»Ich könnte eine viel zu lange Liste mit Gründen nennen, weshalb du dieser Einladung folgen solltest. Aber ich möchte nur einen nennen: Flohall erwartet dich.«
Dass in Flohall Tinte und Bücher wertvoller sind als Gold merkt die zwölfjährige Sepia schon bei ihrer Ankunft in der berühmten Hafenstadt mit ihrer duftenden Tinte und dem flüsternden Papier. Bei Silbersilbe, einem der drei großen Meister, soll sie das Handwerk des Buchdrucks lernen. Warum wurde gerade sie ausgewählt - ein tollpatschiges Waisenmädchen, das ständig Tintenflecken an den Fingern hat? Bald findet Sepia in Niki und Sanzio treue Freunde und erlebt ihr erstes Funkelfest. Doch es geschehen merkwürdige Dinge in Flohall. Tinte geht verloren, düstere Gestalten schleichen umher, und dann verschwinden die Meister. Sepia ahnt, dass das mit dem Tintenkrieg zu tun hat, und mit einem dunklen Alchemisten, den alle für längst besiegt gehalten haben.
Dass in Flohall Tinte und Bücher wertvoller sind als Gold merkt die zwölfjährige Sepia schon bei ihrer Ankunft in der berühmten Hafenstadt mit ihrer duftenden Tinte und dem flüsternden Papier. Bei Silbersilbe, einem der drei großen Meister, soll sie das Handwerk des Buchdrucks lernen. Warum wurde gerade sie ausgewählt - ein tollpatschiges Waisenmädchen, das ständig Tintenflecken an den Fingern hat? Bald findet Sepia in Niki und Sanzio treue Freunde und erlebt ihr erstes Funkelfest. Doch es geschehen merkwürdige Dinge in Flohall. Tinte geht verloren, düstere Gestalten schleichen umher, und dann verschwinden die Meister. Sepia ahnt, dass das mit dem Tintenkrieg zu tun hat, und mit einem dunklen Alchemisten, den alle für längst besiegt gehalten haben.
Unter
Druck
Um Theresa Bells
Fantasy-Saga „Sepia“ rissen
sich die Verlage. Zu Recht?
Anfangs braucht es eine Weile, bis diese Fantasy-Welt sich zu drehen beginnt und dann doch ganz schön auf Touren kommt. Es ist eine Welt, deren Assoziationswurzeln weit in die Reiche von Harry Potter oder die Tintenwelt von Cornelia Funke hineinreichen. Am deutlichen Bezug zu diesen Vorbildern mag es liegen, dass Berichten zufolge elf Verlage für das Debüt der Hamburger Autorin Theresa Bell geboten haben, die Branche witterte hier offenbar einen Bestseller.
An Welterfolge anzuknüpfen, mit neuen Varianten, ist durchaus legitim. Auf Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ folgten Robinsonaden sonder Zahl und auch Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ bietet einen solchen schier unausmessbaren Urfantasieraum, der jederzeit auf verschiedenste Weise reaktiviert werden kann. Wie in Stevensons Klassiker die Piraten gibt es in Theresa Bells „Sepia“ auch eine Outlaw-Gruppe, die Tintendiebe, die sich aber rasch als sympathische Robin-Hood-Bande entpuppt, der alle sich anschließen wollen.
Natürlich geht es in Bells erstem Teil ihrer auf drei Bände konzipierten „Sepia“-Saga auch um den unvermeidlichen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen der fröhlich bunten oberirdischen Stadt Flohall und einem bedrohlichen Untergrund aus Katakomben und Tunneln. Dessen Zentrum ist ein gewaltiges unterirdisches Eisenschloss, in dem ein größenwahnsinniger Unhold haust, der nicht an vergnüglichem Flitter und Lichterglanz à la Flohall interessiert ist, sondern nach der höchsten Macht giert – der über Leben und Tod. Er will, auch das kennt man von Oberunholden, gottgleich Geschöpfe nach seinem Wesen und Willen erschaffen, die ihm dann dienen sollen, um noch mehr Verderben über die Welt zu bringen.
Diesem Bösewicht hat Theresa Bell den großen Namen Regiomontanus gegeben. Der allerdings in die Irre führt, denn der historische Regiomontanus, der eigentlich Johann Müller hieß, war einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen des Spätmittelalters. Theresa Bells Regiomontanus ist dagegen aus Versatzstücken des klassischen Horrorrepertoires zusammengesetzt: ein bisschen Poes „Maske des roten Todes“, ein bisschen Baron Frankenstein, ein wenig gefallener Engel Luzifer. Wie alle schrecklichen Täter fühlt er sich als Opfer von Verrat und beschließt daher, ein Bösewicht zu werden.
Aber, und das ist ja das wohl Sympathischste an dieser Art von Büchern: Am Ende retten hier die Kinder die Welt. Mit Mut zur Veränderung, Vertrauen in freundschaftliche Bande und grundsätzlich mit einem robusten Willen zum Guten. In „Sepia“ steckt auch ein Entwicklungsroman, denn das Mädchen mit dem titelgebenden Namen fängt als ungeschickte Druckereinovizin in der Werkstatt von Meister Silbersilbe an.
Für ihre Tollpatschigkeit wird sie gehänselt, Sepia zweifelt deshalb an ihren Fähigkeiten. Bald freundet sie sich aber mit Niki und Sanzio an, die sich in ihren Metiers ähnlich unbegabt vorkommen wie Sepia in der Druckerei. Nikis Mutter ist im Gegensatz zur Tochter eine geniale Malerin, Sanzio stellt sich ungeschickt als Buchbinder bei Meister Seidenhand an. Man mag diese Welt aus zauberischem Papier, magischen Tinten und geheimnisvollen Buchrücken, aus der die Stadt Flohall zu bestehen scheint und in der sich die Kinder bewegen, allzu bildungslastig finden, doch das bleibt zum großen Teil nur Oberflächendesign. Im Vordergrund steht das Abenteuer.
Bald schon merken die drei, dass hinter all dem Meisterruhm doch dunkle und ungute Geheimnisse stecken, die Flohall bedrohen, und dass die drei Meister keineswegs über alle Zweifel erhaben sind. Das mit Ängsten und Erwartungen angefüllte Wort Alchemie macht die Runde, also jene schwarze Beschwörungs- und Zauberkunst, vor der gewarnt wird. Im Zuge der Verwicklungen wächst gar der Verdacht, dass die Meister irgendetwas damit zu tun haben könnten.
Seltsame, originell erdachte Wesen wie Bleiläuse und Aschegeister tauchen auf. Das Papier kann in „Sepia“ nicht nur brennen und schneiden, sondern sich auch in Wesenheiten verwandeln wie Hurenkind und Schusterjunge, in Witwe und Waise. Und bald wird eine Fahrt in die Unterwelt – ein wahrlich uralter Mythos – zur Bewährungsprobe für Sepia und ihre Freunde. Eine Reise, von der sie wie neugeboren und mit einem verändertem Bewusstsein ihrer selbst zurückkehren werden. Da kann man nur sagen: Auf zum nächsten Abenteuer.
HARALD EGGEBRECHT
Der Bücherzauber bleibt
Oberflächendesign
Theresa Bell:
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie.
Thienemann Verlag, Stuttgart 2024.
384 Seiten, 17 Euro.
Ab zehn Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Druck
Um Theresa Bells
Fantasy-Saga „Sepia“ rissen
sich die Verlage. Zu Recht?
Anfangs braucht es eine Weile, bis diese Fantasy-Welt sich zu drehen beginnt und dann doch ganz schön auf Touren kommt. Es ist eine Welt, deren Assoziationswurzeln weit in die Reiche von Harry Potter oder die Tintenwelt von Cornelia Funke hineinreichen. Am deutlichen Bezug zu diesen Vorbildern mag es liegen, dass Berichten zufolge elf Verlage für das Debüt der Hamburger Autorin Theresa Bell geboten haben, die Branche witterte hier offenbar einen Bestseller.
An Welterfolge anzuknüpfen, mit neuen Varianten, ist durchaus legitim. Auf Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ folgten Robinsonaden sonder Zahl und auch Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ bietet einen solchen schier unausmessbaren Urfantasieraum, der jederzeit auf verschiedenste Weise reaktiviert werden kann. Wie in Stevensons Klassiker die Piraten gibt es in Theresa Bells „Sepia“ auch eine Outlaw-Gruppe, die Tintendiebe, die sich aber rasch als sympathische Robin-Hood-Bande entpuppt, der alle sich anschließen wollen.
Natürlich geht es in Bells erstem Teil ihrer auf drei Bände konzipierten „Sepia“-Saga auch um den unvermeidlichen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen der fröhlich bunten oberirdischen Stadt Flohall und einem bedrohlichen Untergrund aus Katakomben und Tunneln. Dessen Zentrum ist ein gewaltiges unterirdisches Eisenschloss, in dem ein größenwahnsinniger Unhold haust, der nicht an vergnüglichem Flitter und Lichterglanz à la Flohall interessiert ist, sondern nach der höchsten Macht giert – der über Leben und Tod. Er will, auch das kennt man von Oberunholden, gottgleich Geschöpfe nach seinem Wesen und Willen erschaffen, die ihm dann dienen sollen, um noch mehr Verderben über die Welt zu bringen.
Diesem Bösewicht hat Theresa Bell den großen Namen Regiomontanus gegeben. Der allerdings in die Irre führt, denn der historische Regiomontanus, der eigentlich Johann Müller hieß, war einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen des Spätmittelalters. Theresa Bells Regiomontanus ist dagegen aus Versatzstücken des klassischen Horrorrepertoires zusammengesetzt: ein bisschen Poes „Maske des roten Todes“, ein bisschen Baron Frankenstein, ein wenig gefallener Engel Luzifer. Wie alle schrecklichen Täter fühlt er sich als Opfer von Verrat und beschließt daher, ein Bösewicht zu werden.
Aber, und das ist ja das wohl Sympathischste an dieser Art von Büchern: Am Ende retten hier die Kinder die Welt. Mit Mut zur Veränderung, Vertrauen in freundschaftliche Bande und grundsätzlich mit einem robusten Willen zum Guten. In „Sepia“ steckt auch ein Entwicklungsroman, denn das Mädchen mit dem titelgebenden Namen fängt als ungeschickte Druckereinovizin in der Werkstatt von Meister Silbersilbe an.
Für ihre Tollpatschigkeit wird sie gehänselt, Sepia zweifelt deshalb an ihren Fähigkeiten. Bald freundet sie sich aber mit Niki und Sanzio an, die sich in ihren Metiers ähnlich unbegabt vorkommen wie Sepia in der Druckerei. Nikis Mutter ist im Gegensatz zur Tochter eine geniale Malerin, Sanzio stellt sich ungeschickt als Buchbinder bei Meister Seidenhand an. Man mag diese Welt aus zauberischem Papier, magischen Tinten und geheimnisvollen Buchrücken, aus der die Stadt Flohall zu bestehen scheint und in der sich die Kinder bewegen, allzu bildungslastig finden, doch das bleibt zum großen Teil nur Oberflächendesign. Im Vordergrund steht das Abenteuer.
Bald schon merken die drei, dass hinter all dem Meisterruhm doch dunkle und ungute Geheimnisse stecken, die Flohall bedrohen, und dass die drei Meister keineswegs über alle Zweifel erhaben sind. Das mit Ängsten und Erwartungen angefüllte Wort Alchemie macht die Runde, also jene schwarze Beschwörungs- und Zauberkunst, vor der gewarnt wird. Im Zuge der Verwicklungen wächst gar der Verdacht, dass die Meister irgendetwas damit zu tun haben könnten.
Seltsame, originell erdachte Wesen wie Bleiläuse und Aschegeister tauchen auf. Das Papier kann in „Sepia“ nicht nur brennen und schneiden, sondern sich auch in Wesenheiten verwandeln wie Hurenkind und Schusterjunge, in Witwe und Waise. Und bald wird eine Fahrt in die Unterwelt – ein wahrlich uralter Mythos – zur Bewährungsprobe für Sepia und ihre Freunde. Eine Reise, von der sie wie neugeboren und mit einem verändertem Bewusstsein ihrer selbst zurückkehren werden. Da kann man nur sagen: Auf zum nächsten Abenteuer.
HARALD EGGEBRECHT
Der Bücherzauber bleibt
Oberflächendesign
Theresa Bell:
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie.
Thienemann Verlag, Stuttgart 2024.
384 Seiten, 17 Euro.
Ab zehn Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2024Unter
Druck
Um Theresa Bells
Fantasy-Saga „Sepia“ rissen
sich die Verlage. Zu Recht?
Anfangs braucht es eine Weile, bis diese Fantasy-Welt sich zu drehen beginnt und dann doch ganz schön auf Touren kommt. Es ist eine Welt, deren Assoziationswurzeln weit in die Reiche von Harry Potter oder die Tintenwelt von Cornelia Funke hineinreichen. Am deutlichen Bezug zu diesen Vorbildern mag es liegen, dass Berichten zufolge elf Verlage für das Debüt der Hamburger Autorin Theresa Bell geboten haben, die Branche witterte hier offenbar einen Bestseller.
An Welterfolge anzuknüpfen, mit neuen Varianten, ist durchaus legitim. Auf Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ folgten Robinsonaden sonder Zahl und auch Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ bietet einen solchen schier unausmessbaren Urfantasieraum, der jederzeit auf verschiedenste Weise reaktiviert werden kann. Wie in Stevensons Klassiker die Piraten gibt es in Theresa Bells „Sepia“ auch eine Outlaw-Gruppe, die Tintendiebe, die sich aber rasch als sympathische Robin-Hood-Bande entpuppt, der alle sich anschließen wollen.
Natürlich geht es in Bells erstem Teil ihrer auf drei Bände konzipierten „Sepia“-Saga auch um den unvermeidlichen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen der fröhlich bunten oberirdischen Stadt Flohall und einem bedrohlichen Untergrund aus Katakomben und Tunneln. Dessen Zentrum ist ein gewaltiges unterirdisches Eisenschloss, in dem ein größenwahnsinniger Unhold haust, der nicht an vergnüglichem Flitter und Lichterglanz à la Flohall interessiert ist, sondern nach der höchsten Macht giert – der über Leben und Tod. Er will, auch das kennt man von Oberunholden, gottgleich Geschöpfe nach seinem Wesen und Willen erschaffen, die ihm dann dienen sollen, um noch mehr Verderben über die Welt zu bringen.
Diesem Bösewicht hat Theresa Bell den großen Namen Regiomontanus gegeben. Der allerdings in die Irre führt, denn der historische Regiomontanus, der eigentlich Johann Müller hieß, war einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen des Spätmittelalters. Theresa Bells Regiomontanus ist dagegen aus Versatzstücken des klassischen Horrorrepertoires zusammengesetzt: ein bisschen Poes „Maske des roten Todes“, ein bisschen Baron Frankenstein, ein wenig gefallener Engel Luzifer. Wie alle schrecklichen Täter fühlt er sich als Opfer von Verrat und beschließt daher, ein Bösewicht zu werden.
Aber, und das ist ja das wohl Sympathischste an dieser Art von Büchern: Am Ende retten hier die Kinder die Welt. Mit Mut zur Veränderung, Vertrauen in freundschaftliche Bande und grundsätzlich mit einem robusten Willen zum Guten. In „Sepia“ steckt auch ein Entwicklungsroman, denn das Mädchen mit dem titelgebenden Namen fängt als ungeschickte Druckereinovizin in der Werkstatt von Meister Silbersilbe an.
Für ihre Tollpatschigkeit wird sie gehänselt, Sepia zweifelt deshalb an ihren Fähigkeiten. Bald freundet sie sich aber mit Niki und Sanzio an, die sich in ihren Metiers ähnlich unbegabt vorkommen wie Sepia in der Druckerei. Nikis Mutter ist im Gegensatz zur Tochter eine geniale Malerin, Sanzio stellt sich ungeschickt als Buchbinder bei Meister Seidenhand an. Man mag diese Welt aus zauberischem Papier, magischen Tinten und geheimnisvollen Buchrücken, aus der die Stadt Flohall zu bestehen scheint und in der sich die Kinder bewegen, allzu bildungslastig finden, doch das bleibt zum großen Teil nur Oberflächendesign. Im Vordergrund steht das Abenteuer.
Bald schon merken die drei, dass hinter all dem Meisterruhm doch dunkle und ungute Geheimnisse stecken, die Flohall bedrohen, und dass die drei Meister keineswegs über alle Zweifel erhaben sind. Das mit Ängsten und Erwartungen angefüllte Wort Alchemie macht die Runde, also jene schwarze Beschwörungs- und Zauberkunst, vor der gewarnt wird. Im Zuge der Verwicklungen wächst gar der Verdacht, dass die Meister irgendetwas damit zu tun haben könnten.
Seltsame, originell erdachte Wesen wie Bleiläuse und Aschegeister tauchen auf. Das Papier kann in „Sepia“ nicht nur brennen und schneiden, sondern sich auch in Wesenheiten verwandeln wie Hurenkind und Schusterjunge, in Witwe und Waise. Und bald wird eine Fahrt in die Unterwelt – ein wahrlich uralter Mythos – zur Bewährungsprobe für Sepia und ihre Freunde. Eine Reise, von der sie wie neugeboren und mit einem verändertem Bewusstsein ihrer selbst zurückkehren werden. Da kann man nur sagen: Auf zum nächsten Abenteuer.
HARALD EGGEBRECHT
Der Bücherzauber bleibt
Oberflächendesign
Theresa Bell:
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie.
Thienemann Verlag, Stuttgart 2024.
384 Seiten, 17 Euro.
Ab zehn Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Druck
Um Theresa Bells
Fantasy-Saga „Sepia“ rissen
sich die Verlage. Zu Recht?
Anfangs braucht es eine Weile, bis diese Fantasy-Welt sich zu drehen beginnt und dann doch ganz schön auf Touren kommt. Es ist eine Welt, deren Assoziationswurzeln weit in die Reiche von Harry Potter oder die Tintenwelt von Cornelia Funke hineinreichen. Am deutlichen Bezug zu diesen Vorbildern mag es liegen, dass Berichten zufolge elf Verlage für das Debüt der Hamburger Autorin Theresa Bell geboten haben, die Branche witterte hier offenbar einen Bestseller.
An Welterfolge anzuknüpfen, mit neuen Varianten, ist durchaus legitim. Auf Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ folgten Robinsonaden sonder Zahl und auch Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ bietet einen solchen schier unausmessbaren Urfantasieraum, der jederzeit auf verschiedenste Weise reaktiviert werden kann. Wie in Stevensons Klassiker die Piraten gibt es in Theresa Bells „Sepia“ auch eine Outlaw-Gruppe, die Tintendiebe, die sich aber rasch als sympathische Robin-Hood-Bande entpuppt, der alle sich anschließen wollen.
Natürlich geht es in Bells erstem Teil ihrer auf drei Bände konzipierten „Sepia“-Saga auch um den unvermeidlichen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen der fröhlich bunten oberirdischen Stadt Flohall und einem bedrohlichen Untergrund aus Katakomben und Tunneln. Dessen Zentrum ist ein gewaltiges unterirdisches Eisenschloss, in dem ein größenwahnsinniger Unhold haust, der nicht an vergnüglichem Flitter und Lichterglanz à la Flohall interessiert ist, sondern nach der höchsten Macht giert – der über Leben und Tod. Er will, auch das kennt man von Oberunholden, gottgleich Geschöpfe nach seinem Wesen und Willen erschaffen, die ihm dann dienen sollen, um noch mehr Verderben über die Welt zu bringen.
Diesem Bösewicht hat Theresa Bell den großen Namen Regiomontanus gegeben. Der allerdings in die Irre führt, denn der historische Regiomontanus, der eigentlich Johann Müller hieß, war einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen des Spätmittelalters. Theresa Bells Regiomontanus ist dagegen aus Versatzstücken des klassischen Horrorrepertoires zusammengesetzt: ein bisschen Poes „Maske des roten Todes“, ein bisschen Baron Frankenstein, ein wenig gefallener Engel Luzifer. Wie alle schrecklichen Täter fühlt er sich als Opfer von Verrat und beschließt daher, ein Bösewicht zu werden.
Aber, und das ist ja das wohl Sympathischste an dieser Art von Büchern: Am Ende retten hier die Kinder die Welt. Mit Mut zur Veränderung, Vertrauen in freundschaftliche Bande und grundsätzlich mit einem robusten Willen zum Guten. In „Sepia“ steckt auch ein Entwicklungsroman, denn das Mädchen mit dem titelgebenden Namen fängt als ungeschickte Druckereinovizin in der Werkstatt von Meister Silbersilbe an.
Für ihre Tollpatschigkeit wird sie gehänselt, Sepia zweifelt deshalb an ihren Fähigkeiten. Bald freundet sie sich aber mit Niki und Sanzio an, die sich in ihren Metiers ähnlich unbegabt vorkommen wie Sepia in der Druckerei. Nikis Mutter ist im Gegensatz zur Tochter eine geniale Malerin, Sanzio stellt sich ungeschickt als Buchbinder bei Meister Seidenhand an. Man mag diese Welt aus zauberischem Papier, magischen Tinten und geheimnisvollen Buchrücken, aus der die Stadt Flohall zu bestehen scheint und in der sich die Kinder bewegen, allzu bildungslastig finden, doch das bleibt zum großen Teil nur Oberflächendesign. Im Vordergrund steht das Abenteuer.
Bald schon merken die drei, dass hinter all dem Meisterruhm doch dunkle und ungute Geheimnisse stecken, die Flohall bedrohen, und dass die drei Meister keineswegs über alle Zweifel erhaben sind. Das mit Ängsten und Erwartungen angefüllte Wort Alchemie macht die Runde, also jene schwarze Beschwörungs- und Zauberkunst, vor der gewarnt wird. Im Zuge der Verwicklungen wächst gar der Verdacht, dass die Meister irgendetwas damit zu tun haben könnten.
Seltsame, originell erdachte Wesen wie Bleiläuse und Aschegeister tauchen auf. Das Papier kann in „Sepia“ nicht nur brennen und schneiden, sondern sich auch in Wesenheiten verwandeln wie Hurenkind und Schusterjunge, in Witwe und Waise. Und bald wird eine Fahrt in die Unterwelt – ein wahrlich uralter Mythos – zur Bewährungsprobe für Sepia und ihre Freunde. Eine Reise, von der sie wie neugeboren und mit einem verändertem Bewusstsein ihrer selbst zurückkehren werden. Da kann man nur sagen: Auf zum nächsten Abenteuer.
HARALD EGGEBRECHT
Der Bücherzauber bleibt
Oberflächendesign
Theresa Bell:
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie.
Thienemann Verlag, Stuttgart 2024.
384 Seiten, 17 Euro.
Ab zehn Jahren.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Kritikerin Kim Kindermann fühlt sich bei der Lektüre von Theresa Bells Auftakt zu einer geplanten Fantasy-Trilogie stark an Rowlings "Harry Potter" und Cornelia Funkes "Tintenwelt" erinnert, allerdings im besten Sinne: Sepia, die zwölfjährige Protagonistin, taucht ein in eine Welt, in der Tinte und Bücher die wertvollsten Güter sind, aber auch die bedrohtesten. Gegen diese Bedrohungen muss sie sich mit ihren Freunden zu Wehr setzen und sich dabei auch die Frage nach ihrer Identität stellen. Im Laufe der Geschichte zeigt sich auch, dass sie besondere Talente im Umgang mit der Tinte hat, erklärt Kindermann. Besonders für die Zielgruppe ab zehn Jahren werden hier wichtige Fragen verhandelt: Wer man ist und sein will, schließt die zufriedene Rezensentin und freut sich bereits auf den nächsten Band.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"[E]in magisches Buch zum Riechen, Schmecken und Mitzittern. Beeindruckend, wie bildgewaltig und fesselnd die Autorin die Geschichte erzählt. Wow!" Tanja Liebmann-Décombe Schwarzwälder Bote 20240817