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Imre Kertész, Ralph Giordano, Ruth Klüger u. v. a. berichten in dieser ergreifenden Zusammenstellung, wie sie das Dritte Reich er- und überlebten: Sie sprechen von Verfolgung und Furcht, von Konzentrations-lagern, Flucht und Rettung. Doch nicht nur prominente Überlebende erinnern sich, auch weniger berühmte Menschen erzählen ihre Geschichte. Sie sprechen über ihre Haltung zum heutigen Deutschland, zu Israel und zum Judentum, zu den Möglichkeiten und Versuchen, nach der Katastrophe des Holocaust in ein "normales" Leben zurückzukehren. Diese Interviews sind ein einzigartiges Dokument der…mehr

Produktbeschreibung
Imre Kertész, Ralph Giordano, Ruth Klüger u. v. a. berichten in dieser ergreifenden Zusammenstellung, wie sie das Dritte Reich er- und überlebten: Sie sprechen von Verfolgung und Furcht, von Konzentrations-lagern, Flucht und Rettung. Doch nicht nur prominente Überlebende erinnern sich, auch weniger berühmte Menschen erzählen ihre Geschichte. Sie sprechen über ihre Haltung zum heutigen Deutschland, zu Israel und zum Judentum, zu den Möglichkeiten und Versuchen, nach der Katastrophe des Holocaust in ein "normales" Leben zurückzukehren. Diese Interviews sind ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte - und als Materialsammlung eine Ergänzung zu Martin Doerrys Buch "Mein verwundetes Herz".
Autorenporträt
Martin Doerry, Dr. phil., geboren 1955, ein Enkel Lilli Jahns, arbeitet seit 1987 für den SPIEGEL und veröffentlichte 1989 die erste deutsche Uni-Rangliste. Seit 1998 ist er stellvertretender Chefredakteur. Er lebt in Hamburg.
Trackliste
CD 1
1DAV-Jingle00:00:18
2Ansage00:00:16
3"Langsam Senkt Sich Ein Schatten..." (Vorwort)00:09:27
4"Meine Geschichte Ist Eigentlich Undenkbar" (Aharon Appelfeld)00:12:34
5"Ich Kann Gar Nicht Hassen" (Agnes Sassoon)00:16:34
6"Warum Habt Ihr Mir Das Angetan?" (Ernest W. Michel)00:15:56
7"Wien Schreit Nach Antisemitismus" (Ruth Klüger)00:14:20
CD 2
1"Am Anfang War Das Wort" (Adam Daniel Rotfeld)00:07:04
2"Man Hofft, Solange Man Atmet" (Anita Lasker-Wallfisch)00:15:06
3"Ein Glücksfall, Ein Wunder, Ein Mirakel" (Ralph Giordano)00:11:27
4"Ich Hatte Die Vision Einer Gerechteren Ordnung" (Lenka Reineroví)00:08:26
5"Schuldig Sind Nur Die Schuldigen" (Elie Wiesel)00:11:13
6Absage00:00:50
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2006

In der Gegenwart von Zeugen
Der Ernst der direkten Rede: Martin Doerrys Gespräche mit Überlebenden des Holocaust

Und wenn sie eines Tages alle gestorben sein werden, sie, die letzten Überlebenden des Holocaust, die letzten Zeugen der Vernichtung? Wenn eines Tages keiner mehr da sein wird, der berichten, der erzählen könnte vom Verbrechen an den Juden, das er am eigenen Leib und in der eigenen Seele hat erfahren müssen - was dann?

Martin Doerry, stellvertretender Chefredakteur des "Spiegel" und Autor des vor vier Jahren erschienenen Buches "Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900-1944" (das Buch über seine in Auschwitz ermordete Großmutter), hat dieses "was dann?", das in eine ungewisse Zukunft weist, in die Gegenwart, in der man ja noch etwas tun kann, zurückgebogen, und er ist zu ihnen, den Überlebenden des Holocaust, gegangen, er ist nach Amerika gefahren und durch Europa gereist, um mit ihnen zu sprechen.

Zu sprechen? Das Wort "sprechen" ist viel zu klein für dieses Zusammensein. Um mit ihnen ein Gespräch zu führen? Ein Gespräch ist es, ist es aber auch wieder nicht, denn hier sitzen sich nicht zwei Gesprächs-"Partner" gegenüber. Um sie zu fragen? Ja, um Fragen über das Ungeheuerliche zu stellen. Mehr kann man, wenn man glücklicherweise nicht erleben mußte, was der Mensch gegenüber erleben mußte, erst einmal nicht tun.

Klar und ernst ist auch Doerrys kluges Vorwort. Die Antworten auf seine Fragen sind noch klarer und noch ernster, als die Fragen sein können. Manchmal sind die Antworten so klar und so ernst, daß klar und ernst denkende Menschen wie Martin Doerry irritiert sind, wie im Gespräch mit dem Literaturnobelpreisträger Imre Kertész, der im Gespräch das Wort Glück und das Wort Konzentrationslager tatsächlich zusammenbringt, was jeder, der nur Fragen stellt, innerlich gar nicht kann.

Das hat Kertész nicht zum ersten Mal gemacht. Vom "Glück" des Konzentrationslager schreibt er auch in seinem ungeheuerlichen Roman "Roman eines Schicksallosen", den jeder einmal gelesen haben sollte. Im Gespräch mit Doerry (bei dem der "Spiegel"-Redakteur Volker Hage mit dabei war) sagte Kertész über dieses Glück im Konzentrationslager: "Es gab dieses vegetative Glück: wenn man liegen darf und nicht geschlagen wird, wenn man essen darf und nicht hungrig ist, wenn einen die Erinnerung an einen schönen Tag zu Hause erfaßt." Und er sagte auch, daß er sich nicht nur als Opfer betrachte: "Um überleben zu können, mußte man durch die Hölle gehen - und in der Hölle wird man schmutzig. Die Unschuldigen sind die, die gestorben sind." Das sind klare, ernste und sehr schwere Sätze, wie sie nur in der direkten Rede vorkommen.

Martin Doerry hat vierundzwanzig Gespräche geführt, unter anderen mit dem Schriftsteller Aharon Appelfeld, dem Kulturwissenschaftler Peter Gay, dem Kunstsammler Heinz Berggruen, der Germanistin Ruth Klüger, dem Schriftsteller Ivan Klima, dem Soziologen Alfred Grosser, dem Kaufmann und Sachbuchautor Arno Lustiger, mit dem Übersetzer Georges-Arthur Goldschmidt, mit dem Wirtschaftswissenschaftler Albert O. Hirschmann und mit dem Historiker Saul Friedländer.

Wir wünschen dem Buch viele Leser, und wir wünschen dem Buch eine Taschenbuchausgabe, damit viele junge Leser das Buch lesen - und dann hoffentlich auch lesen, was die Schriftsteller, die hier befragt werden, geschrieben haben.

EBERHARD RATHGEB

Martin Doerry: "Nirgendwo und überall zu Haus". Gespräche mit Überlebenden des Holocaust. Fotografien von Monika Zucht. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 262 S., geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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