Johannes Mario Simmel erzählt die Geschichte einer großen Liebe, aufgezeichnet von Oliver Mansfeld, Millionärssohn, Schüler eines Internats im Taunus. Oliver kann nicht mehr schweigen, er muss endlich die Wahrheit sagen - über seinen Vater, den er hasst, und über die Liebe zu der schönen Verena Lord, die ihren Mann betrügt und für die Liebe »nur ein Wort« ist.Lesung mit Siemen Rühaak2 mp3-CDs ca. 13 h 18 min
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Die Kritik frisst ihre Lehrer
Ende der siebziger Jahre lasen wir im Deutschunterricht den Roman "Liebe ist nur ein Wort" von Johannes Mario Simmel. Aber natürlich nicht einfach so, sondern als Beispiel für "Trivialliteratur". 544 Seiten, um dann darin bloß das Konzept wiederzufinden, das in den didaktischen Vorgaben stand ... An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an die latente Aggressivität, die das Eingeschlossensein zwischen dem dicken Buch und der offenkundig auf ganz bestimmte Sachen hinauswollenden Erwartungshaltung der Lehrerin bei uns auslöste. Was für Sachen das waren, dazu finde ich jetzt bei Peter Nusser, "Didaktik der Trivialliteratur", Näheres über die zeitgenössischen Vorstellungen (vgl. Ehlert/Hoffacker/Ide, 1971; Giesenfeld, 1973; Bremer Kollektiv, 1974). Damals hielt man "Trivialliteratur besonders gut dafür geeignet, gesellschaftskritische Reflexionen auszulösen, da sich in ihr die unsere Gesellschaft wesentlich bestimmenden Ideologien, das Konsum- und das Autoritätsdenken, deutlich niederschlagen". Es komme darauf an, den Schülern "die manipulativen Mechanismen ihrer Lektüre bewusst zu machen, was eine Behandlung der Produktions-, Rezeptions- und Wirkungsbedingungen der trivialen Texte impliziert". Es war also eine Schulung in angewandter Ideologiekritik, der wir beim Lesen von "Liebe ist nur ein Wort" unterzogen wurden. Aber irgendwie ging die erzieherische Wirkung unvorhergesehene Wege. Statt auf das Buch, zu dem wir gar keine Beziehung hatten, begannen wir die uns vorgeführten Verfahren auf das anzuwenden, was uns unmittelbar bedrängte: den Unterricht. Und fanden dort manipulative Mechanismen genug, an denen wir unsere Fähigkeit zur munteren, manchmal vielleicht etwas überheblichen Bewusstmachung erproben konnten.
Mark Siemons
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ende der siebziger Jahre lasen wir im Deutschunterricht den Roman "Liebe ist nur ein Wort" von Johannes Mario Simmel. Aber natürlich nicht einfach so, sondern als Beispiel für "Trivialliteratur". 544 Seiten, um dann darin bloß das Konzept wiederzufinden, das in den didaktischen Vorgaben stand ... An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an die latente Aggressivität, die das Eingeschlossensein zwischen dem dicken Buch und der offenkundig auf ganz bestimmte Sachen hinauswollenden Erwartungshaltung der Lehrerin bei uns auslöste. Was für Sachen das waren, dazu finde ich jetzt bei Peter Nusser, "Didaktik der Trivialliteratur", Näheres über die zeitgenössischen Vorstellungen (vgl. Ehlert/Hoffacker/Ide, 1971; Giesenfeld, 1973; Bremer Kollektiv, 1974). Damals hielt man "Trivialliteratur besonders gut dafür geeignet, gesellschaftskritische Reflexionen auszulösen, da sich in ihr die unsere Gesellschaft wesentlich bestimmenden Ideologien, das Konsum- und das Autoritätsdenken, deutlich niederschlagen". Es komme darauf an, den Schülern "die manipulativen Mechanismen ihrer Lektüre bewusst zu machen, was eine Behandlung der Produktions-, Rezeptions- und Wirkungsbedingungen der trivialen Texte impliziert". Es war also eine Schulung in angewandter Ideologiekritik, der wir beim Lesen von "Liebe ist nur ein Wort" unterzogen wurden. Aber irgendwie ging die erzieherische Wirkung unvorhergesehene Wege. Statt auf das Buch, zu dem wir gar keine Beziehung hatten, begannen wir die uns vorgeführten Verfahren auf das anzuwenden, was uns unmittelbar bedrängte: den Unterricht. Und fanden dort manipulative Mechanismen genug, an denen wir unsere Fähigkeit zur munteren, manchmal vielleicht etwas überheblichen Bewusstmachung erproben konnten.
Mark Siemons
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»Simmel hat wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme, Motive« Marcel Reich-Ranicki