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Auf dem Fernsehschirm in der Kneipe flimmert ein Fußballspiel, auf dem Fußboden liegt ein Ohr. Dieter Rotmund weiß sofort: Das kann nur seines sein. Hat jemand etwas bemerkt? Und wie findet man durch den Alltag, wenn die Körperteile abhanden kommen? Wilhelm Genazino erzählt die Geschichte eines Mannes, der neben seinem Ohr noch weitere Verluste erleiden muss. Und der davor erschrickt, dass selbst seine Gefühle nur noch mittelmäßig sind.

Produktbeschreibung
Auf dem Fernsehschirm in der Kneipe flimmert ein Fußballspiel, auf dem Fußboden liegt ein Ohr. Dieter Rotmund weiß sofort: Das kann nur seines sein. Hat jemand etwas bemerkt? Und wie findet man durch den Alltag, wenn die Körperteile abhanden kommen? Wilhelm Genazino erzählt die Geschichte eines Mannes, der neben seinem Ohr noch weitere Verluste erleiden muss. Und der davor erschrickt, dass selbst seine Gefühle nur noch mittelmäßig sind.
Autorenporträt
Wilhelm Genazino, geb. 1943 in Mannheim, lebt heute als freier Schriftsteller in Frankfurt am Main. 1998 erhielt er den 'Großen Literaturpreis' der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 2004 den 'Georg-Büchner-Preis'. 2007 wurde Wilhelm Genazino mit dem 'Kleist-Preis' und der 'Corine' ausgezeichnet. 2010 erhielt er den 'Rinke-Sprachpreis', im Jahr 2012 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor und 2014 den Samuel-Bogumil-Linde-Preis.

Sylvester Groth, geboren 1958, absolvierte seine Schauspielausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in Berlin und ist ausgebildeter Tenor. In den vergangenen Jahren stand Groth auf den Brettern zahlreicher deutschsprachiger Bühnen unter anderem am Residenztheater München und den Münchner Kammerspielen, an der Schaubühne Berlin, am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen. Auch im Kino und im Fernsehen ist Sylvester Groth sehr präsent. So spielte er z. B. in Joseph Vilsmaiers "Stalingrad" (1992) und Max Färberböcks "Jenseits" (2000).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2007

Ganz Ohr
Wilhelm Genazinos Roman als Vorabdruck in der F.A.Z.

Man könnte, in Abwandlung einer Charakteristik des W.C. Fields, über ihn sagen: Menschen, die Lärm und Wichtigtuerei hassen, können nicht ganz schlecht sein. Wilhelm Genazino ist auch ein Komiker von Gewicht, der mit dem Amerikaner die jederzeitige Verzweiflungsbereitschaft angesichts von Alltagsgegenständen und -zufällen teilt und pflegt, insbesondere gegenüber solchen, auf die man keinen Einfluss hat. Die Tücke des Objekts lässt den zum Mitleid Begabten aber gelegentlich in misanthropischem Lichte erscheinen.

Der Roman "Mittelmäßiges Heimweh", den wir von heute an in unserem Feuilleton vorabdrucken, ist nicht nur in dieser Hinsicht auf der Höhe der Genazino-Kunst - mit dem fast einzigartigen Gespür für Peinlichkeiten jeder Art und dem Willen, der Realität durch Genauigkeit und nicht durch Überzeichnung auf die Schliche zu kommen: "Eigentlich will ich über Sonja und mich nachdenken, aber ich denke nichts und schaue den Kindern beim Spielen zu. Kaum sitze ich, fängt in der Nähe ein Bagger an, einen Graben auszuheben. Ich höre eine Weile zu und versuche abzuschätzen, ob der Bagger für mich zu laut ist oder nicht. Wahrscheinlich sollte ich besser gehen, aber ich bin entschlusslos und verharre auf der Bank."

Man kann über dieses mit der Einsicht in die Evidenz des blöden Zufalls kaustisch gesprochene "Kaum sitze ich" durchaus die Tränen dessen lachen, der froh ist, dass es auch anderen Leuten nicht gleichgültig ist, wenn der Lärmpegel um sie herum steigt. Aber man sollte das Resultat dieser Dünnhäutigkeit nicht vergessen, das weniger zum Lachen ist: Lähmung, Stillstand, eine Verzweiflung, deren Träger nichts und niemanden hat, an dem er sich abreagieren kann. Dieser Dieter Rotmund ist kein Jack-Lemmon-haftes Nervenbündel, das seiner Umgebung seinerseits auf die Nerven fällt; man fühlt mit einem, der mit dieser Welt nicht nur nichts anfangen kann, sondern ihr auch gar nicht gewachsen ist.

Oder doch? Der Held ist ein Amputierter: Erst fällt ihm (im zu lauten Lokal!) ein Ohr ab, dann ein Zeh, schließlich die Last des Lebens (aber nicht das Leben selbst). Vom offenen, zuversichtlich stimmenden Romanende her kann man diese unrealistischen Vorgänge in ihrem metaphorischen Gehalt begreifen: Dinge aus dem beschädigten Leben, das der Frankfurt-Kenner an Adornos Wirkungsstätte nun schon lange genug seziert. Dem trotz Ohrverlust unauffälligen, erotisch aufmerksamen Stadtstreicher läuft just in dem Moment die (eine) Frau für einen weiteren Lebensabschnitt über den Weg, in dem er ein Kind dabei beobachtet, wie dem der Daumen abfällt - Erkennungszeichen unter Versehrten? Sofort ahnt Rotmund "die Spur der Katastrophe".

Seine eigene hat er überstanden: die quälend sich hinziehende Trennung von seiner Ehefrau, die es nicht gewohnt ist, die Folgen ihrer Rücksichtslosigkeit zu bedenken. Hier, in der Auseinandersetzung um Geld und Wochenendtermine für die Tochter, gewinnt der Eigenbrötler an Profil, und man staunt in den glänzend geführten, auf das Allerwesentlichste heruntergedimmten Dialogen plötzlich über die Schlagfertigkeit eines Angestellten, der sonst selten oder zu spät weiß, was er sagen soll. Seine Beförderung zum Finanzdirektor einer mittelständischen Firma enthebt ihn endlich der alltäglichen Zumutungen. Mehr Glück gibt es für diesen Anfangvierziger nicht, aber das ist doch wenigstens etwas.

Die Mentalität der Helden dieses Büchnerpreisträgers ist uns seit der Abschaffel-Trilogie bekannt, und sie hat sich in all der Zeit nicht wesentlich geändert - zum Glück. Genazinos Unwille, sich an Stoffe zu wagen, die er nicht beherrscht, wirft abermals große, makellose Literatur ab - in diesem Fall den Glücksfall von einem Roman.

EDO REENTS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Zeitredaktion hat sich nicht auf eine Meinung zu Wilhelm Genazinos neuem Roman "Mittelmäßiges Heimweh" einigen können, und lässt Eberhard Falcke und Ulrich Greiner pro und contra Position beziehen. Als Genazino-Fan hat Falcke in dem Roman alles gefunden, was er zu seinem Glück braucht: die unvergleichliche Haltung seines Helden zwischen kontrollierter Verzweiflung und tollkühner Bescheidenheit", die Genazino-typische "Peinlichkeitsverdichtung" und den unnachahmlichen Blick aufs Unwesentliche. Dass bei Genazino keine "superinteressanten Charaktere" zu finden seien, mache genau die Größe dieses Autors aus. Greiner ist dagegen ganz anderer Meinung. Für ihn hat sich Genazinos literarisches Rezept, Alltagsbanalitäten "humorvoll nachsichtig" zu verdoppeln, erschöpft. Immer die gleichen sich selbst befragenden Gestalten, die Greiner "manchmal klug", aber immer "fruchtbar harmlos" findet. Und die viel beschworenen Witze Genazinos findet er einfach nur schlecht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Abermals große, makellose Literatur - in diesem Fall der Glücksfall von einem Roman." Edo Reents, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.07

"Die Fähigkeit zu genauer Beobachtung alltäglicher Szenen, der Sinn für Situationskomik und die Neigung, aus dem Beiläufigsten die condition humaine zu deuten - all dies zeichnet Genazino zweifellos aus." Ulrich Greiner, Die Zeit, 08.02.07

"Die Deutung dieses Geschehens bleibt, wie bei Kafka, wie bei Borges, den Lesern überlassen. Klar ist aber: Wilhelm Genazino hat sich, nach einigen Jahrzehnten stetiger Ernte, doch noch vom Acker gemacht. Er hat sich ein neues Feld erschlossen." Martin Lüdke, Frankfurter Rundschau, 07.02.07

"Ganz auf der Höhe seiner Kunst. So gibt es hier auch inhaltlich wieder das volle Genazino-Programm: Humor und Melancholie, Ironie und Alltag." Gerrit Bartels, Der Tagespiegel, 06.02.07

"Zu Beginn des Romans lässt Genazino das Tragische auf ebenso selbstverständliche wie phantastische Weise indie Handlung einbrechen. Erstaunlich, dass es ihm gelingt, daraus einen hinreißenden Roman zu entwickeln. Wie ist das möglich?" Jan Bürger, Literaturen, 03/07

"Im Zeitalter der lauten und schrillen Selbstdarsteller hat Wilhelm Genazino einen Nomaden der Grossstadt geschaffen, der somnambul durchs Leben torkelt und dabei stets etwas weniger wird, der allmählich an Seele und Körper zerbrökelt und zerfasert und doch geflissentlich über seinen Zerfall hinwegsieht." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 03.02.07

"In der Nachfolge Kafkas hat Genazino seine Poesie der Übergenauigkeit von Roman zu Roman perfektioniert ... ein kleines Meisterwerk." Jan Bürger, Literaturen, 03/07

"Ein hervorragender Roman. Im besten Sinne irritierend, mit reichlich Gelegenheit, sich selbst im Buch zu sehen. Und er ist sogar lustig - ausgerechnet an den schmerzlichsten Stellen." Brigitte, 14.03.07

"Mit schwebender Leichtigkeit berichtet er von niedergeschlagenen Seelen und den Belastungen des Angestelltendaseins." Wolfgang Schneider, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.07

"Ein Genazino-Roman ist wie ein zartgraues, luftiges Netz, in dem man für eine Weile festhängt, doch zugleich auch schwebt, losgelöst von eigenen Malaisen durch das angenehme Gruseln angesichts der kleinen und mittelgroßen Malheurs des Protagonisten." Kristina Maidt-Zink, Süddeutsche Zeitung, 20.03.07
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