Ringen, laufen, boxen, rudern - ein faszinierender Selbstversuch
Während der olympischen Spiele 2012 fasst Ilija Trojanow einen ehrgeizigen Entschluss: Er will alle achtzig Olympia-Sommer-Einzeldisziplinen trainieren. Sein Ziel: halb so gut abzuschneiden wie der Goldmedaillengewinner von London. Gesagt, getan. Trojanow wirft Diskus, Speer und Hammer, spielt Badminton, misst sich im Zehnkampf, bezwingt im Kajak das Wildwasser, er lernt Ringen in Iran, boxt in einem legendären Gym in Brooklyn, absolviert das Judotraining in Japan und läuft im Hochland von Kenia.
Sein Bericht einer Selbsterfahrung bietet einen einzigartigen, faszinierenden Einblick in die Welten und Milieus des Sports. Eine ebenso kluge wie humorvoll-selbstironische Reflexion über Grenzen, über die Beziehung von Geist und Körper und über das Älterwerden.
Während der olympischen Spiele 2012 fasst Ilija Trojanow einen ehrgeizigen Entschluss: Er will alle achtzig Olympia-Sommer-Einzeldisziplinen trainieren. Sein Ziel: halb so gut abzuschneiden wie der Goldmedaillengewinner von London. Gesagt, getan. Trojanow wirft Diskus, Speer und Hammer, spielt Badminton, misst sich im Zehnkampf, bezwingt im Kajak das Wildwasser, er lernt Ringen in Iran, boxt in einem legendären Gym in Brooklyn, absolviert das Judotraining in Japan und läuft im Hochland von Kenia.
Sein Bericht einer Selbsterfahrung bietet einen einzigartigen, faszinierenden Einblick in die Welten und Milieus des Sports. Eine ebenso kluge wie humorvoll-selbstironische Reflexion über Grenzen, über die Beziehung von Geist und Körper und über das Älterwerden.
CD 1 | |||
1 | Ein Triathlon vorab | 00:05:13 | |
2 | Ein Triathlon vorab | 00:05:16 | |
3 | Ein Triathlon vorab | 00:04:15 | |
4 | Vier Jahre Allympics | 00:04:59 | |
5 | Vier Jahre Allympics | 00:05:17 | |
6 | Vier Jahre Allympics | 00:05:56 | |
7 | Vier Jahre Allympics | 00:05:37 | |
8 | Vier Jahre Allympics | 00:06:07 | |
9 | Vier Jahre Allympics | 00:04:41 | |
10 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:03:15 | |
11 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:02:14 | |
12 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:58 | |
13 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:25 | |
14 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:02:53 | |
15 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:02:05 | |
16 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:41 | |
17 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:51 | |
18 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:15 | |
19 | Leichtathletik. Der Zehnkampf | 00:01:41 | |
20 | Werfen | 00:01:36 | |
Weitere 2 Tracks anzeigen | |||
21 | Werfen | 00:04:56 | |
22 | Werfen | 00:04:22 | |
CD 2 | |||
1 | Werfen | 00:01:37 | |
2 | Werfen | 00:02:04 | |
3 | Springen | 00:03:08 | |
4 | Springen | 00:02:47 | |
5 | Springen | 00:01:59 | |
6 | Springen | 00:04:43 | |
7 | Laufen | 00:05:00 | |
8 | Laufen | 00:02:41 | |
9 | Laufen | 00:02:25 | |
10 | Laufen | 00:03:46 | |
11 | Laufen | 00:03:30 | |
12 | Laufen | 00:03:22 | |
13 | Laufen | 00:06:19 | |
14 | Laufen | 00:04:04 | |
15 | Hüpfen | 00:05:35 | |
16 | Hüpfen | 00:02:02 | |
17 | Hüpfen | 00:03:53 | |
18 | Marathon (Auf nach Athen!) | 00:06:05 | |
19 | Marathon (Auf nach Athen!) | 00:06:35 | |
20 | Kleiner Ball, großer Ball, Federball | 00:05:08 | |
CD 3 | |||
1 | Kleiner Ball, großer Ball, Federball | 00:03:44 | |
2 | Kleiner Ball, großer Ball, Federball | 00:05:26 | |
3 | Tennis | 00:04:22 | |
4 | Tennis | 00:03:00 | |
5 | Badminton | 00:05:57 | |
6 | Leises Schießen, lautes schießen, Tonaubenschießen | 00:05:41 | |
7 | Leises Schießen, lautes schießen, Tonaubenschießen | 00:05:41 | |
8 | Leises Schießen, lautes schießen, Tonaubenschießen | 00:05:53 | |
9 | Leises Schießen, lautes schießen, Tonaubenschießen | 00:02:51 | |
10 | Mit Gewehr und Pistole | 00:01:28 | |
11 | Mit Gewehr und Pistole | 00:06:10 | |
12 | Mit Gewehr und Pistole | 00:02:39 | |
13 | Mit Gewehr und Pistole | 00:03:10 | |
14 | Wurfscheibenschießen | 00:06:09 | |
15 | Wurfscheibenschießen | 00:04:15 | |
16 | Hauen und stechen | 00:01:54 | |
17 | Boxen | 00:05:08 | |
18 | Boxen | 00:05:37 | |
CD 4 | |||
1 | Fechten | 00:03:47 | |
2 | Fechten | 00:04:28 | |
3 | Ringen | 00:03:21 | |
4 | Ringen | 00:05:36 | |
5 | Ringen | 00:05:35 | |
6 | Ringen | 00:04:29 | |
7 | Judo | 00:03:54 | |
8 | Judo | 00:04:49 | |
9 | Judo | 00:06:20 | |
10 | Im Sattel | 00:00:44 | |
11 | Radfahren | 00:05:04 | |
12 | Radfahren | 00:05:15 | |
13 | Radfahren | 00:05:07 | |
14 | Radfahren | 00:03:42 | |
15 | Radfahren | 00:00:35 | |
16 | Radfahren | 00:03:40 | |
17 | Radfahren | 00:04:03 | |
18 | Radfahren | 00:04:19 | |
19 | Radfahren | 00:05:33 | |
CD 5 | |||
1 | Radfahren | 00:04:52 | |
2 | Radfahren | 00:05:32 | |
3 | Radfahren | 00:05:18 | |
4 | Reiten | 00:05:44 | |
5 | Reiten | 00:05:13 | |
6 | Reiten | 00:05:15 | |
7 | In die Knie | 00:05:02 | |
8 | In die Knie | 00:04:57 | |
9 | In die Knie | 00:04:12 | |
10 | Luftsprünge | 00:04:30 | |
11 | Luftsprünge | 00:05:33 | |
12 | Luftsprünge | 00:02:15 | |
13 | Luftsprünge | 00:01:01 | |
14 | Luftsprünge | 00:01:05 | |
15 | Luftsprünge | 00:00:52 | |
16 | Luftsprünge | 00:00:56 | |
17 | Trampolin | 00:05:55 | |
18 | Trampolin | 00:06:07 | |
19 | Trampolin | 00:03:23 | |
CD 6 | |||
1 | Auf dem Wasser | 00:00:36 | |
2 | Kanuslalom (Wildwasser) | 00:06:08 | |
3 | Kanuslalom (Wildwasser) | 00:05:07 | |
4 | Kajak | 00:05:10 | |
5 | Kajak | 00:03:42 | |
6 | Kanadier | 00:03:19 | |
7 | Rudern | 00:05:56 | |
8 | Rudern | 00:05:20 | |
9 | Rudern | 00:04:53 | |
10 | Rudern | 00:01:13 | |
11 | Im Wasser / Schwimmen (im Becken) | 00:02:13 | |
12 | Im Wasser / Schwimmen (im Becken) | 00:05:02 | |
13 | Im Wasser / Schwimmen (im Becken) | 00:05:25 | |
14 | Im Wasser / Schwimmen (im Becken) | 00:04:16 | |
15 | Im Wasser / Schwimmen (im Becken) | 00:03:08 | |
16 | Freiwasserschwimmen | 00:05:19 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2016Die Schönheit des Sports wird der Rendite geopfert
Selbstversuch: Der Schriftsteller Ilija Trojanow erzählt von seinem Parcours durch achtzig olympische Disziplinen
Das Unterbewusste ist ein erstaunlicher Speicher. Irgendwo in diesem offenbar behaglichen Rückzugsraum ist er nämlich noch, der Mensch, der sich nach der hoffnungsvollen, sportlich bewegten Jugend schlummern gelegt hat, ein bisschen beleidigt, weil es plötzlich so viel Wichtigeres gab. Im Büro sitzen, zum Beispiel. Essen, trinken, schlafen. Im Büro sitzen. Essen, trinken, schlafen, im Büro sitzen, ein Abo im Fitnessstudio abschließen, einen Laufplan machen, im Büro sitzen. Fitnessstudio kündigen, Laufplan vernachlässigen. Essen, trinken.
Und plötzlich, kurz vor dem Einschlafen, meldet sich der alte Reflex, weil der Spieler in uns doch gar nicht döst, sondern mitliest. "Die tiefe Körperstellung und das Tänzeln auf den Fußballen bedeutet ständige Anspannung und Bewegung. (. . .) Je besser man wird, desto eher sieht man den Ball und nicht die Geschwindigkeit des Balls. Tranceartig, (. . .) völlige Versenkung, reine Schlagbewegung." Ja!, blökt der Spieler aus dem Unterbewusstsein, plötzlich aufgekratzt. Ja! Völlige Versenkung! Reine Schlagbewegung! Das waren wir, du und ich. Und wir waren ein gutes Team. Kreissporthalle, vor zwanzig Jahren. Those were the days! Gerade beim Tischtennis.
Sicher ist es fast ein bisschen anmaßend, was Ilija Trojanow in seinem morgen erscheinenden Buch mit dem sportlichen Spieler im Unterbewussten des Lesers macht. Muss er ihm denn auch noch sagen, dass noch so viel mehr drin ist? "Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen" heißt das Protokoll zu dem Zeitvertreib, dem Trojanow nachging, nachdem die Olympischen Sommerspiele von London 2012 zu Ende gegangen waren. Achtzig Disziplinen im Selbstversuch, also alle, in denen bei Sommerspielen Medaillen vergeben werden, abgesehen von den Mannschaftswettbewerben.
Aber Trojanows Erlebnisbericht ist dann eben doch nicht anmaßend, sondern immer wieder ganz wunderbar. Er trainiert etwa Tischtennis in der Wiener Josefstadt - wie überhaupt Wien, wo Trojanow lebt, wenn er nicht gerade reist, eine Hauptrolle in dieser Amateurkarriere - und zieht sich dazu mit "meist älteren Herren" um, die "elastische Hosen über ihre Bierbäuche stülpen": Und prompt ist er wieder da, die Erinnerung an diesen einzigartigen Geruch, den die Sporthallen allerorts bieten.
Und so dürfte beim Lesen von Trojanows Reise durch die Welt der olympischen Sportarten ein Instinkt bei fast jedem geweckt werden, in dem sportliche Erinnerungen noch lebendig sind. Ein Bewegungsablauf vielleicht, im besten Fall, oder ein Geruch, die Erinnerung an einen Endorphinschub, der Gedanke an einen Schmerz, an grauenvolle Turnstunden. Wer je in einer Turnstunde gescheitert ist, kann schließlich nicht behaupten, es wären nur gute Momente in Erinnerung geblieben. Der Autor nimmt das Risiko dieses sehr speziellen Scheiterns zwischen Ringen, Reck und Pauschenpferd ein zweites Mal auf sich. Es wird nicht besser. Auch das Kapitel Leichtathletik liest sich - mit Ausnahme des abschließenden Zehnkampfs - nicht, als sei Liebe im zweiten Anlauf entstanden.
Und so ist Trojanows Olympiade eines glücklicherweise nicht, nämlich ein Buch, das den Leser zu einem wie auch immer gearteten sportlichen Erfolg coachen soll, nach Art der inzwischen unüberschaubar gewordenen, oft schwer erträglichen Ratgeberliteratur. Die Beziehung zwischen Kraultrainerin und Amateur endet gebrochen, weil es eben doch ein bisschen zu esoterisch wird, als es in der Mail der Trainerin an Trojanow heißt: "More than swimming! Swimming that changes your life!"
Und ebenso wenig spielen jene Sportler eine Rolle, die den Autor auf die Reise geschickt haben: die Olympiasieger von London. Trojanow beklagt in der Einleitung die wahnwitzige Fokussierung der Aufmerksamkeit auf den "Kult des Siegens". Die Schönheit des Sports werde durch Entscheidungen im Bereich von Hundertstelsekunden und Millimetern banalisiert. "Sport wurde auf einen einzigen Aspekt reduziert, der mir meist belanglos erschien, denn ich kannte keinen der antretenden Kanuten, Bogenschützen oder Gewichtheber (...). Der Reichtum menschlicher Phantasie wurde auf einen simplen binären Code reduziert: Daumen rauf oder Daumen runter. Die Choreographie der Abläufe, der soziopolitische Hintergrund der Regeln, die Physik der Bewegung und die Medizin der Anstrengung fanden kaum Erwähnung. Stattdessen pfiffen im aufdringlichen Hintergrund die Branding-Brigaden das olympische Marschlied: The sponsor takes it all."
Respekt vor dem Sport hat selten etwas mit der Verklärung seiner Sieger zu tun. Eben darum führt Trojanow seine Reise durch die Welt der olympischen Sportarten weit fort von der in jeder Hinsicht megalomanen Welt des modernen Olympia: "Im Laufe der Recherche hat meine Bewunderung für die individuellen Leistungen in dem Maße zugenommen wie meine Abneigung gegenüber dem Leistungssport."
Trojanow reist nach Tokio, um sich in die Kunst des Judo einweisen zu lassen, er legt das Kleinkalibergewehr in einem Kasseler Industriegebiet an, boxt in Brooklyn. Und er ersteht Ringertrikot und Ohrenschutz im einzigen Wiener Sportgeschäft, das beides vorrätig hat, und er setzt sich ins Flugzeug nach Teheran. Dort macht er zwei Menschen sehr glücklich. Seine Übersetzerin, weil sie zu der für Iranerinnen seltenen Gelegenheit kommt, den Ringern der Nationalmannschaft zuzusehen.
Und sich selbst: "Ich habe mich in den Tagen von Teheran so wohl gefühlt wie selten in meinem Leben. Es lag vor allem an dem Respekt der Ringer untereinander und mir gegenüber, der sich vermutlich aus der Achtung vor einer leidenschaftlich fortgeführten Tradition schöpft. Die Ringer folgen einem Kodex, der älter ist als die herrschende Ideologie." Trojanow spricht von der iranischen Theokratie. Oder? Trojanows Olympiade hatte gerade begonnen, als die Hohepriester des Internationalen Olympischen Komitees im Frühjahr 2013 ernsthaft erwogen, das Ringen aus dem olympischen Programm zu verbannen. Im maßgeblichen IOC-Duathlon aus TV-Quote und Sponsorenrelevanz erschienen die Renditeaussichten zu gering.
CHRISTOPH BECKER
Ilija Trojanow: "Meine Olympiade". Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016.
336 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Selbstversuch: Der Schriftsteller Ilija Trojanow erzählt von seinem Parcours durch achtzig olympische Disziplinen
Das Unterbewusste ist ein erstaunlicher Speicher. Irgendwo in diesem offenbar behaglichen Rückzugsraum ist er nämlich noch, der Mensch, der sich nach der hoffnungsvollen, sportlich bewegten Jugend schlummern gelegt hat, ein bisschen beleidigt, weil es plötzlich so viel Wichtigeres gab. Im Büro sitzen, zum Beispiel. Essen, trinken, schlafen. Im Büro sitzen. Essen, trinken, schlafen, im Büro sitzen, ein Abo im Fitnessstudio abschließen, einen Laufplan machen, im Büro sitzen. Fitnessstudio kündigen, Laufplan vernachlässigen. Essen, trinken.
Und plötzlich, kurz vor dem Einschlafen, meldet sich der alte Reflex, weil der Spieler in uns doch gar nicht döst, sondern mitliest. "Die tiefe Körperstellung und das Tänzeln auf den Fußballen bedeutet ständige Anspannung und Bewegung. (. . .) Je besser man wird, desto eher sieht man den Ball und nicht die Geschwindigkeit des Balls. Tranceartig, (. . .) völlige Versenkung, reine Schlagbewegung." Ja!, blökt der Spieler aus dem Unterbewusstsein, plötzlich aufgekratzt. Ja! Völlige Versenkung! Reine Schlagbewegung! Das waren wir, du und ich. Und wir waren ein gutes Team. Kreissporthalle, vor zwanzig Jahren. Those were the days! Gerade beim Tischtennis.
Sicher ist es fast ein bisschen anmaßend, was Ilija Trojanow in seinem morgen erscheinenden Buch mit dem sportlichen Spieler im Unterbewussten des Lesers macht. Muss er ihm denn auch noch sagen, dass noch so viel mehr drin ist? "Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen" heißt das Protokoll zu dem Zeitvertreib, dem Trojanow nachging, nachdem die Olympischen Sommerspiele von London 2012 zu Ende gegangen waren. Achtzig Disziplinen im Selbstversuch, also alle, in denen bei Sommerspielen Medaillen vergeben werden, abgesehen von den Mannschaftswettbewerben.
Aber Trojanows Erlebnisbericht ist dann eben doch nicht anmaßend, sondern immer wieder ganz wunderbar. Er trainiert etwa Tischtennis in der Wiener Josefstadt - wie überhaupt Wien, wo Trojanow lebt, wenn er nicht gerade reist, eine Hauptrolle in dieser Amateurkarriere - und zieht sich dazu mit "meist älteren Herren" um, die "elastische Hosen über ihre Bierbäuche stülpen": Und prompt ist er wieder da, die Erinnerung an diesen einzigartigen Geruch, den die Sporthallen allerorts bieten.
Und so dürfte beim Lesen von Trojanows Reise durch die Welt der olympischen Sportarten ein Instinkt bei fast jedem geweckt werden, in dem sportliche Erinnerungen noch lebendig sind. Ein Bewegungsablauf vielleicht, im besten Fall, oder ein Geruch, die Erinnerung an einen Endorphinschub, der Gedanke an einen Schmerz, an grauenvolle Turnstunden. Wer je in einer Turnstunde gescheitert ist, kann schließlich nicht behaupten, es wären nur gute Momente in Erinnerung geblieben. Der Autor nimmt das Risiko dieses sehr speziellen Scheiterns zwischen Ringen, Reck und Pauschenpferd ein zweites Mal auf sich. Es wird nicht besser. Auch das Kapitel Leichtathletik liest sich - mit Ausnahme des abschließenden Zehnkampfs - nicht, als sei Liebe im zweiten Anlauf entstanden.
Und so ist Trojanows Olympiade eines glücklicherweise nicht, nämlich ein Buch, das den Leser zu einem wie auch immer gearteten sportlichen Erfolg coachen soll, nach Art der inzwischen unüberschaubar gewordenen, oft schwer erträglichen Ratgeberliteratur. Die Beziehung zwischen Kraultrainerin und Amateur endet gebrochen, weil es eben doch ein bisschen zu esoterisch wird, als es in der Mail der Trainerin an Trojanow heißt: "More than swimming! Swimming that changes your life!"
Und ebenso wenig spielen jene Sportler eine Rolle, die den Autor auf die Reise geschickt haben: die Olympiasieger von London. Trojanow beklagt in der Einleitung die wahnwitzige Fokussierung der Aufmerksamkeit auf den "Kult des Siegens". Die Schönheit des Sports werde durch Entscheidungen im Bereich von Hundertstelsekunden und Millimetern banalisiert. "Sport wurde auf einen einzigen Aspekt reduziert, der mir meist belanglos erschien, denn ich kannte keinen der antretenden Kanuten, Bogenschützen oder Gewichtheber (...). Der Reichtum menschlicher Phantasie wurde auf einen simplen binären Code reduziert: Daumen rauf oder Daumen runter. Die Choreographie der Abläufe, der soziopolitische Hintergrund der Regeln, die Physik der Bewegung und die Medizin der Anstrengung fanden kaum Erwähnung. Stattdessen pfiffen im aufdringlichen Hintergrund die Branding-Brigaden das olympische Marschlied: The sponsor takes it all."
Respekt vor dem Sport hat selten etwas mit der Verklärung seiner Sieger zu tun. Eben darum führt Trojanow seine Reise durch die Welt der olympischen Sportarten weit fort von der in jeder Hinsicht megalomanen Welt des modernen Olympia: "Im Laufe der Recherche hat meine Bewunderung für die individuellen Leistungen in dem Maße zugenommen wie meine Abneigung gegenüber dem Leistungssport."
Trojanow reist nach Tokio, um sich in die Kunst des Judo einweisen zu lassen, er legt das Kleinkalibergewehr in einem Kasseler Industriegebiet an, boxt in Brooklyn. Und er ersteht Ringertrikot und Ohrenschutz im einzigen Wiener Sportgeschäft, das beides vorrätig hat, und er setzt sich ins Flugzeug nach Teheran. Dort macht er zwei Menschen sehr glücklich. Seine Übersetzerin, weil sie zu der für Iranerinnen seltenen Gelegenheit kommt, den Ringern der Nationalmannschaft zuzusehen.
Und sich selbst: "Ich habe mich in den Tagen von Teheran so wohl gefühlt wie selten in meinem Leben. Es lag vor allem an dem Respekt der Ringer untereinander und mir gegenüber, der sich vermutlich aus der Achtung vor einer leidenschaftlich fortgeführten Tradition schöpft. Die Ringer folgen einem Kodex, der älter ist als die herrschende Ideologie." Trojanow spricht von der iranischen Theokratie. Oder? Trojanows Olympiade hatte gerade begonnen, als die Hohepriester des Internationalen Olympischen Komitees im Frühjahr 2013 ernsthaft erwogen, das Ringen aus dem olympischen Programm zu verbannen. Im maßgeblichen IOC-Duathlon aus TV-Quote und Sponsorenrelevanz erschienen die Renditeaussichten zu gering.
CHRISTOPH BECKER
Ilija Trojanow: "Meine Olympiade". Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016.
336 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
ein bisher einmaliger sportlicher Selbstversuch, einer mit gehörigem literarischem Kollateralgewinn dazu ZDF - aspekte 201605