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Unauflöslich und ungeheuerlich erscheint das Dilemma, das dem zweiten Roman von Albert Ostermaier seine aufs äußerste gehende existentielle, moralische und gesellschaftliche Dimension verleiht. Ein junger Mann, aufgewachsen in einem katholischen Internat in Bayern, der sein Leben darauf ausgerichtet hat, Schriftsteller, Dichter zu werden, muß sich entscheiden zwischen sicherem Tod und ungewissen Überleben, für das er sich allerdings zwei völlig unbekannten Menschen überlassen muß. Eine ausgewiesene prominente Ärztin stellt ihm die Diagnose, er leide an einer nur von ihr diagnostizierbaren…mehr

Produktbeschreibung
Unauflöslich und ungeheuerlich erscheint das Dilemma, das dem zweiten Roman von Albert Ostermaier seine aufs äußerste gehende existentielle, moralische und gesellschaftliche Dimension verleiht. Ein junger Mann, aufgewachsen in einem katholischen Internat in Bayern, der sein Leben darauf ausgerichtet hat, Schriftsteller, Dichter zu werden, muß sich entscheiden zwischen sicherem Tod und ungewissen Überleben, für das er sich allerdings zwei völlig unbekannten Menschen überlassen muß. Eine ausgewiesene prominente Ärztin stellt ihm die Diagnose, er leide an einer nur von ihr diagnostizierbaren tödlichen Krankheit, die eine sofortige Therapie im amerikanischen Texas erfordere. Der väterliche Mentor, ein katholischer Priester, rät, der Ärztin zu vertrauen und in die USA zu reisen.Wie soll sich der angehende Schriftsteller entscheiden? Andere Diagnosen einholen, obwohl sie laut Ärztin die Krankheit nicht aufspüren können? Dem Rat der Eltern folgen und sich sofort dem Krankenhaus ausliefern? Statt dessen rekapituliert er sein Leben und die Ereignisse, die zu dieser dramatischen Situation geführt haben.Diese Recherche der vergangenen und verlorenen Jahre eines jungen Mannes weitet sich durch die detailgetreue, nüchterne Schilderung der Internatsjahre zu einem umfassenden, erschütternden Panorama moralisch-politischer Strukturen im Süden Deutschlands, in dem der einzelne wenig, die Kirche alles zählt. Und nur wer sich gegen die miteinander verzahnten Hierarchien stellt, ist, wie Albert Ostermaier, in der Lage, souverän vom Leiden, dem eigenen wie dem anderer, einfühlsam und zugleich distanziert, spannend und mitreißend, anklagend und erklärend zu erzählen.
Autorenporträt
Albert Ostermaier wurde 1967 in München geboren. Er gilt als ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Lyriker und Dramatiker der Gegenwart.Viele seiner Gedichte und Theaterstücke sind in mehrere Sprachen übersetzt und gelangten zu internationalen Aufführungen.1988 beginnt er erste Gedichte zu veröffentlichen und erhält zwei Jahre darauf mit dem Literaturstipendium der Stadt München seinen ersten Preis.Das 1993 geschriebene und 1995 im Bayerischen Staatsschauspiel München uraufgeführte Stück Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie eröffnet Albert Ostermaiers Karriere als Theaterautor.Er wird Hausautor am Nationaltheater in Mannheim (Spielzeit 1996/1997), am Bayerischen Staatsschauspiel (Spielzeit 1999/2000) und am Wiener Burgtheater (Spielzeit 2003-2009).Nach seinen zahlreichen Lyrik-Bänden und Theaterstücken veröffentlicht Albert Ostermaier 2008 im Suhrkamp Verlag seinen ersten Roman Zephyr und nun Schwarze Sonne scheine.Albert Ostermaier ist zudem Torwart der deut

schen Autorennationalmannschaft und seit Mitte 2007 Kurator bei der DFB-Kulturstiftung. Er hat als writer in residence in New York gearbeitet und übernahm in den letzten Jahren Gastdozenturen an einigen deutschen Universitäten.Als Künstlerischer Leiter verschiedener Festivals hat Albert Ostermaier großes Ansehen erlangt, zuletzt in den Jahren 2006 - 2008 beim Internationalen Brecht-Festival abc in Augsburg. Albert Ostermaier lebt und arbeitet in München.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Sebastian, ein junger Mann, der Schriftsteller werden will, erzählt vom Drama seines Lebens. Sein väterlicher Freund, ein Klosterabt, redet ihm ein, von einer Krankheit infiziert zu sein. Ein todbringender Virus, bestätigt eine zurate gezogene Ärztin, eine Vertraute des Abtes. Sebastian zieht die Diagnose nicht in Zweifel und steigert sich in den Wahn des nahenden Todes hinein. Gleichzeitig schöpft er daraus auch Energie, fühlt sich erst recht zum Künstlertum berufen. Bis die Geschichte als Betrug auffliegt.

Ein merkwürdiger Roman über die Selbstfindung eines Mannes, auch über seelischen Missbrauch. Ein gewisser Thrill kommt nicht zu kurz. Aber Ostermaier zieht sein Werk als Sprecher in Richtung Ungenießbarkeit. Nicht nur sprech-sprachliche Eigentümlichkeiten – wie sein fränkisches ‚r‘ – rauben der Hörfassung den Glanz, sondern auch sein Grundton. Es fällt schwer, einem im Dauerlamento redenden Erzähler zuzuhören. Die Regie bemüht sich, durch den Einsatz von musikalischen Elementen und manch technischem Kniff die Akustik aufzupolieren, aber letztlich bleibt all das Dekor, ohne inhaltlich etwas beizutragen. Das Entscheidende aber ist: Man hätte Albert Ostermaier vom Sprechen seines Werkes abhalten müssen.

© BÜCHERmagazin, Martin Maria Schwarz (mms)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2011

Das Wort ist bei Gott
Albert Ostermaier scheut in seinem zweiten Roman „Schwarze Sonne scheine“ kein Pathos und erzählt eine Geschichte von Ohnmacht und Abhängigkeit
Ganz zum Schluss ein Blinddarmdurchbruch. Und in jenem Augenblick, im Schmerz und in Todesgefahr, fällt der Entschluss, die Geschichte zu erzählen; weil „ich erst dann erwachen könnte, erst dann frei wäre“. Albert Ostermaiers neuer Roman, sein zweiter, endet dort, wo er auch beginnt: in einem Krankenhaus. Und gleich auf der ersten Seite, in den ersten Sätzen schlägt Ostermaier die Grundmotive an, die dann auf vielfältige Weise durchgespielt werden: Betäubung, Heilsversprechen, Abhängigkeit, Bedrohung. Und selbstverständlich, über allem, der Tod.
„Ein tödlicher Herpesvirus“, sagt die Ärztin am Telefon, „äußerst selten, aber absolut tödlich. Ein halbes Jahr. Maximal“. Der Ich-Erzähler, der die Diagnose entgegennimmt, heißt Sebastian, fühlt sich kerngesund und ist zum Zeitpunkt der Handlung, in den frühen neunziger Jahren, Anfang zwanzig. Ein junger Mann mit schriftstellerischen Ambitionen, der sein Jurastudium nur den Eltern zuliebe fortsetzt. Der Familienbetrieb muss weitergeführt werden.
Ostermaier führt mitten hinein in ein Milieu aus großbürgerlichem Wohlstand, dessen Interessenlinien, das bemerkt Sebastian erst in seiner existentiellen Verzweiflung, schnell zu Lebensfesseln werden können. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Katholizismus in Gestalt der eigentlichen Hauptfigur des Romans: Der charismatische Abt Silvester, ein enger Freund der Familie und auch ein väterlicher Berater des Klosterschülers Sebastian, wandelt sich im Verlauf der Erzählung zu einem in seiner Unangreifbarkeit geradezu dämonischen Charakter.
Er ist es, der Sebastian zu jener vermeintlichen Ärztin schickt, die ihm die tödliche Diagnose stellt. Er ist es, der den angeblich Todgeweihten zu einer Therapie in den USA überreden will. Und als sich die Diagnose nicht nur als falsch, sondern zudem noch als Teil eines groß angelegten Komplotts herausstellt, dessen öffentliche Aufdeckung von einem weit verzweigten System von Abhängigkeiten verhindert wird, ist es Silvester, der seine bisherige Existenz bruchlos fortsetzen und sich zudem Jahre später rühmen kann, der Entdecker des erfolgreichen Schriftstellers Sebastian gewesen zu sein, während dieser sein Trauma im Akt des Schreibens aufarbeitet.
Brisanz erhält „Schwarze Sonne scheine“ durch den Umstand, dass jener undogmatische Abt Silvester, der mit der E-Gitarre auf Konzerten auftritt und mit Eifer die Auslandsmission des Benediktinerordens vorantreibt, unschwer mit der realen Person des Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf in Einklang zu bringen ist, der bis zum Jahr 2000 Erzabt des Klosters St. Ottilien am Ammersee war. Einer der prominenten Absolventen des dem Kloster angeschlossenen Gymnasiums heißt: Albert Ostermaier. Das Verhältnis von Fiktionalisierung und Wiedererkennbarkeit ist jedoch, wenn überhaupt, eher eine juristische Frage; auf dem Schutzumschlag steht das Wort „Roman“, und als solcher hat er sich nicht nur danach befragen zu lassen, was er erzählt, sondern wie das geschieht.
Die Antwort lautet: mit allem Pathos, das eine Mischung aus Künstlerwerdung und religiös grundierter Todeserfahrung nur hergibt. Es ist ein ironischer Brückenschlag, den Suhrkamp-Gründungshelden Hermann Hesse als einen Schutzpatron der Internatsgeschichte ins Feld zu führen und den Suhrkamp Verlag gleichzeitig als fernen Sehnsuchtsort des jungen Lyrikers Sebastian zu entwerfen. Der Roman ist wie ein Triptychon gebaut, dessen Seitenflügel sich mit den Begriffen „Schock“ und „Entgeisterung“ beschreiben lassen, während der breite Mittelteil eine laute Auseinandersetzung mit Gott und dem Tod ist.
Ostermaiers Stil ist ein mit Wut, Verzweiflung und Zweifeln aufgeladenes Stakkato, das sich von Satz zu Satz steigert, um auf dem Höhepunkt in einer Gedankenwendung neu anzusetzen. Das hat etwas Anstrengendes und Angestrengtes, gerade dann, wenn es um banale Verrichtungen geht, aber andererseits auch etwas geradezu Rasendes, Soghaftes. Hier hadert nicht nur einer mit seinem Gott, sondern stellt noch dazu auch alles Irdische in Frage oder setzt es zumindest in ein Verhältnis zum Großen und Ganzen. Keine Welterklärung ist zu abstrus, kein Gedanke zu narzisstisch, um nicht gedacht zu werden. Das Pathos ist in „Schwarze Sonne scheine“ keinesfalls ein Versehen; Ostermaier geht bewusst an die Grenzen von Kitsch und Genieklischee, um deren Potential und Lächerlichkeit auszustellen. Der Prozess des eigenen Sterbens lässt sich nicht relativieren. Da sitzt er, der tragische Sebastian, in seiner Studentenwohnung mit den von Mutti aufgehängten Vorhängen. Da hat er die Grenzerfahrung, von der jeder Mensch auf dem Weg zur Künstlerwerdung träumt, und verspürt bloße Angst.
Um das Wort und seine Macht gruppiert sich alles: Das Wort, das im Matthäus-Evangelium gesund macht; das erklärende Wort von Silvester (also von Gott), das in Sebastians Seele für Ruhe sorgen könnte; die Worte der Ärztin, die ein Todesurteil sprechen; die Worte der Dichter und die Worte des angehenden Schriftstellers Sebastian selbst. Es ist ein dichtes, komplexes Netz aus Macht, Ausbruchsversuchen, Verzweiflung und Hoffnung, von dem „Schwarze Sonne scheine“ getragen wird. Analog zu der inneren Getriebenheit entwickelt sich die Weltgeschichte auf bedrohliche Weise: Golfkrieg, Jugoslawienkrise, die Rohwedder-Ermordung.
Aus Albert Ostermaiers Rollenprosa spricht auch ein sozusagen pflichtbewusst linkes Rebellentum, das sich selbst nicht recht über den Weg traut. Das Buch vibriert, pulsiert, es ist ungezügelt und in seinen Reaktionen überschießend. Fast könnte man meinen, man hätte es mit einem ersten Schreibversuch zu tun, der hastig und in einem Zug niedergelegt werden musste. Das Resultat ist nicht ein bedingungslos gelungener Roman. Aber einer, der Ernst macht und ernst zu nehmen ist. CHRISTOPH SCHRÖDER
ALBERT OSTERMAIER: Schwarze Sonne scheine. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 288 Seiten, 22,90 Euro.
Der Benediktiner-Abt im Roman
lässt sich unschwer mit einer
realen Person in Einklang bringen
Für den Klosterschüler Christian in Ostermaiers Schlüsselroman wandelt sich der charismatische Geistliche, der sich später rühmen wird, das schriftstellerische Talent seines Schützlings entdeckt zu haben, in einen geradezu dämonischen Charakter.
Fotos: David Ausserhofer, Stephan Rumpf
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»Man spürt auf jeder Seite ..., dass hier einer spricht, der mit Sprache nicht nur verführen, sondern selbst von ihr verführt werden will.« Felicitas von Lovenberg Frankfurter Allgemeine Zeitung 20110521