In BLACKPOOLS WELT
Barbara hat die Nase voll. Nur raus aus dem verschlafenen Blackpool. Statt ihre Wahl zur Miss Blackpool anzunehmen, nimmt sie Reißaus und zieht nach London. Aber das ist die reine Enttäuschung: London ist langweilig und teuer. Als sie zufällig dem Agenten Brian in die Arme läuft, wendet sich das Blatt: Bei einem Casting sind schlagartig alle hin und weg von ihr. Mit ihrer provinziellen, aber dreist offenen Art erobert sie die Herzen der Crew. Und die macht sie zum Star einer neuen Comedy-Serie. Die Heldin: eine temperamentvolle junge Frau aus Blackpool, mit breitem Akzent, liberalen Einstellungen und einem Herzen aus Gold ...
(1 mp3-CD, Laufzeit: 10h 37)
Barbara hat die Nase voll. Nur raus aus dem verschlafenen Blackpool. Statt ihre Wahl zur Miss Blackpool anzunehmen, nimmt sie Reißaus und zieht nach London. Aber das ist die reine Enttäuschung: London ist langweilig und teuer. Als sie zufällig dem Agenten Brian in die Arme läuft, wendet sich das Blatt: Bei einem Casting sind schlagartig alle hin und weg von ihr. Mit ihrer provinziellen, aber dreist offenen Art erobert sie die Herzen der Crew. Und die macht sie zum Star einer neuen Comedy-Serie. Die Heldin: eine temperamentvolle junge Frau aus Blackpool, mit breitem Akzent, liberalen Einstellungen und einem Herzen aus Gold ...
(1 mp3-CD, Laufzeit: 10h 37)
MP3 CD | |||
1 | 001-016: Vorsprechen | ||
2 | 017-030: Comedy playhouse | ||
3 | 031-044: Erste Staffel | ||
4 | 045-063: Zweite Staffel | ||
5 | 064-074: Dritte Staffel | ||
6 | 075-088: Vierte Staffel | ||
7 | 089-100: Everyone loves Sophie | ||
8 | 101-111: From this day forward |
buecher-magazin.deIn den 1960er-Jahren besaßen sieben von zehn englischen Haushalten ein TV-Gerät, und die beiden einzigen Sender konnten die ganze Nation vor dem Bildschirm versammeln. Hornby verneigt sich stimmig vor dieser Zeit. Es geht um Auf- und Abstieg einer Sitcom, deren Star Barbara Parker ist, die zur "Miss Blackpool" gekürt worden war und ihr Glück in London sucht. Die Show "Barbara (and Jim)" erzählt aus dem Leben eines jungen Ehepaares und mutiert zum Straßenfeger. Zwar wird das Komiktalent von Barbara selten offenbar, doch den Reiz entwickelt Hornby eher aus der Tatsache, dass das Leben der an der Show beteiligten Kreativen aus verschiedenen Gründen nicht dem Partnerschaftsbild entspricht, das sie fürs Fernsehen entwerfen - präsentiert von Hornby mit vielen guten Dialogen. Ein Faible für das England und die TV-Landschaft jener Zeit dürfte den Hörspaß erhöhen. Eigentlich müsste man "Funny Girl" (so der Originaltitel) schon wegen der Akzente auf Englisch lauschen. Aber: Tobias Meister widersteht glücklicherweise der Versuchung, der deutschen Fassung mit kräftiger Modulation seinen Stempel aufzudrücken. Stattdessen lässt "Brad Pitt" mit seiner zurückhaltenden Lesung dem Text passend den Vortritt.
© BÜCHERmagazin, Christian Bärmann (bär)
© BÜCHERmagazin, Christian Bärmann (bär)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2014Ein Spiegel kann so
grausam sein
Nick Hornby stürzt sich ins London der Swinging Sixties
Komik entsteht oft in Momenten der Selbstentblößung, wenn sich ernsthafte Menschen zum Narren machen. Der englische Schriftsteller Nick Hornby weiß sehr gut, wie wunderbar es sein kann, wenn sich seine Figuren nach Kräften blamieren, und seine Leser erwarten auch genau das von ihm: den warmherzigen Humor, der am Ende die leise Melancholie von Büchern wie „High Fidelity“ oder „About a Boy“ überstrahlt.
In seinem neuen Roman „Miss Blackpool“ gibt es wieder so einen Befreiungsschlag: Als der Fernsehproduzent Dennis auf den Dichter und Literaturkritiker Vernon Whitfield trifft. Es sind die Sechzigerjahre in „Swinging London“, das Fernsehen erlebt gerade eine goldene Ära. Dennis zählt zu den Machern der Erfolgs-Sitcom „Barbara (und Jim)“ – nun hat er endlich die Chance, den bornierten Schöngeist Vernon in der Talksendung der BBC in die Schranken zu weisen.
Im verrauchten Nachtstudio tobt nicht nur ein Kulturkampf zwischen Hochkultur und leichter Unterhaltung. Vernon Whitfield hat seinem Widersacher die Ehefrau ausgespannt, deshalb ist die Atmosphäre besonders giftig. Dennis drängt den eitlen Akademiker mit einem Trick in die Enge: Er vergleicht die populären Sitcoms mit Shakespeare-Komödien, was den schwitzenden Bildungsbürger planmäßig provoziert. Im Eifer des Gefechts fällt Vernon leider kein passendes Shakespeare-Zitat ein, sondern lediglich ein Fäkalausdruck: Und schon ist der Skandal da, weil die moralische Fernsehanstalt das Wort „Scheiße“ auf keinen Fall dulden kann.
„Miss Blackpool“ ist fast so etwas wie ein historischer Roman, ein Roman über die Macht des Fernsehens, das in seinen besten Zeiten nahezu uneingeschränkt über die Phantasie der Zuschauer herrschte. Es ist auch ein Buch, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität nahezu vollständig verwischt werden. Barbara spielt dabei die Hauptrolle – in der Sitcom und im richtigen Leben. Eine junge Frau, die gerade zur Schönheitskönigin gewählt worden ist, verlässt die Tristesse der nordenglischen Provinzstadt: „Es herrschte überall dieselbe Muffigkeit, dasselbe Gefühl, dass alles Gute in diesem Land, alles, was die Leute schätzten, schon vor langer Zeit geschehen war, lange vor ihrer Geburt.“
Das Abenteuer heißt London, die Stadt der Popstars und der Lebenskünstler, die Metropole des Aufbruchs. Barbara hat vor allem die richtige Figur, die passende Haarfarbe und eine riesige Portion Humor, weshalb sie sich in die Herzen des Publikums spielt, an der Seite eines attraktiven, aber etwas beschränkten Schauspielpartners, mit dem sie fortan als britisches Vorzeigepaar auftreten muss, das erst nach der vierten Staffel und einer gescheiterten Ehetherapie getrennte Wege geht.
Der Roman als Alltagssimulation, als Endlos-Dialog: Bei Hornby, der viel von Unterhaltung versteht, hat das Format. Natürlich ist es pure Ironie, dass die beiden Drehbuchautoren der Comedy-Serie „Barbara (und Jim)“ ein sich bekennender und ein verkappter Homosexueller sind – auch in Großbritannien stehen praktizierende Schwule zu dieser Zeit noch mit einem Bein im Gefängnis. Bill und Tony sind ein verrücktes Autorenpaar, das sich beim Schreiben gegenseitig zu Höchstleistungen antreibt und doch nie ganz zufrieden ist mit der Seifenoper, die irgendwann einen schalen Beigeschmack bekommt. Das Schreiben kann eine peinigende Erfahrung sein. Nichts ist schwieriger, als ständig lustig und leicht sein zu müssen. Die Drehbuchautoren wissen, warum sie scheitern, und sie leiden darunter – so wie im Übrigen auch der Autor Nick Hornby bei dem Versuch scheitert, seiner sympathischen Hauptfigur richtige Konturen und mehr Persönlichkeit zu verleihen. Der Konflikt mit der Mutter, die schon früh die Familie für einen anderen Mann verlassen hat und irgendwann die Nähe der prominenten Tochter sucht, bleibt eine schwächliche Episode, sie endet allzu beiläufig.
Als Chronist einer untergangenen Fernsehwelt ist Hornby dagegen sehr überzeugend. Barbara, die unbedarfte Quotenkönigin, trifft irgendwann bei einem Set-Termin ihr Jugendidol, die alternde US-Schauspielerin Lucille Ball. Zum ersten Mal erkennt sie, wie schrecklich es ist, in einer Rolle gefangen zu sein. Lucy Ball muss als lebendes Gespenst, als geliftete Diva für die Öffentlichkeit weiterleben, ohne dass sie ihre Umwelt noch wahrnimmt: Auch diese Begegnung ist, wie vieles bei Nick Hornby, von grotesker Schönheit. Ein Spiegel kann grausam sein, und ein Idol wird irgendwann zur Statue, wenn es sich nicht rechtzeitig infrage stellt.
Es sollte übrigens nicht verwundern, wenn dieser dialogreiche Roman bald auch als TV-Serie zu sehen ist: Im Grunde hat der Autor das Drehbuch gleich schon mitgeliefert.
CHRISTIAN MAYER
Nick Hornby: Miss Blackpool. Roman. Aus dem Englischen von Isabel Bogdan und Ingo Herzke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014.
432 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
grausam sein
Nick Hornby stürzt sich ins London der Swinging Sixties
Komik entsteht oft in Momenten der Selbstentblößung, wenn sich ernsthafte Menschen zum Narren machen. Der englische Schriftsteller Nick Hornby weiß sehr gut, wie wunderbar es sein kann, wenn sich seine Figuren nach Kräften blamieren, und seine Leser erwarten auch genau das von ihm: den warmherzigen Humor, der am Ende die leise Melancholie von Büchern wie „High Fidelity“ oder „About a Boy“ überstrahlt.
In seinem neuen Roman „Miss Blackpool“ gibt es wieder so einen Befreiungsschlag: Als der Fernsehproduzent Dennis auf den Dichter und Literaturkritiker Vernon Whitfield trifft. Es sind die Sechzigerjahre in „Swinging London“, das Fernsehen erlebt gerade eine goldene Ära. Dennis zählt zu den Machern der Erfolgs-Sitcom „Barbara (und Jim)“ – nun hat er endlich die Chance, den bornierten Schöngeist Vernon in der Talksendung der BBC in die Schranken zu weisen.
Im verrauchten Nachtstudio tobt nicht nur ein Kulturkampf zwischen Hochkultur und leichter Unterhaltung. Vernon Whitfield hat seinem Widersacher die Ehefrau ausgespannt, deshalb ist die Atmosphäre besonders giftig. Dennis drängt den eitlen Akademiker mit einem Trick in die Enge: Er vergleicht die populären Sitcoms mit Shakespeare-Komödien, was den schwitzenden Bildungsbürger planmäßig provoziert. Im Eifer des Gefechts fällt Vernon leider kein passendes Shakespeare-Zitat ein, sondern lediglich ein Fäkalausdruck: Und schon ist der Skandal da, weil die moralische Fernsehanstalt das Wort „Scheiße“ auf keinen Fall dulden kann.
„Miss Blackpool“ ist fast so etwas wie ein historischer Roman, ein Roman über die Macht des Fernsehens, das in seinen besten Zeiten nahezu uneingeschränkt über die Phantasie der Zuschauer herrschte. Es ist auch ein Buch, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität nahezu vollständig verwischt werden. Barbara spielt dabei die Hauptrolle – in der Sitcom und im richtigen Leben. Eine junge Frau, die gerade zur Schönheitskönigin gewählt worden ist, verlässt die Tristesse der nordenglischen Provinzstadt: „Es herrschte überall dieselbe Muffigkeit, dasselbe Gefühl, dass alles Gute in diesem Land, alles, was die Leute schätzten, schon vor langer Zeit geschehen war, lange vor ihrer Geburt.“
Das Abenteuer heißt London, die Stadt der Popstars und der Lebenskünstler, die Metropole des Aufbruchs. Barbara hat vor allem die richtige Figur, die passende Haarfarbe und eine riesige Portion Humor, weshalb sie sich in die Herzen des Publikums spielt, an der Seite eines attraktiven, aber etwas beschränkten Schauspielpartners, mit dem sie fortan als britisches Vorzeigepaar auftreten muss, das erst nach der vierten Staffel und einer gescheiterten Ehetherapie getrennte Wege geht.
Der Roman als Alltagssimulation, als Endlos-Dialog: Bei Hornby, der viel von Unterhaltung versteht, hat das Format. Natürlich ist es pure Ironie, dass die beiden Drehbuchautoren der Comedy-Serie „Barbara (und Jim)“ ein sich bekennender und ein verkappter Homosexueller sind – auch in Großbritannien stehen praktizierende Schwule zu dieser Zeit noch mit einem Bein im Gefängnis. Bill und Tony sind ein verrücktes Autorenpaar, das sich beim Schreiben gegenseitig zu Höchstleistungen antreibt und doch nie ganz zufrieden ist mit der Seifenoper, die irgendwann einen schalen Beigeschmack bekommt. Das Schreiben kann eine peinigende Erfahrung sein. Nichts ist schwieriger, als ständig lustig und leicht sein zu müssen. Die Drehbuchautoren wissen, warum sie scheitern, und sie leiden darunter – so wie im Übrigen auch der Autor Nick Hornby bei dem Versuch scheitert, seiner sympathischen Hauptfigur richtige Konturen und mehr Persönlichkeit zu verleihen. Der Konflikt mit der Mutter, die schon früh die Familie für einen anderen Mann verlassen hat und irgendwann die Nähe der prominenten Tochter sucht, bleibt eine schwächliche Episode, sie endet allzu beiläufig.
Als Chronist einer untergangenen Fernsehwelt ist Hornby dagegen sehr überzeugend. Barbara, die unbedarfte Quotenkönigin, trifft irgendwann bei einem Set-Termin ihr Jugendidol, die alternde US-Schauspielerin Lucille Ball. Zum ersten Mal erkennt sie, wie schrecklich es ist, in einer Rolle gefangen zu sein. Lucy Ball muss als lebendes Gespenst, als geliftete Diva für die Öffentlichkeit weiterleben, ohne dass sie ihre Umwelt noch wahrnimmt: Auch diese Begegnung ist, wie vieles bei Nick Hornby, von grotesker Schönheit. Ein Spiegel kann grausam sein, und ein Idol wird irgendwann zur Statue, wenn es sich nicht rechtzeitig infrage stellt.
Es sollte übrigens nicht verwundern, wenn dieser dialogreiche Roman bald auch als TV-Serie zu sehen ist: Im Grunde hat der Autor das Drehbuch gleich schon mitgeliefert.
CHRISTIAN MAYER
Nick Hornby: Miss Blackpool. Roman. Aus dem Englischen von Isabel Bogdan und Ingo Herzke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014.
432 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2014Mit Mick Jagger im Szenelokal
Das Leben ist kein Kosmetiksalon, auch nicht für Fernsehstars: Nick Hornbys neuer Roman "Miss Blackpool" führt ins England der sechziger Jahre
Nick Hornbys neuer, inzwischen siebter Roman ist ziemlich belanglos, aber keineswegs unsympathisch. Er spielt in einem Milieu, das für britische Leser der gerade noch mittleren, vor allem jedoch der älteren Generation einigen Wiedererkennungswert besitzen mag, hierzulande aber kaum jemanden interessieren muss: Es geht um englische Fernsehserien aus der ersten Hälfte der sechziger Jahre.
Hauptfigur ist Barbara Parker, die im Sommer 1963 Schönheitskönigin im nordenglischen Seebad Blackpool wird und die wir uns - von der "Fülle" ihrer Formen schwärmt der Bürgermeister - als Busenwunder mit Marilyn-Monroe-Maßen vorzustellen haben. Noch arbeitet die gerade Volljährige in der Kosmetikabteilung des örtlichen Kaufhauses, weiß aber genau, dass sie weder Model werden möchte noch zum Vamp oder zur femme fatale taugt. Stattdessen will sie "ins Fernsehen und die Leute zum Lachen bringen".
Also macht sie sich nach London auf, nennt sich auf Anraten ihres ersten Agenten fortan Sophie Straw, wird binnen kurzem von der BBC tatsächlich für die Hauptrolle einer Comedy engagiert, die wegen des enormen Erfolgs der Pilotsendung auch sofort in Serie geht. Auf vier Staffeln und einige Dutzend Folgen wird sie es bis Ende 1967 bringen, in Spitzenzeiten an die achtzehn Millionen Zuschauer vor die Bildschirme bannen und ihre Hauptdarstellerin zur nationalen Ikone machen. Die Pointe dabei: Sophie Straw spielt in der Serie "Barbara (und Jim)" eine junge Frau aus Blackpool, die es unwiderstehlich nach London zieht und die dank ihrer naiven Provinzialität und ihrer bodenständigen Komik die Hauptstadt dann im Handumdrehen erobert.
Über diesen Handlungskern weist Hornbys Buch nur ganz selten hinaus. Zwar verheißt der deutsche Verlag einen "Ausflug" des 1957 geborenen Star- und Bestsellerautors "ins Swinging London der Sixties", aber was der anonyme Erzähler des Romans an Zeitstimmung einfängt, hat bestenfalls Folklorewert. Mal huscht Jimmy Page vorbei, damals Gitarrist bei Led Zeppelin, mal Keith Relf von den Yardbirds. Beiläufig werden die neuesten Songs und Alben der Beatles erwähnt, vom jungen Mick Jagger gibt es einen Schnappschuss, der ihn in einem Szenelokal zeigt (ja, "Miss Blackpool" ist nebenbei auch ein kleines Fotoalbum), einmal begleiten wir Sophie und andere Mitglieder der Seriencrew zur Teestunde beim gerade zum Premier ernannten Harold Wilson nach Downing Street. Aber die Wirklichkeit der Sechziger ist merkwürdig stillgestellt, ihre Protagonisten wirken wie Zierfische im Zeitgeist-Aquarium.
Lediglich in einem der sechsundzwanzig Kapitel schlägt Hornbys Erzähler ein nimmermüdes, also nach wie vor debattenpassables Thema an: Wie seriös muss und wie unterhaltend darf öffentlich-rechtlicher Rundfunk sein? Dafür werden in einem BBC-Studio zwei Oxford-Absolventen aufeinander losgelassen, die sich in ihrem Berufsleben für die einst erworbene und erlittene Bildung auf höchst konträre Weise schadlos halten. Das hat Bosheit wie Witz und wirkt - das Streitgespräch findet Mitte der sechziger Jahre statt - auch ein halbes Jahrhundert danach noch einigermaßen gegenwärtig.
Das Beste an "Miss Blackpool" aber ist der Schluss, der dann tatsächlich im Hier und Heute spielt, genauer: im südenglischen Seebad Eastbourne, wo die nun um die siebzig Jahre alte Barbara alias Sophie und ihr damals wegen minderer Wichtigkeit gleich in Klammern gesetzter Serienpartner Jim auf der Provinzbühne die späte Wiederbegegnung des einstigen Fernsehpaars zelebrieren. Hornby macht daraus ein kleines Erzählfest voll melancholisch-heiterer Vergänglichkeits-Ironie.
Mit dem unübertrefflichen Fußball-Bekenntnis des (dezidiert autobiographischen) Erzähldebüts "Fever Pitch" und den (camoufliert autobiographischen) Romanen "High Fidelity" und "About a Boy" hat Nick Hornby in den neunziger Jahren durchaus Epoche gemacht. Im neuen Jahrhundert hat er vergleichbar Brillantes nicht mehr geschrieben, selbst die Suizid-Humoreske "A Long Way Down" (2006) hielt nur passagenweise das einstige Niveau. Besseres lässt sich auch von "Miss Blackpool" nicht sagen.
Gleichwohl kann man diesem Autor nie ganz gram, geschweige denn richtig böse sein. Das hat mit Hornbys handwerklicher Solidität zu tun, zumal mit seiner ganz spielerisch anmutenden Fähigkeit, gute bis fabelhafte Dialoge zu schreiben. Nicht umsonst wurden bisher fünf seiner Romane publikumswirksam verfilmt, für das primär als Drehbuch geschriebene und erst danach als "Buch zum Film" auch publizierte "An Education" wurde er 2009 keineswegs zu Unrecht für einen Oscar nominiert.
"An Education" spielte im London der sechziger Jahre. Auch da war es nicht die Geschichte selbst, die für Authentizität und Atmosphäre sorgte. Es brauchte Kulissen und Kostüme, um den liebesverräterischen Plot so richtig in Gang zu bringen und auf Temperatur zu halten. Also sieht man auch beim Lesen von "Miss Blackpool" den nächsten Hornby-Film schon vor sich. Wobei es keineswegs verwunderlich wäre, wenn aus dem Roman über eine alte Fernsehserie gleich ein neuer Mehrteiler würde. Die BBC braucht immer Stoffe.
JOCHEN HIEBER.
Nick Hornby: "Miss Blackpool". Roman.
Aus dem Englischen von Isabel Bogdan und Ino Herzke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 432 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Leben ist kein Kosmetiksalon, auch nicht für Fernsehstars: Nick Hornbys neuer Roman "Miss Blackpool" führt ins England der sechziger Jahre
Nick Hornbys neuer, inzwischen siebter Roman ist ziemlich belanglos, aber keineswegs unsympathisch. Er spielt in einem Milieu, das für britische Leser der gerade noch mittleren, vor allem jedoch der älteren Generation einigen Wiedererkennungswert besitzen mag, hierzulande aber kaum jemanden interessieren muss: Es geht um englische Fernsehserien aus der ersten Hälfte der sechziger Jahre.
Hauptfigur ist Barbara Parker, die im Sommer 1963 Schönheitskönigin im nordenglischen Seebad Blackpool wird und die wir uns - von der "Fülle" ihrer Formen schwärmt der Bürgermeister - als Busenwunder mit Marilyn-Monroe-Maßen vorzustellen haben. Noch arbeitet die gerade Volljährige in der Kosmetikabteilung des örtlichen Kaufhauses, weiß aber genau, dass sie weder Model werden möchte noch zum Vamp oder zur femme fatale taugt. Stattdessen will sie "ins Fernsehen und die Leute zum Lachen bringen".
Also macht sie sich nach London auf, nennt sich auf Anraten ihres ersten Agenten fortan Sophie Straw, wird binnen kurzem von der BBC tatsächlich für die Hauptrolle einer Comedy engagiert, die wegen des enormen Erfolgs der Pilotsendung auch sofort in Serie geht. Auf vier Staffeln und einige Dutzend Folgen wird sie es bis Ende 1967 bringen, in Spitzenzeiten an die achtzehn Millionen Zuschauer vor die Bildschirme bannen und ihre Hauptdarstellerin zur nationalen Ikone machen. Die Pointe dabei: Sophie Straw spielt in der Serie "Barbara (und Jim)" eine junge Frau aus Blackpool, die es unwiderstehlich nach London zieht und die dank ihrer naiven Provinzialität und ihrer bodenständigen Komik die Hauptstadt dann im Handumdrehen erobert.
Über diesen Handlungskern weist Hornbys Buch nur ganz selten hinaus. Zwar verheißt der deutsche Verlag einen "Ausflug" des 1957 geborenen Star- und Bestsellerautors "ins Swinging London der Sixties", aber was der anonyme Erzähler des Romans an Zeitstimmung einfängt, hat bestenfalls Folklorewert. Mal huscht Jimmy Page vorbei, damals Gitarrist bei Led Zeppelin, mal Keith Relf von den Yardbirds. Beiläufig werden die neuesten Songs und Alben der Beatles erwähnt, vom jungen Mick Jagger gibt es einen Schnappschuss, der ihn in einem Szenelokal zeigt (ja, "Miss Blackpool" ist nebenbei auch ein kleines Fotoalbum), einmal begleiten wir Sophie und andere Mitglieder der Seriencrew zur Teestunde beim gerade zum Premier ernannten Harold Wilson nach Downing Street. Aber die Wirklichkeit der Sechziger ist merkwürdig stillgestellt, ihre Protagonisten wirken wie Zierfische im Zeitgeist-Aquarium.
Lediglich in einem der sechsundzwanzig Kapitel schlägt Hornbys Erzähler ein nimmermüdes, also nach wie vor debattenpassables Thema an: Wie seriös muss und wie unterhaltend darf öffentlich-rechtlicher Rundfunk sein? Dafür werden in einem BBC-Studio zwei Oxford-Absolventen aufeinander losgelassen, die sich in ihrem Berufsleben für die einst erworbene und erlittene Bildung auf höchst konträre Weise schadlos halten. Das hat Bosheit wie Witz und wirkt - das Streitgespräch findet Mitte der sechziger Jahre statt - auch ein halbes Jahrhundert danach noch einigermaßen gegenwärtig.
Das Beste an "Miss Blackpool" aber ist der Schluss, der dann tatsächlich im Hier und Heute spielt, genauer: im südenglischen Seebad Eastbourne, wo die nun um die siebzig Jahre alte Barbara alias Sophie und ihr damals wegen minderer Wichtigkeit gleich in Klammern gesetzter Serienpartner Jim auf der Provinzbühne die späte Wiederbegegnung des einstigen Fernsehpaars zelebrieren. Hornby macht daraus ein kleines Erzählfest voll melancholisch-heiterer Vergänglichkeits-Ironie.
Mit dem unübertrefflichen Fußball-Bekenntnis des (dezidiert autobiographischen) Erzähldebüts "Fever Pitch" und den (camoufliert autobiographischen) Romanen "High Fidelity" und "About a Boy" hat Nick Hornby in den neunziger Jahren durchaus Epoche gemacht. Im neuen Jahrhundert hat er vergleichbar Brillantes nicht mehr geschrieben, selbst die Suizid-Humoreske "A Long Way Down" (2006) hielt nur passagenweise das einstige Niveau. Besseres lässt sich auch von "Miss Blackpool" nicht sagen.
Gleichwohl kann man diesem Autor nie ganz gram, geschweige denn richtig böse sein. Das hat mit Hornbys handwerklicher Solidität zu tun, zumal mit seiner ganz spielerisch anmutenden Fähigkeit, gute bis fabelhafte Dialoge zu schreiben. Nicht umsonst wurden bisher fünf seiner Romane publikumswirksam verfilmt, für das primär als Drehbuch geschriebene und erst danach als "Buch zum Film" auch publizierte "An Education" wurde er 2009 keineswegs zu Unrecht für einen Oscar nominiert.
"An Education" spielte im London der sechziger Jahre. Auch da war es nicht die Geschichte selbst, die für Authentizität und Atmosphäre sorgte. Es brauchte Kulissen und Kostüme, um den liebesverräterischen Plot so richtig in Gang zu bringen und auf Temperatur zu halten. Also sieht man auch beim Lesen von "Miss Blackpool" den nächsten Hornby-Film schon vor sich. Wobei es keineswegs verwunderlich wäre, wenn aus dem Roman über eine alte Fernsehserie gleich ein neuer Mehrteiler würde. Die BBC braucht immer Stoffe.
JOCHEN HIEBER.
Nick Hornby: "Miss Blackpool". Roman.
Aus dem Englischen von Isabel Bogdan und Ino Herzke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 432 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Pointensicher führt Hornby sein Personal durch Unsinn und Sinnlichkeit des Lebens, als virtuoser Um-die-Ecke-Denker, der die komischen Katastrophen mit unausweichlicher Logik entwickelt.« Der Tagesspiegel 201501