Auf den ersten Blick wirkt der Weltentwurf komplex, originell und überzeugend, im Laufe des Buches kamen mir jedoch Zweifel. Vieles erschien mir nicht bis ins Detail durchdacht oder blieb sogar gänzlich unerklärt. Bis zum Schluss fehlte mir das Gefühl, wirklich in diese Welt abtauchen zu können und
einen guten Eindruck vom täglichen Leben der verschiedenen Völker zu haben.
Tatsächlich zog sich…mehrAuf den ersten Blick wirkt der Weltentwurf komplex, originell und überzeugend, im Laufe des Buches kamen mir jedoch Zweifel. Vieles erschien mir nicht bis ins Detail durchdacht oder blieb sogar gänzlich unerklärt. Bis zum Schluss fehlte mir das Gefühl, wirklich in diese Welt abtauchen zu können und einen guten Eindruck vom täglichen Leben der verschiedenen Völker zu haben.
Tatsächlich zog sich das Buch für mich über weite Strecken, besonders im Mittelteil. Es gibt zwar einige spannende Passagen, aber da hätte in meinen Augen deutlich gestrafft werden können!
Was mir das Buch aber am meisten verleidete, war seine Protagonistin, Mari. In den ersten Kapiteln verhält sie sich eher kindlich für ihr Alter, später jedoch zeigt sie eine Seite an sich, die nicht nur unglaublich selbstzentriert ist, sondern grausam und geradezu monströs. Sie gerät in eine Situation, in der sie mit ihren Fähigkeiten schrecklichstes Leid beenden könnte – und sie ist zu dieser Zeit die Einzige, die das kann. Sie entscheidet sich ganz bewusst, nichts zu tun... Was nicht wirklich hinterfragt wird!
Es gibt einen anderen weiblichen Charakter, den ich lieber als Heldin des Buches gesehen hätte: Sora, eine Konkurrentin Maris. Aber warum wird in vielen Jugendbüchern das fiese Mädchen, mit dem sich die Protagonistin nicht versteht, als Schlampe dargestellt? Man kann einen weiblichen Charakter doch auch aus anderen Gründen als unsympathisch darstellen als über ihre Sexualität! Sora zeigte für mich jedenfalls mehr emotionales Wachstum als Mari.
Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte, die kommt jedoch erst spät im Buch wirklich ins Rollen – und ging dann in meinen Augen zu schnell, um glaubhaft zu sein.
In manchen Szenen gefiel mir der Schreibstil sehr gut, in anderen fand ich ihn flach, mit vielen Wiederholungen und ohne natürlichen Sprachrhythmus. Die meisten Fakten, die der Leser wissen muss, werden übermittelt, indem Charaktere sich gegenseitig ihre eigene Welt erklären. Wenn sonst niemand da ist, führt Mari zu diesem Zweck auch schon mal Selbstgespräche...
Mari ist das Kind einer Erdwanderin und eines Gefährten, ist aber mit ihrer Mutter Leda bei den Erdwanderern aufgewachsen.
Die Gefährten unterdrücken und versklaven die Erdwanderer, was sie vor sich rechtfertigen, indem sie sich einreden, die Erdwanderer wären dumme, hilflose Tiere und sollten dankbar sein, dass sich jemand um sie kümmert. Weiße Sklavenbesitzer dachten früher in unserer realen Welt oft sehr ähnlich.
Hätte die Autorin dieses Thema sensibel behandelt, würde ich jetzt wahrscheinlich ihr Loblied singen. Tatsächlich aber schwingt in ihren Worten etwas mit, was auf mich wirkte wie unterschwelliger, nicht hinterfragter Rassismus. Ich möchte ihr da keine böse Absicht unterstellen, aber zumindest einen sehr problematischen Sprachgebrauch.
Die Erdwanderer haben dunkle Haut und dunkle Haare, während die Gefährten hellhäutig sind und meist auch helle Haare haben. In Mari ist das Erbe ihres Vaters dominanter, sie ist hellhäutig und blond. Insoweit nicht problematisch, aber: das Aussehen der Erdwanderer wird oft mit negativ behafteten Adjektiven beschrieben, das der Gefährten mit positiven.
Vielleicht am vielsagendsten: Um unter den Erdwanderern nicht aufzufallen, schminkt Mari sich jeden Tag und verändert ihre Gesichtszüge – indem sie sie mit einer dicken Masse aus Lehm und Kohle 'gröber' formt und ihre helle Haut unter einer 'schmutzig-braunen' Schicht verbirgt.
Mari benutzt ständig den Begriff 'Dreckwühler' – eine herabwürdigende Bezeichnung, die die Unterdrücker der Erdwanderer geprägt haben. Anfangs empfindet sie scheinbar nur Verachtung für das Volk ihrer Mutter und würde diesen Teil ihres Erbes am liebsten auslöschen.
Für ein Jugendbuch enthält die Geschichte sehr viel und sehr explizit beschriebene Gewalt. Die Vergewaltigung einer Minderjährigen wird zwar nicht beschrieben, dafür aber die gravierenden Verletzungen, die später behandelt werden.