Das Böse stirbt. Aber die Bosheit stirbt nie.
Niceville. Eine Kleinstadt im Süden der USA, idyllisch, altmodisch und noch immer fest in den Händen der Gründerfamilien. Hier lässt es sich leben. Aber irgendetwas läuft schief in Niceville. An einem Sommertag verschwindet der kleine Rainey Teague. Zehn Tage später wird er gefunden - in einer alten Gruft. Er liegt im Koma. Nick Kavanaugh, der Ermittler, steht vor einem Rätsel. Niceville findet keine Ruhe mehr. Merle Zane und Charlie Danziger überfallen eine Bank und machen sich mit zweieinhalb Millionen Dollar aus dem Staub. Nach einer Meinungsverschiedenheit knallen sie sich gegenseitig ab. Beide überleben schwer verletzt. Niceville wird zu einem Ort ohne Gnade. Während eines infernalischen Wochenendes überschlagen sich die Ereignisse. Liegt ein Fluch über Niceville? Geht er aus von einem mit schwarzem Wasser gefüllten Loch auf dem Felsen über der Stadt? Man sagt, etwas lebt darin. Doch was?
>Niceville< ist wie die perfekte Vorlage für eine neue Kultserie: schweißtreibend wie ein Roman von Stephen King oder Lee Child, meisterlich wie einer von Cormac McCarthy, mysteriös wie >Twin Peaks< und >Lost<, abgefahren wie ein Film von den Coen-Brüdern und abgebrüht wie einer von Quentin Tarantino.
Niceville. Eine Kleinstadt im Süden der USA, idyllisch, altmodisch und noch immer fest in den Händen der Gründerfamilien. Hier lässt es sich leben. Aber irgendetwas läuft schief in Niceville. An einem Sommertag verschwindet der kleine Rainey Teague. Zehn Tage später wird er gefunden - in einer alten Gruft. Er liegt im Koma. Nick Kavanaugh, der Ermittler, steht vor einem Rätsel. Niceville findet keine Ruhe mehr. Merle Zane und Charlie Danziger überfallen eine Bank und machen sich mit zweieinhalb Millionen Dollar aus dem Staub. Nach einer Meinungsverschiedenheit knallen sie sich gegenseitig ab. Beide überleben schwer verletzt. Niceville wird zu einem Ort ohne Gnade. Während eines infernalischen Wochenendes überschlagen sich die Ereignisse. Liegt ein Fluch über Niceville? Geht er aus von einem mit schwarzem Wasser gefüllten Loch auf dem Felsen über der Stadt? Man sagt, etwas lebt darin. Doch was?
>Niceville< ist wie die perfekte Vorlage für eine neue Kultserie: schweißtreibend wie ein Roman von Stephen King oder Lee Child, meisterlich wie einer von Cormac McCarthy, mysteriös wie >Twin Peaks< und >Lost<, abgefahren wie ein Film von den Coen-Brüdern und abgebrüht wie einer von Quentin Tarantino.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2012Nichts Neues aus Niceville
Der Amerikaner Carsten Stroud hat einen unglaublich faden Krimi vorgelegt - und droht mit einer Fortsetzung
Was für ein schlechter Roman, alle Achtung! Das muss man erst einmal hinkriegen. Das Geheimnis des Gelingens enthüllt sich allerdings relativ leicht auf der Umschlagseite 4. Strouds Roman lese sich "wie die perfekte Vorlage für eine neue Kultserie", heißt es da. Er liest sich nicht so, er ist es.
Selbstverständlich hat der Autor beim Schreiben an das nächste Glied der Verwertungskette gedacht. Damit das Casting erleichtert wird, finden sich von jeder Gestalt, die in diesem Epos auftritt, eine genaue äußere Beschreibung und eine Erläuterung des persönlichen Hintergrunds der Figur. Damit geht es formal mehr als hundert Jahre zurück. Also: "Am Steuer saß Mavis Crossfire, eine hochgewachsene, kräftige, erfahrene Polizistin, die wie alle guten Polizisten Humor und kühle Kompetenz verströmte, unterlegt mit einer latenten Bedrohlichkeit." Oder: "Merle Zane war französisch-irischer Abstammung, ein schlanker Mann Mitte vierzig mit einem markanten Gesicht, rasiertem Schädel und einer Brandnarbe auf der linken Seite des Halses. Er war durchtrainiert, betrieb Kampfsport und war ruhig und zurückhaltend." So einer muss natürlich irgendwann auf das Schicksal "in Gestalt von Charlie Danziger" treffen, "einem hochgewachsenen älteren Mann mit einem langen weißen Schnauzbart. Er lächelte gern und ein wenig schief, besaß eine heisere, flüsternde Stimme und hatte etwas von einem Cowboy." Und immer so fort. Würde man diese Holzschnitte alle hintereinander schalten, käme man vermutlich allein auf gut sechzig Seiten.
Aber worum geht es denn eigentlich? Es geht um einen plötzlich verschwundenen Jungen und überhaupt ein Übermaß an vermissten Personen für eine so kleine Stadt, um einen brutalen Überfall auf einen Geldtransporter, um die vier "Gründerfamilien", die seit je die Stadt Niceville irgendwo in den Südstaaten dominieren, um Gewalt in der Ehe, verklemmte Fieslinge, clevere Chinesen, korrupte Polizisten, gute Polizisten, harte Burschen, feine Kerle und tolle Frauen. Da wir im Süden der Vereinigten Staaten sind, spielt selbstverständlich auch das irgendwie Übernatürliche, das nicht ganz Geheure eine Rolle. Und natürlich schwere Geschichten von ganz früher, die mit Ehre, Rache und all diesen Dingen zu tun haben. Deshalb erinnert uns die schon zitierte Umschlagseite 4 auch an Stephen King, an "Twin Peaks", nimmt (in diesem Fall ungerechtfertigt) Bezug auf die Filme der Coen-Brüder und von Tarantino und nennt auch Cormac McCarthy, das nun wieder zu Recht, weil dessen partielle Neigung zu Blut und Boden hier auch in einigen Szenen durchschimmert. Aber es geht eben auch um knallharte Kriminalität, und dabei kommen Sätze heraus wie: "Sein harter Mund wurde noch härter."
Strouds Skript, gut umgesetzt in eine neue Serie, wäre vermutlich im Fernsehen sehenswert. Action, Spannung, Gewalt pur wären genug darin enthalten. So ist Strouds Roman auch gebaut, und das ist, neben seiner zuweilen unsäglichen Sprache, sein Pferdefuß. Was im Fernsehen nämlich über etliche Folgen Tempo, Härte und Überraschungsmomente hätte, plätschert in der 505 Seiten starken epischen Breite vor sich hin. Es ist etwas anderes, ob man Gewalt deutlich auf dem Bildschirm zeigt oder sie über mehrere Seiten in Zeitlupe beschreibt. Es ist etwas anderes, ob man in einer Serienstaffel beiläufig Spuren legt, dann die Szene wechselt und diese Spuren erst viel später plötzlich wieder aufgreift oder ob das umständlich auf dem Papier geschieht und der geübte Leser sofort weiß: Achtung, Vorzeichen! Überhaupt hält sich die Spannung dieser einerseits verwickelten, andererseits überschaubaren Geschichte beim Lesen in Grenzen. Es ist auch etwas anderes, ob man in einer Serie, die schließlich eine dramatische Form ist, eine Fülle von auf den Punkt sitzenden witzigen Dialogen hört oder ob man auf jeder zweiten Seite eines Buches damit traktiert wird.
Es wird übrigens weitergehen: Der Verlag hat schon "Niceville 2" und "Niceville 3" angekündigt. Offensichtlich gibt die Stadt noch viel her, oder wie es der Vater von Kate sagt (Kate ist die Frau von Nick, und die beiden sind die Guten): "Niceville ist eine Kleinstadt im Süden, Schätzchen. Hier ist die Vergangenheit lebendig, Kate. Das ist alles." Tja, the Grand Old South. Wenn man sich durch Strouds Wälzer hindurchgequält hat, sehnt man sich nach Faulkner, nach Carson McCullers oder nach Truman Capote. Und dass "Niceville" solche Sehnsucht weckt, das ist das Beste, was man über dieses Buch sagen kann.
JOCHEN SCHIMMANG
Carsten Stroud: "Niceville". Roman.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Dumont Buchverlag, Köln 2012. 505 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Amerikaner Carsten Stroud hat einen unglaublich faden Krimi vorgelegt - und droht mit einer Fortsetzung
Was für ein schlechter Roman, alle Achtung! Das muss man erst einmal hinkriegen. Das Geheimnis des Gelingens enthüllt sich allerdings relativ leicht auf der Umschlagseite 4. Strouds Roman lese sich "wie die perfekte Vorlage für eine neue Kultserie", heißt es da. Er liest sich nicht so, er ist es.
Selbstverständlich hat der Autor beim Schreiben an das nächste Glied der Verwertungskette gedacht. Damit das Casting erleichtert wird, finden sich von jeder Gestalt, die in diesem Epos auftritt, eine genaue äußere Beschreibung und eine Erläuterung des persönlichen Hintergrunds der Figur. Damit geht es formal mehr als hundert Jahre zurück. Also: "Am Steuer saß Mavis Crossfire, eine hochgewachsene, kräftige, erfahrene Polizistin, die wie alle guten Polizisten Humor und kühle Kompetenz verströmte, unterlegt mit einer latenten Bedrohlichkeit." Oder: "Merle Zane war französisch-irischer Abstammung, ein schlanker Mann Mitte vierzig mit einem markanten Gesicht, rasiertem Schädel und einer Brandnarbe auf der linken Seite des Halses. Er war durchtrainiert, betrieb Kampfsport und war ruhig und zurückhaltend." So einer muss natürlich irgendwann auf das Schicksal "in Gestalt von Charlie Danziger" treffen, "einem hochgewachsenen älteren Mann mit einem langen weißen Schnauzbart. Er lächelte gern und ein wenig schief, besaß eine heisere, flüsternde Stimme und hatte etwas von einem Cowboy." Und immer so fort. Würde man diese Holzschnitte alle hintereinander schalten, käme man vermutlich allein auf gut sechzig Seiten.
Aber worum geht es denn eigentlich? Es geht um einen plötzlich verschwundenen Jungen und überhaupt ein Übermaß an vermissten Personen für eine so kleine Stadt, um einen brutalen Überfall auf einen Geldtransporter, um die vier "Gründerfamilien", die seit je die Stadt Niceville irgendwo in den Südstaaten dominieren, um Gewalt in der Ehe, verklemmte Fieslinge, clevere Chinesen, korrupte Polizisten, gute Polizisten, harte Burschen, feine Kerle und tolle Frauen. Da wir im Süden der Vereinigten Staaten sind, spielt selbstverständlich auch das irgendwie Übernatürliche, das nicht ganz Geheure eine Rolle. Und natürlich schwere Geschichten von ganz früher, die mit Ehre, Rache und all diesen Dingen zu tun haben. Deshalb erinnert uns die schon zitierte Umschlagseite 4 auch an Stephen King, an "Twin Peaks", nimmt (in diesem Fall ungerechtfertigt) Bezug auf die Filme der Coen-Brüder und von Tarantino und nennt auch Cormac McCarthy, das nun wieder zu Recht, weil dessen partielle Neigung zu Blut und Boden hier auch in einigen Szenen durchschimmert. Aber es geht eben auch um knallharte Kriminalität, und dabei kommen Sätze heraus wie: "Sein harter Mund wurde noch härter."
Strouds Skript, gut umgesetzt in eine neue Serie, wäre vermutlich im Fernsehen sehenswert. Action, Spannung, Gewalt pur wären genug darin enthalten. So ist Strouds Roman auch gebaut, und das ist, neben seiner zuweilen unsäglichen Sprache, sein Pferdefuß. Was im Fernsehen nämlich über etliche Folgen Tempo, Härte und Überraschungsmomente hätte, plätschert in der 505 Seiten starken epischen Breite vor sich hin. Es ist etwas anderes, ob man Gewalt deutlich auf dem Bildschirm zeigt oder sie über mehrere Seiten in Zeitlupe beschreibt. Es ist etwas anderes, ob man in einer Serienstaffel beiläufig Spuren legt, dann die Szene wechselt und diese Spuren erst viel später plötzlich wieder aufgreift oder ob das umständlich auf dem Papier geschieht und der geübte Leser sofort weiß: Achtung, Vorzeichen! Überhaupt hält sich die Spannung dieser einerseits verwickelten, andererseits überschaubaren Geschichte beim Lesen in Grenzen. Es ist auch etwas anderes, ob man in einer Serie, die schließlich eine dramatische Form ist, eine Fülle von auf den Punkt sitzenden witzigen Dialogen hört oder ob man auf jeder zweiten Seite eines Buches damit traktiert wird.
Es wird übrigens weitergehen: Der Verlag hat schon "Niceville 2" und "Niceville 3" angekündigt. Offensichtlich gibt die Stadt noch viel her, oder wie es der Vater von Kate sagt (Kate ist die Frau von Nick, und die beiden sind die Guten): "Niceville ist eine Kleinstadt im Süden, Schätzchen. Hier ist die Vergangenheit lebendig, Kate. Das ist alles." Tja, the Grand Old South. Wenn man sich durch Strouds Wälzer hindurchgequält hat, sehnt man sich nach Faulkner, nach Carson McCullers oder nach Truman Capote. Und dass "Niceville" solche Sehnsucht weckt, das ist das Beste, was man über dieses Buch sagen kann.
JOCHEN SCHIMMANG
Carsten Stroud: "Niceville". Roman.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Dumont Buchverlag, Köln 2012. 505 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Spannend und brutal, für Liebhaber von Filmen der Brüder Coen." Kulturtipp
"Souverän geschnittener, gelungener Mix aus Crime, Horror und Mystery." Platz 3 KrimiZEIT Bestenliste "Mischt wild Horror- und Detektivroman, ist drastisch und sarkastisch, ein Feuerwerk der Rätsel, als habe David Lynch einen besonders boshaften Tag erwischt." STERN "Einer der ungewöhnlichsten Hybridromane der vergangenen Jahre. ,Niceville' ist hardboiled thriller, Geistergeschichte und Südstaatenschwelgerei, eine Verbeugung vor Ambrose Bierce und William Faulkner ebenso wie vor Stephen King und Dashiell Hammett." SPIEGEL ONLINE "Herrlich abgründiger Horrorschocker." ANNABELLE "'Niceville', das ist über hundert Seiten hinweg nahezu perfekt inszenierte Effekte- und Affekte-Literatur, die fliegende Wechsel der Lesarten erfordert, ein beständiges Changieren zwischen Realismus, Kriminalroman und Phantastik. Das ist ausgesprochen spannend, und wer beim Lesen partout nicht auf tieferen Gehalt verzichten will, kann hier per Selbstversuch studieren, wie Genreliteratur funktioniert." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG "Carsten Stroud ist einer der unablässigen Verschwörungswitterer unter den Krimiautoren. Einer, der stets die Vermutung nährt, dass finstere Mächte am Werke sind, dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ihr Gift verbreiten, alte Rechnungen, die noch nicht beglichen sind und als Rachedurst über Generationen weiter gegeben wurden. Dabei verwischt er die Grenzen des üblichen Krimiromans zum Nachbarfach Fantasy." NDR.DE "Die Geschichte ist mysteriös, gruselig, sehr brutal und ungemein spannend. [...] Vor 'Niceville' müsste man eigentlich warnen: Bitte nicht nachts lesen! Und freut sich zugleich auf die beiden Folgebände." WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG "Mit ,Niceville' - Auftakt einer monumentalen Südstaaten-Trilogie - wandelt der kanadische Thriller-Spezialist Carsten Stroud auf den Spuren von Stephen King und schafft eine Mischung aus actiongeladenem Krimi und subtilem Horrorroman, die Fans beider Genres begeistert." SONNTAGSZEITUNG "Carsten Stroud versammelt sehr geschickt zuerst das hartgesottene Personal eines Polizeit-Thrillers, um dann die Falltüren der Unterwelt zu öffnen. [...] Auch von den beiden Fortsetzungen lässt man sich demnächst gerne den Nachtschlaf rauben." KÖLNISCHE RUNDSCHAU "Eine rabenschwarze, extrem zynische Story, schauderhaft gut." KLEINE ZEITUNG