Ausgezeichnet mit dem Leipziger Lesekompass 2022 (Kinderbuch 6 - 10 Jahre) und dem Deutschen Hörbuchpreis für Stefan Kaminski
Auf dem Weg zu einem Ort, der in keinem Navi verzeichnet ist, Kolomoro. Die Mission: Jennifer Klar muss die Asche von ihrem toten Opa in seinem Schrebergarten verstreuen, schließlich hat Jennifer es versprochen. Also sind alle dabei, Katja Pfeiffer, die sich mit ihren Vätern gestritten hat, Fridi, der sich schon vor dem Mittagessen fürchtet, Zeck mit der ganzen Zeit der Welt und drei Euro fünfzig in der Tasche, Mustafa, der gerade aus Versehen seinen Wellensittich erdrückt hat, und die brave Polina. Nur, wo ist Kolomoro?
Auf dem Weg zu einem Ort, der in keinem Navi verzeichnet ist, Kolomoro. Die Mission: Jennifer Klar muss die Asche von ihrem toten Opa in seinem Schrebergarten verstreuen, schließlich hat Jennifer es versprochen. Also sind alle dabei, Katja Pfeiffer, die sich mit ihren Vätern gestritten hat, Fridi, der sich schon vor dem Mittagessen fürchtet, Zeck mit der ganzen Zeit der Welt und drei Euro fünfzig in der Tasche, Mustafa, der gerade aus Versehen seinen Wellensittich erdrückt hat, und die brave Polina. Nur, wo ist Kolomoro?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2021Roadmovie Ringbahn
Ein Wunder namens Kolomoro: Julia Blesken erzählt von Opa in der Plastiktüte und der vereinenden Kraft einer gemeinsamen Aufgabe.
Von Eva-Maria Magel
Wenn man einen Berliner Opa über Holland nach Berlin zugestellt bekommt, dann weiß man, auch wenn man erst so ungefähr zehn oder elf Jahre alt ist, was man zu tun hat. Opa muss unter die Erde. Oder vielmehr: die Kohlrouladenschüssel mit seiner Asche drin, die Jennifer Klar in einer Plastiktüte mit sich herumträgt. Die Enkelin will die Überreste des geliebten Opas dorthin bringen, wo er seine letzte Ruhestätte haben wollte: im Herzen von Berlin, in Kolomoro. Dort liegt Opas Laube, Jennifers Glück. Leider weiß sie nicht so genau, wo das ist.
Kolomoro und Volle Schreie sind Landstriche, wie sie nur in Kinderuniversen vorkommen können. Die roten Ratten sind Tiere, wie nur ein Kind sie zum Leben erwecken kann. Eine Kinderbande wie diese schmieden der Zufall Schule zusammen - und ein Abenteuer. Wie Opa nach Kolomoro kommt, davon handelt die "Mission Kolomoro", auf die Julia Blesken ihre sechs Protagonisten schickt.
Im Grunde lösen die alle den Erwachsenenspruch ein, sie seien ganz anders, sie kämen nur so selten dazu. Sie kennen sich aus der Schule, haben aber nach Dienstschluss so gut wie nie etwas miteinander zu tun. Das mag nach Typen aussehen auf den ersten Blick, hier Zeck, der Ökoaktivist mit den antiautoritären Eltern, dort der kleine runde Mustafa, der in der Geschwisterschar der Jüngste ist und immer nur alles erbt, der fachmännisch von Geld, Handys, Ehre und Frauen zu sprechen weiß und am liebsten isst, dort wieder Fridi mit den strengen Eltern und dem Brokkoliauflauf zum Mittagessen, Polina mit der russischen Eislaufmutter, die das teuerste Handy und Entspannungsyoga kriegt und auf rosa Kinderpumps durch Berlin stöckelt.
Blesken aber hat das Ohr ganz nah an den Kindern. So wird diese Vielfalt, auch in der Sprache, die einen Klassenverband in einer deutschen Großstadt ausmacht - jedenfalls, wenn die Kinder nicht durch Privatschulen segregiert sind -, zu einer schlüssigen Grundlage der temporeichen Handlung. Zusammen ergänzen sich die Kinder bestens, sie lernen in diesem eintägigen Abenteuer voneinander, gleichen ihre Handicaps aus. Und ihre noch frischen Weltbilder, die sie aus ihren jeweiligen Milieus mitbringen, sorgen für allerhand Witz. Ort, Zeit, Personen, Aufgabe finden in einem reichen erzählerischen Ton zusammen, einer "Road Story" nah am Kinderkrimi und mit fantastischen Einsprengseln, auf die man im Grunde auch gut hätte verzichten können.
Vor dem Supermarkt, am ersten Ferientag, entscheidet sich, dass sie alle auf eine abenteuerliche Fahrt mit der Ringbahn aufbrechen werden, fahrscheinlos natürlich, um Jennifer bei der Aufgabe zu helfen, Opa zu begraben. Und schon dort, mit dem wütenden Kiezproll Wolle, öffnet sich, in den Stationen der Helden-Aventiure, ein kleines Panorama der Milieus und Subkulturen Berlins, die einer Kinderschar so begegnen können - Schwarzfahrer, Punks, eine prügelnde Mädchen-Gang, Einbrecher, philosophierende Obdachlose, Fahrkartenkontrolleure. Die Fahrt und Wanderung durch die Stadt stellt "Mission Kolomoro", begleitet von szenischen Illustrationen Barbara Jungs, auch in die lange Reihe der Berlin-Romane für Kinder, die einst mit "Emil und die Detektive" begann.
Dass ausgerechnet die gern etwas manieriert mit vollem Namen Katja Pfeiffer genannte Erzählfigur in der kleinen Schar die am wenigsten plausible ist, mag an der Fracht liegen, die sie trägt: Ihre gekritzelten Ratten kann sie, bisweilen jedenfalls, in Krisensituationen zum Leben erwecken. Außerdem hat sie zwei Väter, der eine ein taxifahrender Künstler, der andere Choleriker, und zugleich darf sie weniger als andere Kinder - das ist alles etwas viel. Viel könnte auch Jennifer Klar aufgebürdet sein, ohne die es keine "Mission Kolomoro" gäbe: Tochter einer alleinerziehenden Busfahrerin, die immer bei Opa in der Laube war, ihrem Glücks- und Geborgenheitsort, der nun, nach dem Tod des Opas, zu verschwinden droht. Was klischeehaft prekär klingt, hängt so plausibel miteinander zusammen, dass Jennifer und mit ihr der abwesende Opa, der Posaune spielte und Knöpfe sammelte, buchstäblich klar hervortreten.
Julia Blesken, Jahrgang 1976, Berlinerin und fünffache Mutter, ist früh bei Wettbewerben aufgefallen und erhielt Förderung für ihr erzählerisches Talent. Ihr sehr positiv aufgenommener Debütroman für Erwachsene, "Ich bin ein Rudel Wölfe", erschien 2009. Dann war Stille. Bis sie 2020 den erstmals ausgeschriebenen Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur erhalten hat, verbunden mit einem Buchvertrag für ihr Manuskript. Sie hat die Zeit offenkundig gut genutzt.
Julia Blesken: "Mission Kolomoro". Roman.
Mit Illustrationen von Barbara Jung. Oetinger Verlag, Hamburg 2021. 288 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Wunder namens Kolomoro: Julia Blesken erzählt von Opa in der Plastiktüte und der vereinenden Kraft einer gemeinsamen Aufgabe.
Von Eva-Maria Magel
Wenn man einen Berliner Opa über Holland nach Berlin zugestellt bekommt, dann weiß man, auch wenn man erst so ungefähr zehn oder elf Jahre alt ist, was man zu tun hat. Opa muss unter die Erde. Oder vielmehr: die Kohlrouladenschüssel mit seiner Asche drin, die Jennifer Klar in einer Plastiktüte mit sich herumträgt. Die Enkelin will die Überreste des geliebten Opas dorthin bringen, wo er seine letzte Ruhestätte haben wollte: im Herzen von Berlin, in Kolomoro. Dort liegt Opas Laube, Jennifers Glück. Leider weiß sie nicht so genau, wo das ist.
Kolomoro und Volle Schreie sind Landstriche, wie sie nur in Kinderuniversen vorkommen können. Die roten Ratten sind Tiere, wie nur ein Kind sie zum Leben erwecken kann. Eine Kinderbande wie diese schmieden der Zufall Schule zusammen - und ein Abenteuer. Wie Opa nach Kolomoro kommt, davon handelt die "Mission Kolomoro", auf die Julia Blesken ihre sechs Protagonisten schickt.
Im Grunde lösen die alle den Erwachsenenspruch ein, sie seien ganz anders, sie kämen nur so selten dazu. Sie kennen sich aus der Schule, haben aber nach Dienstschluss so gut wie nie etwas miteinander zu tun. Das mag nach Typen aussehen auf den ersten Blick, hier Zeck, der Ökoaktivist mit den antiautoritären Eltern, dort der kleine runde Mustafa, der in der Geschwisterschar der Jüngste ist und immer nur alles erbt, der fachmännisch von Geld, Handys, Ehre und Frauen zu sprechen weiß und am liebsten isst, dort wieder Fridi mit den strengen Eltern und dem Brokkoliauflauf zum Mittagessen, Polina mit der russischen Eislaufmutter, die das teuerste Handy und Entspannungsyoga kriegt und auf rosa Kinderpumps durch Berlin stöckelt.
Blesken aber hat das Ohr ganz nah an den Kindern. So wird diese Vielfalt, auch in der Sprache, die einen Klassenverband in einer deutschen Großstadt ausmacht - jedenfalls, wenn die Kinder nicht durch Privatschulen segregiert sind -, zu einer schlüssigen Grundlage der temporeichen Handlung. Zusammen ergänzen sich die Kinder bestens, sie lernen in diesem eintägigen Abenteuer voneinander, gleichen ihre Handicaps aus. Und ihre noch frischen Weltbilder, die sie aus ihren jeweiligen Milieus mitbringen, sorgen für allerhand Witz. Ort, Zeit, Personen, Aufgabe finden in einem reichen erzählerischen Ton zusammen, einer "Road Story" nah am Kinderkrimi und mit fantastischen Einsprengseln, auf die man im Grunde auch gut hätte verzichten können.
Vor dem Supermarkt, am ersten Ferientag, entscheidet sich, dass sie alle auf eine abenteuerliche Fahrt mit der Ringbahn aufbrechen werden, fahrscheinlos natürlich, um Jennifer bei der Aufgabe zu helfen, Opa zu begraben. Und schon dort, mit dem wütenden Kiezproll Wolle, öffnet sich, in den Stationen der Helden-Aventiure, ein kleines Panorama der Milieus und Subkulturen Berlins, die einer Kinderschar so begegnen können - Schwarzfahrer, Punks, eine prügelnde Mädchen-Gang, Einbrecher, philosophierende Obdachlose, Fahrkartenkontrolleure. Die Fahrt und Wanderung durch die Stadt stellt "Mission Kolomoro", begleitet von szenischen Illustrationen Barbara Jungs, auch in die lange Reihe der Berlin-Romane für Kinder, die einst mit "Emil und die Detektive" begann.
Dass ausgerechnet die gern etwas manieriert mit vollem Namen Katja Pfeiffer genannte Erzählfigur in der kleinen Schar die am wenigsten plausible ist, mag an der Fracht liegen, die sie trägt: Ihre gekritzelten Ratten kann sie, bisweilen jedenfalls, in Krisensituationen zum Leben erwecken. Außerdem hat sie zwei Väter, der eine ein taxifahrender Künstler, der andere Choleriker, und zugleich darf sie weniger als andere Kinder - das ist alles etwas viel. Viel könnte auch Jennifer Klar aufgebürdet sein, ohne die es keine "Mission Kolomoro" gäbe: Tochter einer alleinerziehenden Busfahrerin, die immer bei Opa in der Laube war, ihrem Glücks- und Geborgenheitsort, der nun, nach dem Tod des Opas, zu verschwinden droht. Was klischeehaft prekär klingt, hängt so plausibel miteinander zusammen, dass Jennifer und mit ihr der abwesende Opa, der Posaune spielte und Knöpfe sammelte, buchstäblich klar hervortreten.
Julia Blesken, Jahrgang 1976, Berlinerin und fünffache Mutter, ist früh bei Wettbewerben aufgefallen und erhielt Förderung für ihr erzählerisches Talent. Ihr sehr positiv aufgenommener Debütroman für Erwachsene, "Ich bin ein Rudel Wölfe", erschien 2009. Dann war Stille. Bis sie 2020 den erstmals ausgeschriebenen Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur erhalten hat, verbunden mit einem Buchvertrag für ihr Manuskript. Sie hat die Zeit offenkundig gut genutzt.
Julia Blesken: "Mission Kolomoro". Roman.
Mit Illustrationen von Barbara Jung. Oetinger Verlag, Hamburg 2021. 288 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021Knifflige Mission
Was macht man mit „Opa in der Plastiktüte“
Die Herbstferien beginnen, das Wetter ist warm und sonnig, für den Tag gibt es noch keine richtigen Pläne. Zumindest nicht für Katja, Zeck, Fridi, Mustafa und Jennifer. Nur Polina soll später noch ins Kinder-Yoga. In Summe stehen die Chancen also gut, dass die Kinder in Julia Bleskens „Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte“ einfach so in den Tag hinein leben. Das könnte zwar gewaltig in die Hose gehen, Stunden der Langeweile und des Handy-Zockens sind durchaus realistische Möglichkeiten. Aber dieser Tag soll anders werden, nämlich ein Abenteuer.
„Mission Kolomoro“ beginnt mit herrlich banalen Ereignissen: Ein Kind nach dem anderen treibt es an diesem Ferienvormittag aus dem Haus, eher zufällig treffen sie sich auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt. Sie sind weder verabredet, noch befreundet, lediglich Schulkameraden. Während Katja, Zeck und Fridi zunächst noch orientierungslos in den Möglichkeiten des Tages herumstochern, hat Mustafa schon ein kleines Problem am Hals: Er hat seinen Kanarienvogel zerdrückt und schleppt das tote Tier mit sich herum. Jennifer kann das toppen: Sie hat die Asche ihres Opas in einer Plastiktüte dabei. Ihr Ziel ist, die Asche in Opas Schrebergarten zu verstreuen. Nur wie sie dorthin kommt, nach „Kolomoro“, das weiß sie nicht. Augenblicklich ist die Mission für die Gruppe geboren, Opas letzter Wunsch soll mit ihrer Hilfe in Erfüllung gehen.
Doch wie fängt man das an mit wenig Geld? Und ohne Erlaubnis der Eltern? Zunächst einmal schaltet man das Handy aus. Das hat natürlich nicht nur den Effekt, dass die Kinder nicht mehr erreichbar sind, sie haben sich auch selbst einer Gewohnheit beraubt: alle kniffeligen Fragen mit der Hilfe des Mobiltelefons zu beantworten. Sie sind also doppelt auf sich allein gestellt – und dies macht ihr Abenteuer eigentlich erst möglich.
Julia Blesken hat in ihrem Roadmovie – für das sie mit dem ersten Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur ausgezeichnet wurde – sechs sehr unterschiedliche Charaktere zusammengespannt mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen. Was sie eint, ist, dass sie das Leben noch nicht ausprobieren durften. Bislang waren die Anweisungen, Geschmacksvorstellungen, Ideen ihrer Eltern die entscheidenden Wegweiser. Nun müssen sie selbst bestimmen, wo es lang geht. Und dies tun sie mit einer sehr lebenspraktischen Beherztheit, mit frischem, vorurteilsfreiem Mut.
Die Autorin erzählt mit einem wunderbaren Gespür für die Kompetenz der Kinder. Ihnen ist viel mehr zuzutrauen, als Eltern dies wissen. Und ohne die Abschirmung von der Welt durch Erwachsene oder Handys erleben sie nicht nur ein Abenteuer, sondern tauchen auch ein in eine fantastische Welt. Dass das alles natürlich nicht gefahrlos ist, ist selbstverständlich. (ab 9 Jahren)
YVONNE POPPEK
Julia Blesken:
Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte. Mit Illustrationen
von Barbara Jung.
Oetinger, Hamburg 2021.
288 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Was macht man mit „Opa in der Plastiktüte“
Die Herbstferien beginnen, das Wetter ist warm und sonnig, für den Tag gibt es noch keine richtigen Pläne. Zumindest nicht für Katja, Zeck, Fridi, Mustafa und Jennifer. Nur Polina soll später noch ins Kinder-Yoga. In Summe stehen die Chancen also gut, dass die Kinder in Julia Bleskens „Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte“ einfach so in den Tag hinein leben. Das könnte zwar gewaltig in die Hose gehen, Stunden der Langeweile und des Handy-Zockens sind durchaus realistische Möglichkeiten. Aber dieser Tag soll anders werden, nämlich ein Abenteuer.
„Mission Kolomoro“ beginnt mit herrlich banalen Ereignissen: Ein Kind nach dem anderen treibt es an diesem Ferienvormittag aus dem Haus, eher zufällig treffen sie sich auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt. Sie sind weder verabredet, noch befreundet, lediglich Schulkameraden. Während Katja, Zeck und Fridi zunächst noch orientierungslos in den Möglichkeiten des Tages herumstochern, hat Mustafa schon ein kleines Problem am Hals: Er hat seinen Kanarienvogel zerdrückt und schleppt das tote Tier mit sich herum. Jennifer kann das toppen: Sie hat die Asche ihres Opas in einer Plastiktüte dabei. Ihr Ziel ist, die Asche in Opas Schrebergarten zu verstreuen. Nur wie sie dorthin kommt, nach „Kolomoro“, das weiß sie nicht. Augenblicklich ist die Mission für die Gruppe geboren, Opas letzter Wunsch soll mit ihrer Hilfe in Erfüllung gehen.
Doch wie fängt man das an mit wenig Geld? Und ohne Erlaubnis der Eltern? Zunächst einmal schaltet man das Handy aus. Das hat natürlich nicht nur den Effekt, dass die Kinder nicht mehr erreichbar sind, sie haben sich auch selbst einer Gewohnheit beraubt: alle kniffeligen Fragen mit der Hilfe des Mobiltelefons zu beantworten. Sie sind also doppelt auf sich allein gestellt – und dies macht ihr Abenteuer eigentlich erst möglich.
Julia Blesken hat in ihrem Roadmovie – für das sie mit dem ersten Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur ausgezeichnet wurde – sechs sehr unterschiedliche Charaktere zusammengespannt mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen. Was sie eint, ist, dass sie das Leben noch nicht ausprobieren durften. Bislang waren die Anweisungen, Geschmacksvorstellungen, Ideen ihrer Eltern die entscheidenden Wegweiser. Nun müssen sie selbst bestimmen, wo es lang geht. Und dies tun sie mit einer sehr lebenspraktischen Beherztheit, mit frischem, vorurteilsfreiem Mut.
Die Autorin erzählt mit einem wunderbaren Gespür für die Kompetenz der Kinder. Ihnen ist viel mehr zuzutrauen, als Eltern dies wissen. Und ohne die Abschirmung von der Welt durch Erwachsene oder Handys erleben sie nicht nur ein Abenteuer, sondern tauchen auch ein in eine fantastische Welt. Dass das alles natürlich nicht gefahrlos ist, ist selbstverständlich. (ab 9 Jahren)
YVONNE POPPEK
Julia Blesken:
Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte. Mit Illustrationen
von Barbara Jung.
Oetinger, Hamburg 2021.
288 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Sechs Kinder aus sechs unterschiedlichen Milieus schließen sich zusammen, um selbstbestimmt und losgelöst von den Eltern einen Auftrag zu erfüllen. Stefan Kaminski schafft es mühelos, jedem Kind eine eigene Stimme zu geben, Verwechslungen sind ausgeschlossen. Da wird diskutiert, argumentiert, gebrüllt, geweint, abgehauen, weggerannt, um letztlich doch wieder gestärkt anzukommen. Kaminski jagt uns durch Berlin von einem Kiez zum anderen und erweckt diese Kinder-Road-Story zu einem wahren Hörerlebnis." Jurybegründung zur Nominierung zum Deutschen Hörbuchpreis 2022
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Yvonne Poppek freut sich über das Herbstferien-Abenteuer von Katja, Zeck, Fridi, Mustafa und Jennifer in Julia Bleskens Roadmovie. "Opa in der Plastiktüte" heißt das mit dem Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur ausgezeichneten Buch und beschreibt, wie die Kinder aus verschiedenen sozialen Schichten sich zusammenschließen, um das erste Mal selbstbestimmt und von den Eltern abgelöst zu leben, denn sie wollen den letzten Wunsch von Jennifers verstorbenen eingeäscherten und von ihr in einer Plastiktüte transportierten Opa erfüllen, erklärt Poppek. Mit der Erzählung beweist die Autorin der Rezensentin zufolge nicht nur, dass Kinder mutig sind, sondern auch, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Hier liest man sich ein in eine fantastische, nicht ganz ungefährliche Welt, schließt Poppek.
© Perlentaucher Medien GmbH
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