"Den 'Ring des Nibelungen' zu lesen, ist eine logopädische Zirkusnummer; die Alliterationen und Stabreime einigermaßen in den Griff zu bekommen nicht minder." (Sven-Eric Bechtolf)
Kaum ein Regisseur bereitet sich so gründlich auf eine der freilich größten Aufgaben seiner Zunft vor. Und kaum ein Schauspieler hat nicht nur so viele präzis umrissene Charaktere im Kopf, sondern kann diese auch mit rein sprachlichen Mitteln zum Leben erwecken: Multitalent Sven-Eric Bechtolf geht der gewaltigen Dichtung auch vor dem Mikrophon mit darstellerischer Verve, Akribie sowie der nötigen Prise Humor auf den Grund. Wagners Text, in Opernaufführungen oft schwer verständliche Nebensache, wird vor den Vorhang gebeten: Uralter Mythos und moderne Psychologie vereinen sich zu zeitloser Gültigkeit. Mag auch die Rede von Göttern und Helden sein: der "Ring des Nibelungen", das beweist Bechtolf in dieser fulminant gemeisterten Tour de Force, ist ein Menschheitsdrama ersten Ranges.
Kaum ein Regisseur bereitet sich so gründlich auf eine der freilich größten Aufgaben seiner Zunft vor. Und kaum ein Schauspieler hat nicht nur so viele präzis umrissene Charaktere im Kopf, sondern kann diese auch mit rein sprachlichen Mitteln zum Leben erwecken: Multitalent Sven-Eric Bechtolf geht der gewaltigen Dichtung auch vor dem Mikrophon mit darstellerischer Verve, Akribie sowie der nötigen Prise Humor auf den Grund. Wagners Text, in Opernaufführungen oft schwer verständliche Nebensache, wird vor den Vorhang gebeten: Uralter Mythos und moderne Psychologie vereinen sich zu zeitloser Gültigkeit. Mag auch die Rede von Göttern und Helden sein: der "Ring des Nibelungen", das beweist Bechtolf in dieser fulminant gemeisterten Tour de Force, ist ein Menschheitsdrama ersten Ranges.
CD 1 | |||
1 | Das Rheingold: 1. Scene | 00:17:10 | |
2 | Das Rheingold: 2. Scene | 00:24:25 | |
CD 2 | |||
1 | Das Rheingold: 3. Scene | 00:17:16 | |
2 | Das Rheingold: 4. Scene | 00:26:27 | |
CD 3 | |||
1 | Die Walküre: 1. Aufzug | 00:30:13 | |
2 | Die Walküre: 2. Aufzug | 00:38:47 | |
CD 4 | |||
1 | Die Walküre: 3. Aufzug | 00:29:36 | |
CD 5 | |||
1 | Siegfried: 1. Aufzug | 00:42:06 | |
CD 6 | |||
1 | Siegfried: 2. Aufzug | 00:35:33 | |
2 | Siegfried: 3. Aufzug | 00:31:54 | |
CD 7 | |||
1 | Götterdämmerung: Vorspiel | 00:11:35 | |
2 | Götterdämmerung: 1. Aufzug | 00:27:14 | |
3 | Götterdämmerung: 2. Aufzug | 00:28:00 | |
CD 8 | |||
1 | Götterdämmerung: 3. Aufzug | 00:30:13 |
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2008DAS HÖRBUCH
Hier muss ich lauschen
Sven-Eric Bechtolf liest Wagners „Ring des Nibelungen”
Trockenschwimmen ist nichts dagegen. Der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf hat einen Versuch gewagt, der von vornherein nur Näherungswerte liefern konnte. Bechtolf, der als Regisseur derzeit Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen” an der Wiener Staatsoper betreut, hat den kolossalen Opernvierteiler samt Regiehinweisen als Lesung aufgenommen. Text und Ton bilden bei Wagner bekanntermaßen eine Symbiose wie nirgendwo sonst im Musiktheater, so dass der „Ring” als Sprechstück (woran sich auch Bühnen schon versuchten), immer ein Experiment bleiben muss, ein durchaus riskantes: Jener weltenschöpfenden Klangsphären entblößt, sagt das Vorurteil, ist der Text ungefähr so attraktiv wie eine Brünnhilden-Sängerin im Evaskostüm. Die Philologie sieht das zwar schon lange anders, doch mancher Liebhaber von Wagners Musik wird noch immer froh gewesen sein, dass diese den „Wortdunst” (Wagner) stets zuverlässig überdonnert hat.
Der geniale Musiker Wagner ist wohl der meistparodierte Poet deutscher Zunge. Der Text des „Ring” ächzt unter Satzperioden, die durch verfremdende Wortstellung und reiche Attribute, oft kaum zu durchschauen sind. Da prangen Wortfossilien („freislich”) und Neuschöpfungen („Brünne”), da strotzt es vor Stabreimen, und wenig hilft es dann zu wissen, dass Wagners Alliterationen sprachhistorisch auf der Höhe seiner Zeit sind, da er in ihnen auf das wichtigste Stilmittel seiner Vorlagen aus der altnordischen Dichtung zurückgreift. Von der wilden Story mit Göttern, Riesen, Nixen ganz zu schweigen. Kurz, „Wagners Pathetik mit dem vollen Risiko erhabenen Kitsches” (Reinhard Baumgart) kommt im „Ring” voll auf ihre Kosten.
Bechtolf wäre also schon deshalb zu danken, weil er den Text ernst nimmt, weil er die oft schwere Lektüre als schlanke Lesung gestaltet. Allein der üppige Stil verlangt einen Sprechartisten – umso bemerkenswerter deshalb, dass Bechtolf geradezu leicht liest: Er lässt sich nicht vom Pathos, nicht von den musikalisch vorgeflüsterten Akzenten hinreißen, sondern strukturiert die verwickelten Sätze klar und deutlich.
Insgesamt gibt er den hochdramatischen Text mit jenem professionellen Leseton, der sich zum Theaterspielen verhält wie ein Relief zur Vollplastik. Bechtolf gestaltet die fabulösen Figuren, ohne sie ganz zu sein, markiert sie mit einem Fundus an Klang- und Stimmenfarben, was wirkungsvoll und amüsant ist, wenn etwa der Zwerg Alberich ganz köstlich geifert und grunzt. Nur manchmal ruft es zu tief aus dem Märchenwald heraus, die Riesen brummen so bärig, dass ihr Arbeits- und Klassenkampf nicht mehr zu hören ist. Bei den wichtigen Protagonisten aber hält sich Bechtolf zurück, lässt den Text sprechen, wobei ihm seine eher weiche Stimme zugute kommt, die auch die Frauen ohne transvestitische Verrenkungen überzeugend gestaltet.Gewiss, es gibt Klippen, die keine Sprechkunst umschiffen kann: Den Wagalaweia- und Hojotoho-Rufen, in denen Sprache in reinen Klang umschlägt, fehlt die Musik. Deren Schweigen enthüllt nun gerade Wagners dichterisches Vermögen. Nie droht die Lesung, wie man fürchten könnte, pathetisch-lächerlich zu werden. Schnell hört man durch den hohen Ton hindurch, was für einleuchtende, konsequente Charaktere sich da entwickeln.
Denken nach der Tat
Nun ist das Schopenhauerische in Wotan ja nicht neu – doch was für eine handfeste Figur macht Wagner daraus! Einen Gründervatergott, einen Macher in jedem Wort und jeder Geste, einen, der recht menschlich immer erst mal macht und dann denkt. Der sich im Unglück dauernd weiterwurstelt, obwohl jeder Schritt alles nur schlimmer macht. Wie sich „Das Rheingold” vom neckischen Spiel zu einer Tragödie samt Brudermord und unabwendbarem Verhängnis entwickelt, das allein sucht an atemberaubender Konsequenz zwischen Sophokles und Shakespeare seinesgleichen.
In dieser Dramaturgie enthüllt auch Wagners schwierige, oft verspottete Sprache ihre poetische Logik. Der „Ring” erzählt von modernen Problemen, von der verhängnisvollen Freiheit zwischen Pflicht und Neigung, von der Korruption des Menschen durch Macht. Wer in der Hochzeit des Frühkapitalismus derartiges schildert, braucht dafür eine zwingende Form. Wagners Lösung ist der Mythos: Er geht weitestmöglich zurück, um die Gegenwart zu zeigen und die Zukunft vorauszusagen – den Weltuntergang durch die Schändung der Natur, die Gier, das Kapital. Nichts wäre also verkehrter, als diese Sprache als vergangenheitsselige Germanentümelei zu sehen. Hier bedient sich eine moderne Kunstsprache des episch-mythischen Gewandes, dessen weite Falten um alle Themen, Deutungen und Interpretationen fallen, um die es dem Dichter zu tun ist.
Auch einen „Ring” ohne Musik erlaubt dieser Text. Das bleibt ein Parforce-Ritt außer Konkurrenz, kann er das Ziel doch nie erreichen. Bechtolf, der ihn trotzdem wagt, hat die schöne und schreckliche Landschaft, durch die die Strecke führt, ein Stück zugänglicher und bewunderswerter gemacht. WILHELM TRAPP
RICHARD WAGNER: Der Ring des Nibelungen. Gelesen von Sven-Eric Bechtolf. col legno, Salzburg 2007; 9 CDs + 1 MP3, 6 h, 30 Min., 39 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Sven-Eric Bechtolf liest Wagners „Ring des Nibelungen”
Trockenschwimmen ist nichts dagegen. Der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf hat einen Versuch gewagt, der von vornherein nur Näherungswerte liefern konnte. Bechtolf, der als Regisseur derzeit Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen” an der Wiener Staatsoper betreut, hat den kolossalen Opernvierteiler samt Regiehinweisen als Lesung aufgenommen. Text und Ton bilden bei Wagner bekanntermaßen eine Symbiose wie nirgendwo sonst im Musiktheater, so dass der „Ring” als Sprechstück (woran sich auch Bühnen schon versuchten), immer ein Experiment bleiben muss, ein durchaus riskantes: Jener weltenschöpfenden Klangsphären entblößt, sagt das Vorurteil, ist der Text ungefähr so attraktiv wie eine Brünnhilden-Sängerin im Evaskostüm. Die Philologie sieht das zwar schon lange anders, doch mancher Liebhaber von Wagners Musik wird noch immer froh gewesen sein, dass diese den „Wortdunst” (Wagner) stets zuverlässig überdonnert hat.
Der geniale Musiker Wagner ist wohl der meistparodierte Poet deutscher Zunge. Der Text des „Ring” ächzt unter Satzperioden, die durch verfremdende Wortstellung und reiche Attribute, oft kaum zu durchschauen sind. Da prangen Wortfossilien („freislich”) und Neuschöpfungen („Brünne”), da strotzt es vor Stabreimen, und wenig hilft es dann zu wissen, dass Wagners Alliterationen sprachhistorisch auf der Höhe seiner Zeit sind, da er in ihnen auf das wichtigste Stilmittel seiner Vorlagen aus der altnordischen Dichtung zurückgreift. Von der wilden Story mit Göttern, Riesen, Nixen ganz zu schweigen. Kurz, „Wagners Pathetik mit dem vollen Risiko erhabenen Kitsches” (Reinhard Baumgart) kommt im „Ring” voll auf ihre Kosten.
Bechtolf wäre also schon deshalb zu danken, weil er den Text ernst nimmt, weil er die oft schwere Lektüre als schlanke Lesung gestaltet. Allein der üppige Stil verlangt einen Sprechartisten – umso bemerkenswerter deshalb, dass Bechtolf geradezu leicht liest: Er lässt sich nicht vom Pathos, nicht von den musikalisch vorgeflüsterten Akzenten hinreißen, sondern strukturiert die verwickelten Sätze klar und deutlich.
Insgesamt gibt er den hochdramatischen Text mit jenem professionellen Leseton, der sich zum Theaterspielen verhält wie ein Relief zur Vollplastik. Bechtolf gestaltet die fabulösen Figuren, ohne sie ganz zu sein, markiert sie mit einem Fundus an Klang- und Stimmenfarben, was wirkungsvoll und amüsant ist, wenn etwa der Zwerg Alberich ganz köstlich geifert und grunzt. Nur manchmal ruft es zu tief aus dem Märchenwald heraus, die Riesen brummen so bärig, dass ihr Arbeits- und Klassenkampf nicht mehr zu hören ist. Bei den wichtigen Protagonisten aber hält sich Bechtolf zurück, lässt den Text sprechen, wobei ihm seine eher weiche Stimme zugute kommt, die auch die Frauen ohne transvestitische Verrenkungen überzeugend gestaltet.Gewiss, es gibt Klippen, die keine Sprechkunst umschiffen kann: Den Wagalaweia- und Hojotoho-Rufen, in denen Sprache in reinen Klang umschlägt, fehlt die Musik. Deren Schweigen enthüllt nun gerade Wagners dichterisches Vermögen. Nie droht die Lesung, wie man fürchten könnte, pathetisch-lächerlich zu werden. Schnell hört man durch den hohen Ton hindurch, was für einleuchtende, konsequente Charaktere sich da entwickeln.
Denken nach der Tat
Nun ist das Schopenhauerische in Wotan ja nicht neu – doch was für eine handfeste Figur macht Wagner daraus! Einen Gründervatergott, einen Macher in jedem Wort und jeder Geste, einen, der recht menschlich immer erst mal macht und dann denkt. Der sich im Unglück dauernd weiterwurstelt, obwohl jeder Schritt alles nur schlimmer macht. Wie sich „Das Rheingold” vom neckischen Spiel zu einer Tragödie samt Brudermord und unabwendbarem Verhängnis entwickelt, das allein sucht an atemberaubender Konsequenz zwischen Sophokles und Shakespeare seinesgleichen.
In dieser Dramaturgie enthüllt auch Wagners schwierige, oft verspottete Sprache ihre poetische Logik. Der „Ring” erzählt von modernen Problemen, von der verhängnisvollen Freiheit zwischen Pflicht und Neigung, von der Korruption des Menschen durch Macht. Wer in der Hochzeit des Frühkapitalismus derartiges schildert, braucht dafür eine zwingende Form. Wagners Lösung ist der Mythos: Er geht weitestmöglich zurück, um die Gegenwart zu zeigen und die Zukunft vorauszusagen – den Weltuntergang durch die Schändung der Natur, die Gier, das Kapital. Nichts wäre also verkehrter, als diese Sprache als vergangenheitsselige Germanentümelei zu sehen. Hier bedient sich eine moderne Kunstsprache des episch-mythischen Gewandes, dessen weite Falten um alle Themen, Deutungen und Interpretationen fallen, um die es dem Dichter zu tun ist.
Auch einen „Ring” ohne Musik erlaubt dieser Text. Das bleibt ein Parforce-Ritt außer Konkurrenz, kann er das Ziel doch nie erreichen. Bechtolf, der ihn trotzdem wagt, hat die schöne und schreckliche Landschaft, durch die die Strecke führt, ein Stück zugänglicher und bewunderswerter gemacht. WILHELM TRAPP
RICHARD WAGNER: Der Ring des Nibelungen. Gelesen von Sven-Eric Bechtolf. col legno, Salzburg 2007; 9 CDs + 1 MP3, 6 h, 30 Min., 39 Euro.
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