Drei Auftragskiller mit eigenen Methoden: Die Zikade tötet mit dem Messer. Der Pusher stößt Menschen vor Autos. Und der Wal treibt seine Opfer dazu, sich selbst das Leben zu nehmen. Die drei gelten in Tokios Unterwelt als unerreichte Meister ihres Fachs. Das ändert sich schlagartig, als sie auf Suzuki treffen, einen einfachen Mann und ehemaligen Mathematikprofessor, der ein glückliches Leben führte, bis seine Frau ermordet wurde. Suzuki bringt in Erfahrung, dass der Sohn des Mafiabosses der Großstadt für den Tod seiner geliebten Frau verantwortlich ist. Getrieben von Rache begibt sich Suzuki in die Unterwelt der Metropole, die damit für die Zikade, den Pusher und den Wal zur tödlichen Arena wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2023Unter Auftragskillern
Der japanische Bestseller-Autor Kotaro Isaka schickt einen Mathelehrer in die Unterwelt. Eine gute Idee?
Suzuki ist sauer. Seine Frau ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, verschuldet durch den Sohn eines Kriminellen, der keinerlei Reue für die Tat zeigt. Also beschließt der junge Mann, der eigentlich ein milder Mensch und Lehrer ist, Rache zu nehmen. So viel verrät schon der Titel von Kotaro Isakas Thriller "Suzukis Rache". Der Lehrer hat sich also in die Organisation des Kriminellen eingeschleust, arbeitet daran, das Vertrauen des Mörders seiner Frau zu gewinnen und muss dabei feststellen, dass ihr Leben nicht das einzige ist, das der Gangster auf dem Gewissen hat.
Während Suzuki noch darüber nachdenkt, wie weit er für seine Tarnung zu gehen bereit ist, sitzt nicht weit weg ein anderer Auftragsmörder vor seinem Opfer. Er nennt sich der Wal, hat die massive Gestalt des Meeressäugers, eine Vorliebe für das Lesen in einem zerfledderten Taschenbuch von Dostojewskis "Schuld und Sühne" und er hat die Gabe, Menschen davon zu überzeugen, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. Einige Politiker und Vorstandschefs hat er so auf Wunsch ihrer Konkurrenz schon ins Jenseits befördert. Er weiß genau wie viele, denn ihre Geister verfolgen ihn. Manchmal tauchen sie bei einer Fahrt mit der U-Bahn auf, manchmal mitten im Hotelzimmer, wo der Wal seine Opfer von der Notwendigkeit des Todes überzeugen will.
Auch Suzuki spricht mit einem Geist. Er führt Gespräche mit seiner Frau, spielt Szenen mit ihr immer wieder durch - und hält sich klugerweise an ihre Ratschläge, die ihm so manches Mal das Leben retten, ist er doch eher durch und durch Lehrer und weder abgebrüht, noch clever genug für die Gesellschaft, in die er sich auf seinem Rachetrip begeben hat. Diese Ebene der Geistergespräche verbindet nicht nur Suzuki und den Wal, sie ist auch der einzige Schlenker in die Kultur und Religion Japans, den sich Isaka erlaubt.
Der Wal wird einmal mit einem Geist diskutieren, in welcher Form dieser wiedergeboren werden will. Von derlei Mystik abgesehen könnten Isakas Auftragskiller, die hier fast ausschließlich den Roman bevölkern - Zivilpersonal kommt kaum vor -, genauso gut in einer europäischen oder amerikanischen Metropole ihr Unwesen treiben.
Was Isaka schreibt, klingt manchmal direkt wie aus einem amerikanischen Film, merkte ein japanischer Literaturkritiker einmal an. Da gehörten die Bücher des Autors zwar schon in Japan zu den Bestsellern, - mehr als vierzig Romane hat er in seiner Heimat mittlerweile veröffentlicht, einige sind dort auch als Film adaptiert worden -, Isaka war jedoch erst dabei, auch im englischsprachigen Ausland berühmt zu werden. Den Durchbruch brachte ihm 2022 die Verfilmung seines Romans "Maria Beetle", der als amerikanischer Actionfilm "Bullet Train" mit Brad Pitt in die Kinos kam.
Auch darin geht es um Auftragskiller und Kriminelle, die sich in einem Schnellzug über den Weg laufen und dabei feststellen, dass sie mitunter die gleiche Zielperson haben. Kurz vor dem Kinostart im Sommer des vergangenen Jahres ist der Roman auch auf Deutsch herausgekommen. "Suzukis Rache" ist nun das zweite Buch, das hierzulande übersetzt wurde. Den Ton, der stark an die harten, abgeklärten Dialoge besagter Actionfilme erinnert, behält er auch hier bei. So fragt etwa ein Auftragskiller einen anderen, wie er damit umgehe, wenn er töte: "Erfindet du dann Ausreden oder Rechtfertigungen, oder rezitierst du Sutren?" Der Gefragte reagiert nur irritiert: "Was will der von mir? Als würde ein Catcher einen Pitcher fragen, ob der Schlagmann Gefühle für den Ball hat, wenn er draufdrischt."
Das Schreiben war für den Autor nie ein Hobby, auch wenn er es lange nebenher betreiben musste. Noch als Student begann er mit Kurzgeschichten. Als er nach dem Studium als Ingenieur arbeitete, stand er jeden Morgen um 5 Uhr auf, um Szenen für seine Bücher auszuarbeiten. Manchmal setzte er sich auch nach der Arbeit noch an seinen Laptop und schrieb weiter. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman in Japan, er erhielt sofort Preise. Zwei Jahre später überzeugte ihn seine Frau davon, den Ingenieursjob an den Nagel zu hängen und sich komplett den Büchern zu widmen.
Als Kind hatte er Krimis verschlungen, liebte Agatha Christie und Ellery Queen. Mit den klassischen Whodunits haben seine Romane aber wenig zu tun. Die finden sich eher bei seiner japanischen Konkurrenz, von der in den vergangenen Jahren so einiges auf Deutsch erschien. Man denke an Riku Ondas "Die Aosawa-Morde" (F.A.Z. vom 2. Mai 2022), in denen eine Familie bei einem rauschenden Fest an Zyanid in den Getränken stirbt und nur die blinde Tochter überlebt; oder an das Werk des japanischen Krimimeisters Seishi Yokomizo, das hierzulande gerade entdeckt wird. Der Kriminalroman "Die rätselhaften Honjin-Morde" (F.A.Z. vom 7. November 2022), in dem ein Ermittler in den späten Dreißigerjahren den Mord in einem geschlossenen Raum aufzuklären versucht, in dem ein frischvermähltes Paar des Nachts mit einem Samurai-Schwert umgebracht wurde, machte im vergangenen Jahr den Anfang. Weitere Übersetzungen seiner Bücher, die sprachlich wie in ihrer Erfindungsgabe in nichts den Krimiklassikern des westlichen Kanons nachstehen, folgen nun.
Isaka schreibt anders, weniger feinsinnig, weniger sprachsensibel, was schlicht an der Wahl der Untergenres liegt. Sein Debüt kratzte noch am Fantasy-Genre, in dem es einem Polizisten eine sprechende Vogelscheuche und eine Katze zur Seite stellte, die das Wetter vorhersagen kann. Seitdem widmet er sich harten Thrillern, in denen Messer und Stöcke gern detailliert in Körperteilen landen. So ist das auch in "Suzukis Rache" - wo ausschließlich Auftragskiller unterwegs sind. Nur die Figur Suzukis, die für dieses Spiel nicht gemacht ist, zieht mit ihrer Unbeholfenheit die Sympathien der Leser auf sich, Man hofft, dass sie überlebt. MARIA WIESNER
Kotaro Isaka: "Suzukis Rache". Thriller.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023.
304 S., geb., 24.- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der japanische Bestseller-Autor Kotaro Isaka schickt einen Mathelehrer in die Unterwelt. Eine gute Idee?
Suzuki ist sauer. Seine Frau ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, verschuldet durch den Sohn eines Kriminellen, der keinerlei Reue für die Tat zeigt. Also beschließt der junge Mann, der eigentlich ein milder Mensch und Lehrer ist, Rache zu nehmen. So viel verrät schon der Titel von Kotaro Isakas Thriller "Suzukis Rache". Der Lehrer hat sich also in die Organisation des Kriminellen eingeschleust, arbeitet daran, das Vertrauen des Mörders seiner Frau zu gewinnen und muss dabei feststellen, dass ihr Leben nicht das einzige ist, das der Gangster auf dem Gewissen hat.
Während Suzuki noch darüber nachdenkt, wie weit er für seine Tarnung zu gehen bereit ist, sitzt nicht weit weg ein anderer Auftragsmörder vor seinem Opfer. Er nennt sich der Wal, hat die massive Gestalt des Meeressäugers, eine Vorliebe für das Lesen in einem zerfledderten Taschenbuch von Dostojewskis "Schuld und Sühne" und er hat die Gabe, Menschen davon zu überzeugen, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. Einige Politiker und Vorstandschefs hat er so auf Wunsch ihrer Konkurrenz schon ins Jenseits befördert. Er weiß genau wie viele, denn ihre Geister verfolgen ihn. Manchmal tauchen sie bei einer Fahrt mit der U-Bahn auf, manchmal mitten im Hotelzimmer, wo der Wal seine Opfer von der Notwendigkeit des Todes überzeugen will.
Auch Suzuki spricht mit einem Geist. Er führt Gespräche mit seiner Frau, spielt Szenen mit ihr immer wieder durch - und hält sich klugerweise an ihre Ratschläge, die ihm so manches Mal das Leben retten, ist er doch eher durch und durch Lehrer und weder abgebrüht, noch clever genug für die Gesellschaft, in die er sich auf seinem Rachetrip begeben hat. Diese Ebene der Geistergespräche verbindet nicht nur Suzuki und den Wal, sie ist auch der einzige Schlenker in die Kultur und Religion Japans, den sich Isaka erlaubt.
Der Wal wird einmal mit einem Geist diskutieren, in welcher Form dieser wiedergeboren werden will. Von derlei Mystik abgesehen könnten Isakas Auftragskiller, die hier fast ausschließlich den Roman bevölkern - Zivilpersonal kommt kaum vor -, genauso gut in einer europäischen oder amerikanischen Metropole ihr Unwesen treiben.
Was Isaka schreibt, klingt manchmal direkt wie aus einem amerikanischen Film, merkte ein japanischer Literaturkritiker einmal an. Da gehörten die Bücher des Autors zwar schon in Japan zu den Bestsellern, - mehr als vierzig Romane hat er in seiner Heimat mittlerweile veröffentlicht, einige sind dort auch als Film adaptiert worden -, Isaka war jedoch erst dabei, auch im englischsprachigen Ausland berühmt zu werden. Den Durchbruch brachte ihm 2022 die Verfilmung seines Romans "Maria Beetle", der als amerikanischer Actionfilm "Bullet Train" mit Brad Pitt in die Kinos kam.
Auch darin geht es um Auftragskiller und Kriminelle, die sich in einem Schnellzug über den Weg laufen und dabei feststellen, dass sie mitunter die gleiche Zielperson haben. Kurz vor dem Kinostart im Sommer des vergangenen Jahres ist der Roman auch auf Deutsch herausgekommen. "Suzukis Rache" ist nun das zweite Buch, das hierzulande übersetzt wurde. Den Ton, der stark an die harten, abgeklärten Dialoge besagter Actionfilme erinnert, behält er auch hier bei. So fragt etwa ein Auftragskiller einen anderen, wie er damit umgehe, wenn er töte: "Erfindet du dann Ausreden oder Rechtfertigungen, oder rezitierst du Sutren?" Der Gefragte reagiert nur irritiert: "Was will der von mir? Als würde ein Catcher einen Pitcher fragen, ob der Schlagmann Gefühle für den Ball hat, wenn er draufdrischt."
Das Schreiben war für den Autor nie ein Hobby, auch wenn er es lange nebenher betreiben musste. Noch als Student begann er mit Kurzgeschichten. Als er nach dem Studium als Ingenieur arbeitete, stand er jeden Morgen um 5 Uhr auf, um Szenen für seine Bücher auszuarbeiten. Manchmal setzte er sich auch nach der Arbeit noch an seinen Laptop und schrieb weiter. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman in Japan, er erhielt sofort Preise. Zwei Jahre später überzeugte ihn seine Frau davon, den Ingenieursjob an den Nagel zu hängen und sich komplett den Büchern zu widmen.
Als Kind hatte er Krimis verschlungen, liebte Agatha Christie und Ellery Queen. Mit den klassischen Whodunits haben seine Romane aber wenig zu tun. Die finden sich eher bei seiner japanischen Konkurrenz, von der in den vergangenen Jahren so einiges auf Deutsch erschien. Man denke an Riku Ondas "Die Aosawa-Morde" (F.A.Z. vom 2. Mai 2022), in denen eine Familie bei einem rauschenden Fest an Zyanid in den Getränken stirbt und nur die blinde Tochter überlebt; oder an das Werk des japanischen Krimimeisters Seishi Yokomizo, das hierzulande gerade entdeckt wird. Der Kriminalroman "Die rätselhaften Honjin-Morde" (F.A.Z. vom 7. November 2022), in dem ein Ermittler in den späten Dreißigerjahren den Mord in einem geschlossenen Raum aufzuklären versucht, in dem ein frischvermähltes Paar des Nachts mit einem Samurai-Schwert umgebracht wurde, machte im vergangenen Jahr den Anfang. Weitere Übersetzungen seiner Bücher, die sprachlich wie in ihrer Erfindungsgabe in nichts den Krimiklassikern des westlichen Kanons nachstehen, folgen nun.
Isaka schreibt anders, weniger feinsinnig, weniger sprachsensibel, was schlicht an der Wahl der Untergenres liegt. Sein Debüt kratzte noch am Fantasy-Genre, in dem es einem Polizisten eine sprechende Vogelscheuche und eine Katze zur Seite stellte, die das Wetter vorhersagen kann. Seitdem widmet er sich harten Thrillern, in denen Messer und Stöcke gern detailliert in Körperteilen landen. So ist das auch in "Suzukis Rache" - wo ausschließlich Auftragskiller unterwegs sind. Nur die Figur Suzukis, die für dieses Spiel nicht gemacht ist, zieht mit ihrer Unbeholfenheit die Sympathien der Leser auf sich, Man hofft, dass sie überlebt. MARIA WIESNER
Kotaro Isaka: "Suzukis Rache". Thriller.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023.
304 S., geb., 24.- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Kotaro Isakas Auftragskiller-Roman erinnert Rezensentin Maria Wiesner an amerikanische Actionfilme. Wie in älteren Büchern des Autors dominierten hartgekochte Sprüche und eine viszerale Sprache, während die Spezifik der japanischen Kultur höchstens hier und da kurz aufblitze. Isaka ist zwar ein Fan klassischer Kriminalliteratur, lesen wir, von seinen eigenen Werken sollte man sich jedoch keine gediegene Spurensuche in der Agatha-Christie-Tradition erwarten, wie sie in Japan etwa die Krimis von Riku Onda und Seishi Yokomizo bieten, rät Wiesner. Der rabiatere Stil Isakas passt aber gut zu der Art von Geschichten, die er erzählt, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Seine Bücher stehen sprachlich wie in ihrer Erfindungsgabe in nichts den Krimiklassikern des westlichen Kanons nach.« Maria Wiesner Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kotaro Isakas Auftragskiller-Roman erinnert Rezensentin Maria Wiesner an amerikanische Actionfilme. Wie in älteren Büchern des Autors dominierten hartgekochte Sprüche und eine viszerale Sprache, während die Spezifik der japanischen Kultur höchstens hier und da kurz aufblitze. Isaka ist zwar ein Fan klassischer Kriminalliteratur, lesen wir, von seinen eigenen Werken sollte man sich jedoch keine gediegene Spurensuche in der Agatha-Christie-Tradition erwarten, wie sie in Japan etwa die Krimis von Riku Onda und Seishi Yokomizo bieten, rät Wiesner. Der rabiatere Stil Isakas passt aber gut zu der Art von Geschichten, die er erzählt, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH