"In Trier ist die Intelligenz nicht zuhause ..."
"Bremen verabscheute ich vom ersten Moment an, es ist eine kleinbürgerliche, unzumutbar sterile Stadt ..." "Gibt es denn in Augsburg überhaupt einen Arzt / einen Rheumaspezialisten / in diesem muffigen verabscheuungswürdigen Nest / In dieser Lechkloake?" ...
Ohne Zweifel: Thomas Bernhard war nicht nur ein großartiger Schriftsteller, er war auch ein großartiger Städtebeschimpfer. Eine Kunst, die er mit Leidenschaft und Verve pflegte: Da wurden Berlin genauso die Leviten gelesen wie Wien, er wetterte über Bremen genauso wie über Bad Gastein. Immer sprachlich brilliant und dem Hörer insgeheim aus dem Herzen sprechend.
Ausgezeichnet mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik 2018.
Gelesen von Peter Simonischek und Michael König.
(3 CDs, Laufzeit: 3h 8)
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
"Bremen verabscheute ich vom ersten Moment an, es ist eine kleinbürgerliche, unzumutbar sterile Stadt ..." "Gibt es denn in Augsburg überhaupt einen Arzt / einen Rheumaspezialisten / in diesem muffigen verabscheuungswürdigen Nest / In dieser Lechkloake?" ...
Ohne Zweifel: Thomas Bernhard war nicht nur ein großartiger Schriftsteller, er war auch ein großartiger Städtebeschimpfer. Eine Kunst, die er mit Leidenschaft und Verve pflegte: Da wurden Berlin genauso die Leviten gelesen wie Wien, er wetterte über Bremen genauso wie über Bad Gastein. Immer sprachlich brilliant und dem Hörer insgeheim aus dem Herzen sprechend.
Ausgezeichnet mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik 2018.
Gelesen von Peter Simonischek und Michael König.
(3 CDs, Laufzeit: 3h 8)
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018Provinz, wohin
man sieht
Simonischek und König lesen
Bernhards Städtebeschimpfungen
Thomas Bernhard hat die Schimpftirade über Menschen, Städte, Institutionen zur Kunstform erhoben. Wenn er seine Figuren, etwa den Theatermacher Bruscon, sich in die allerhöchste Erregung hineinmonologisieren lässt, dann besitzt das Rhythmus und Musikalität. Genauso wie seine persönlichen Verlautbarungen, sprich die zahllosen Leserbriefe, Reden und Zeitungsartikel, die alle als Fortführung des eigentlichen Werks mit den gleichen (stilistischen) Mitteln anzusehen sind.
Insofern ist es nur folgerichtig, dass die von Raimund Fellinger 2016 für den Suhrkamp Verlag zusammengestellten „Städtebeschimpfungen“, die Drama, Prosa und öffentliche Äußerungen Bernhards vereinen, nun als Lesung vorliegen. Den virtuosen Übertreibungskünstler, der uns hier präsentiert wird, muss man hören. Von A wie Altaussee über O wie Oslo bis W wie Wien, ob Kaff oder Metropole, die provinzielle Kleingeisteshaltung ist dieselbe. „Salzburg Gmunden Altaussee, das sind nichts als Nazinester“. „Ganz zu schweigen von Oslo, enervierend“. „Wien ist eine fürchterliche Genievernichtungsmaschine“.
Peter Simonischek ist versierter Bernhard-Interpret. Gemeinsam mit Gert Voss hat er schon dessen Briefwechsel mit Siegfried Unseld hochnotkomisch eingelesen. Diesmal steht ihm Michael König zur Seite. Hier österreichisches Timbre, dort Münchner Zungenschlag. Bernhards wohlkalkulierte Lust an der Provokation führte zu Skandalen auch außerhalb Österreichs. Einer der bekanntesten nahm seinen Lauf nach der Salzburger Uraufführung von „Die Macht der Gewohnheit“. In dieser Komödie malt der Zirkusdirektor Caribaldi nicht nur unzählige Male das Menetekel „Morgen in Augsburg“ an die Wand, sondern schiebt ein paar Bosheiten über die Fuggerstadt hinterher. Allen voran „Lechkloake“.
Ganz Augsburg stand damals Kopf. Raimund Fellinger hatte für sein Buch neben Stückauszügen fast alle Dokumente rund um den Skandal aufgeführt. Im Hörbuch werden diese von König nun nüchtern, aber durchaus mit ironischem Unterton gelesen, während Simonischek in die Rolle Caribaldis schlüpft, die hier leicht gekürzt wurde. Herrlich allein schon sein verächtlich hingeworfenes „muffig“ oder die scharf vorgetragene Zurechtweisung: „Es heißt nicht Forellenquartett, es heißt Forellenquintett“.
Letztere ist ein schönes Beispiel für das philosophische Lachprogramm des Thomas Bernhard im Angesicht des Todes. Die Tragödie wird zur Komödie. Und in der Tat muss man beim Hören nicht selten spontan auflachen, und manchmal scheint es, als müssten auch die Sprecher an sich halten, um nicht loszuprusten. Aus der Komödie wird jedoch zunehmend wieder eine Tragödie. Vor dem Hintergrund eines überall aufkeimenden Nationalismus werden Bernhards Texte gerade wieder hochaktuell. In dem der Stadt Traunstein gewidmeten „Maiandacht. Ein Volksstück als wahre Begebenheit“ sind die Sündenböcke schnell gefunden: „A so a Gsindl/da schaugn s a nu eina de Türkn/aso a Gsindl a gräusligs/Dö fressn uns alles weg/Tan nix und fressn uns alles weg.“ Wer hier gegenwärtige Stimmungen assoziiert, liegt nicht falsch.
FLORIAN WELLE
„A so a Gsindl … aso a
Gsindl a gräusligs …“
Thomas Bernhard:
Städtebeschimpfungen. Gelesen von Peter
Simonischek und
Michael König. 3 CDs, ca. 188 Min. Der Hörverlag, München 2018. 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
man sieht
Simonischek und König lesen
Bernhards Städtebeschimpfungen
Thomas Bernhard hat die Schimpftirade über Menschen, Städte, Institutionen zur Kunstform erhoben. Wenn er seine Figuren, etwa den Theatermacher Bruscon, sich in die allerhöchste Erregung hineinmonologisieren lässt, dann besitzt das Rhythmus und Musikalität. Genauso wie seine persönlichen Verlautbarungen, sprich die zahllosen Leserbriefe, Reden und Zeitungsartikel, die alle als Fortführung des eigentlichen Werks mit den gleichen (stilistischen) Mitteln anzusehen sind.
Insofern ist es nur folgerichtig, dass die von Raimund Fellinger 2016 für den Suhrkamp Verlag zusammengestellten „Städtebeschimpfungen“, die Drama, Prosa und öffentliche Äußerungen Bernhards vereinen, nun als Lesung vorliegen. Den virtuosen Übertreibungskünstler, der uns hier präsentiert wird, muss man hören. Von A wie Altaussee über O wie Oslo bis W wie Wien, ob Kaff oder Metropole, die provinzielle Kleingeisteshaltung ist dieselbe. „Salzburg Gmunden Altaussee, das sind nichts als Nazinester“. „Ganz zu schweigen von Oslo, enervierend“. „Wien ist eine fürchterliche Genievernichtungsmaschine“.
Peter Simonischek ist versierter Bernhard-Interpret. Gemeinsam mit Gert Voss hat er schon dessen Briefwechsel mit Siegfried Unseld hochnotkomisch eingelesen. Diesmal steht ihm Michael König zur Seite. Hier österreichisches Timbre, dort Münchner Zungenschlag. Bernhards wohlkalkulierte Lust an der Provokation führte zu Skandalen auch außerhalb Österreichs. Einer der bekanntesten nahm seinen Lauf nach der Salzburger Uraufführung von „Die Macht der Gewohnheit“. In dieser Komödie malt der Zirkusdirektor Caribaldi nicht nur unzählige Male das Menetekel „Morgen in Augsburg“ an die Wand, sondern schiebt ein paar Bosheiten über die Fuggerstadt hinterher. Allen voran „Lechkloake“.
Ganz Augsburg stand damals Kopf. Raimund Fellinger hatte für sein Buch neben Stückauszügen fast alle Dokumente rund um den Skandal aufgeführt. Im Hörbuch werden diese von König nun nüchtern, aber durchaus mit ironischem Unterton gelesen, während Simonischek in die Rolle Caribaldis schlüpft, die hier leicht gekürzt wurde. Herrlich allein schon sein verächtlich hingeworfenes „muffig“ oder die scharf vorgetragene Zurechtweisung: „Es heißt nicht Forellenquartett, es heißt Forellenquintett“.
Letztere ist ein schönes Beispiel für das philosophische Lachprogramm des Thomas Bernhard im Angesicht des Todes. Die Tragödie wird zur Komödie. Und in der Tat muss man beim Hören nicht selten spontan auflachen, und manchmal scheint es, als müssten auch die Sprecher an sich halten, um nicht loszuprusten. Aus der Komödie wird jedoch zunehmend wieder eine Tragödie. Vor dem Hintergrund eines überall aufkeimenden Nationalismus werden Bernhards Texte gerade wieder hochaktuell. In dem der Stadt Traunstein gewidmeten „Maiandacht. Ein Volksstück als wahre Begebenheit“ sind die Sündenböcke schnell gefunden: „A so a Gsindl/da schaugn s a nu eina de Türkn/aso a Gsindl a gräusligs/Dö fressn uns alles weg/Tan nix und fressn uns alles weg.“ Wer hier gegenwärtige Stimmungen assoziiert, liegt nicht falsch.
FLORIAN WELLE
„A so a Gsindl … aso a
Gsindl a gräusligs …“
Thomas Bernhard:
Städtebeschimpfungen. Gelesen von Peter
Simonischek und
Michael König. 3 CDs, ca. 188 Min. Der Hörverlag, München 2018. 18 Euro.
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»Wenn Bernhard wortmächtig seine Steine wirft, kann das Klirren der Scheiben nirgendwo schöner klingen als in Simonischeks Interpretation.« Augsburger Allgemeine