Ein Mann bekommt zu Weihnachten statt Gefängnis neue Zähne. Ein Junge wird im Namen der Illuminaten fast zu Tode gefoltert. Die neun Biedermänner einer Blaskapelle zerstören das Leben eines Mädchens und keiner von ihnen muss dafür büßen... Neue Fälle aus der Praxis des Strafverteidigers von Schirach - die der Autor von Schirach wie mit dem Zauberstab in große Literatur verwandelt hat. Mit bohrender Intensität und in seiner unvergleichlich lyrisch-knappen Sprache stellt er leise, aber bestimmt die Frage nach Gut und Böse, Schuld und Unschuld und nach der moralischen Verantwortung eines jeden Einzelnen von uns.
CD 1 | |||
1 | Volksfest | 00:05:56 | |
2 | Volksfest | 00:05:56 | |
3 | Volksfest | 00:05:56 | |
4 | Volksfest | 00:05:56 | |
5 | DNA | 00:05:20 | |
6 | DNA | 00:05:20 | |
7 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
8 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
9 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
10 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
11 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
12 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
13 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
14 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
15 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
16 | Die Illuminaten | 00:05:20 | |
17 | Kinder | 00:04:38 | |
18 | Kinder | 00:04:38 | |
19 | Kinder | 00:04:38 | |
20 | Anatomie | 00:04:23 | |
CD 2 | |||
1 | Der Andere | 00:04:41 | |
2 | Der Andere | 00:04:41 | |
3 | Der Andere | 00:04:41 | |
4 | Der Andere | 00:04:41 | |
5 | Der Andere | 00:04:41 | |
6 | Der Koffer | 00:04:05 | |
7 | Der Koffer | 00:04:05 | |
8 | Der Koffer | 00:04:05 | |
9 | Verlangen | 00:06:20 | |
10 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
11 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
12 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
13 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
14 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
15 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
16 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
17 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
18 | Der Schlüssel | 00:05:46 | |
CD 3 | |||
1 | Schnee | 00:04:45 | |
2 | Schnee | 00:04:45 | |
3 | Schnee | 00:04:45 | |
4 | Schnee | 00:04:45 | |
5 | Einsam | 00:03:18 | |
6 | Einsam | 00:03:18 | |
7 | Einsam | 00:03:18 | |
8 | Justiz | 00:06:03 | |
9 | Ausgleich | 00:04:29 | |
10 | Ausgleich | 00:04:29 | |
11 | Ausgleich | 00:04:29 | |
12 | Ausgleich | 00:04:29 | |
13 | Ausgleich | 00:04:29 | |
14 | Ausgleich | 00:04:29 | |
15 | Ausgleich | 00:04:29 | |
16 | Ausgleich | 00:04:29 | |
17 | Familie | 00:03:54 | |
18 | Familie | 00:03:54 | |
19 | Familie | 00:03:54 | |
20 | Geheimnisse | 00:03:39 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2010Gut erfundene Erinnerungen
Verbrechen und Schuld: Ferdinand von Schirachs Stories / Von Alexander Ignor
Ferdinand von Schirach schreibt gut, verdammt gut. Kann es sein, dass er in gewisser Hinsicht "zu gut" schreibt?
Der Autor präsentiert sich der Öffentlichkeit nicht als Literat, sondern als schreibender Strafverteidiger. Er gibt vor, Fälle aus seiner Praxis zu erzählen, literarisch verfremdet zwar, aber aus dem Leben gegriffen. Er beansprucht Authentizität, die er erzählerisch unterstreicht. In jeder Geschichte taucht er irgendwann selbst auf, als Rechtsanwalt, der mehr oder weniger auf die strafrechtliche Abwicklung des geschilderten Kriminalfalls Einfluss nimmt. Damit erhöht er die suggerierte Authentizität und die Spannung. Das also sind die Fälle, die das Leben schreibt, denkt der Leser, und das also ist der Beruf des Anwalts im Strafrecht. Ist das so?
Ja und nein. Wer viel an Strafgerichten tätig ist, begegnet in von Schirachs Geschichten vertrauten Gestalten. Großen und kleinen Kriminellen, solchen, die aus Gier, anderen, die aus Not handeln, Berufsverbrechern und Gelegenheitstätern, Persönlichkeitsgestörten und Tätern, die gar keine sind. Auch die "Verbrechen", von denen er erzählt, sind auf die eine oder andere Weise typisch: Rauschgiftdelikte, Sexualdelikte, Fälle von Jugendkriminalität, geplante Taten und Affekttaten, Beziehungstaten, Taten aus Hass oder Liebe. Taten also, mit denen die Strafjustiz täglich vielfältig zu tun hat. Die Sujets seiner Geschichten hat der Autor gewiss der Wirklichkeit entnommen.
In ihren konkreten Handlungsabläufen allerdings wirken viele auf mich wie erfunden, literarisch konstruiert. "Zu gut", dramaturgisch gut, fügen sich die Details zusammen und bilden den spannungsvollen Plot, dessentwegen man nicht aufhören kann, sie zu lesen. Sind diese Erinnerungen also nur gut geschrieben? Mir scheint: Es sind auch gut erfundene Erinnerungen.
Trotzdem sind sie wahr, wie jede gute Literatur wahr ist. Sie schildern "Verbrechen" nicht als etwas Dämonisches, sondern als Phänomene anthropologischer Antriebe und sozialer Milieus, deuten "Schuld" als Chiffre mannigfacher Verwerfungen, Überforderungen und Abgründe im Menschen.
Als guter Schriftsteller verzichtet von Schirach auf Bewertungen und überlässt sie dem Leser. Auch sieht er, weitgehend, von Erklärungen ab, wie sehr auch das, wovon er erzählt, beim Leser nach Erklärung verlangt. Wie kommt es, zum Beispiel, dass Menschen in sich den Drang verspüren, andere zu töten? Warum quälen und vergewaltigen sie? Darauf geben die Geschichten keine Antwort, sie insinuieren sogar, dass es keine Antworten gibt. Aufklärung bleibt aus. Das verstärkt die Verstörung und den leisen Schauer, der sich bisweilen, durchaus nicht unbeabsichtigt, beim Leser einstellt.
Vergleichsweise wenig erfährt der Leser auch über die Strafjustiz und die Tätigkeit von Strafverteidigern. Die Juristen, die der Autor auftreten lässt, sind mitnichten gefühlsarme, aber in der Sache nüchterne Menschen, die ihre Jobs verrichten. Reichen die Beweismittel nicht für den Tatnachweis, klappen sie die Akten zu. Andernfalls kommt es irgendwie zu einem Urteil. Vom "Kampf ums Recht", von dem der Autor an einer Stelle spricht und der sich in der Praxis der Strafverfolgung tatsächlich zuträgt, vom oft mühsamen Ringen um den wahren Sachverhalt, den Schirach erzählerisch entfaltet, ist bei ihm kaum die Rede, im neuen Band "Schuld" noch weniger als im ersten "Verbrechen". Auch vom Suchen nach Erklärungen und nach einer richtigen, das heißt angemessenen Entscheidung. In den Gerichtssaal führen nur wenige Exkurse, in denen der Erzähler einige Kostproben seiner Verteidigungskunst präsentiert.
Aber wer weiß: Vielleicht wird uns Ferdinand von Schirach eines Tages mit eigenen Storys über Strafprozesse überraschen. Man darf gespannt sein.
Professor Dr. Dr. Alexander Ignor ist Strafverteidiger in Berlin und Vorsitzender des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Er lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verbrechen und Schuld: Ferdinand von Schirachs Stories / Von Alexander Ignor
Ferdinand von Schirach schreibt gut, verdammt gut. Kann es sein, dass er in gewisser Hinsicht "zu gut" schreibt?
Der Autor präsentiert sich der Öffentlichkeit nicht als Literat, sondern als schreibender Strafverteidiger. Er gibt vor, Fälle aus seiner Praxis zu erzählen, literarisch verfremdet zwar, aber aus dem Leben gegriffen. Er beansprucht Authentizität, die er erzählerisch unterstreicht. In jeder Geschichte taucht er irgendwann selbst auf, als Rechtsanwalt, der mehr oder weniger auf die strafrechtliche Abwicklung des geschilderten Kriminalfalls Einfluss nimmt. Damit erhöht er die suggerierte Authentizität und die Spannung. Das also sind die Fälle, die das Leben schreibt, denkt der Leser, und das also ist der Beruf des Anwalts im Strafrecht. Ist das so?
Ja und nein. Wer viel an Strafgerichten tätig ist, begegnet in von Schirachs Geschichten vertrauten Gestalten. Großen und kleinen Kriminellen, solchen, die aus Gier, anderen, die aus Not handeln, Berufsverbrechern und Gelegenheitstätern, Persönlichkeitsgestörten und Tätern, die gar keine sind. Auch die "Verbrechen", von denen er erzählt, sind auf die eine oder andere Weise typisch: Rauschgiftdelikte, Sexualdelikte, Fälle von Jugendkriminalität, geplante Taten und Affekttaten, Beziehungstaten, Taten aus Hass oder Liebe. Taten also, mit denen die Strafjustiz täglich vielfältig zu tun hat. Die Sujets seiner Geschichten hat der Autor gewiss der Wirklichkeit entnommen.
In ihren konkreten Handlungsabläufen allerdings wirken viele auf mich wie erfunden, literarisch konstruiert. "Zu gut", dramaturgisch gut, fügen sich die Details zusammen und bilden den spannungsvollen Plot, dessentwegen man nicht aufhören kann, sie zu lesen. Sind diese Erinnerungen also nur gut geschrieben? Mir scheint: Es sind auch gut erfundene Erinnerungen.
Trotzdem sind sie wahr, wie jede gute Literatur wahr ist. Sie schildern "Verbrechen" nicht als etwas Dämonisches, sondern als Phänomene anthropologischer Antriebe und sozialer Milieus, deuten "Schuld" als Chiffre mannigfacher Verwerfungen, Überforderungen und Abgründe im Menschen.
Als guter Schriftsteller verzichtet von Schirach auf Bewertungen und überlässt sie dem Leser. Auch sieht er, weitgehend, von Erklärungen ab, wie sehr auch das, wovon er erzählt, beim Leser nach Erklärung verlangt. Wie kommt es, zum Beispiel, dass Menschen in sich den Drang verspüren, andere zu töten? Warum quälen und vergewaltigen sie? Darauf geben die Geschichten keine Antwort, sie insinuieren sogar, dass es keine Antworten gibt. Aufklärung bleibt aus. Das verstärkt die Verstörung und den leisen Schauer, der sich bisweilen, durchaus nicht unbeabsichtigt, beim Leser einstellt.
Vergleichsweise wenig erfährt der Leser auch über die Strafjustiz und die Tätigkeit von Strafverteidigern. Die Juristen, die der Autor auftreten lässt, sind mitnichten gefühlsarme, aber in der Sache nüchterne Menschen, die ihre Jobs verrichten. Reichen die Beweismittel nicht für den Tatnachweis, klappen sie die Akten zu. Andernfalls kommt es irgendwie zu einem Urteil. Vom "Kampf ums Recht", von dem der Autor an einer Stelle spricht und der sich in der Praxis der Strafverfolgung tatsächlich zuträgt, vom oft mühsamen Ringen um den wahren Sachverhalt, den Schirach erzählerisch entfaltet, ist bei ihm kaum die Rede, im neuen Band "Schuld" noch weniger als im ersten "Verbrechen". Auch vom Suchen nach Erklärungen und nach einer richtigen, das heißt angemessenen Entscheidung. In den Gerichtssaal führen nur wenige Exkurse, in denen der Erzähler einige Kostproben seiner Verteidigungskunst präsentiert.
Aber wer weiß: Vielleicht wird uns Ferdinand von Schirach eines Tages mit eigenen Storys über Strafprozesse überraschen. Man darf gespannt sein.
Professor Dr. Dr. Alexander Ignor ist Strafverteidiger in Berlin und Vorsitzender des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Er lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main