So wirst du stinkreich im boomenden Asien erzählt die erstaunliche und dramatische Geschichte eines Mannes, der sich von einem kränklichen Jungen aus der verarmten Provinz zu einem korrupten Großunternehmer wandelt, und beruft sich dabei auf die Art von Selbsthilfebüchern, wie sie im heutigen Asien von jungen hoffnungsvollen Männern gelesen werden. Der namenlose Held kommt in einer riesigen Millionenstadt zu Geld und baut sich ein eigenes Imperium auf, mit Wasser. Doch sein Herz hat er für immer verloren an das hübsche Mädchen, dessen Stern parallel zu seinem aufgeht. Immer wieder kreuzen sich ihre Lebenswege in dieser Liebe zueinander, entzündet und erlischt von den Kräften ihrer jeweiligen Schicksale.
CD 1 | |||
1 | Titel 1 | 00:06:11 | |
2 | Titel 2 | 00:08:00 | |
3 | Titel 3 | 00:06:12 | |
4 | Titel 4 | 00:07:59 | |
5 | Titel 5 | 00:06:08 | |
6 | Titel 6 | 00:08:14 | |
7 | Titel 7 | 00:05:55 | |
8 | Titel 8 | 00:06:01 | |
9 | Titel 9 | 00:04:03 | |
10 | Titel 10 | 00:08:55 | |
CD 2 | |||
1 | Titel 11 | 00:07:09 | |
2 | Titel 12 | 00:06:23 | |
3 | Titel 13 | 00:05:41 | |
4 | Titel 14 | 00:06:17 | |
5 | Titel 15 | 00:06:43 | |
6 | Titel 16 | 00:06:02 | |
7 | Titel 17 | 00:04:01 | |
8 | Titel 18 | 00:06:28 | |
9 | Titel 19 | 00:07:12 | |
10 | Titel 20 | 00:05:19 | |
11 | Titel 21 | 00:06:01 | |
12 | Titel 22 | 00:04:24 | |
13 | Titel 23 | 00:04:01 | |
CD 3 | |||
1 | Titel 24 | 00:09:49 | |
2 | Titel 25 | 00:05:37 | |
3 | Titel 26 | 00:05:08 | |
4 | Titel 27 | 00:05:30 | |
5 | Titel 28 | 00:06:25 | |
6 | Titel 29 | 00:04:57 | |
7 | Titel 30 | 00:04:44 | |
8 | Titel 31 | 00:04:05 | |
9 | Titel 32 | 00:05:51 | |
10 | Titel 33 | 00:05:58 | |
11 | Titel 34 | 00:04:20 | |
12 | Titel 35 | 00:05:32 | |
13 | Titel 36 | 00:06:05 | |
14 | Titel 37 | 00:02:24 | |
CD 4 | |||
1 | Titel 38 | 00:06:42 | |
2 | Titel 39 | 00:07:18 | |
3 | Titel 40 | 00:05:08 | |
4 | Titel 41 | 00:03:42 | |
5 | Titel 42 | 00:04:14 | |
6 | Titel 43 | 00:07:07 | |
7 | Titel 44 | 00:07:05 | |
8 | Titel 45 | 00:06:15 | |
9 | Titel 46 | 00:06:01 | |
10 | Titel 47 | 00:04:21 | |
11 | Titel 48 | 00:05:23 |
buecher-magazin.deIm Ratgeberstil hat der Pakistaner Hamid einen Roman über die Aufstiegsmöglichkeiten und Abstürze im heutigen Asien verfasst. Die Du-Anrede des Helden ist gewöhnungsbedürftig. Aber plausibel, weil er immer wieder als Erzähler nach vorne tritt, als jemand, der mit seinem Geschöpf in ständigem Kontakt ist. Jörg Pohl ist von der ersten Minute hellwach. Kühl im Ton - Sentimentalitäten gibt es nicht, wenn man in einem asiatischen Großstadt-Moloch vorwärtskommen möchte. Und so lässt er seinen namenlosen Helden lernen, wie man die Regeln und Gesetze bricht. Zupackend und dynamisch, mit heller Stimme, leitet Pohl den Mann durch all die Fährnisse von einer durch Korruption drangsalierten Kultur, bis er ganz oben angekommen ist - als Unternehmer, der mit der Ressource Wasser handelt. Und scheitert. Darin eingebettet verläuft als roter Faden eine Liebesgeschichte mit dem "hübschen Mädchen", die ihrerseits Karriere macht. Ein ganzes Leben müssen die beiden warten, bis sie zusammen kommen. Auch das ist ein hübscher Einfall in einer von klugen und scharfsinnigen Gedanken bereicherten Handlung, die Pohl so stramm vermittelt, dass man kaum zu atmen wagt.
© BÜCHERmagazin, Martin Maria Schwarz (mms)
© BÜCHERmagazin, Martin Maria Schwarz (mms)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2013Lebensratgeber für künftige Tycoons
Die Früchte der Arbeit sind köstlich, aber sie machen weder dick noch reich: Der pakistanische Autor Mohsin Hamid erzählt die Geschichte eines armen Dorfjungen, der zum Millionär wird.
Was ist ein Selbsthilfebuch? Zunächst einmal ein Buch, das seinem Autor dabei hilft, Geld zu verdienen. Wer sonst außer dem Autor könnte ein Selbsthilfebuch brauchen? Menschen, die sich selbst bei irgendetwas helfen möchten - also jeder. Wem hilft ein Selbsthilfebuch? All jenen, die wissen, was sie wollen, und bereit sind, für ihre Ziele zu kämpfen. Wie kann man wissen, was man will? Das ist das Einfachste von allem: "Also sei nun ehrlich und stell dir folgende Frage: Ist Stinkreichwerden noch immer mehr alles andere dein Ziel, dein A und O, der in Nebel gehüllte, hochgelegene Laichteich deines inneren Lachses?"
Es mag Leser des neuen Romans von Mohsin Hamid geben, die noch gar nichts wussten von der Existenz ihres inneren Lachses und der entlegenen Lage seines Laichteichs. Andere werden den Titel - "So wirst du stinkreich im boomenden Asien" - derart anziehend finden, dass sie das Buch auf der Stelle kaufen, obwohl sie nicht in Asien leben oder vorhaben, ihren Wohnsitz dorthin zu verlegen. Dabei verrät bereits die Überschrift des ersten Kapitels, dass es ohne die Bereitschaft zur Mobilität nichts werden wird mit dem Reichtum. Sie lautet: "Zieh in die Stadt".
Der dritte Roman des 1971 geborenen Pakistaners Mohsin Hamid ist ein satirisches Spiel mit dem Genre der Ratgeberliteratur, die in Tonfall und Gestus imitiert und parodiert wird, eine zynisch-melancholische Betrachtung über Grenzen, Möglichkeiten und Kosten der Selbstmanipulation, eine zunächst vor allem komisch-traurige Liebesgeschichte und schließlich die Lebensbeschreibung eines Mannes, der sich der klassischen Karriere eines Tellerwäschers, der es zum Millionär bringen will, verschrieben hat. From rags to riches - so lautet die Formel, mit dem das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lockt. Aber heute wird der einstmals amerikanische Traum vor allem in Asien geträumt.
Er beginnt in einem Dorf, wie es ärmlicher kaum denkbar ist. Das Kind, das zu Macht und Reichtum gelangen wird, ist krank, es hat Gelbsucht. Sein Krankenlager befindet sich im einzigen Zimmer seines aus gestampftem Lehm erbauten Elternhauses: "Wie du so auf der Seite liegst, ein Ohr auf der gestampften Erde, siehst du aus deiner Perspektive eines hochgereckten Wurms, wie deine Mutter deinem Vater auf den Hof folgt. Sie füttert die Wasserbüffelkuh, die dort angebunden ist, wirft am Vortag geschnittenes Futter, vermischt mit Stroh, in einen Holztrog und melkt das Tier, während es frisst. Strahlen klatschen hart in einen Blecheimer. Als sie damit fertig ist, führen die Kinder des Compounds, deine Geschwister und Cousins und Cousinen, die Büffelkuh, ihr Kalb und die Ziegen auf Futtersuche. Du hörst das Zischen der geschälten Zweige in ihren Händen, dann sind sie weg."
Auf den ersten vierzig Seiten schildert Hamid das Leben eines Jungen, der irgendwo in Asien aufwächst, vielleicht in Indien oder in Pakistan. Das Landleben hat sich hier seit dem neunzehnten Jahrhundert kaum verändert, von der Moderne ist fast nichts zu sehen, und die Großstadt ist nicht mehr als ein fernes Gerücht. Romantisch ist hier nichts. Nicht die Armut, nicht der Mangel an Hygiene, nicht die feudalistischen Strukturen, nicht die Bedrohung durch körperliche Gewalt und Missbrauch. Hamid skizziert mit knappen Strichen die rückständigen Lebensbedingungen, unter denen noch immer weite Teile der Bevölkerung im boomenden Asien leiden müssen. Die Viruserkrankung wird mit einem primitiven Hausmittelchen behandelt: "Wie du danach reglos daliegst, ein kleiner, gelbsüchtiger Dorfjunge, und dir Rettichsaft aus den Mundwinkeln rinnt und ein matschiges Fleckchen auf der Erde bildet, muss es den Anschein haben, dass stinkreich zu werden für dich unerreichbar ist. Aber hab Vertrauen. Du bist nicht so machtlos, wie du wirkst. Deine Zeit kommt noch. Jawohl, dieses Buch wird dir eine Wahl bieten."
Dann geht es Schlag auf Schlag: Dem ersten Ratschlag - "Zieh in die Stadt" - folgt der zweite: "Verschaff dir Bildung". Auf die Schule folgt die Universität, wo es noch korrupter zugeht als zuvor. Gute Noten, bestandene Examen, Empfehlungsschreiben - nichts, was man nicht kaufen oder über Beziehungen regeln könnte. Aber der Junge vom Dorf hat weder Geld noch einflussreiche Verwandte. Deshalb schließt er sich einer Organisation an, deren wahren Charakter Hamid im Ungefähren belässt. Eine Burschenschaft? Wohl kaum. Ein islamistischer Studentenbund, der soziale Kontrolle ausübt, beachtliche politische Aktivitäten entfaltet und Angst und Schrecken verbreitet? Schon eher. Hamid belässt es bei Andeutungen und hat gute Gründe dafür. Weil weder das Land noch die Stadt, noch der Junge einen Namen erhalten, könnte seine Geschichte überall in Asien spielen, zumindest überall dort, wo vormoderne Verhältnisse und eine rasant voranschreitende Modernisierung aufeinandertreffen, wo Technologien sich nahezu täglich weiterentwickeln, während gesellschaftliche Verhältnisse und soziale Ordnungen weitgehend erstarrt bleiben.
Soziale Mobilität ist in vielen asiatischen Ländern ein noch junges Phänomen. Hamid erzählt davon mit der scheinbaren Naivität der schlichten Ratgeberliteratur und dem Raffinement des gewieften Erzählers, der in Lahore aufwuchs, in Harvard Jura studierte und in Princeton Literatur. Der Absolvent amerikanischer Elite-Universitäten arbeitete einige Jahre in New York und London im Finanzsektor, bevor er mit seiner Familie nach Pakistan zurückkehrte. Seine Bücher sind in dreißig Sprachen übersetzt, der Roman "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte", 2007 auch auf Deutsch erschienen, wurde unlängst von Mira Nair verfilmt. Die "New York Times" hat ihn aus Anlass seines neuen Romans als einen der erfolgreichsten und begabtesten Schriftsteller seiner Generation bezeichnet.
Der Aufstieg eines Jungen aus kleinsten Verhältnissen zum Millionär oder Tycoon, das ist der Stoff von "Citizen Cane" und dem "Großen Gatsby". Mohsin Hamid versieht die klassische Aufsteigergeschichte mit dem Sound der populären Lebenshilfe: Aus Dale Carnegies "Sorge dich nicht, lebe" wird "Lebe nicht, werde reich." Hamid hält die genretypische Du-Perspektive konsequent ein und bleibt das ganze Buch hindurch bei der formelhaften Anrede. Gelegentlich kommentiert das Selbsthilfebuch sich selbst. Dann gibt es sich als Erzählstimme zu erkennen und bezieht in seinen Dialog mit dem Helden der Geschichte auch deren Leser mit ein: "Der Leser arbeitet nicht für den Autor. Er arbeitet für sich selbst. Darin liegt, wenn du den zugegeben voreingenommenen Ton entschuldigen magst, der Reichtum des Lesens. Und darin liegt auch ein Fingerzeig auf den Reichtum anderswo. Denn wenn du wirklich stinkreich werden willst im boomenden Asien, was wir inzwischen wohl festgestellt haben, dann musst du früher oder später für dich selbst arbeiten. Die Früchte der Arbeit sind köstlich, aber einzeln machen sie nicht besonders dick. Also teile deine nicht und beiß in die der anderen, sooft du kannst." So erscheint in ironisch gebrochener brachialkapitalistischer Perspektive auch der Leser als freier Unternehmer - als jemand, der aus der Arbeit anderer Profit bezieht.
Mittlerweile hat sich der Dorfjunge längst gemausert. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Er hat bestochen und betrogen, Mordanschlägen getrotzt und selbst Gewalt anwenden lassen. Der Kontakt zu seiner Jugendliebe, hartnäckig und bis ins hohe Alter nur als "das schöne Mädchen" bezeichnet, ist nie abgebrochen. Sie hat ihre Schönheit zu Markte getragen, ist als Model zu Ruhm und wohlhabenden Liebhabern gekommen. Dass die beiden zueinander nicht kommen konnten, hat Gründe: Sie konnten sich einander nicht leisten. Er war lange Zeit nicht wohlhabend genug für sie, und sie war schlicht zu gefährlich für ihn. Denn noch bevor Kapitel vier rät "Meide Idealisten", verkündet Kapitel drei gebieterisch "Verlieb dich nicht".
Am Ende, allen Ratschlägen zum Trotz, nimmt der Roman märchenhafte Züge an, die nicht überzeugen. Aber zweifellos ist Mohsin Hamid mit seinem dritten Roman ein bemerkenswertes Beispiel für etwas gelungen, das noch keinen rechten Namen hat: für jene Bücher, mit denen im Westen ausgebildete junge Autoren wie Hamid oder auch Taiye Selaise und Aravind Adiga in ihre Heimatländer in Afrika oder Asien zurückkehren. Das Ergebnis ist meistens ein gut kalkulierter Stilmix, nicht selten eine hurmorvoll formulierte, aber im Kern bittere Anklage gegen die globalisierte Welt, in der das Schlechte stets schneller zusammenwächst als das Gute.
HUBERT SPIEGEL
Mohsin Hamid: "So wirst du stinkreich im boomenden Asien". Roman.
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Dumont, Köln 2013. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Früchte der Arbeit sind köstlich, aber sie machen weder dick noch reich: Der pakistanische Autor Mohsin Hamid erzählt die Geschichte eines armen Dorfjungen, der zum Millionär wird.
Was ist ein Selbsthilfebuch? Zunächst einmal ein Buch, das seinem Autor dabei hilft, Geld zu verdienen. Wer sonst außer dem Autor könnte ein Selbsthilfebuch brauchen? Menschen, die sich selbst bei irgendetwas helfen möchten - also jeder. Wem hilft ein Selbsthilfebuch? All jenen, die wissen, was sie wollen, und bereit sind, für ihre Ziele zu kämpfen. Wie kann man wissen, was man will? Das ist das Einfachste von allem: "Also sei nun ehrlich und stell dir folgende Frage: Ist Stinkreichwerden noch immer mehr alles andere dein Ziel, dein A und O, der in Nebel gehüllte, hochgelegene Laichteich deines inneren Lachses?"
Es mag Leser des neuen Romans von Mohsin Hamid geben, die noch gar nichts wussten von der Existenz ihres inneren Lachses und der entlegenen Lage seines Laichteichs. Andere werden den Titel - "So wirst du stinkreich im boomenden Asien" - derart anziehend finden, dass sie das Buch auf der Stelle kaufen, obwohl sie nicht in Asien leben oder vorhaben, ihren Wohnsitz dorthin zu verlegen. Dabei verrät bereits die Überschrift des ersten Kapitels, dass es ohne die Bereitschaft zur Mobilität nichts werden wird mit dem Reichtum. Sie lautet: "Zieh in die Stadt".
Der dritte Roman des 1971 geborenen Pakistaners Mohsin Hamid ist ein satirisches Spiel mit dem Genre der Ratgeberliteratur, die in Tonfall und Gestus imitiert und parodiert wird, eine zynisch-melancholische Betrachtung über Grenzen, Möglichkeiten und Kosten der Selbstmanipulation, eine zunächst vor allem komisch-traurige Liebesgeschichte und schließlich die Lebensbeschreibung eines Mannes, der sich der klassischen Karriere eines Tellerwäschers, der es zum Millionär bringen will, verschrieben hat. From rags to riches - so lautet die Formel, mit dem das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lockt. Aber heute wird der einstmals amerikanische Traum vor allem in Asien geträumt.
Er beginnt in einem Dorf, wie es ärmlicher kaum denkbar ist. Das Kind, das zu Macht und Reichtum gelangen wird, ist krank, es hat Gelbsucht. Sein Krankenlager befindet sich im einzigen Zimmer seines aus gestampftem Lehm erbauten Elternhauses: "Wie du so auf der Seite liegst, ein Ohr auf der gestampften Erde, siehst du aus deiner Perspektive eines hochgereckten Wurms, wie deine Mutter deinem Vater auf den Hof folgt. Sie füttert die Wasserbüffelkuh, die dort angebunden ist, wirft am Vortag geschnittenes Futter, vermischt mit Stroh, in einen Holztrog und melkt das Tier, während es frisst. Strahlen klatschen hart in einen Blecheimer. Als sie damit fertig ist, führen die Kinder des Compounds, deine Geschwister und Cousins und Cousinen, die Büffelkuh, ihr Kalb und die Ziegen auf Futtersuche. Du hörst das Zischen der geschälten Zweige in ihren Händen, dann sind sie weg."
Auf den ersten vierzig Seiten schildert Hamid das Leben eines Jungen, der irgendwo in Asien aufwächst, vielleicht in Indien oder in Pakistan. Das Landleben hat sich hier seit dem neunzehnten Jahrhundert kaum verändert, von der Moderne ist fast nichts zu sehen, und die Großstadt ist nicht mehr als ein fernes Gerücht. Romantisch ist hier nichts. Nicht die Armut, nicht der Mangel an Hygiene, nicht die feudalistischen Strukturen, nicht die Bedrohung durch körperliche Gewalt und Missbrauch. Hamid skizziert mit knappen Strichen die rückständigen Lebensbedingungen, unter denen noch immer weite Teile der Bevölkerung im boomenden Asien leiden müssen. Die Viruserkrankung wird mit einem primitiven Hausmittelchen behandelt: "Wie du danach reglos daliegst, ein kleiner, gelbsüchtiger Dorfjunge, und dir Rettichsaft aus den Mundwinkeln rinnt und ein matschiges Fleckchen auf der Erde bildet, muss es den Anschein haben, dass stinkreich zu werden für dich unerreichbar ist. Aber hab Vertrauen. Du bist nicht so machtlos, wie du wirkst. Deine Zeit kommt noch. Jawohl, dieses Buch wird dir eine Wahl bieten."
Dann geht es Schlag auf Schlag: Dem ersten Ratschlag - "Zieh in die Stadt" - folgt der zweite: "Verschaff dir Bildung". Auf die Schule folgt die Universität, wo es noch korrupter zugeht als zuvor. Gute Noten, bestandene Examen, Empfehlungsschreiben - nichts, was man nicht kaufen oder über Beziehungen regeln könnte. Aber der Junge vom Dorf hat weder Geld noch einflussreiche Verwandte. Deshalb schließt er sich einer Organisation an, deren wahren Charakter Hamid im Ungefähren belässt. Eine Burschenschaft? Wohl kaum. Ein islamistischer Studentenbund, der soziale Kontrolle ausübt, beachtliche politische Aktivitäten entfaltet und Angst und Schrecken verbreitet? Schon eher. Hamid belässt es bei Andeutungen und hat gute Gründe dafür. Weil weder das Land noch die Stadt, noch der Junge einen Namen erhalten, könnte seine Geschichte überall in Asien spielen, zumindest überall dort, wo vormoderne Verhältnisse und eine rasant voranschreitende Modernisierung aufeinandertreffen, wo Technologien sich nahezu täglich weiterentwickeln, während gesellschaftliche Verhältnisse und soziale Ordnungen weitgehend erstarrt bleiben.
Soziale Mobilität ist in vielen asiatischen Ländern ein noch junges Phänomen. Hamid erzählt davon mit der scheinbaren Naivität der schlichten Ratgeberliteratur und dem Raffinement des gewieften Erzählers, der in Lahore aufwuchs, in Harvard Jura studierte und in Princeton Literatur. Der Absolvent amerikanischer Elite-Universitäten arbeitete einige Jahre in New York und London im Finanzsektor, bevor er mit seiner Familie nach Pakistan zurückkehrte. Seine Bücher sind in dreißig Sprachen übersetzt, der Roman "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte", 2007 auch auf Deutsch erschienen, wurde unlängst von Mira Nair verfilmt. Die "New York Times" hat ihn aus Anlass seines neuen Romans als einen der erfolgreichsten und begabtesten Schriftsteller seiner Generation bezeichnet.
Der Aufstieg eines Jungen aus kleinsten Verhältnissen zum Millionär oder Tycoon, das ist der Stoff von "Citizen Cane" und dem "Großen Gatsby". Mohsin Hamid versieht die klassische Aufsteigergeschichte mit dem Sound der populären Lebenshilfe: Aus Dale Carnegies "Sorge dich nicht, lebe" wird "Lebe nicht, werde reich." Hamid hält die genretypische Du-Perspektive konsequent ein und bleibt das ganze Buch hindurch bei der formelhaften Anrede. Gelegentlich kommentiert das Selbsthilfebuch sich selbst. Dann gibt es sich als Erzählstimme zu erkennen und bezieht in seinen Dialog mit dem Helden der Geschichte auch deren Leser mit ein: "Der Leser arbeitet nicht für den Autor. Er arbeitet für sich selbst. Darin liegt, wenn du den zugegeben voreingenommenen Ton entschuldigen magst, der Reichtum des Lesens. Und darin liegt auch ein Fingerzeig auf den Reichtum anderswo. Denn wenn du wirklich stinkreich werden willst im boomenden Asien, was wir inzwischen wohl festgestellt haben, dann musst du früher oder später für dich selbst arbeiten. Die Früchte der Arbeit sind köstlich, aber einzeln machen sie nicht besonders dick. Also teile deine nicht und beiß in die der anderen, sooft du kannst." So erscheint in ironisch gebrochener brachialkapitalistischer Perspektive auch der Leser als freier Unternehmer - als jemand, der aus der Arbeit anderer Profit bezieht.
Mittlerweile hat sich der Dorfjunge längst gemausert. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Er hat bestochen und betrogen, Mordanschlägen getrotzt und selbst Gewalt anwenden lassen. Der Kontakt zu seiner Jugendliebe, hartnäckig und bis ins hohe Alter nur als "das schöne Mädchen" bezeichnet, ist nie abgebrochen. Sie hat ihre Schönheit zu Markte getragen, ist als Model zu Ruhm und wohlhabenden Liebhabern gekommen. Dass die beiden zueinander nicht kommen konnten, hat Gründe: Sie konnten sich einander nicht leisten. Er war lange Zeit nicht wohlhabend genug für sie, und sie war schlicht zu gefährlich für ihn. Denn noch bevor Kapitel vier rät "Meide Idealisten", verkündet Kapitel drei gebieterisch "Verlieb dich nicht".
Am Ende, allen Ratschlägen zum Trotz, nimmt der Roman märchenhafte Züge an, die nicht überzeugen. Aber zweifellos ist Mohsin Hamid mit seinem dritten Roman ein bemerkenswertes Beispiel für etwas gelungen, das noch keinen rechten Namen hat: für jene Bücher, mit denen im Westen ausgebildete junge Autoren wie Hamid oder auch Taiye Selaise und Aravind Adiga in ihre Heimatländer in Afrika oder Asien zurückkehren. Das Ergebnis ist meistens ein gut kalkulierter Stilmix, nicht selten eine hurmorvoll formulierte, aber im Kern bittere Anklage gegen die globalisierte Welt, in der das Schlechte stets schneller zusammenwächst als das Gute.
HUBERT SPIEGEL
Mohsin Hamid: "So wirst du stinkreich im boomenden Asien". Roman.
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Dumont, Köln 2013. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
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