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Kurz bevor sie ihren 17. Geburtstag feiern kann, kommt Mirjam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ihrem Vater, Joop Koopman, ist es nicht vergönnt, sich seiner Trauer hinzugeben. Sein Freund Philip verwickelt ihn in einen Spionagefall für den israelischen Geheimdienst, seine Cousine Linda in ihre buddhistische Wiedergeburtstheorie. Tragödie, Politspionage und metaphysischer Thriller in einem - Leon de Winters kühnster Roman

Produktbeschreibung
Kurz bevor sie ihren 17. Geburtstag feiern kann, kommt Mirjam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ihrem Vater, Joop Koopman, ist es nicht vergönnt, sich seiner Trauer hinzugeben. Sein Freund Philip verwickelt ihn in einen Spionagefall für den israelischen Geheimdienst, seine Cousine Linda in ihre buddhistische Wiedergeburtstheorie. Tragödie, Politspionage und metaphysischer Thriller in einem - Leon de Winters kühnster Roman
Autorenporträt
Leon de Winter wurde 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden geboren und begann als Teenager, nach dem Tod seines Vaters, zu schreiben. Er arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher in Holland und den Vereinigten Staaten. Einige seiner Romane wurden für Kino und Fernsehen verfilmt, so z.B. "Der Himmel von Hollywood" unter der Regie von Sönke Wortmann. Leon de Winter erhielt 2002 den "Welt"-Literaturpreis. 2006 wird ihm die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Solide" findet Tobias Lehmkuhl dieses Hörspiel nach Leon de Winters Roman "Malibu", das vom Inhaber eines Fitnessstudios in Los Angeles und einem wenig erfolgreichen Drehbuchautor handelt, die in den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern geraten und für den Mossad mutmaßliche Terroristen aushorchen sollen. Vor allem die Stimme des Drehbuchautors, gesprochen von Vadim Glowna, hat es Lehmkul angetan, sie klinge so unendlich traurig, "dass man selber alle Hoffnung fahren lassen möchte". Regisseur Norbert Schaeffer habe die Hintergrundgeräusche professionell gesetzt, dennoch reiche "Malibu" an die formale Finesse anderer Hörspiele aus seinem Studio nicht heran. Was nicht gegen dieses Hörspiel spricht. "Bei der so traurigen und irgendwann wirklich beängstigenden, immer aber sehr geradlinigen Geschichte, die Leon de Winter erzählt", so Lehmkuhl, "wäre eine größere ästhetische Ausgeklügeltheit der akustischen Fassung wahrscheinlich auch unangebracht." Und schließlich hält er "Malibu" auch so für "spannend und eindringlich".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2005

DAS HÖRBUCH
Der Fluch der Ölspur
Sehr solide: Ein Hörspiel nach Leon de Winters „Malibu”
Die Entstehung der Kontinente, der amerikanische Soldat, der sich in eine französische Bäckerin verliebt, die blockierte Ausfahrt. Unermesslich ist die Macht des Zufalls. Kaum auszumalen, was alles den Lauf der Dinge bestimmt. God versucht es dennoch.
God, ein großer schwarzer Mann, auch Godzilla genannt, ist Inhaber eines Fitnessstudios in Los Angeles. Eine seine Kundinnen heißt Miriam. An ihrem 17. Geburtstag muss sie eilig nach Malibu, und God nimmt sie auf seiner Harley mit, gerät in eine Ölspur, rutscht aus - und aus.
God, wie könnte es anders sein, überlebt, aber Miriam ist tot. Sie hinterlässt Joop, ihren Vater, einen wenig erfolgreichen Drehbuchautor. Wenig erfolgreich, mit einem Schuldgefühl beladen, dass er seit zwanzig Jahren mit sich rumschleppt, ohne Zukunft. Es kann einen fertig machen, diesen Joop (Vadim Glowna) zu hören. Seine Stimme klingt so alt und matt, so schmerzdurchfurcht, so unendlich traurig, dass man selber alle Hoffnung fahren lassen möchte. Die Stimme könnte viel jünger klingen, dick und selbstzufrieden, aber man hört deutlich, dass die Zufälle des Lebens ihrem Inhaber nach vielen kleinen Schlägen nun eine Breitseite verpasst haben.
God geht der Verkettung der Umstände nach und erstattet dem nun tochterlosen Vater Bericht davon. Es geht nicht um Schuld in Leon de Winters Roman „Malibu”, eher schon um die Kontingenz des Daseins. Es könnte alles auch anders sein. So gerät Joop, der Jude ist, kurz nach dem Tod seiner Tochter in den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern. Er soll für seine Leute einen mutmaßlichen Terroristen aushorchen, einen Terroristen, der ihm weit weniger unheimlich ist, als sein Auftraggeber vom Mossad, Philip mit Namen.
Philips Stimme (Christian Redl) kommt einem schon zu Beginn verdächtig vor. Ihr scheint tatsächlich ein Körper zu fehlen. Wie aus dem Nichts taucht sie immer wieder auf, vermutlich die Stimme eines Freundes, aber es könnte auch anders sein. Sonst hört man wenig in diesem Hörspiel, hin und wieder das traurige Klingeln von Joops Handy, mehrmals den Unfall seiner Tochter, die eine oder andere Überblendung.
Und natürlich hat Regisseur Norbert Schaeffer die Hintergrundgeräusche professionell gesetzt. An die formale Finesse anderer Hörspiele aus seinem Studio reicht „Malibu” gleichwohl nicht heran. Bei der so traurigen und irgendwann wirklich beängstigenden, immer aber sehr geradlinigen Geschichte, die Leon de Winter erzählt, wäre eine größere ästhetische Ausgeklügeltheit der akustischen Fassung wahrscheinlich auch unangebracht. Und auch so ist „Malibu” schließlich spannend und eindringlich, eine solide Arbeit.
TOBIAS LEHMKUHL
LEON DE WINTER: Malibu. Regie: Norbert Schaeffer, Sprecher: Vadim Glowna, Christian Redl, u.a. Hörverlag, München 2005. 2 CD, 108 Minuten, 17,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Verzweiflung als Prophylaxe
Spannungsfunken sprühen, Leon de Winter hört den Urknall

Ohne Urknall, Kontinentaldrift und San-Andreas-Graben wäre das alles nicht passiert. Dann hätte es 1996 in Kalifornien kein Erdbeben gegeben. Ohne Erdbeben hätte der Transporter der Bäckerei in Marina del Rey kein Leck in der Ölwanne bekommen. Der Fitneßtrainer mit dem schicksalhaften Spitznamen "God" wäre nicht mit dem Motorrad auf der Ölspur weggerutscht, und seine Begleiterin Mirjam, Tochter des Hollywood-Drehbuchautors Joop Koopman, wäre nicht tödlich verunglückt.

In seinem Roman "Malibu" zieht Leon de Winter alle Register der Kausalforschung, um zunächst eine persönliche Tragödie, dann einen Politthriller auf der Höhe des Weltgeschehens in Gang zu setzen. George W. Bush, Saddam Hussein, ein arabischer Terrorist und ein israelischer Geheimdienstmann erhalten darin ihre Auftritte, denn auch deren hektisches Agieren ist eine unvermeidliche Folge des Urknalls. Für Joop Koopman aber, verstrickt in die unterschiedlichsten Interessen, die er nicht durchschaut, ist das alles uninteressant. Er trauert um seine über alles geliebte Tochter. Diese Emotionen - Liebe und Trauer - stehen im Mittelpunkt seines Universums, das nach Mirjams Tod zum Stillstand gekommen zu sein scheint. Nur "God", ein hünenhafter Schwarzer, drängt sich in seine Nähe und will von Stund an nur noch Joops Diener sein, um so seine Schuld zu tragen.

Joop Koopman, als Lohnschreiber der Filmindustrie mäßig erfolgreich, ist eine Art Alter ego des Autors. Er ist Jude, ohne religiös zu sein, ein Zweifler, der an nichts glaubt, was sich nicht auch wissenschaftlich beweisen ließe. Der Schicksalsschlag, den er zu erleiden hat, ist so unerträglich, weil er sinnlos ist. Auf der Suche nach einer Erklärung findet er nichts als die eigene Schuld: Am Morgen des Unfalls hatte Joop seine Tochter im Bad beobachtet, ihre Schönheit bewundert und sein sexuelles Begehren nur mühsam unterdrücken können. Mirjam wurde an diesem Tag siebzehn. Die Küsse, die gewechselt werden, sind so züchtig und verhalten, wie es sich zwischen Vater und Tochter gehört, doch die inzestuöse Bedrohung ist als Irritation spürbar, bevor Mirjam zum letzten Mal das Haus verläßt. Stunden später sitzt Joop im Krankenhaus neben ihrem Körper, der nur noch von Maschinen am Leben gehalten wird. In seiner Verstörung willigt er ein, ihr Herz für eine Transplantation freizugeben. Erst Wochen später beginnt er, über diese Entscheidung nachzudenken und sich zu fragen, ob er ein Recht dazu hatte. Nun will er herausbekommen, in welchem Körper das Herz seiner Tochter weiterschlägt. Ist nicht das Herz der Sitz der Seele? Kann es sein, daß mit dem Herzen auch Charaktereigenschaften transplantiert werden?

Joops Verunsicherung wächst, als seine Jugendliebe Linda plötzlich vor der Tür steht, was seinen Rationalismus auf eine weitere, ernste Probe stellt. Linda wird von einem buddhistischen Mönch begleitet, ist aber immer noch ziemlich sexy. Im Bett klappt es jedenfalls erneut hervorragend, auch wenn Lindas Reinkarnationsthesen nerven. Der Mönch nämlich behauptet, mit Erinnerungen von Joops in Auschwitz ermordetem Großvater ausgestattet zu sein, ja er sei der wiedergeborene Großvater höchstpersönlich. Am Ende stellt er sich allerdings als Betrüger heraus, Linda als seine Komplizin, und die reinkarnierten Erinnerungen zielen bloß auf den Zugang zu einem Nummernkonto in der Schweiz.

Leon de Winter scheint ein eher sentimentaler Mensch zu sein, hat er doch in einem Interview bekannt, die ersten hundert Seiten von "Malibu" weinend geschrieben zu haben. Er habe sich das Schlimmstmögliche vorgestellt, um es damit zu bannen, sagte er. Was beschrieben ist, ist bereits da, kann also nicht mehr geschehen. Denn dann wäre es nur noch eine banale Wiederholung, auf die sich das originalitätssüchtige Schicksal nicht einlassen würde. De Winter weiß, daß dies ein Aberglaube ist, aber er nutzt ihn für sich aus, weil er zum Schreiben führt. Das Schreiben wird so zu einem intimen Ritual, um mit dem Skandalon des Todes fertig zu werden. Es ist eine Art Gebet, eine Bitte um Verschonung aus prophylaktischer Verzweiflung. Gegen diese Lebenshaltung wäre nichts zu sagen, wenn sie privat bliebe. De Winter aber reduziert die ganze Weltpolitik auf ein Gefühl diffuser Bedrohung, wo jede Handlung beliebig, weil im kosmischen Rahmen unergründlich, erscheint. So ein tränenumflorter Blick trübt die Wahrnehmung.

Ein alter Schulfreund Joops taucht als Agent des Mossad bei ihm auf - ausgerechnet in der Todesstunde der Tochter. Er setzt Joop auf die Spur eines Marokkaners, der ein gefährlicher Terrorist sein soll. Joop freundet sich jedoch mit dem vermeintlichen Terroristen an, der ganz und gar unverdächtig erscheint. Er glaubt nach Terroristenart an Gott und die Vorsehung. Doch bleibt bis zum Schluß offen, ob der Verdacht, er plane etwas Schreckliches, mehr ist als staatliche Paranoia. Daß er ein paar Bücher über die Golden Gate Bridge im Kofferraum mit sich führt, scheint als konkreter Hinweis schließlich auch dem Autor zu genügen. Damit verliert de Winter schlagartig das Interesse an dieser Figur - als ob es ihm nur darum gegangen sei, den Verdacht am Leben zu halten. Und schon ein Verdacht begründet bekanntlich in der Ära Bush die Notwendigkeit politischen Handelns. De Winter gibt ihm Futter. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, liegen außerhalb seiner Sichtweite. George W. Bush übernimmt im Verlauf des Romangeschehens gerade erst das Präsidentenamt. Er betritt eine Welt voller versteckter Bedrohungen, und man kann nach der Lektüre von "Malibu" nur sagen: Gut, daß es ihn gibt.

Viel wird er allerdings nicht ausrichten, auch das ist klar. Ein Autor, der sein Buch mit einem Blick auf die Erde vom Weltraum aus vor dreihundert Millionen Jahren beginnt, macht es sich schwer, die Bedeutung einer kleinen, alltäglichen Geschichte zu begründen. Was ist schon ein Terrorist gegenüber der Kontinentaldrift? De Winter schlägt gerade aus dieser Diskrepanz seine Spannungsfunken. Er ist ein versierter Handwerker und weiß, wie sich Spannung und Sentimentalität erzeugen lassen. Viele Kapitel beginnen mit technischen Hinweisen auf Wetter und Höchsttemperatur des Tages, als ob sich gerade daraus Rückschlüsse auf den Fortgang der Geschichte ziehen ließen. Die Trauer des Vaters um die Tochter wird auch angesichts der grenzenlosen kosmischen Gleichgültigkeit nicht kleiner. Das Unergründliche leuchtet erst im Kontrast zu wissenschaftlicher Exaktheit. Und Zufall und Schicksal sind sowieso immer unlösbar aneinandergekettet. Das ist letztlich banal, aber immerhin flott erzählt.

JÖRG MAGENAU

Leon de Winter: "Malibu". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 418 S., geb., 22,90 [Euro].

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»Leon de Winter hat etwas zu erzählen, und er tut es so gut, daß man nicht genug davon bekommen kann.« Rolf Brockschmidt / Der Tagesspiegel Der Tagesspiegel