und Magie in Afrika einen eigenen Band gewidmet ("Voodoo im Strafraum"). Dass Winfried Schäfers kamerunischer Assistenztrainer beim Afrika-Cup 2002 in Mali von der Polizei vom Platz weg abgeführt wurde, weil er ein verhextes Objekt auf den Rasen geworfen haben soll, ist noch eine der harmlosesten Episoden. Der afrikanische Verband (Caf) hat inzwischen ganz offiziell Maßnahmen ergriffen, um die irrationalen Kräfte einzudämmen, so dürfen etwa die vorher stets präsenten "Witchdoctors" nicht mehr auf den Reservebänken Platz nehmen.
Wer hat den besseren Zauber? Aus rationaler, europäischer Sicht mag das eine abwegige Frage sein. Was aber, wenn man all die Verletzungen vor dieser WM - von Ballack über Robben, Mikel und Essien bis zu Drogba - versuchsweise unter diesem Blickwinkel betrachtete? Rio Ferdinand jedenfalls, der englische Kapitän, machte diese merkwürdige Andeutung, als sein WM-Aus wegen einer Knieverletzung feststand: "Ich fühle mich wie verhext."
CHRISTIAN KAMP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fußballgeschichten aus und über Südafrika - neue Bücher zum Sportereignis das Jahres
Die Prognose lag nur knapp daneben. Auch in der Literatur brauchte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft einen neuen Kapitän. Allerdings nicht wegen einer Verletzung. Michael Ballack, so die Fiktion, hatte es einfach nicht mehr in die Stammelf beim FC Chelsea geschafft und musste deshalb zu Hause bleiben. Und auch nicht Philipp Lahm wurde sein Nachfolger, sondern Bastian Schweinsteiger, ein Spieler, der offenbar einigen Respekt genießt in Südafrika. Wie ein "zaubernder Irrer", schreibt der Kapstädter Autor Leighton Kerry, habe Schweinsteiger bei der Weltmeisterschaft vor vier Jahren in Deutschland gespielt. Und so endet Kerrys Erzählung, die zugleich den Band "Elf - Fußballgeschichten aus Afrika" beschließt, mit dem Gedanken an den Kauf eines Schweinsteiger-Trikots bei der WM 2010. Ein gutes Omen für das deutsche Team? In jedem Fall ein guter Auftakt für eine Entdeckungsreise durch die Welt des afrikanischen Fußballs. Denn einen Gewinner hat diese erste WM auf afrikanischem Boden schon vor dem Anpfiff hervorgebracht: den fußball- und kulturinteressierten Leser, dem gleich eine ganze Reihe guter Bücher diesen fremden Kosmos auf bunte und manchmal auch bedrückende Weise nahebringen.
Die "Fußballgeschichten" etwa, erschienen im Peter Hammer Verlag, der sich mit Eduardo Galeanos "Der Ball ist rund und Tore lauern überall" schon um die südamerikanische Fußballliteratur verdient gemacht hat, steigen mit Leichtigkeit hinter die Fassade des Hochglanzprodukts, das so eine WM ja immer sein soll. Sie zeigen stattdessen etwas von der Zwiespältigkeit eines solchen Unternehmens in einem zerrissenen Land wie Südafrika. Die Hoffnungen, natürlich, die gerade die einfachen Menschen mit dieser WM verbinden. Meist aber zugleich auch die bitteren Enttäuschungen - oder einfach nur den von Gewalt, Armut und Krankheit bestimmten Alltag in den Townships, an dem sich, WM hin oder her, so schnell nichts ändern wird.
Afrika, ein verlorener Kontinent? Das wäre ein Fehlschluss und ein allzu einseitiges Bild. Zwei deutsche Korrespondenten, Thilo Thielke und Bartholomäus Grill, schreiben in ihren Afrika-Büchern mit großer Überzeugung und jeder Menge eigener Erfahrung dagegen an. Nicht im Sinne einer romantischen Verklärung, aber mit Respekt vor der afrikanischen Realität und einem sympathischen Blick auf die aus europäischer Sicht so chaotisch anmutenden Verhältnisse. Nach der Lektüre des einen wie des anderen ist klar: Fußball ist in Afrika mehr als ein Spiel, das zum großen Geschäft geworden ist. Er ist auch nicht eine Metapher für das Leben - er ist das Leben selbst: manchmal leicht, öfter aber irrational, verrückt oder sogar todernst. Bei Thielkes "Traumfußball" trübt zwar der flapsige Stil das Vergnügen, und manche Episode leidet darunter, dass seit der Erstveröffentlichung schon ein paar Jahre vergangen sind. An der Lebendigkeit, zu der die vielen hervorragenden Fotos ihren Teil beitragen, ändert das nichts. Etwas weniger Effekt, dafür mehr Tiefe in der Reflexion bietet Grills "Laduuuuuma!", das sich den afrikanischen "Tor"-Schrei als Titel geliehen hat. Für das Reisegepäck dürfte es nicht nur aus Gründen des Formats das besser geeignete Werk sein: Es ist einfach näher an der Gegenwart - und damit auch an der WM. Lesenswert, aber doch ein gutes Stück schmaler als die Konkurrenten, ist ein anderes Journalisten-Werk: "Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer" von Christian Ewers.
Wer mehr über das Land und weniger über Fußball erfahren möchte, sollte es mit dem Band "Nicht von hier und nicht von dort" von Robert von Lucius, dem langjährigen Afrika-Korrespondenten dieser Zeitung, versuchen, das anlässlich der WM in aktualisierter Auflage erschienen ist. Wer sich umgekehrt in erster Linie für den Fußball interessiert, dürfte mit einem englischsprachigen Werk am besten bedient sein: "Feet of the Chameleon" von Ian Hawkey, einem Korrespondenten der "Sunday Times", lässt in dieser Hinsicht keine Wünsche offen.
Bei allen unterschiedlichen Perspektiven - an einem Aspekt kommt eigentlich niemand vorbei, der über Fußball in Afrika schreibt: dem (Aber-)Glauben an magische Kräfte. Ob man von Voodoo, Juju, Muti oder Gris-gris spricht: Es gibt auf dem ganzen Kontinent die kuriosesten Geschichten von Zauber und Gegenzauber. Der Politologe und Dokumentarfilmer Oliver Becker hat dem Thema Fußball und Magie in Afrika einen eigenen Band gewidmet ("Voodoo im Strafraum"). Dass Winfried Schäfers kamerunischer Assistenztrainer beim Afrika-Cup 2002 in Mali von der Polizei vom Platz weg abgeführt wurde, weil er ein verhextes Objekt auf den Rasen geworfen haben soll, ist noch eine der harmlosesten Episoden. Der afrikanische Verband (Caf) hat inzwischen ganz offiziell Maßnahmen ergriffen, um die irrationalen Kräfte einzudämmen, so dürfen etwa die vorher stets präsenten "Witchdoctors" nicht mehr auf den Reservebänken Platz nehmen.
Wer hat den besseren Zauber? Aus rationaler, europäischer Sicht mag das eine abwegige Frage sein. Was aber, wenn man all die Verletzungen vor dieser WM - von Ballack über Robben, Mikel und Essien bis zu Drogba - versuchsweise unter diesem Blickwinkel betrachtete? Rio Ferdinand jedenfalls, der englische Kapitän, machte diese merkwürdige Andeutung, als sein WM-Aus wegen einer Knieverletzung feststand: "Ich fühle mich wie verhext."
CHRISTIAN KAMP
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