Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt:
"Jetzt" ist Lena eine erfahrene Freiheitskämpferin, die unter falschem Namen in New York eingeschleust wurde, um dort zur Schule zu gehen und die aggressive Pro-Heilmittel-Organisation VDFA ("Verein für ein deliriafreies Amerika") zu unterwandern.
Bei einer Großveranstaltung bekommt sie vom Widerstand den Auftrag, Julian Fineman besonders im Auge…mehrDie Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt:
"Jetzt" ist Lena eine erfahrene Freiheitskämpferin, die unter falschem Namen in New York eingeschleust wurde, um dort zur Schule zu gehen und die aggressive Pro-Heilmittel-Organisation VDFA ("Verein für ein deliriafreies Amerika") zu unterwandern. Bei einer Großveranstaltung bekommt sie vom Widerstand den Auftrag, Julian Fineman besonders im Auge zu behalten, den Sohn eines Anführers der VDFA - und das ist das Dominosteinchen, das eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, an deren Ende sich Lena fragen muss, wer hier eigentlich Freund und wer Feind ist.
"Damals" ist Lena gerade erst entkommen. Halb wahnsinnig vor Angst und Trauer rennt sie, bis sie zusammenbricht, und wird von ein paar "Invaliden" gefunden, die sich im Wald eine kleine Familie aufgebaut haben. Sie ist sich erst nicht sicher, ob sie ohne Alex überhaupt weiterleben will, aber irgendwann muss sie sich entscheiden, ob sie kämpfen oder aufgeben will.
Diesen Band fand ich fast noch spannender als den ersten! Das Tempo ist rasant, es passiert immer wieder etwas Neues, Lena muss eine gefährliche Situation nach der anderen überstehen... Die Autorin gönnt Lena und dem Leser keine Atempause! Aber auch die Gefühle kommen nicht zu kurz, denn Lena hat einiges zu bewältigen, was starke Emotionen auslöst - die volle Bandbreite von Trauer bis (nicht notwendigerweise romantischer) Liebe.
Mir hat auch gut gefallen, wie viel Neues man über dieses Amerika der Zukunft erfährt; die Autorin hat eine wirklich komplexe, vielschichtige Welt erschaffen. Vor allem merkt man, dass es nicht einfach nur die "Guten" und die "Bösen" gibt; es gibt viele Faktionen, die alle unterschiedliche Dinge wollen, aus unterschiedlichen Gründen.
Lena ist "jetzt" nicht mehr das naive, angepasste Mädchen aus dem ersten Band. Sie hat viel Schreckliches erlebt, und das hat sie härter, mutiger und entschlossener gemacht. Außerdem hat sich ihr Blickwinkel drastisch verändert: ursprünglich wollte sie ja eigentlich nur fliehen, um mit Alex zusammen sein zu können. Sie fing zwar schon an, die Dinge zu hinterfragen, aber sie war noch nicht so weit, tatsächlich deswegen Widerstand leisten zu wollen, weil das System falsch und ungerecht ist. Das hat sich definitiv geändert!
Durch das ständige Wechseln zwischen "jetzt" und "damals" merkt man als Leser deutlich, wie sehr Lena sich entwickelt hat und an ihren Erlebnissen gewachsen ist. Ich fand diese Entwicklung glaubhaft, und mir war die neue Lena auch wieder sehr sympathisch. Sie ist nicht perfekt, und sie hat viele Facetten: sie kann verletzlich sein, sie kann wütend und hasserfüllt sein, aber sie ist immer authentisch.
Man lernt in diesem Band einige neue Charaktere kennen. Ich fand sie alle hervorragend geschrieben, glaubhaft und lebendig, und besonders Raven und Julian fand ich sehr interessant.
Raven ist die selbsternannte Anführerin der kleinen Gemeinschaft, die Lena aufnimmt. Sie hat gute Ziele, kann aber knallhart und skrupellos sein, um sie zu erreichen. Ich war mich lange nicht sicher, was ich von ihr halten sollte, und ob sie Lena im Endeffekt verraten würde...? Aber gerade das machte sie zu einem so spannenden Charakter.
Julian ist das Aushängeschild der VDFA, die versucht, das Alter für die Prozedur deutlich herunterzusetzen, obwohl das gefährliche Nebenwirkungen haben oder sogar zum Tod führen kann. Er wird von seinem Vater als Propagandamittel eingesetzt. Als Lena und Julian sich kennen lernen, kam mir das ein bisschen vor wie verkehrte Welt: denn Julian glaubt genauso felsenfest an das System, wie Lena das im ersten Band tat, und jetzt ist es Lena, die versucht, ihm die Augen zu öffnen.
Den Schreibstil fand ich wieder großartig: eigen und unverwechselbar, und je nach Szene zutiefst emotional oder knapp und rasant.