Nach ihrem Wehrdienst will die junge Israelin Iris Bahr nicht mehr Offizieren, sondern allein ihrer Libido gehorchen. Sie hat Nachholbedarf und beschließt, ihre Unschuld in Asien zu verlieren. Dazu setzt sie ganz auf die Leichtigkeit des Lonely Planet Universums. Die selbstgewählte Mission startet recht turbulent. Doch bald zeigt sich, dass es für Iris um viel mehr geht als allein um ihre Entjungferung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2008Flugzeuge im Bauch, den Boxring im Herzen
Die Asienfahrt als sexuelle Initiationsreise - die Motive der zwanzig Jahre alten Israelin Iris Bahr, die nach überstandenem Militärdienst eine sechsmonatige Auszeit als Rucksackreisende in Thailand, Vietnam, Nepal und Indien verbringt, zeugen weniger vom kulturellen Erkenntnisinteresse des klassischen Bildungsreisenden als vom libidogesteuerten Deflorationsgedanken. Selbstironisch, politisch unkorrekt und mit anarchischem israelischem Witz schreibt Bahr, die derzeit als Schauspielerin und Komikerin in den Vereinigten Staaten arbeitet, über spontane Reiseallianzen, Wegesabschnittsbegleiter und Liebesspielarten beim "Expresskennenlernen" der Rucksacktouristen. Trocken kommentiert sie ihre Romanzen, Flugzeuge im Bauch und Vorgänge "im Boxring meines Herzens". Desillusionierend gestaltet sich der Reiseauftakt in Thailand, als ihr Partner nach einem "Papstkuss" in Tiefschlaf sinkt. Die eher ein- als zweideutig beschriebenen Amouren wechseln mit psychologisch tiefergehenden Passagen wie Reflexionen über ihren geistig behinderten Bruder oder das Kindheitstrauma durch die Scheidung ihrer Eltern. So fühlt sie sich nach zwei Wochen Vietnam immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert, zumal "man den emotionalen Putz nicht so leicht ausbessern kann, wenn kein Baumarkt in der Nähe ist". Über Katmandu ("ziemlich transzendental") führt die Reise nach Indien, wo ihr das "Chaos in Reinstform" begegnet. Während Sex, Drogen und Raveparties den juvenilen Lebenshunger kurzzeitig stillen, bleibt am Ende der psychedelischen Reise ein Sinnvakuum zurück. Letzterem soll ein Besuch in Dharamsala beim Dalai Lama Abhilfe leisten, aber als Ironie des Schicksals weilt dieser zum Zeitpunkt der erhofften Audienz ausgerechnet in Tel Aviv. Doch auch ohne spirituellen Rat durchläuft die Heldin im Backpackeruniversum als Mikrokosmos der realen Welt einen Lernprozess der Selbstbehauptung im Beziehungsgeflecht der Gesellschaft und Geschlechter. Allmählich lernt sie ihre brüchige Identität und ihr Getriebensein "zwischen verschiedenen Gruppen, Stimmungen und Lebenseinstellungen" als Stärke zu akzeptieren und ihr Leben durch den Aufenthalt in einer weniger privilegierten Welt in richtigen Relationen zu sehen. Am Ende bleibt ein erfrischender, wenn auch mit exotischem Asien-Dekor zu sehr auf innere Konflikte der Protagonistin fokussierter Roman.
sg
"Moomlatz oder Wie ich versuchte in Asien meine Unschuld zu verlieren" von Iris Bahr. Frederking & Thaler Verlag, München 2007. 250 Seiten. Broschiert, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Asienfahrt als sexuelle Initiationsreise - die Motive der zwanzig Jahre alten Israelin Iris Bahr, die nach überstandenem Militärdienst eine sechsmonatige Auszeit als Rucksackreisende in Thailand, Vietnam, Nepal und Indien verbringt, zeugen weniger vom kulturellen Erkenntnisinteresse des klassischen Bildungsreisenden als vom libidogesteuerten Deflorationsgedanken. Selbstironisch, politisch unkorrekt und mit anarchischem israelischem Witz schreibt Bahr, die derzeit als Schauspielerin und Komikerin in den Vereinigten Staaten arbeitet, über spontane Reiseallianzen, Wegesabschnittsbegleiter und Liebesspielarten beim "Expresskennenlernen" der Rucksacktouristen. Trocken kommentiert sie ihre Romanzen, Flugzeuge im Bauch und Vorgänge "im Boxring meines Herzens". Desillusionierend gestaltet sich der Reiseauftakt in Thailand, als ihr Partner nach einem "Papstkuss" in Tiefschlaf sinkt. Die eher ein- als zweideutig beschriebenen Amouren wechseln mit psychologisch tiefergehenden Passagen wie Reflexionen über ihren geistig behinderten Bruder oder das Kindheitstrauma durch die Scheidung ihrer Eltern. So fühlt sie sich nach zwei Wochen Vietnam immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert, zumal "man den emotionalen Putz nicht so leicht ausbessern kann, wenn kein Baumarkt in der Nähe ist". Über Katmandu ("ziemlich transzendental") führt die Reise nach Indien, wo ihr das "Chaos in Reinstform" begegnet. Während Sex, Drogen und Raveparties den juvenilen Lebenshunger kurzzeitig stillen, bleibt am Ende der psychedelischen Reise ein Sinnvakuum zurück. Letzterem soll ein Besuch in Dharamsala beim Dalai Lama Abhilfe leisten, aber als Ironie des Schicksals weilt dieser zum Zeitpunkt der erhofften Audienz ausgerechnet in Tel Aviv. Doch auch ohne spirituellen Rat durchläuft die Heldin im Backpackeruniversum als Mikrokosmos der realen Welt einen Lernprozess der Selbstbehauptung im Beziehungsgeflecht der Gesellschaft und Geschlechter. Allmählich lernt sie ihre brüchige Identität und ihr Getriebensein "zwischen verschiedenen Gruppen, Stimmungen und Lebenseinstellungen" als Stärke zu akzeptieren und ihr Leben durch den Aufenthalt in einer weniger privilegierten Welt in richtigen Relationen zu sehen. Am Ende bleibt ein erfrischender, wenn auch mit exotischem Asien-Dekor zu sehr auf innere Konflikte der Protagonistin fokussierter Roman.
sg
"Moomlatz oder Wie ich versuchte in Asien meine Unschuld zu verlieren" von Iris Bahr. Frederking & Thaler Verlag, München 2007. 250 Seiten. Broschiert, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Iris Bahr "Moomlatz" ist die neue Bibel der Backpackerin" FAS
"...Darminfektionen, Opiumhöhlen, Sexsüchtige oder gefährliche Transportmittel zählen zu den harmloseren Abenteuern." Hamburger Abendblatt
"...Darminfektionen, Opiumhöhlen, Sexsüchtige oder gefährliche Transportmittel zählen zu den harmloseren Abenteuern." Hamburger Abendblatt