Bodo Kirchhoff schreibt für und
mit Hannelore Elsner einen Film
Ist Bodo Kirchhoff in Wirklichkeit eine Frau? Oder ist Hannelore Elsner in Wirklichkeit Bodo Kirchhoff? Zweifelsfrei lässt sich lediglich sagen, dass Bodo Kirchhoff nicht Samuel Beckett ist, obwohl der Titel „Mein letzter Film” verdächtig an „Das letzte Band” erinnert. Hannelore Elsner hat ja auch keinerlei Ähnlichkeit mit dem ollen Krapp, sondern gehört zur „fast schon ausgestorbenen” Gattung der Schauspielerinnen, „die mit ihrem Publikum älter werden”, und als solche besitzt sie „einen unverwüstlichen Glanz von innen”. Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß... Nein, das ist ein anderes Gedicht. Bodo Kirchhoff jedenfalls, dem diese chevaleresken Aperçus zu verdanken sind, zeigt in dem Monologtext, den er für eine zum Abschied bereite Aktrice geschrieben und Hannelore Elsner gewidmet hat, eine frappierende Fähigkeit, sich in die weibliche Seele einzufühlen. Und das, nachdem wir gerade erst an seinem „Schundroman” bewundern durften, wie launig er mit Männer-Mythen spielen kann.
Gemeinsam ist beiden Arbeiten, dass sie sich in den Niederungen des Trivialen komfortabel eingerichtet haben. Das ironisch-groteske Element aber, das dem „Schundroman” einen nachgerade unverwüstlichen Glanz verleiht, fehlt dem Filmdrehbuch völlig: Hier findet nur Anverwandlung statt, ein fast furchterregend geschmeidiges Eindringen in die Psyche einer reifen Allerweltsfrau und in die Ästhetik des Boulevardfernsehens. Vermutlich wäre es gar nicht aufgefallen, dass ein renommierter Romancier die darstellerisch ergiebige Damensuada verfasst hat, hätte Bodo Kirchhoff seinen Namen nicht groß und deutlich auf das „Buch zum Film” und unter das Szenenfoto der rauchenden, netzbestrumpften Hannelore Elsner drucken lassen. Er hat mehr als das getan, nämlich ein Nachwort geschrieben, in dem er schildert, wie aus einem Gelegenheitswerk ein Gemeinschaftswerk wurde: Der Schriftsteller Bodo und seine „Beraterin Hannelore” haben den Neunzig-Minuten-Text, der dann vom Regisseur Oliver Hirschbiegel filmisch umgesetzt wurde, in Teamarbeit gezeugt. Kirchhoffs Frau, auch das wird mitgeteilt, war einverstanden.
Die Enthüllung ist insofern interessant, als sie weiträumige Perspektiven eröffnet, was das Zusammenwirken von Dichtern und Diven betrifft. Werden wir noch erleben, dass Günter Grass einen Monolog für Inge Meysel schreibt und sich von ihr zu einer „Verschiebung der Tonlage” inspirieren lässt? Aber vielleicht funktioniert das nur, wenn Literat und Lady einander so schlagartig begegnen, wie Kirchhoff und Elsner: „Als ich ihr zum ersten Mal gegenüberstand, ganz unverhofft auf einem privaten Buchmesseempfang, traf mich ihr Gesicht wie ein Schlag, nur dass der Schlag nicht weh tat.” Was uns ein wenig weh tut, ist die Nachricht, dass der Autor – erst ohne, dann mit Beraterin – volle zwei Jahre an der Vorlage für sein „one woman action movie” gebastelt hat. Als Lektüre, ohne schauspielerische Vermittlung, wirkt die Lebensbilanz der in Schönheit gealterten Marie, ihre Abrechnung mit Rollen, Männern und Karriere eher so, als sei sie der Feder eines rasenden Routiniers an ein paar Feierabenden entflossen. Wer also ist Bodo Kirchhoff? Womöglich doch Hannelore Elsner? Eines Tages werden wir es erfahren, aus einer Lebensbeichte mit dem Titel „Mein letztes Buch”.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
BODO KIRCHHOFF: Mein letzter Film. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2002. 92 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kristina Maidt-Zinke pendelt in ihrer Rezension von Bodo Kirchhoffs neuem Roman zwischen milden und beißendem Spott. Sie ist spürbar genervt von dem Ergebnis der Arbeitsbeziehung zwischen Hannelore Elsner und dem Autor, das ein "fast furchterregend geschmeidiges Eindringen in die Psyche einer reifen Allerweltsfrau und in die Ästhetik des Boulevardfernsehen" sei. Banalität und Beliebigkeit ist der zentrale Vorwurf, den die Rezensentin Kirchhoff macht. Regelrecht weh getan hat Maidt-Zinke dabei die Nachricht, dass der Autor "volle zwei Jahre an der Vorlage gebastelt hat".
© Perlentaucher Medien GmbH
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