Zwischen Zwang und Freiheit - Karen Duves fesselndes Hörbuch über Sisi
Die brave, kleine Sisi, die Kaiser Franz-Joseph einmal geheiratet hat - es gibt sie nicht mehr.
Als Elisabeth (Sisi) durch Heirat zur Kaiserin von Österreich wird, betritt sie eine streng geordnete Welt voll steifer Konventionen und langweiliger Empfänge. Ausbrechen kann sie nur auf ausgedehnten Reisen und bei Aufenthalten auf ihrem ungarischen Schloss Gödöllö. Dort kann sie ungezwungen leben und ihrer größten Leidenschaft nachgehen: wilden Reitjagden. Kein Wassergraben ist der Kaiserin zu breit, kein Hindernis zu gefährlich - Sisi gehört zu den besten und tollkühnsten Reiterinnen ihrer Zeit. Der legendäre Jagd- und Rennreiter Bay Middleton bewundert die Kaiserin nicht nur für ihr reiterliches Können.
Bei einem Aufenthalt auf Gödöllö lädt Sisi ihre reit- und fechtkundige Nichte Marie Wallersee zu sich ein. Als Tochter einer Schauspielerin ist Marie eigentlich nicht standesgemäß, aber Sisi sieht in ihr ein freieres zweites Selbst und macht sie zur engen Vertrauten. Die 18-jährige Marie erliegt schnell dem Charme der kaiserlichen Tante und assistiert ihr nur allzu gerne, wenn diese die leidenschaftliche Reiterin und Femme fatale gibt. Doch bald wirkt auch Marie anziehend auf andere, besonders auf die männlichen Adligen.
Sisi, daran gewöhnt im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, sieht sich nach einem Ehemann für die lästige Konkurrenz um und beginnt ein intrigantes Spiel aus Verführung und Verrat.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die brave, kleine Sisi, die Kaiser Franz-Joseph einmal geheiratet hat - es gibt sie nicht mehr.
Als Elisabeth (Sisi) durch Heirat zur Kaiserin von Österreich wird, betritt sie eine streng geordnete Welt voll steifer Konventionen und langweiliger Empfänge. Ausbrechen kann sie nur auf ausgedehnten Reisen und bei Aufenthalten auf ihrem ungarischen Schloss Gödöllö. Dort kann sie ungezwungen leben und ihrer größten Leidenschaft nachgehen: wilden Reitjagden. Kein Wassergraben ist der Kaiserin zu breit, kein Hindernis zu gefährlich - Sisi gehört zu den besten und tollkühnsten Reiterinnen ihrer Zeit. Der legendäre Jagd- und Rennreiter Bay Middleton bewundert die Kaiserin nicht nur für ihr reiterliches Können.
Bei einem Aufenthalt auf Gödöllö lädt Sisi ihre reit- und fechtkundige Nichte Marie Wallersee zu sich ein. Als Tochter einer Schauspielerin ist Marie eigentlich nicht standesgemäß, aber Sisi sieht in ihr ein freieres zweites Selbst und macht sie zur engen Vertrauten. Die 18-jährige Marie erliegt schnell dem Charme der kaiserlichen Tante und assistiert ihr nur allzu gerne, wenn diese die leidenschaftliche Reiterin und Femme fatale gibt. Doch bald wirkt auch Marie anziehend auf andere, besonders auf die männlichen Adligen.
Sisi, daran gewöhnt im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, sieht sich nach einem Ehemann für die lästige Konkurrenz um und beginnt ein intrigantes Spiel aus Verführung und Verrat.
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Ohrfeigen für die Friseurin
Eine Narzisstin auf dem Thron der Habsburger: Karen Duve erzählt in "Sisi" detailverliebt von den Reiterjahren einer Kaiserin.
Von Tilman Spreckelsen
Als sie im September 1885 eine lyrische Zwischenbilanz ihres Liebeslebens zog, wählte die siebenundvierzigjährige Kaiserin dafür ein Bild aus der Märchenwelt: "Frau Ritter Blaubart nenn' ich mich, / Hab' auch ein Kabinet; / Viel Häute hängen minniglich / Dort, wohlgeputzt und nett." Es sind fünf Esel, deren Felle als Trophäen an der Wand hängen, sie stehen für vier Verehrer und einen Ehemann jener Frau, die sich auch als Elfenkönigin Titania inszeniert.
Unter den Eseln ist ein "Viech! / Ein ganz gemeines Beast", den die Poetin geradewegs auf den "Mist" verbannt. Freundlicher gedacht wird eines "drolligen Gesells", dessen Beschreibung nicht ohne Grund plötzlich ins Englische wechselt: "And never was he sick, nor sore, / But jumped and pranced about." Dem "Beast", in der Realität ein gewisser Friedrich Pacher von Theinburg, war Elisabeth von Österreich 1874 auf einem Maskenball begegnet, und für den Briefwechsel, der bald darauf einsetzte, wählte die verheiratete Kaiserin abenteuerliche Wege mit Sendungen, die in halb Europa aufgegeben wurden, bevor sie des Spiels überdrüssig wurde.
Beim "drolligen Gesell" aber handelte es sich um einen Captain Middleton, den die Monarchin während einer Englandreise kennenlernte. Mit dieser Begegnung setzt nun Karen Duves Roman "Sisi" ein, der in den Jahren 1876 und 1877 spielt. Dabei wählt die Autorin unterschiedliche Perspektiven, die einander ablösen oder auch überlagern. Wir erleben die Kaiserin auf der Jagd, in den Schlössern des europäischen Hochadels oder auf Ausflügen, die nicht gar so geheim sind, wie die Monarchin glaubt, und wir sehen sie mit den Augen derer, die sie andauernd umgeben, der Hofdame Festetics, ihrer Nichte Marie Louise, ihres Ehemanns und einiger anderer.
Das färbt naturgemäß auch die Sprache ein - "die Sisi hat immer die seltsamsten Ideen", denkt der schlichte Kaiser, wenn seine Frau sich ein Badezimmer wünscht, während die Beschreibungen der Kaiserin durch andere vor heftiger Bewunderung beben oder durch enttäuschte Zuneigung scharfsichtig und kritisch getönt sind.
Wo allerdings viele ähnlich empfinden, gerinnen die Beschreibungen leicht zu Stereotypen. Dass der Kaiserin eine "übermenschliche Selbstbeherrschung" nebst "Furchtlosigkeit" zu eigen ist, erfahren wir gleich auf den ersten Seiten und lesen es variiert auch auf den folgenden. Die Kehrseite sind "Schwermut", "stundenlanges, lautloses Weinen", "Wutanfälle" und "Ohrfeigen für die Friseurin". Sie "schätzt keine Kritik", hat einen gut entwickelten "Freiheitstrieb", hasst "jedes Zeremoniell" und ist ein "tiefgläubiger Mensch". Dass man einer derart von Beschreibungen zugestellten historischen Person gerade dadurch nicht unbedingt näherkommt, führt Duve gekonnt vor, ihr geht es nicht primär um die Person, sondern um die Reaktionen ihrer Umgebung, die sich hier nicht nur in Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen, sondern auch in Korrespondentenberichten zeitgenössischer Periodika niederschlagen, aus denen ausgiebig zitiert oder paraphrasiert wird. In Duves Nachwort heißt es über die vielen Ansichten zu Elisabeth von Österreich: "Ich möchte nicht noch eine weitere Meinung hinzufügen, sondern den Chor der bereits vorhandenen Stimmen in seiner ganzen Bandbreite zu Wort kommen lassen."
Natürlich kommt gerade dieses Verfahren nicht ohne eine Einstellung aus, will man nicht beliebig Zitat an Zitat montieren. Was die Handlung angeht, gilt Duves Interesse der Reiterin Elisabeth; der Blick auf die Pferde, die von der Kaiserin geritten, gekauft oder verschenkt werden, ist hartnäckig und detailverliebt, und wer nicht wenigstens ein bisschen Interesse für den Reitsport aufbringen kann, hat mit diesem Roman ganz schlechte Karten. Das ist die Ebene, auf der sich Middleton und Elisabeth, der drollige Gesell und die Kaiserin, finden, und auch Marie Louise zieht das Interesse ihrer Tante auf sich, als sie zeigt, dass sie beim Reiten zumindest nicht zimperlich ist. Wer dagegen mit Pferden nichts Rechtes anzufangen weiß, was hier heißt: lieber gemütlich als waghalsig oder gar lebensgefährlich reiten möchte, braucht andere Qualitäten, um in Sisis Umkreis geduldet zu werden - etwa ein Händchen für die Pflege des berühmten kiloschweren Haares der Kaiserin.
Dass Duve ausführliche Quellenstudien betrieben hat, merkt man dem Roman jederzeit an, manchmal auch etwas zu sehr, wenn in den Beschreibungen etwa von Innenausstattungen die Wirkung eines Raumes in der Fülle der exakt bezifferten Accessoires unterzugehen droht.
Indem sie sich aber auf zwei gar nicht mal so sehr ereignisreiche Jahre im Leben der nicht mehr jungen und noch nicht alten Elisabeth beschränkt - von gelegentlichen Rückblicken abgesehen -, kann ihr Roman inhaltlich wie ein Eisberg wirken, dessen sichtbarer Teil den unsichtbaren ahnen lässt. Kronprinz Rudolf etwa "ist glücklich, wenn er töten kann", freut sich zu Weihnachten über eine neue Pistole und lässt so das spätere Mayerling-Drama aufscheinen. Oder die Nichte der Kaiserin begegnet in einer Szene kurz hintereinander erst ihrem späteren Mann und dann ihrem späteren Liebhaber, mit dem sie mehrere Kinder haben wird, was Duve beiläufig skizziert - zu diesem Zeitpunkt der Handlung wird noch eine ganz andere Verbindung für Marie Louise vorbereitet.
Welche Geschichte also erzählt auf diese Weise und mit diesen Mitteln der Roman, dessen Handlung nicht recht vom Fleck kommt, außer der von Elisabeth betriebenen Eheschließung ihrer Nichte und der von ihr ebenso eindeutig verhinderten Hochzeit ihrer Hofdame Festetics? Er schildert eine Narzisstin, die sich ganz über die Wirkung auf ihre Umgebung definiert, und er schildert zugleich, dass die Kaiserin mit ihrem eiskalten Herzen in ihrem so gütig erscheinenden, gedankenlos grausamen Ehemann eine überraschende Entsprechung findet: "Schliesslich war er ein lieber Schatz / Trotz alle dem Gefrett", heißt es über ihn im Blaubart-Gedicht seiner Frau, "Drum hat er auch den Ehrenplatz / In meinem Kabinet!"
Warum der "liebe Schatz" da auf verstörende Weise hingehört, ist die eigentliche Pointe in Karen Duves Roman.
Karen Duve: "Sisi". Roman.
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2022. 416 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Narzisstin auf dem Thron der Habsburger: Karen Duve erzählt in "Sisi" detailverliebt von den Reiterjahren einer Kaiserin.
Von Tilman Spreckelsen
Als sie im September 1885 eine lyrische Zwischenbilanz ihres Liebeslebens zog, wählte die siebenundvierzigjährige Kaiserin dafür ein Bild aus der Märchenwelt: "Frau Ritter Blaubart nenn' ich mich, / Hab' auch ein Kabinet; / Viel Häute hängen minniglich / Dort, wohlgeputzt und nett." Es sind fünf Esel, deren Felle als Trophäen an der Wand hängen, sie stehen für vier Verehrer und einen Ehemann jener Frau, die sich auch als Elfenkönigin Titania inszeniert.
Unter den Eseln ist ein "Viech! / Ein ganz gemeines Beast", den die Poetin geradewegs auf den "Mist" verbannt. Freundlicher gedacht wird eines "drolligen Gesells", dessen Beschreibung nicht ohne Grund plötzlich ins Englische wechselt: "And never was he sick, nor sore, / But jumped and pranced about." Dem "Beast", in der Realität ein gewisser Friedrich Pacher von Theinburg, war Elisabeth von Österreich 1874 auf einem Maskenball begegnet, und für den Briefwechsel, der bald darauf einsetzte, wählte die verheiratete Kaiserin abenteuerliche Wege mit Sendungen, die in halb Europa aufgegeben wurden, bevor sie des Spiels überdrüssig wurde.
Beim "drolligen Gesell" aber handelte es sich um einen Captain Middleton, den die Monarchin während einer Englandreise kennenlernte. Mit dieser Begegnung setzt nun Karen Duves Roman "Sisi" ein, der in den Jahren 1876 und 1877 spielt. Dabei wählt die Autorin unterschiedliche Perspektiven, die einander ablösen oder auch überlagern. Wir erleben die Kaiserin auf der Jagd, in den Schlössern des europäischen Hochadels oder auf Ausflügen, die nicht gar so geheim sind, wie die Monarchin glaubt, und wir sehen sie mit den Augen derer, die sie andauernd umgeben, der Hofdame Festetics, ihrer Nichte Marie Louise, ihres Ehemanns und einiger anderer.
Das färbt naturgemäß auch die Sprache ein - "die Sisi hat immer die seltsamsten Ideen", denkt der schlichte Kaiser, wenn seine Frau sich ein Badezimmer wünscht, während die Beschreibungen der Kaiserin durch andere vor heftiger Bewunderung beben oder durch enttäuschte Zuneigung scharfsichtig und kritisch getönt sind.
Wo allerdings viele ähnlich empfinden, gerinnen die Beschreibungen leicht zu Stereotypen. Dass der Kaiserin eine "übermenschliche Selbstbeherrschung" nebst "Furchtlosigkeit" zu eigen ist, erfahren wir gleich auf den ersten Seiten und lesen es variiert auch auf den folgenden. Die Kehrseite sind "Schwermut", "stundenlanges, lautloses Weinen", "Wutanfälle" und "Ohrfeigen für die Friseurin". Sie "schätzt keine Kritik", hat einen gut entwickelten "Freiheitstrieb", hasst "jedes Zeremoniell" und ist ein "tiefgläubiger Mensch". Dass man einer derart von Beschreibungen zugestellten historischen Person gerade dadurch nicht unbedingt näherkommt, führt Duve gekonnt vor, ihr geht es nicht primär um die Person, sondern um die Reaktionen ihrer Umgebung, die sich hier nicht nur in Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen, sondern auch in Korrespondentenberichten zeitgenössischer Periodika niederschlagen, aus denen ausgiebig zitiert oder paraphrasiert wird. In Duves Nachwort heißt es über die vielen Ansichten zu Elisabeth von Österreich: "Ich möchte nicht noch eine weitere Meinung hinzufügen, sondern den Chor der bereits vorhandenen Stimmen in seiner ganzen Bandbreite zu Wort kommen lassen."
Natürlich kommt gerade dieses Verfahren nicht ohne eine Einstellung aus, will man nicht beliebig Zitat an Zitat montieren. Was die Handlung angeht, gilt Duves Interesse der Reiterin Elisabeth; der Blick auf die Pferde, die von der Kaiserin geritten, gekauft oder verschenkt werden, ist hartnäckig und detailverliebt, und wer nicht wenigstens ein bisschen Interesse für den Reitsport aufbringen kann, hat mit diesem Roman ganz schlechte Karten. Das ist die Ebene, auf der sich Middleton und Elisabeth, der drollige Gesell und die Kaiserin, finden, und auch Marie Louise zieht das Interesse ihrer Tante auf sich, als sie zeigt, dass sie beim Reiten zumindest nicht zimperlich ist. Wer dagegen mit Pferden nichts Rechtes anzufangen weiß, was hier heißt: lieber gemütlich als waghalsig oder gar lebensgefährlich reiten möchte, braucht andere Qualitäten, um in Sisis Umkreis geduldet zu werden - etwa ein Händchen für die Pflege des berühmten kiloschweren Haares der Kaiserin.
Dass Duve ausführliche Quellenstudien betrieben hat, merkt man dem Roman jederzeit an, manchmal auch etwas zu sehr, wenn in den Beschreibungen etwa von Innenausstattungen die Wirkung eines Raumes in der Fülle der exakt bezifferten Accessoires unterzugehen droht.
Indem sie sich aber auf zwei gar nicht mal so sehr ereignisreiche Jahre im Leben der nicht mehr jungen und noch nicht alten Elisabeth beschränkt - von gelegentlichen Rückblicken abgesehen -, kann ihr Roman inhaltlich wie ein Eisberg wirken, dessen sichtbarer Teil den unsichtbaren ahnen lässt. Kronprinz Rudolf etwa "ist glücklich, wenn er töten kann", freut sich zu Weihnachten über eine neue Pistole und lässt so das spätere Mayerling-Drama aufscheinen. Oder die Nichte der Kaiserin begegnet in einer Szene kurz hintereinander erst ihrem späteren Mann und dann ihrem späteren Liebhaber, mit dem sie mehrere Kinder haben wird, was Duve beiläufig skizziert - zu diesem Zeitpunkt der Handlung wird noch eine ganz andere Verbindung für Marie Louise vorbereitet.
Welche Geschichte also erzählt auf diese Weise und mit diesen Mitteln der Roman, dessen Handlung nicht recht vom Fleck kommt, außer der von Elisabeth betriebenen Eheschließung ihrer Nichte und der von ihr ebenso eindeutig verhinderten Hochzeit ihrer Hofdame Festetics? Er schildert eine Narzisstin, die sich ganz über die Wirkung auf ihre Umgebung definiert, und er schildert zugleich, dass die Kaiserin mit ihrem eiskalten Herzen in ihrem so gütig erscheinenden, gedankenlos grausamen Ehemann eine überraschende Entsprechung findet: "Schliesslich war er ein lieber Schatz / Trotz alle dem Gefrett", heißt es über ihn im Blaubart-Gedicht seiner Frau, "Drum hat er auch den Ehrenplatz / In meinem Kabinet!"
Warum der "liebe Schatz" da auf verstörende Weise hingehört, ist die eigentliche Pointe in Karen Duves Roman.
Karen Duve: "Sisi". Roman.
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2022. 416 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Katharina Granzin liest Karen Duves Roman über Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt "Sisi", vor dem Hintergrund der aktuellen Schwemme an Sisi-Content und findet in Marie Kreutzers aktuellem "Sisi"-Film "Corsage" in mancher Hinsicht einen Verbündeten des Romans im Geiste. Zu einer eindeutigen Aussage über die historische Kaiserin will sich die Autorin allerdings nicht hinreißen lassen, beobachtet Granzin: Duves Sisi ist "vielgesichtig, schillernd und ambivalent", was sich vor allem in Form verschiedener Außenperspektiven auf die Figur ergibt. Auch der für Duve typische lakonische Tonfall verhindert eine allzu schnelle Identifikation mit der Monarchistin - wie und ob der bemerkenswert häufig hoch zu Ross spielende Roman, der seine Gemachtheit und Fiktionalität stets spüren lässt, der Kritikerin allerdings gefallen hat, bleibt eher unklar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2022Ohrfeigen für die Friseurin
Eine Narzisstin auf dem Thron der Habsburger: Karen Duve erzählt in "Sisi" detailverliebt von den Reiterjahren einer Kaiserin.
Von Tilman Spreckelsen
Als sie im September 1885 eine lyrische Zwischenbilanz ihres Liebeslebens zog, wählte die siebenundvierzigjährige Kaiserin dafür ein Bild aus der Märchenwelt: "Frau Ritter Blaubart nenn' ich mich, / Hab' auch ein Kabinet; / Viel Häute hängen minniglich / Dort, wohlgeputzt und nett." Es sind fünf Esel, deren Felle als Trophäen an der Wand hängen, sie stehen für vier Verehrer und einen Ehemann jener Frau, die sich auch als Elfenkönigin Titania inszeniert.
Unter den Eseln ist ein "Viech! / Ein ganz gemeines Beast", den die Poetin geradewegs auf den "Mist" verbannt. Freundlicher gedacht wird eines "drolligen Gesells", dessen Beschreibung nicht ohne Grund plötzlich ins Englische wechselt: "And never was he sick, nor sore, / But jumped and pranced about." Dem "Beast", in der Realität ein gewisser Friedrich Pacher von Theinburg, war Elisabeth von Österreich 1874 auf einem Maskenball begegnet, und für den Briefwechsel, der bald darauf einsetzte, wählte die verheiratete Kaiserin abenteuerliche Wege mit Sendungen, die in halb Europa aufgegeben wurden, bevor sie des Spiels überdrüssig wurde.
Beim "drolligen Gesell" aber handelte es sich um einen Captain Middleton, den die Monarchin während einer Englandreise kennenlernte. Mit dieser Begegnung setzt nun Karen Duves Roman "Sisi" ein, der in den Jahren 1876 und 1877 spielt. Dabei wählt die Autorin unterschiedliche Perspektiven, die einander ablösen oder auch überlagern. Wir erleben die Kaiserin auf der Jagd, in den Schlössern des europäischen Hochadels oder auf Ausflügen, die nicht gar so geheim sind, wie die Monarchin glaubt, und wir sehen sie mit den Augen derer, die sie andauernd umgeben, der Hofdame Festetics, ihrer Nichte Marie Louise, ihres Ehemanns und einiger anderer.
Das färbt naturgemäß auch die Sprache ein - "die Sisi hat immer die seltsamsten Ideen", denkt der schlichte Kaiser, wenn seine Frau sich ein Badezimmer wünscht, während die Beschreibungen der Kaiserin durch andere vor heftiger Bewunderung beben oder durch enttäuschte Zuneigung scharfsichtig und kritisch getönt sind.
Wo allerdings viele ähnlich empfinden, gerinnen die Beschreibungen leicht zu Stereotypen. Dass der Kaiserin eine "übermenschliche Selbstbeherrschung" nebst "Furchtlosigkeit" zu eigen ist, erfahren wir gleich auf den ersten Seiten und lesen es variiert auch auf den folgenden. Die Kehrseite sind "Schwermut", "stundenlanges, lautloses Weinen", "Wutanfälle" und "Ohrfeigen für die Friseurin". Sie "schätzt keine Kritik", hat einen gut entwickelten "Freiheitstrieb", hasst "jedes Zeremoniell" und ist ein "tiefgläubiger Mensch". Dass man einer derart von Beschreibungen zugestellten historischen Person gerade dadurch nicht unbedingt näherkommt, führt Duve gekonnt vor, ihr geht es nicht primär um die Person, sondern um die Reaktionen ihrer Umgebung, die sich hier nicht nur in Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen, sondern auch in Korrespondentenberichten zeitgenössischer Periodika niederschlagen, aus denen ausgiebig zitiert oder paraphrasiert wird. In Duves Nachwort heißt es über die vielen Ansichten zu Elisabeth von Österreich: "Ich möchte nicht noch eine weitere Meinung hinzufügen, sondern den Chor der bereits vorhandenen Stimmen in seiner ganzen Bandbreite zu Wort kommen lassen."
Natürlich kommt gerade dieses Verfahren nicht ohne eine Einstellung aus, will man nicht beliebig Zitat an Zitat montieren. Was die Handlung angeht, gilt Duves Interesse der Reiterin Elisabeth; der Blick auf die Pferde, die von der Kaiserin geritten, gekauft oder verschenkt werden, ist hartnäckig und detailverliebt, und wer nicht wenigstens ein bisschen Interesse für den Reitsport aufbringen kann, hat mit diesem Roman ganz schlechte Karten. Das ist die Ebene, auf der sich Middleton und Elisabeth, der drollige Gesell und die Kaiserin, finden, und auch Marie Louise zieht das Interesse ihrer Tante auf sich, als sie zeigt, dass sie beim Reiten zumindest nicht zimperlich ist. Wer dagegen mit Pferden nichts Rechtes anzufangen weiß, was hier heißt: lieber gemütlich als waghalsig oder gar lebensgefährlich reiten möchte, braucht andere Qualitäten, um in Sisis Umkreis geduldet zu werden - etwa ein Händchen für die Pflege des berühmten kiloschweren Haares der Kaiserin.
Dass Duve ausführliche Quellenstudien betrieben hat, merkt man dem Roman jederzeit an, manchmal auch etwas zu sehr, wenn in den Beschreibungen etwa von Innenausstattungen die Wirkung eines Raumes in der Fülle der exakt bezifferten Accessoires unterzugehen droht.
Indem sie sich aber auf zwei gar nicht mal so sehr ereignisreiche Jahre im Leben der nicht mehr jungen und noch nicht alten Elisabeth beschränkt - von gelegentlichen Rückblicken abgesehen -, kann ihr Roman inhaltlich wie ein Eisberg wirken, dessen sichtbarer Teil den unsichtbaren ahnen lässt. Kronprinz Rudolf etwa "ist glücklich, wenn er töten kann", freut sich zu Weihnachten über eine neue Pistole und lässt so das spätere Mayerling-Drama aufscheinen. Oder die Nichte der Kaiserin begegnet in einer Szene kurz hintereinander erst ihrem späteren Mann und dann ihrem späteren Liebhaber, mit dem sie mehrere Kinder haben wird, was Duve beiläufig skizziert - zu diesem Zeitpunkt der Handlung wird noch eine ganz andere Verbindung für Marie Louise vorbereitet.
Welche Geschichte also erzählt auf diese Weise und mit diesen Mitteln der Roman, dessen Handlung nicht recht vom Fleck kommt, außer der von Elisabeth betriebenen Eheschließung ihrer Nichte und der von ihr ebenso eindeutig verhinderten Hochzeit ihrer Hofdame Festetics? Er schildert eine Narzisstin, die sich ganz über die Wirkung auf ihre Umgebung definiert, und er schildert zugleich, dass die Kaiserin mit ihrem eiskalten Herzen in ihrem so gütig erscheinenden, gedankenlos grausamen Ehemann eine überraschende Entsprechung findet: "Schliesslich war er ein lieber Schatz / Trotz alle dem Gefrett", heißt es über ihn im Blaubart-Gedicht seiner Frau, "Drum hat er auch den Ehrenplatz / In meinem Kabinet!"
Warum der "liebe Schatz" da auf verstörende Weise hingehört, ist die eigentliche Pointe in Karen Duves Roman.
Karen Duve: "Sisi". Roman.
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2022. 416 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Narzisstin auf dem Thron der Habsburger: Karen Duve erzählt in "Sisi" detailverliebt von den Reiterjahren einer Kaiserin.
Von Tilman Spreckelsen
Als sie im September 1885 eine lyrische Zwischenbilanz ihres Liebeslebens zog, wählte die siebenundvierzigjährige Kaiserin dafür ein Bild aus der Märchenwelt: "Frau Ritter Blaubart nenn' ich mich, / Hab' auch ein Kabinet; / Viel Häute hängen minniglich / Dort, wohlgeputzt und nett." Es sind fünf Esel, deren Felle als Trophäen an der Wand hängen, sie stehen für vier Verehrer und einen Ehemann jener Frau, die sich auch als Elfenkönigin Titania inszeniert.
Unter den Eseln ist ein "Viech! / Ein ganz gemeines Beast", den die Poetin geradewegs auf den "Mist" verbannt. Freundlicher gedacht wird eines "drolligen Gesells", dessen Beschreibung nicht ohne Grund plötzlich ins Englische wechselt: "And never was he sick, nor sore, / But jumped and pranced about." Dem "Beast", in der Realität ein gewisser Friedrich Pacher von Theinburg, war Elisabeth von Österreich 1874 auf einem Maskenball begegnet, und für den Briefwechsel, der bald darauf einsetzte, wählte die verheiratete Kaiserin abenteuerliche Wege mit Sendungen, die in halb Europa aufgegeben wurden, bevor sie des Spiels überdrüssig wurde.
Beim "drolligen Gesell" aber handelte es sich um einen Captain Middleton, den die Monarchin während einer Englandreise kennenlernte. Mit dieser Begegnung setzt nun Karen Duves Roman "Sisi" ein, der in den Jahren 1876 und 1877 spielt. Dabei wählt die Autorin unterschiedliche Perspektiven, die einander ablösen oder auch überlagern. Wir erleben die Kaiserin auf der Jagd, in den Schlössern des europäischen Hochadels oder auf Ausflügen, die nicht gar so geheim sind, wie die Monarchin glaubt, und wir sehen sie mit den Augen derer, die sie andauernd umgeben, der Hofdame Festetics, ihrer Nichte Marie Louise, ihres Ehemanns und einiger anderer.
Das färbt naturgemäß auch die Sprache ein - "die Sisi hat immer die seltsamsten Ideen", denkt der schlichte Kaiser, wenn seine Frau sich ein Badezimmer wünscht, während die Beschreibungen der Kaiserin durch andere vor heftiger Bewunderung beben oder durch enttäuschte Zuneigung scharfsichtig und kritisch getönt sind.
Wo allerdings viele ähnlich empfinden, gerinnen die Beschreibungen leicht zu Stereotypen. Dass der Kaiserin eine "übermenschliche Selbstbeherrschung" nebst "Furchtlosigkeit" zu eigen ist, erfahren wir gleich auf den ersten Seiten und lesen es variiert auch auf den folgenden. Die Kehrseite sind "Schwermut", "stundenlanges, lautloses Weinen", "Wutanfälle" und "Ohrfeigen für die Friseurin". Sie "schätzt keine Kritik", hat einen gut entwickelten "Freiheitstrieb", hasst "jedes Zeremoniell" und ist ein "tiefgläubiger Mensch". Dass man einer derart von Beschreibungen zugestellten historischen Person gerade dadurch nicht unbedingt näherkommt, führt Duve gekonnt vor, ihr geht es nicht primär um die Person, sondern um die Reaktionen ihrer Umgebung, die sich hier nicht nur in Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen, sondern auch in Korrespondentenberichten zeitgenössischer Periodika niederschlagen, aus denen ausgiebig zitiert oder paraphrasiert wird. In Duves Nachwort heißt es über die vielen Ansichten zu Elisabeth von Österreich: "Ich möchte nicht noch eine weitere Meinung hinzufügen, sondern den Chor der bereits vorhandenen Stimmen in seiner ganzen Bandbreite zu Wort kommen lassen."
Natürlich kommt gerade dieses Verfahren nicht ohne eine Einstellung aus, will man nicht beliebig Zitat an Zitat montieren. Was die Handlung angeht, gilt Duves Interesse der Reiterin Elisabeth; der Blick auf die Pferde, die von der Kaiserin geritten, gekauft oder verschenkt werden, ist hartnäckig und detailverliebt, und wer nicht wenigstens ein bisschen Interesse für den Reitsport aufbringen kann, hat mit diesem Roman ganz schlechte Karten. Das ist die Ebene, auf der sich Middleton und Elisabeth, der drollige Gesell und die Kaiserin, finden, und auch Marie Louise zieht das Interesse ihrer Tante auf sich, als sie zeigt, dass sie beim Reiten zumindest nicht zimperlich ist. Wer dagegen mit Pferden nichts Rechtes anzufangen weiß, was hier heißt: lieber gemütlich als waghalsig oder gar lebensgefährlich reiten möchte, braucht andere Qualitäten, um in Sisis Umkreis geduldet zu werden - etwa ein Händchen für die Pflege des berühmten kiloschweren Haares der Kaiserin.
Dass Duve ausführliche Quellenstudien betrieben hat, merkt man dem Roman jederzeit an, manchmal auch etwas zu sehr, wenn in den Beschreibungen etwa von Innenausstattungen die Wirkung eines Raumes in der Fülle der exakt bezifferten Accessoires unterzugehen droht.
Indem sie sich aber auf zwei gar nicht mal so sehr ereignisreiche Jahre im Leben der nicht mehr jungen und noch nicht alten Elisabeth beschränkt - von gelegentlichen Rückblicken abgesehen -, kann ihr Roman inhaltlich wie ein Eisberg wirken, dessen sichtbarer Teil den unsichtbaren ahnen lässt. Kronprinz Rudolf etwa "ist glücklich, wenn er töten kann", freut sich zu Weihnachten über eine neue Pistole und lässt so das spätere Mayerling-Drama aufscheinen. Oder die Nichte der Kaiserin begegnet in einer Szene kurz hintereinander erst ihrem späteren Mann und dann ihrem späteren Liebhaber, mit dem sie mehrere Kinder haben wird, was Duve beiläufig skizziert - zu diesem Zeitpunkt der Handlung wird noch eine ganz andere Verbindung für Marie Louise vorbereitet.
Welche Geschichte also erzählt auf diese Weise und mit diesen Mitteln der Roman, dessen Handlung nicht recht vom Fleck kommt, außer der von Elisabeth betriebenen Eheschließung ihrer Nichte und der von ihr ebenso eindeutig verhinderten Hochzeit ihrer Hofdame Festetics? Er schildert eine Narzisstin, die sich ganz über die Wirkung auf ihre Umgebung definiert, und er schildert zugleich, dass die Kaiserin mit ihrem eiskalten Herzen in ihrem so gütig erscheinenden, gedankenlos grausamen Ehemann eine überraschende Entsprechung findet: "Schliesslich war er ein lieber Schatz / Trotz alle dem Gefrett", heißt es über ihn im Blaubart-Gedicht seiner Frau, "Drum hat er auch den Ehrenplatz / In meinem Kabinet!"
Warum der "liebe Schatz" da auf verstörende Weise hingehört, ist die eigentliche Pointe in Karen Duves Roman.
Karen Duve: "Sisi". Roman.
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2022. 416 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das ist ein extrem gutes Buch! Thea Dorn ZDF Das literarische Quartett 20221202