Von Walzern im Wohnzimmer und immer neuem Kennenlernen am Küchentisch
Nach einer bedrückenden Episode im Altersheim zieht Edeltraut Karczewski mit 83 in ihre erste WG. Ihre sechs MitbewohnerInnen sind, wie sie, dement. Kann das funktionieren? Oh ja. Ihre Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, erzählt aus dem Leben ihrer Großmutter, sprich: Omma, in der Wanne-Eickeler Demenz-WG. Ein charmantes Plädoyer für eine Wohnform, die Menschen mit Demenz gerecht wird, zugleich ein Stück Ruhrgebietsgeschichte sowie ein liebevoller Blick auf ein typisches Frauenleben dieser Generation. Und nicht zuletzt ein kleines Denkmal für Omma.
Nach einer bedrückenden Episode im Altersheim zieht Edeltraut Karczewski mit 83 in ihre erste WG. Ihre sechs MitbewohnerInnen sind, wie sie, dement. Kann das funktionieren? Oh ja. Ihre Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, erzählt aus dem Leben ihrer Großmutter, sprich: Omma, in der Wanne-Eickeler Demenz-WG. Ein charmantes Plädoyer für eine Wohnform, die Menschen mit Demenz gerecht wird, zugleich ein Stück Ruhrgebietsgeschichte sowie ein liebevoller Blick auf ein typisches Frauenleben dieser Generation. Und nicht zuletzt ein kleines Denkmal für Omma.
CD 1 | |||
1 | Prolog | 00:01:34 | |
2 | Januar 2014,WG-Küche | 00:07:12 | |
3 | November 2010,WG,gesamte Etage | 00:06:17 | |
4 | März 2014,WG-Wohnzimmer | 00:03:22 | |
5 | November 2010,Altersheim | 00:04:50 | |
6 | März 2014,WG-Küche | 00:02:05 | |
7 | November 2010,Altersheim | 00:01:48 | |
8 | März 2014,WG-Wohnzimmer | 00:01:16 | |
9 | November 2010,WG,gesamte Etage | 00:07:42 | |
10 | April 2014,WG-Wohnzimmer(1) | 00:04:58 | |
11 | April 2014,WG-Wohnzimmer(2) | 00:04:57 | |
12 | November 2010,WG,gesamte Etage | 00:02:58 | |
13 | Winter 1968,Gelsenkirchen-Erle | 00:02:52 | |
14 | November 2010,WG-Wohnzimmer | 00:09:31 | |
15 | April 2014,WG-Wohnzimmer | 00:03:58 | |
16 | November 2010,WG | 00:01:07 | |
17 | Dezember 2010,WG-Küche | 00:02:43 | |
18 | Dezember 2010,WG | 00:10:32 | |
CD 2 | |||
1 | April 2014,WG-Wohnzimmer | 00:01:09 | |
2 | Dezember 2010,WG | 00:06:45 | |
3 | September 2012,Berlin | 00:07:53 | |
4 | Juni 2014,Gaststätte in Wanne-Eickel | 00:05:45 | |
5 | Juni 2010,WG-Wohnzimmer | 00:03:45 | |
6 | Dezember 2010,WG | 00:10:42 | |
7 | Dezember 2010,WG-Küche | 00:02:53 | |
8 | Juni 2014,WG-Küche | 00:14:35 | |
9 | Dezember 2010,WG-Wohnzimmer | 00:03:11 | |
10 | 70er Jahre,Gelsenkirchen-Erle | 00:02:44 | |
11 | Juni 2014,Telefon | 00:11:53 | |
12 | Dezember 2010,WG-Wohnzimmer | 00:06:28 | |
CD 3 | |||
1 | Juli 2008,Gelsenkirchen-Erle | 00:09:12 | |
2 | Dezember 2010,WG-Wohnzimmer | 00:02:49 | |
3 | Juli 2008,Gelsenkirchen-Erle und Kiel-Schönkirchen | 00:07:31 | |
4 | Dezember 2010,WG-Wohnzimmer | 00:02:46 | |
5 | Frühling 2010,AWO-Seniorenzentrum Kiel-Schönkirchen | 00:02:36 | |
6 | Dezember 2010,WG-Küche | 00:05:18 | |
7 | Sommer 2010,AWO-Seniorenzentrum Kiel-Schönkirchen | 00:07:33 | |
8 | Dezember 2010,Demenz-WG | 00:01:22 | |
9 | Sommer 2010,Klinik,Aufenthaltsraum | 00:04:45 | |
10 | Juni 2014,WG-Wohnzimmer | 00:09:32 | |
11 | September 2012,Köln,Demenz-Wohngemeinschaft "Vergissmeinnicht" | 00:09:35 | |
12 | März 2012,WG | 00:06:23 | |
13 | April 2012,WG-Küche | 00:02:57 | |
14 | 22. Mai 2012,WG-Wohnzimmer | 00:05:53 | |
CD 4 | |||
1 | Köln,2000 | 00:09:45 | |
2 | Mai 2012,WG-Wohnzimmer | 00:01:46 | |
3 | Juni 2012,WG-Wohnzimmer | 00:02:06 | |
4 | September 2012,WG | 00:14:18 | |
5 | Juni 2014,WG-Balkon | 00:04:12 | |
6 | Juni 2014,WG-Balkon | 00:05:15 | |
7 | 10. September 2012,Krankenhaus | 00:02:22 | |
8 | 13. September 2012,Krankenhaus | 00:05:56 | |
9 | 15. September 2012,Krankenhaus | 00:01:12 | |
10 | 30. September 2012,Krankenhaus | 00:04:00 | |
11 | Oktober 2012,WG,Ommas Zimmer | 00:01:30 | |
12 | November 2012,WG-Wohnzimmer(1) | 00:04:42 | |
13 | November 2012,WG-Wohnzimmer(2) | 00:02:15 | |
14 | Dezember 2012,WG-Küche | 00:01:47 | |
15 | 28. Dezember 2012,Telefonate | 00:01:03 | |
16 | Telefonat,schlechter Tag | 00:01:07 | |
17 | Telefonat,guter Tag | 00:01:01 | |
18 | Advent 2014 | 00:01:30 | |
19 | 2005,Gelsenkirchen-Erle-Budapest | 00:06:17 | |
20 | Januar 2014,WG-Küche | 00:03:24 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2015Hommage an Omma
Chantal Louis lobt eine Demenz-Wohngemeinschaft
Edeltraut Karczewski ist sechsundachtzig Jahre alt und wohnt zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Wohngemeinschaft. Ihre Mitbewohner sind wie sie dement. Karczewskis Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, fasst die Erlebnisse mit ihrer "Omma", wie Großmütter liebevoll-herb im Ruhrpott genannt werden, in den Jahren ihrer Demenzerkrankung in einer Reportage zusammen. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das sich zunächst in extremer Schwarzweißmalerei verliert: Alten- und Pflegeheim pfui, Demenz-WG hui.
Es ist kein leichtes Thema, das sich die Autorin da ausgesucht hat. Trotzdem erzählt sie mit erstaunlicher Leichtigkeit von Handicaps und Defiziten, verpackt in schrulligen Situationen. Louis macht die Mitbewohner niemals lächerlich, selbst wenn diese Gespräche mit Koteletts führen; oder wenn eine Seniorin überzeugt ist, sie sei sechzehn Jahre jung und habe bei ihrem bubenhaften Pfleger noch Aussichten auf Erfolg. Zumal Else beim Kartoffelschälen einen ziemlich großen Output fabriziert - eine nette Umschreibung für die Tatsache, dass von der Kartoffel selbst zum Zweck der Weiterverarbeitung nicht viel übrig bleibt.
Die eingestreuten Dialoge der Dementen tragen zur Charmeoffensive bei, die nebenbei auch eine "(H)ommage" an den Ruhrpottdialekt ist. Einblicke in die Familiengeschichte der Autorin verbinden sich mit Anekdoten über dusselige Mülltonnen oder auch Kriegserinnerungen. Nach dem Tod ihres Mannes hat Louis' Großmutter alles an "Wohnmöglichkeiten" ausgeschöpft, eine regelrechte Odyssee, die sie von ihrem eigenen Heim, in dem sie nicht mehr allein bleiben konnte, wegführte, über Seniorenzentren zum gängigen Alten- und Pflegeheim, unterbrochen von kurzen Aufenthalten in Krankenhäusern und in der Gerontopsychiatrie. Wo Chantal Louis auch hinsieht, überall stößt sie nur auf Missstände.
Das desaströse Bild, das die Autorin von deutschen Pflegeeinrichtungen zeichnet, reicht von der Ruhigstellung durch Psychopharmaka, begleitet von Stürzen, Infektionen, Vereinsamung, bis zu inakzeptablen Verhaltensweisen des überforderten Pflegepersonals - inklusive Diskussionen der Enkelin über den Belag des abendlichen Wurstbrotes. Angehörigen von Pflegebedürftigen dürften diese Erfahrungen hinlänglich vertraut sein. Ganz anders hingegen schildert Louis die Betreuungssituation in der WG: pädagogische Pflegeperfektionisten, stets mit Spaß und guten Nerven bei der Arbeit, einfühlsam, kreativ und herzlich im Umgang. Eine Oase in einer Wüste von Pflegeeinrichtungen, aber wo bitte findet man eigentlich derart motiviertes Betreuungspersonal?
Wohngemeinschaften könnten sich keine bessere Werbung wünschen als dieses Buch. Auch wenn sich am Ende die bedrückenden Momente in der WG häufen, die Krankheit der Großmutter fortschreitet und die Glorifizierung der Demenz-WG einen Dämpfer erhält. Ein Informationsteil zu rechtlichen Fragen, Beratungsstellen und jeweils vom Bundesland abhängigen Regelungen für diese spezielle Wohnform für Menschen mit Demenz rundet das Buch ab.
KAROLIN BERG
Chantal Louis: "Ommas Glück". Das Leben
meiner Großmutter in
ihrer Demenz-WG. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 207 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Chantal Louis lobt eine Demenz-Wohngemeinschaft
Edeltraut Karczewski ist sechsundachtzig Jahre alt und wohnt zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Wohngemeinschaft. Ihre Mitbewohner sind wie sie dement. Karczewskis Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, fasst die Erlebnisse mit ihrer "Omma", wie Großmütter liebevoll-herb im Ruhrpott genannt werden, in den Jahren ihrer Demenzerkrankung in einer Reportage zusammen. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das sich zunächst in extremer Schwarzweißmalerei verliert: Alten- und Pflegeheim pfui, Demenz-WG hui.
Es ist kein leichtes Thema, das sich die Autorin da ausgesucht hat. Trotzdem erzählt sie mit erstaunlicher Leichtigkeit von Handicaps und Defiziten, verpackt in schrulligen Situationen. Louis macht die Mitbewohner niemals lächerlich, selbst wenn diese Gespräche mit Koteletts führen; oder wenn eine Seniorin überzeugt ist, sie sei sechzehn Jahre jung und habe bei ihrem bubenhaften Pfleger noch Aussichten auf Erfolg. Zumal Else beim Kartoffelschälen einen ziemlich großen Output fabriziert - eine nette Umschreibung für die Tatsache, dass von der Kartoffel selbst zum Zweck der Weiterverarbeitung nicht viel übrig bleibt.
Die eingestreuten Dialoge der Dementen tragen zur Charmeoffensive bei, die nebenbei auch eine "(H)ommage" an den Ruhrpottdialekt ist. Einblicke in die Familiengeschichte der Autorin verbinden sich mit Anekdoten über dusselige Mülltonnen oder auch Kriegserinnerungen. Nach dem Tod ihres Mannes hat Louis' Großmutter alles an "Wohnmöglichkeiten" ausgeschöpft, eine regelrechte Odyssee, die sie von ihrem eigenen Heim, in dem sie nicht mehr allein bleiben konnte, wegführte, über Seniorenzentren zum gängigen Alten- und Pflegeheim, unterbrochen von kurzen Aufenthalten in Krankenhäusern und in der Gerontopsychiatrie. Wo Chantal Louis auch hinsieht, überall stößt sie nur auf Missstände.
Das desaströse Bild, das die Autorin von deutschen Pflegeeinrichtungen zeichnet, reicht von der Ruhigstellung durch Psychopharmaka, begleitet von Stürzen, Infektionen, Vereinsamung, bis zu inakzeptablen Verhaltensweisen des überforderten Pflegepersonals - inklusive Diskussionen der Enkelin über den Belag des abendlichen Wurstbrotes. Angehörigen von Pflegebedürftigen dürften diese Erfahrungen hinlänglich vertraut sein. Ganz anders hingegen schildert Louis die Betreuungssituation in der WG: pädagogische Pflegeperfektionisten, stets mit Spaß und guten Nerven bei der Arbeit, einfühlsam, kreativ und herzlich im Umgang. Eine Oase in einer Wüste von Pflegeeinrichtungen, aber wo bitte findet man eigentlich derart motiviertes Betreuungspersonal?
Wohngemeinschaften könnten sich keine bessere Werbung wünschen als dieses Buch. Auch wenn sich am Ende die bedrückenden Momente in der WG häufen, die Krankheit der Großmutter fortschreitet und die Glorifizierung der Demenz-WG einen Dämpfer erhält. Ein Informationsteil zu rechtlichen Fragen, Beratungsstellen und jeweils vom Bundesland abhängigen Regelungen für diese spezielle Wohnform für Menschen mit Demenz rundet das Buch ab.
KAROLIN BERG
Chantal Louis: "Ommas Glück". Das Leben
meiner Großmutter in
ihrer Demenz-WG. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 207 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Karolin Berg nimmt Chantal Louis' Buch als Reportage über Demenzkranke und Werbung für Alten-WGs. Derart schwarzweiß malt die Autorin die Gegensätze zwischen privaten und staatlichen Einrichtungen. Liebevoll-herb erscheint Berg das Buch immer dann, wenn die Autorin ihre Omma und ihre Leidensgenossinnen beim Smalltalk, beim Kartoffelschälen oder beim Flirt mit dem jugendlichen Pfleger beobachtet. Die von Louis verhandelten Missstände im Pflegeheim sind der Rezensentin im übrigen gut bekannt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Mit viel Humor, Empathie und Gelassenheit schildert die Enkeltochter, wie es zu dem ungewöhnlichen neuen Zuhause für die geliebte Großmutter kam." -- Badische Zeitung, 02.03.2015
»Ein einfühlsames Buch, das der Krankheit ein wenig von ihrem Schrecken nimmt.« https://www.igp-magazin.de/ 20150714
Hommage an Omma
Chantal Louis lobt eine Demenz-Wohngemeinschaft
Edeltraut Karczewski ist sechsundachtzig Jahre alt und wohnt zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Wohngemeinschaft. Ihre Mitbewohner sind wie sie dement. Karczewskis Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, fasst die Erlebnisse mit ihrer "Omma", wie Großmütter liebevoll-herb im Ruhrpott genannt werden, in den Jahren ihrer Demenzerkrankung in einer Reportage zusammen. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das sich zunächst in extremer Schwarzweißmalerei verliert: Alten- und Pflegeheim pfui, Demenz-WG hui.
Es ist kein leichtes Thema, das sich die Autorin da ausgesucht hat. Trotzdem erzählt sie mit erstaunlicher Leichtigkeit von Handicaps und Defiziten, verpackt in schrulligen Situationen. Louis macht die Mitbewohner niemals lächerlich, selbst wenn diese Gespräche mit Koteletts führen; oder wenn eine Seniorin überzeugt ist, sie sei sechzehn Jahre jung und habe bei ihrem bubenhaften Pfleger noch Aussichten auf Erfolg. Zumal Else beim Kartoffelschälen einen ziemlich großen Output fabriziert - eine nette Umschreibung für die Tatsache, dass von der Kartoffel selbst zum Zweck der Weiterverarbeitung nicht viel übrig bleibt.
Die eingestreuten Dialoge der Dementen tragen zur Charmeoffensive bei, die nebenbei auch eine "(H)ommage" an den Ruhrpottdialekt ist. Einblicke in die Familiengeschichte der Autorin verbinden sich mit Anekdoten über dusselige Mülltonnen oder auch Kriegserinnerungen. Nach dem Tod ihres Mannes hat Louis' Großmutter alles an "Wohnmöglichkeiten" ausgeschöpft, eine regelrechte Odyssee, die sie von ihrem eigenen Heim, in dem sie nicht mehr allein bleiben konnte, wegführte, über Seniorenzentren zum gängigen Alten- und Pflegeheim, unterbrochen von kurzen Aufenthalten in Krankenhäusern und in der Gerontopsychiatrie. Wo Chantal Louis auch hinsieht, überall stößt sie nur auf Missstände.
Das desaströse Bild, das die Autorin von deutschen Pflegeeinrichtungen zeichnet, reicht von der Ruhigstellung durch Psychopharmaka, begleitet von Stürzen, Infektionen, Vereinsamung, bis zu inakzeptablen Verhaltensweisen des überforderten Pflegepersonals - inklusive Diskussionen der Enkelin über den Belag des abendlichen Wurstbrotes. Angehörigen von Pflegebedürftigen dürften diese Erfahrungen hinlänglich vertraut sein. Ganz anders hingegen schildert Louis die Betreuungssituation in der WG: pädagogische Pflegeperfektionisten, stets mit Spaß und guten Nerven bei der Arbeit, einfühlsam, kreativ und herzlich im Umgang. Eine Oase in einer Wüste von Pflegeeinrichtungen, aber wo bitte findet man eigentlich derart motiviertes Betreuungspersonal?
Wohngemeinschaften könnten sich keine bessere Werbung wünschen als dieses Buch. Auch wenn sich am Ende die bedrückenden Momente in der WG häufen, die Krankheit der Großmutter fortschreitet und die Glorifizierung der Demenz-WG einen Dämpfer erhält. Ein Informationsteil zu rechtlichen Fragen, Beratungsstellen und jeweils vom Bundesland abhängigen Regelungen für diese spezielle Wohnform für Menschen mit Demenz rundet das Buch ab.
KAROLIN BERG
Chantal Louis: "Ommas Glück". Das Leben
meiner Großmutter in
ihrer Demenz-WG. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 207 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Chantal Louis lobt eine Demenz-Wohngemeinschaft
Edeltraut Karczewski ist sechsundachtzig Jahre alt und wohnt zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Wohngemeinschaft. Ihre Mitbewohner sind wie sie dement. Karczewskis Enkelin, die Journalistin Chantal Louis, fasst die Erlebnisse mit ihrer "Omma", wie Großmütter liebevoll-herb im Ruhrpott genannt werden, in den Jahren ihrer Demenzerkrankung in einer Reportage zusammen. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das sich zunächst in extremer Schwarzweißmalerei verliert: Alten- und Pflegeheim pfui, Demenz-WG hui.
Es ist kein leichtes Thema, das sich die Autorin da ausgesucht hat. Trotzdem erzählt sie mit erstaunlicher Leichtigkeit von Handicaps und Defiziten, verpackt in schrulligen Situationen. Louis macht die Mitbewohner niemals lächerlich, selbst wenn diese Gespräche mit Koteletts führen; oder wenn eine Seniorin überzeugt ist, sie sei sechzehn Jahre jung und habe bei ihrem bubenhaften Pfleger noch Aussichten auf Erfolg. Zumal Else beim Kartoffelschälen einen ziemlich großen Output fabriziert - eine nette Umschreibung für die Tatsache, dass von der Kartoffel selbst zum Zweck der Weiterverarbeitung nicht viel übrig bleibt.
Die eingestreuten Dialoge der Dementen tragen zur Charmeoffensive bei, die nebenbei auch eine "(H)ommage" an den Ruhrpottdialekt ist. Einblicke in die Familiengeschichte der Autorin verbinden sich mit Anekdoten über dusselige Mülltonnen oder auch Kriegserinnerungen. Nach dem Tod ihres Mannes hat Louis' Großmutter alles an "Wohnmöglichkeiten" ausgeschöpft, eine regelrechte Odyssee, die sie von ihrem eigenen Heim, in dem sie nicht mehr allein bleiben konnte, wegführte, über Seniorenzentren zum gängigen Alten- und Pflegeheim, unterbrochen von kurzen Aufenthalten in Krankenhäusern und in der Gerontopsychiatrie. Wo Chantal Louis auch hinsieht, überall stößt sie nur auf Missstände.
Das desaströse Bild, das die Autorin von deutschen Pflegeeinrichtungen zeichnet, reicht von der Ruhigstellung durch Psychopharmaka, begleitet von Stürzen, Infektionen, Vereinsamung, bis zu inakzeptablen Verhaltensweisen des überforderten Pflegepersonals - inklusive Diskussionen der Enkelin über den Belag des abendlichen Wurstbrotes. Angehörigen von Pflegebedürftigen dürften diese Erfahrungen hinlänglich vertraut sein. Ganz anders hingegen schildert Louis die Betreuungssituation in der WG: pädagogische Pflegeperfektionisten, stets mit Spaß und guten Nerven bei der Arbeit, einfühlsam, kreativ und herzlich im Umgang. Eine Oase in einer Wüste von Pflegeeinrichtungen, aber wo bitte findet man eigentlich derart motiviertes Betreuungspersonal?
Wohngemeinschaften könnten sich keine bessere Werbung wünschen als dieses Buch. Auch wenn sich am Ende die bedrückenden Momente in der WG häufen, die Krankheit der Großmutter fortschreitet und die Glorifizierung der Demenz-WG einen Dämpfer erhält. Ein Informationsteil zu rechtlichen Fragen, Beratungsstellen und jeweils vom Bundesland abhängigen Regelungen für diese spezielle Wohnform für Menschen mit Demenz rundet das Buch ab.
KAROLIN BERG
Chantal Louis: "Ommas Glück". Das Leben
meiner Großmutter in
ihrer Demenz-WG. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 207 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main