Benjamin von Stuckrad-Barre
Audio-CD
Panikherz
999 Min.. Lesung.Ungekürzte Ausgabe
Gesprochen: Stuckrad-Barre, Benjamin von
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Über Helden und FreundschaftBenjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine Geschichte, wie man sie sich nicht ausdenken kann: Er wollte den Rockstar-Taumel und das Rockstar-Leben, bekam beides und folgerichtig auch den Rockstar-Absturz. Udo Lindenbergs rebellische Märchenlieder verführten und verdarben ihn, doch Udo selbst wird Freund und ist später Retter. Und nun eine Selbstfindung am dafür unwahrscheinlichsten Ort - im mythenumrankten »Chateau Marmont« in Hollywood. Was als Rückzug und Klausur geplant war, erweist sich als Rückkehr ins Schreiben und in ein Leben als Roman. Drumherum tob...
Über Helden und Freundschaft
Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine Geschichte, wie man sie sich nicht ausdenken kann: Er wollte den Rockstar-Taumel und das Rockstar-Leben, bekam beides und folgerichtig auch den Rockstar-Absturz. Udo Lindenbergs rebellische Märchenlieder verführten und verdarben ihn, doch Udo selbst wird Freund und ist später Retter. Und nun eine Selbstfindung am dafür unwahrscheinlichsten Ort - im mythenumrankten »Chateau Marmont« in Hollywood. Was als Rückzug und Klausur geplant war, erweist sich als Rückkehr ins Schreiben und in ein Leben als Roman. Drumherum tobt der Rausch, der Erzähler bleibt diesmal nüchtern. Schreibend erinnert er sich an seine Träume und Helden - Bret Easton Ellis, Westernhagen, Courtney Love, Thomas Gottschalk, Kurt Cobain, Helmut Dietl. Stuckrad-Barre erzählt mit seiner eigenen Geschichte zugleich die Geschichte der Popkultur der letzten 20 Jahre.
Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine Geschichte, wie man sie sich nicht ausdenken kann: Er wollte den Rockstar-Taumel und das Rockstar-Leben, bekam beides und folgerichtig auch den Rockstar-Absturz. Udo Lindenbergs rebellische Märchenlieder verführten und verdarben ihn, doch Udo selbst wird Freund und ist später Retter. Und nun eine Selbstfindung am dafür unwahrscheinlichsten Ort - im mythenumrankten »Chateau Marmont« in Hollywood. Was als Rückzug und Klausur geplant war, erweist sich als Rückkehr ins Schreiben und in ein Leben als Roman. Drumherum tobt der Rausch, der Erzähler bleibt diesmal nüchtern. Schreibend erinnert er sich an seine Träume und Helden - Bret Easton Ellis, Westernhagen, Courtney Love, Thomas Gottschalk, Kurt Cobain, Helmut Dietl. Stuckrad-Barre erzählt mit seiner eigenen Geschichte zugleich die Geschichte der Popkultur der letzten 20 Jahre.
Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von Soloalbum , 1998, Livealbum , 1999, Remix , 1999, Blackbox , 2000, Transkript , 2001, Deutsches Theater , 2001, F estwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2 , 2004, Was.Wir.Wissen , 2005, Auch Deutsche unter den Opfern , 2010, Panikherz , 2016, Nüchtern am Weltnichtrauchertag , 2016, Udo Fröhliche , 2016, Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal hinlegen - Remix 3 , 2018 und Alle sind so ernst geworden (mit Martin Suter), 2020. Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von Soloalbum , 1998, Livealbum , 1999, Remix , 1999, Blackbox , 2000, Transkript , 2001, Deutsches Theater , 2001, F estwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2 , 2004, Was.Wir.Wissen , 2005, Auch Deutsche unter den Opfern , 2010, Panikherz , 2016, Nüchtern am Weltnichtrauchertag , 2016, Udo Fröhliche , 2016, Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal hinlegen - Remix 3 , 2018 und Alle sind so ernst geworden (mit Martin Suter), 2020.
Produktdetails
- Verlag: Roof Music
- Anzahl: 13 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 999 Min.
- Erscheinungstermin: 10. März 2016
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783864843396
- Artikelnr.: 43993196
Herstellerkennzeichnung
Roof Music GmbH
Prinz-Regent-Straße 50-60
44795 Bochum
Trockengebiete
In seinem neuen Buch „Panikherz“
schreibt Benjamin von Stuckrad-Barre über
seine Drogensucht und seine Rekonvaleszenz
im Hollywood-Hotel Château Marmont
VON ANDRIAN KREYE
Es ist eine hübsche vorgezogene Pointe, dass die Aufregung um Benjamin von Stuckrad-Barres Buch „Panikherz“ schon vor dem Erscheinen keine rechte Richtung findet. Um genau dieses Ungreifbare ging es ja der jungen deutschen Literatur in den späten Neunzigerjahren, als Schriftsteller wie Christian Kracht, Judith Hermann oder Florian Illies vorübergehend wie Popstars behandelt wurden. Sie konnten mit Provokation kokettieren, mit Gefühligkeit oder Deutungshoheiten, ohne konsequent eine Haltung entwickeln zu müssen.
In seinem neuen Buch „Panikherz“
schreibt Benjamin von Stuckrad-Barre über
seine Drogensucht und seine Rekonvaleszenz
im Hollywood-Hotel Château Marmont
VON ANDRIAN KREYE
Es ist eine hübsche vorgezogene Pointe, dass die Aufregung um Benjamin von Stuckrad-Barres Buch „Panikherz“ schon vor dem Erscheinen keine rechte Richtung findet. Um genau dieses Ungreifbare ging es ja der jungen deutschen Literatur in den späten Neunzigerjahren, als Schriftsteller wie Christian Kracht, Judith Hermann oder Florian Illies vorübergehend wie Popstars behandelt wurden. Sie konnten mit Provokation kokettieren, mit Gefühligkeit oder Deutungshoheiten, ohne konsequent eine Haltung entwickeln zu müssen.
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Dafür beherrschten sie Ironie, Stil und Pose in Perfektion.
Für ihre Leser waren diese Autoren aber nicht nur „eine neue Generation, die lustvoll erzählt“, wie es im Spiegel damals hieß. Sie waren mit Pop aufgewachsen. Die Last der Geschichte war für sie Schulstoff. Mit der spröden Nachkriegsliteratur konnten sie nichts anfangen. Deswegen war die viel gescholtene Oberflächlichkeit dieser neuen Literatur ein Befreiungsmoment aus den Innerlichkeits- und Moralzwängen, die nach 1968 zum Dogma geworden waren. Und keiner inszenierte sich damals so konsequent als Popstar wie Benjamin von Stuckrad-Barre. Seine Bücher hießen „Soloalbum“ (1998), „Live-Album“ (1999) oder „Remix“ (1999), er gab Lesungen in Konzerthallen und pflegte einen beachtlichen Drogenkonsum.
Das war nicht nur Pose. Nur wenige konnten so scharf beobachten und formulieren wie er. Seine Texte verhandelten vielleicht Banalitäten, waren oft egomanisch. Aber es ging nicht um Inhalte. Es ging um die Zuspitzung eines Sprachgefühls und einer Ironie, die so viele teilten und so wenige beherrschten. Dann kam der Absturz.
Über all das hat er nun nach jahrelanger Pause ein Buch geschrieben. In der Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“ stritten sie neulich darüber. Maxim Biller fand das Buch „moralisierend“ und „ekelhaft“, Eva Menasse „herzanrührend“ und „witzig“. Im Spiegel porträtierte Thomas Hüetlin Stuckrad-Barre auf vier Seiten wie einen Popstar. Die Welt hob ihn mit einem Foto auf den Titel und schrieb von „seinem neuen Roman“. Sie hatten alle recht. Nur mit dem Roman lagen sie etwas schief. „Panikherz“ ist ein Krankenbericht. Oder um im Pop-Genre zu bleiben, ein „Confessional Album“, wie man die musikalischen Offenbarungen nennt, mit denen sich Stars aus den Trockengebieten der Rekonvaleszenz zurückmelden.
Es war allerdings konsequent, Stuckrad-Barre auf dem Welt-Titel zu zeigen. Seit 2008 ist er beim Springer-Verlag unter Vertrag. Und er ist dort nicht nur irgendein Autor. Er war eine der ersten und eine der größten Trophäen einer Charme-Offensive, bei der Springer sich mit Literaten und Popjournalisten eine Berlin-Mitte-Hipster-Aura zusammenkaufte, mit der er seinen Ruf als Verlag der Witwenschüttler und Revanchisten hinter sich lassen wollte. Stuckrad-Barre war da eine Leuchtturmfigur, die schon mit ihrem Namen dafür sorgte, dass es plötzlich schick war, für Springerblätter zu schreiben. Eine Zeit lang lieferte er auch seine besten Texte für die Zeitungen und Zeitschriften dort.
Für Stuckrad-Barre selbst war das mit Springer, wie er mal erzählte, eine späte Trotzreaktion gegen seine Herkunft aus einer linksliberal bewegten Pastorenfamilie in der Provinz. Wenn man die ersten Kapitel von „Panikherz“ liest, ahnt man, wie es seinen Eltern gehen musste, als er zum 100. Geburtstag des Verlagsgründers ein Theaterstück über selbigen schrieb, das bei der Jubelfeier aufgeführt wurde. Aber wie soll man auch eine Elterngeneration provozieren, die einen Exklusivanspruch auf das Rebellentum hat?
Springer kommt in „Panikherz“ allerdings nicht vor. Das Elternhaus sehr wohl. Gleich zu Beginn beschreibt er die Betulichkeit der bildungsbürgerlichen Eltern mit einer Verachtung, die wohl auf eine Fährte führen soll. Er verrennt sich allerdings schon auf den ersten Seiten in Manierismen, die er über die gesamte Länge des Buches verteilt. Zum einen streut er wie manisch Textzeilen seines Idols und späteren Freundes Udo Lindenberg ein. Das gerät rasch zur kryptischen Selbstreferenzialität. Zum anderen konstruiert er mit Versalien, Gänsefüßchen, Gedankenstrichen und Ausrufezeichen ein Satzbild permanenter Empörung, das in einer SMS funktioniert, aber nicht auf 564 Seiten.
Nötig hätte er die Kunstgriffe nicht. Das zeigt sich in den Beschreibungen seiner Kindheit und Jugend. Wenn man die freudlosen Mahlzeiten in solchen Pastorenfamilien erlebt hat, wenn man die Beklemmung deutscher Klein- und Mittelstädte kennt, erkennt man auch heute noch, wie enorm scharfStuckrad-Barre beobachten und beschreiben kann. Das kann unerbittlich sein. Oder auch sehr lustig.
Gleich auf den ersten fünf Seiten steht eine Szene mit Udo Lindenberg bei der amerikanischen Einreisebehörde am Flughafen von Los Angeles, die auch in einer amerikanischen Comedy-Serie funktionieren würde. Und es gibt so schöne Passagen wie die Beschreibung des Hotels Château Marmont in West Hollywood, in dem er sich vom Entzug erholt.
Fährten gibt es viele in diesem Buch. Das Elternhaus. Die „Lichter der Großstadt“-Sentimentalität. Die bedingungslose Verehrung prominenter Ersatzväter wie Udo Lindenberg, Helmut Dietl und Thomas Gottschalk. Und alle Fährten führen in den Abgrund.
Nun sind Drogenbücher ein besonders schwieriges Genre. Zum einen, weil sich der Autor nicht schonen darf, um glaubwürdig zu bleiben. Zum anderen, weil es eigentlich nur zwei Blaupausen für Drogenbücher gibt. Die eine ist Hunter S. Thompsons „Angst und Schrecken in Las Vegas“, die andere Christiane F.s „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Die meisten, die sich an das Thema wagen, wären gerne Thompson, der den Rausch als letztgültigen Akt der Auflehnung interpretierte. Doch das wird immer schwieriger, weil Drogen längst keine Kultur mehr sind, sondern nur noch eine epidemische Krankheit.
Auch „Panikherz“ leidet an den notorischen Schwächen des Genres, am Selbstmitleid und an der Überschätzung des Autors, wie viele Details und Wegstrecken er den Lesern zumuten kann, ohne sie zu langweilen.
Und wie alle Bücher über schwere Krankheiten und Traumata würde man auch „Panikherz“ gerne der objektiven Bewertung entziehen, weil sich da doch jemand traut, seine schwächsten Momente zu beschreiben und dann auch noch Schlüsse daraus zieht wie: „Ich selbst kannte mich einfach zu gut, um mich zu mögen.“ Oder die bittere Erkenntnis: „Die vielleicht deprimierendste Eigenschaft einer Drogensucht ist, dass sie zu einem wirklich spießigen Leben führt. Wenn wir Spießertum definieren als eine totale, zwanghafte Regelmäßigkeit, die nichts so fürchtet wie Varianten und Abwechslung.“
Aber Benjamin von Stuckrad-Barre ist eben kein Popstar, der über seinen Absturz schreibt, sondern ein Autor, der es vor fast zwei Jahrzehnten fertiggebracht hat, einen neuen Ton zu finden, der vielen viel bedeutete. Und es gibt neben den Manierismen einige Gründe, warum das in „Panikherz“ nur punktuell gelingt.
Zum einen findet er keine Linie. Das Buch hangelt sich von Satz zu Satz, von Szene zu Szene, die einzeln oft brillant sind, als Ganzes aber nicht vom Fleck kommen. Das Ungreifbare wird zur Unentschlossenheit. Zum anderen hat ihn das Schicksal des Pioniers ereilt. Zu viele Epigonen haben versucht, seinen Ton und seinen Blick zu imitieren. Die Blätter und Blogs sind voll von Autoren, die glauben, ein „ey Mann“-Ton und ein wenig Hipster-Ressentiment reichten schon, um sich als literarischer Journalist zu qualifizieren. In den sozialen Netzwerken ist das schließlich zur hohlen Jagd nach Pointen geworden.
Er selbst beschreibt das in seinem Buch „Panikherz“ sogar am besten, und zwar in einer Szene, in der er hört, wie ein Fremdenführer vor seinem Rekonvaleszenzhotel Château Marmont den Touristen über Mikro von all den Stars erzählt, die dort gestorben sind. „Diese Bustouren sind eine Verdinglichung der unangenehmsten Internet-Begleiterscheinung, dieses Hähähä, diese Freude an fremder, bestenfalls berühmter Leute Verfehlungen, Verlusten und Peinlichkeiten, und die sich darüber ergießende Ressentiment-Gülle, das Digital-Tourette der mit Witzelzwang-Pseudonym operierenden Schreibtisch-Mut-Deppen. Die Suchbegriffshitparaden sind Rankings aktueller Schadenfreude-Adressen.“ So aber wird Ironie zum Anachronismus.
Viele Fährten legt der Autor
in seinem Buch, aber alle führen
sie in den Abgrund
Was einst brillant war,
ist durch die Epigonen zur hohlen
Jagd nach Pointen geworden
Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 576 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Fast wie ein Popstar: Benjamin von Stuckrad-Barre.
Foto: Julia Zimmermann
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Für ihre Leser waren diese Autoren aber nicht nur „eine neue Generation, die lustvoll erzählt“, wie es im Spiegel damals hieß. Sie waren mit Pop aufgewachsen. Die Last der Geschichte war für sie Schulstoff. Mit der spröden Nachkriegsliteratur konnten sie nichts anfangen. Deswegen war die viel gescholtene Oberflächlichkeit dieser neuen Literatur ein Befreiungsmoment aus den Innerlichkeits- und Moralzwängen, die nach 1968 zum Dogma geworden waren. Und keiner inszenierte sich damals so konsequent als Popstar wie Benjamin von Stuckrad-Barre. Seine Bücher hießen „Soloalbum“ (1998), „Live-Album“ (1999) oder „Remix“ (1999), er gab Lesungen in Konzerthallen und pflegte einen beachtlichen Drogenkonsum.
Das war nicht nur Pose. Nur wenige konnten so scharf beobachten und formulieren wie er. Seine Texte verhandelten vielleicht Banalitäten, waren oft egomanisch. Aber es ging nicht um Inhalte. Es ging um die Zuspitzung eines Sprachgefühls und einer Ironie, die so viele teilten und so wenige beherrschten. Dann kam der Absturz.
Über all das hat er nun nach jahrelanger Pause ein Buch geschrieben. In der Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“ stritten sie neulich darüber. Maxim Biller fand das Buch „moralisierend“ und „ekelhaft“, Eva Menasse „herzanrührend“ und „witzig“. Im Spiegel porträtierte Thomas Hüetlin Stuckrad-Barre auf vier Seiten wie einen Popstar. Die Welt hob ihn mit einem Foto auf den Titel und schrieb von „seinem neuen Roman“. Sie hatten alle recht. Nur mit dem Roman lagen sie etwas schief. „Panikherz“ ist ein Krankenbericht. Oder um im Pop-Genre zu bleiben, ein „Confessional Album“, wie man die musikalischen Offenbarungen nennt, mit denen sich Stars aus den Trockengebieten der Rekonvaleszenz zurückmelden.
Es war allerdings konsequent, Stuckrad-Barre auf dem Welt-Titel zu zeigen. Seit 2008 ist er beim Springer-Verlag unter Vertrag. Und er ist dort nicht nur irgendein Autor. Er war eine der ersten und eine der größten Trophäen einer Charme-Offensive, bei der Springer sich mit Literaten und Popjournalisten eine Berlin-Mitte-Hipster-Aura zusammenkaufte, mit der er seinen Ruf als Verlag der Witwenschüttler und Revanchisten hinter sich lassen wollte. Stuckrad-Barre war da eine Leuchtturmfigur, die schon mit ihrem Namen dafür sorgte, dass es plötzlich schick war, für Springerblätter zu schreiben. Eine Zeit lang lieferte er auch seine besten Texte für die Zeitungen und Zeitschriften dort.
Für Stuckrad-Barre selbst war das mit Springer, wie er mal erzählte, eine späte Trotzreaktion gegen seine Herkunft aus einer linksliberal bewegten Pastorenfamilie in der Provinz. Wenn man die ersten Kapitel von „Panikherz“ liest, ahnt man, wie es seinen Eltern gehen musste, als er zum 100. Geburtstag des Verlagsgründers ein Theaterstück über selbigen schrieb, das bei der Jubelfeier aufgeführt wurde. Aber wie soll man auch eine Elterngeneration provozieren, die einen Exklusivanspruch auf das Rebellentum hat?
Springer kommt in „Panikherz“ allerdings nicht vor. Das Elternhaus sehr wohl. Gleich zu Beginn beschreibt er die Betulichkeit der bildungsbürgerlichen Eltern mit einer Verachtung, die wohl auf eine Fährte führen soll. Er verrennt sich allerdings schon auf den ersten Seiten in Manierismen, die er über die gesamte Länge des Buches verteilt. Zum einen streut er wie manisch Textzeilen seines Idols und späteren Freundes Udo Lindenberg ein. Das gerät rasch zur kryptischen Selbstreferenzialität. Zum anderen konstruiert er mit Versalien, Gänsefüßchen, Gedankenstrichen und Ausrufezeichen ein Satzbild permanenter Empörung, das in einer SMS funktioniert, aber nicht auf 564 Seiten.
Nötig hätte er die Kunstgriffe nicht. Das zeigt sich in den Beschreibungen seiner Kindheit und Jugend. Wenn man die freudlosen Mahlzeiten in solchen Pastorenfamilien erlebt hat, wenn man die Beklemmung deutscher Klein- und Mittelstädte kennt, erkennt man auch heute noch, wie enorm scharfStuckrad-Barre beobachten und beschreiben kann. Das kann unerbittlich sein. Oder auch sehr lustig.
Gleich auf den ersten fünf Seiten steht eine Szene mit Udo Lindenberg bei der amerikanischen Einreisebehörde am Flughafen von Los Angeles, die auch in einer amerikanischen Comedy-Serie funktionieren würde. Und es gibt so schöne Passagen wie die Beschreibung des Hotels Château Marmont in West Hollywood, in dem er sich vom Entzug erholt.
Fährten gibt es viele in diesem Buch. Das Elternhaus. Die „Lichter der Großstadt“-Sentimentalität. Die bedingungslose Verehrung prominenter Ersatzväter wie Udo Lindenberg, Helmut Dietl und Thomas Gottschalk. Und alle Fährten führen in den Abgrund.
Nun sind Drogenbücher ein besonders schwieriges Genre. Zum einen, weil sich der Autor nicht schonen darf, um glaubwürdig zu bleiben. Zum anderen, weil es eigentlich nur zwei Blaupausen für Drogenbücher gibt. Die eine ist Hunter S. Thompsons „Angst und Schrecken in Las Vegas“, die andere Christiane F.s „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Die meisten, die sich an das Thema wagen, wären gerne Thompson, der den Rausch als letztgültigen Akt der Auflehnung interpretierte. Doch das wird immer schwieriger, weil Drogen längst keine Kultur mehr sind, sondern nur noch eine epidemische Krankheit.
Auch „Panikherz“ leidet an den notorischen Schwächen des Genres, am Selbstmitleid und an der Überschätzung des Autors, wie viele Details und Wegstrecken er den Lesern zumuten kann, ohne sie zu langweilen.
Und wie alle Bücher über schwere Krankheiten und Traumata würde man auch „Panikherz“ gerne der objektiven Bewertung entziehen, weil sich da doch jemand traut, seine schwächsten Momente zu beschreiben und dann auch noch Schlüsse daraus zieht wie: „Ich selbst kannte mich einfach zu gut, um mich zu mögen.“ Oder die bittere Erkenntnis: „Die vielleicht deprimierendste Eigenschaft einer Drogensucht ist, dass sie zu einem wirklich spießigen Leben führt. Wenn wir Spießertum definieren als eine totale, zwanghafte Regelmäßigkeit, die nichts so fürchtet wie Varianten und Abwechslung.“
Aber Benjamin von Stuckrad-Barre ist eben kein Popstar, der über seinen Absturz schreibt, sondern ein Autor, der es vor fast zwei Jahrzehnten fertiggebracht hat, einen neuen Ton zu finden, der vielen viel bedeutete. Und es gibt neben den Manierismen einige Gründe, warum das in „Panikherz“ nur punktuell gelingt.
Zum einen findet er keine Linie. Das Buch hangelt sich von Satz zu Satz, von Szene zu Szene, die einzeln oft brillant sind, als Ganzes aber nicht vom Fleck kommen. Das Ungreifbare wird zur Unentschlossenheit. Zum anderen hat ihn das Schicksal des Pioniers ereilt. Zu viele Epigonen haben versucht, seinen Ton und seinen Blick zu imitieren. Die Blätter und Blogs sind voll von Autoren, die glauben, ein „ey Mann“-Ton und ein wenig Hipster-Ressentiment reichten schon, um sich als literarischer Journalist zu qualifizieren. In den sozialen Netzwerken ist das schließlich zur hohlen Jagd nach Pointen geworden.
Er selbst beschreibt das in seinem Buch „Panikherz“ sogar am besten, und zwar in einer Szene, in der er hört, wie ein Fremdenführer vor seinem Rekonvaleszenzhotel Château Marmont den Touristen über Mikro von all den Stars erzählt, die dort gestorben sind. „Diese Bustouren sind eine Verdinglichung der unangenehmsten Internet-Begleiterscheinung, dieses Hähähä, diese Freude an fremder, bestenfalls berühmter Leute Verfehlungen, Verlusten und Peinlichkeiten, und die sich darüber ergießende Ressentiment-Gülle, das Digital-Tourette der mit Witzelzwang-Pseudonym operierenden Schreibtisch-Mut-Deppen. Die Suchbegriffshitparaden sind Rankings aktueller Schadenfreude-Adressen.“ So aber wird Ironie zum Anachronismus.
Viele Fährten legt der Autor
in seinem Buch, aber alle führen
sie in den Abgrund
Was einst brillant war,
ist durch die Epigonen zur hohlen
Jagd nach Pointen geworden
Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 576 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Fast wie ein Popstar: Benjamin von Stuckrad-Barre.
Foto: Julia Zimmermann
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
An der Autobiografie des Popliteraten Benjamin von Stuckrad-Barre beeindruckt den Rezensenten Klaus Bittermann vor allem eines: Wie es dem Autor gelingt, seine jahrelange Abhängigkeit von Alkohol und Kokain mitsamt ihren Auswirkungen nachvollziehbar zu beschreiben. Stuckrad-Barre bleibt dabei nach Ansicht des Kritikers "distanziert, analytisch, erscheint nie mitleidig", schafft es aber gleichzeitig, Bittermann die Sucht begreifbar zu machen. Die Fähigkeit, sein Publikum zu unterhalten, beherrscht Stuckrad-Barre wie kaum ein anderer, findet Bittermann. Auch deshalb sei das Buch reich an Höhepunkten. Besonders angetan haben es dem Rezensenten die Auslassungen über ein angstbesetztes Klassentreffen, zu dem Stuckrad-Barre eingeladen war. Auch die enge Freundschaft des Autors zu Udo Lindenberg hebt der Rezensent hervor. Alles in allem: "ein großes Buch, ein Buch, das bleiben wird", versichert er.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Damit das vorweg klar ist: Das Buch ist geil.« spiegel.de
Broschiertes Buch Stucki schafft es mit diesem Zappalotta Werk auch hartgesotte Zweifler seines Talents zu überzeugen.
Respekt, Box Ben.
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eBook, ePUB
Benjamin von Stuckrad- Barre: Panikherz
564 Seiten sind eben ausgelesen. Ein überragendes Buch- anders als alle Bücher, die ich gelesen habe. Bin ab sofort Stuckrad-Barre-Fan und werde mir andere Bücher von ihm kaufen. Liebe Lesegemeinde, jetzt Luft holen: Solltet ihr Udo u seine …
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Benjamin von Stuckrad- Barre: Panikherz
564 Seiten sind eben ausgelesen. Ein überragendes Buch- anders als alle Bücher, die ich gelesen habe. Bin ab sofort Stuckrad-Barre-Fan und werde mir andere Bücher von ihm kaufen. Liebe Lesegemeinde, jetzt Luft holen: Solltet ihr Udo u seine Texte mögen, nicht auf sex and crime stehen, Wegbegleiter unserer Medienvergangenheit und junger Jahre ( na ja : Jugendlichkeit der letzten 20 Jahre) treffen wollen und eine gute Schreibe ( auch anders als alles, was ich gelesen habe), Entgleisen, sich Verlieren und s Wiederfinden, sich neu wieder neu Erfinden erleben u Situationskomik lieben u ertragen wollen: Dann lest es!!
BvS-B betrachtet als nun mehr 40-Jähriger, seit 10 Jahren ohne Alk und Drogen, die Zeit seines Erwachsenwerdens und begleitet sich noch einmal auf die Reise in die Vergangenheit als Junkie, Kokser, Säufer und glühender Verehrer literarischer und musikalischer Ausnahmekünstler.
Benjamin, Sohn eines Öko- Pastors, letztes Kind von Vieren, Udo-verliebt und schon als 12-Jähriger Kenner sämtlicher Lindenberg-Texte, Abitur ohne Studium, aber Praktikant und Redakteur beim Magazin "Rolling Stone", verdient sich, vom Ehrgeiz getrieben, die Membership der Rock- and Drugszene. Er will mitmischen, ist kreativ, absolut begabt und voller Enthusiasmus allem Neuen gegenüber.
BvS-B schreibt rücksichtslos ehrlich, schonungslos direkt und lässt keine Atempausen zu -weder beim Leser noch in seinem Leben. Man nimmt unmittelbar teil an seiner Einsamkeit, Verzweiflung und Melancholie sowie seinem Zwang zur Selbstaufgabe.
3x Entzug und 3x Rückfall- Udo nimmt ihn in seine Panikfamilie auf und wird sein Retter, nicht nur mental, sondern er mischt mit als Entscheider und Gönner.
Nach dem 4. Entzug hat Benjamin mit 29 Jahren alles Materielle verloren, das er sich trotz der Drogensucht als erfolgreiches "enfant terrible" der Literaturwelt erarbeitet hat. Er fängt bei Null an.
Auch jetzt ist Udo da und verordnet seinem Stuckiman eine "Licht"-Kur im Hôtel Marmont in L A , die mehr als 12 Monate andauern wird.
B lernt, seinen Hunger auf alles Neue zuzulassen, aber die Gier zu dosieren. Er kämpft gegen die Versuchungen und trickst die Sucht aus.
Hoffentlich für immer.
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Gebundenes Buch Tolles Buch! Habe es mit Freude innerhalb weniger Tage zu Ende gelesen.
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