Diese Stimme ist unverwechselbar: Ingeborg Bachmann. Ihr brüchig-schöner Ton bleibt einem im Ohr. Er hat die Lesungen der großen österreichischen Autorin zum Mythos gemacht. Im letzten Teil der Edition liest sie drei späte Erzählungen, aber vor allem liest sie aus Malina, dem Roman, der ihr Schicksal sein sollte. Hans Höller erläutert in seinem Begleittext die Hintergründe
ihrer letzten Lebensjahre.
Inhalt: Malina (Ausschnitte), Simultan, Ihr glücklichen Augen, Das Gebell
ihrer letzten Lebensjahre.
Inhalt: Malina (Ausschnitte), Simultan, Ihr glücklichen Augen, Das Gebell
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2008Liebe als Todesart
Ingeborg Bachmann: „Malina”
Eine Frau zwischen zwei Männern, aufgewühlt, alarmiert. Ein weibliches „Ich” zerrissen zwischen Ivan, Malina und den eigenen Lebensumständen in der Wiener Ungargasse. Sie gibt Einblicke zu Protokoll in die Verletzbarkeit von Frauenliebe und -leben, die Widersprüche archaischer Gefühle und intellektuellen Selbstbewusstseins. Sie kämpft genusssüchtig und qualvoll für ihre Träume, Wünsche, Defizite innerhalb der Tatsachen alltäglichen Daseins. „Todesarten” nannte Ingeborg Bachmann den Romanzyklus, der über Band eins nicht hinauskam, weil sie im September 1973 starb – durch einen rätselhaften Brandunfall in der römischen Wohnung. Vorangegangen war eine Reise nach Polen mit Lesungen in Warschau und an einigen Universitäten, war ein „Besuch” in den Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau. Erschütterungen.
„Malina” (1971) ist der erste Teil dieses Todesartenzyklus, einziger Roman der 1926 geborenen österreichischen Lyrikerin. Der Gattungsname Roman führt bei Bachmann in die Irre. Dass gegen Anfang und Ende Musiknoten dem Text eingewoben sind, beglaubigt die poetologische Wahrheit des Buchs: Schönbergs wollüstiger Pantomimenreigen „Pierrot lunaire” mit dem Fazit „O alter Duft aus Märchenzeit”. Vielleicht ist „Malina” das Psychodrama der radikalsten Liebe, fragmentarische Entfaltung der Traumata einer sich gebrochen fühlenden Frau.
Oder das Tagebuch theatral-wortgewaltiger Not? „Wenn Ivan auch gewiss für mich erschaffen worden ist, so kann ich doch nie allein auf ihn Anspruch erheben.” Als wär’s ein Schauspiel, werden Subjekte einer Handlung präsentiert: Ivan, 1935 geborener Ungar, Béla und András, die Kinder, Malina, 40 Jahre alter Autor, „aus Gründen der Tarnung Staatsbeamter der Klasse A”, ferner „Ich, geboren in Klagenfurt”. Zeit: heute, Ort: Wien. Auf keinen Fall: ein Erzählfluss.
Diese Personen erhalten erst Kontur in den Reflexionen und Obsessionen des Ich – einer Frau, die sich dem Mann unterwerfen will, schwankend zwischen ihren Gefühlen und den fiebrigen Beobachtungen ihrer Seelenanteile, zwischen Erregung und Angst, Hingerissensein und Lähmung. Und die Gegenwart wird von Kindheitserinnerungen gnadenlos eingeholt. Alles vordergründig Reale bleibt in der Schwebe.
Wie der Gegenentwurf zu Ivan der ganz Andere: Malina, der Ferne und Geheimnisvolle, sich Entziehende, dessen sich die Frau vergewissert in präzisen Wahnmonologen und Dialogfetzen. Vielleicht sind Ivan und Malina nur Varianten ein und derselben Person in einer Dreiecksgeschichte, deren Existenzspiel surreal anmutet. Oder ist Malina gar die andere Hälfte dieses maßlos gespaltenen „Ich”, im Albtraumszenario der grandios modrigen Stadt Wien des „Dritten Manns”? Bachmann lebte hier Anfang der Fünfziger . . . Der Kampf um Liebe, in einer redesüchtigen, jede Sexualität trotzig verschweigenden Sprache, endet abrupt, grausig banal: „Es war Mord.” Längst hallt im inneren Ohr des Lesers die berühmteste Gedichtzeile der Ingeborg Bachmann wider: „Es kommen härtere Tage”. WOLFGANG SCHREIBER
Ingeborg Bachmann Foto: H. Röhnert/SZ-Photo
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Ingeborg Bachmann: „Malina”
Eine Frau zwischen zwei Männern, aufgewühlt, alarmiert. Ein weibliches „Ich” zerrissen zwischen Ivan, Malina und den eigenen Lebensumständen in der Wiener Ungargasse. Sie gibt Einblicke zu Protokoll in die Verletzbarkeit von Frauenliebe und -leben, die Widersprüche archaischer Gefühle und intellektuellen Selbstbewusstseins. Sie kämpft genusssüchtig und qualvoll für ihre Träume, Wünsche, Defizite innerhalb der Tatsachen alltäglichen Daseins. „Todesarten” nannte Ingeborg Bachmann den Romanzyklus, der über Band eins nicht hinauskam, weil sie im September 1973 starb – durch einen rätselhaften Brandunfall in der römischen Wohnung. Vorangegangen war eine Reise nach Polen mit Lesungen in Warschau und an einigen Universitäten, war ein „Besuch” in den Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau. Erschütterungen.
„Malina” (1971) ist der erste Teil dieses Todesartenzyklus, einziger Roman der 1926 geborenen österreichischen Lyrikerin. Der Gattungsname Roman führt bei Bachmann in die Irre. Dass gegen Anfang und Ende Musiknoten dem Text eingewoben sind, beglaubigt die poetologische Wahrheit des Buchs: Schönbergs wollüstiger Pantomimenreigen „Pierrot lunaire” mit dem Fazit „O alter Duft aus Märchenzeit”. Vielleicht ist „Malina” das Psychodrama der radikalsten Liebe, fragmentarische Entfaltung der Traumata einer sich gebrochen fühlenden Frau.
Oder das Tagebuch theatral-wortgewaltiger Not? „Wenn Ivan auch gewiss für mich erschaffen worden ist, so kann ich doch nie allein auf ihn Anspruch erheben.” Als wär’s ein Schauspiel, werden Subjekte einer Handlung präsentiert: Ivan, 1935 geborener Ungar, Béla und András, die Kinder, Malina, 40 Jahre alter Autor, „aus Gründen der Tarnung Staatsbeamter der Klasse A”, ferner „Ich, geboren in Klagenfurt”. Zeit: heute, Ort: Wien. Auf keinen Fall: ein Erzählfluss.
Diese Personen erhalten erst Kontur in den Reflexionen und Obsessionen des Ich – einer Frau, die sich dem Mann unterwerfen will, schwankend zwischen ihren Gefühlen und den fiebrigen Beobachtungen ihrer Seelenanteile, zwischen Erregung und Angst, Hingerissensein und Lähmung. Und die Gegenwart wird von Kindheitserinnerungen gnadenlos eingeholt. Alles vordergründig Reale bleibt in der Schwebe.
Wie der Gegenentwurf zu Ivan der ganz Andere: Malina, der Ferne und Geheimnisvolle, sich Entziehende, dessen sich die Frau vergewissert in präzisen Wahnmonologen und Dialogfetzen. Vielleicht sind Ivan und Malina nur Varianten ein und derselben Person in einer Dreiecksgeschichte, deren Existenzspiel surreal anmutet. Oder ist Malina gar die andere Hälfte dieses maßlos gespaltenen „Ich”, im Albtraumszenario der grandios modrigen Stadt Wien des „Dritten Manns”? Bachmann lebte hier Anfang der Fünfziger . . . Der Kampf um Liebe, in einer redesüchtigen, jede Sexualität trotzig verschweigenden Sprache, endet abrupt, grausig banal: „Es war Mord.” Längst hallt im inneren Ohr des Lesers die berühmteste Gedichtzeile der Ingeborg Bachmann wider: „Es kommen härtere Tage”. WOLFGANG SCHREIBER
Ingeborg Bachmann Foto: H. Röhnert/SZ-Photo
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"Ein schönes Sammelstück, eine Edition kostbarer Originale." Bayerischer Rundfunk
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Rezensent Wolfgang Schneider intoniert Nina Kunzendorf perfekt die Zerrüttungszustände der Ich-Erzählerin aus Ingeborg Bachmanns einzigem Roman. Das Hörspiel, das laut Schneider eigentlich ein Monolog ist, weil die beiden Männerstimmen als Spiegelungen der Erzählerin gelten können, überzeugt den Rezensenten durch seinen introspektiven Charakter, laut Schneider hervorgerufen auch durch dissonanten Gesang und Horrorgeräusche. Das sanfte Neu-Arrangement des Textes durch die Regisseurin Bernadette Sonnenbichler scheint Schneider zudem effektvoll.
© Perlentaucher Medien GmbH
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