Named a Best Book of the Year by Elle, The Washington Post, Rolling Stone, NPR, Financial Times, Vanity Fair, and more! “In Britney Spears’s memoir, she’s stronger than ever.” —The New York Times Over 2 million copies sold of the “moving” (Time), “powerful” (Los Angeles Times), “radiant” (The New York Times), “poignant” (Vogue) #1 New York Times bestseller. The Woman in Me is a brave and astonishingly moving story about freedom, fame, motherhood, survival, faith, and hope. In June 2021, the whole world was listening as Britney Spears spoke in open court. The impact of sharing her voice—her truth—was undeniable, and it changed the course of her life and the lives of countless others. The Woman in Me reveals for the first time her incredible journey—and the strength at the core of one of the greatest performers in pop music history. Written with remarkable candor and humor, Spears’s groundbreaking book illuminates the enduring power of music and love—and the importance of a woman telling her own story, on her own terms, at last.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2023Ab sofort bin ich Britney Spears
Die Sängerin hat über viele Jahre Missbrauch durch Vater, Management und Medien erfahren. Mit "The Woman in Me" erzählt sie ihre Geschichte selbst.
Über mehr als zwei Jahrzehnte hat sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt, das als Skandal zu betrachten, was Britney Spears tat. Dabei war der eigentliche Skandal immer schon das, was ihr widerfahren ist. Nur hat diese Geschichte lange keiner hören wollen; zu profitabel war die "Prinzessin des Pop", wie ihre Fans sie nannten, zu anziehend der frühreife Teenager, zu dem sie stilisiert wurde, zu unterhaltsam die arme Irre, als die sie bald diffamiert wurde. Nur eines war sie bis heute selten in den Augen der Klatschmedien, die über sie schrieben, und all jener, die Millionen an ihr verdienten: ein Mensch, der, wie so viele andere auch, seinen Weg sucht, in einer Welt, die nicht für ihn gemacht zu sein scheint. Nun hat Britney Spears ihre Geschichte niedergeschrieben. Mit "The Woman in Me" stellt sie den unzähligen Deutungen, die über ihr Leben angestellt wurden, die eigene entgegen - und die Welt scheint endlich auch bereit, ihr zuzuhören.
Es gibt heute kaum jemanden, der sich nicht daran erinnert, wie Spears 2007 mit der Schermaschine in der Hand in einem Friseursalon saß und sich den Kopf rasierte. Paparazzi hatten ihren Wagen verfolgt, filmten durch die milchige Scheibe des Salons, als die Mitte Zwanzigjährige in einer Phase der akuten postnatalen Depression einen Zusammenbruch erlitt, wie sie schreibt. Kurz zuvor hatte sie das Sorgerecht für ihre Kinder verloren, und ihr ehemaliger Partner, Kevin Federline, von dem sie kaum seit drei Monaten getrennt war, hatte erwirkt, dass sie ihre Söhne - fünf Monate und anderthalb Jahre alt - nicht mehr sehen durfte. Unmittelbar vor den Szenen, die um die Welt gingen, stand sie vor seiner Haustür, bettelte darum, ihre Kinder kurz sehen zu dürfen, und wurde abgewiesen.
Während sie damals als Partygirl mit Alkohol- und Drogenproblem galt, das nicht wusste, was es tat, schreibt die heute Einundvierzigjährige, dass die langen blonden Haare, die sie sich vom Kopf rasierte, ein wichtiger Teil dessen waren, was die Menschen - vor allem die Männer - an ihr mochten. Sie waren Symbol ihrer Gefälligkeit. "Mir den Kopf kahl zu scheren war eine Möglichkeit, aller Welt zu sagen: Fuck you. Ich soll hübsch für euch sein?" Die Glatze war ein Bruch mit den Erwartungen, die Abkehr vom Image des braven Mädchens. Selbst ihre Mutter habe sie plötzlich hässlich gefunden. Es war ein Akt des Aufbegehrens gegen die Fremdbestimmung ihrer Person, die sie zeitlebens über sich ergehen lassen musste: wahlweise wurde sie als Sexsymbol oder Flittchen, Herzensbrecherin, Rabenmutter, Süchtige und Wahnsinnige betrachtet. Vor allem aber als jemand, der allen gehörte und allen etwas bieten musste. Ein Narrativ, das schließlich in einer Vormundschaft gipfelte, die aus heutiger Sicht nicht anders denn als jahrelange Freiheitsberaubung zu betrachten ist - und als eigentlicher Skandal im Leben von Britney Spears. Davon erzählt sie heute in nüchternen Worten. Ihre Berichte decken sich mit journalistischen Recherchen der letzten Jahre und lassen kaum Zweifel an der Glaubwürdigkeit.
Schon mit zehn Jahren war sie auf ersten Castings, kurz darauf Teil einer Show am Broadway. Damals habe ein Mann ihr Komplimente für ihre Augen gemacht, sie gefragt, ob sie einen Freund habe. Bekanntheit erlangte sie mit elf, als sie neben Christina Aguilera, Ryan Gosling und Justin Timberlake im "Mickey Mouse Club" auftrat. Der Durchbruch kam mit ". . . Baby One More Time", einem Lied über eine verflossene Liebe. Im Video tanzt sie in knapper Schulmädchenuniform, blickt lasziv in die Kamera, während sie die Liedzeilen "Hit me baby one more time" singt (das sei, sagte der Produzent Jahre später, Jugend-Slang für "Ruf mich noch einmal an"). Damals war Spears sechzehn.
Wenn sie auf die Zeit zurückblickt, erinnert sie sich an immer mehr ältere Männer im Publikum ihrer Konzerte, die sie "schier wahnsinnig vor Angst" machten mit ihren lüsternen Blicken. Sie sei eine Art Lolita-Phantasie für sie gewesen. Zeitgleich begann die Kritik an ihren Auftritten: Ihre Outfits seien zu sexy. Bei MTV wurde sie gefragt, was sie von dem Vorwurf halte, die Jugend zu verderben? In schlechter Gesellschaft kann sie sich damit nicht wähnen, möchte man ihr beispringen, doch damals tat alle Welt so, als habe sie das alles als Minderjährige selbst zu verantworten.
Im gleichen Jahr begann Spears eine Beziehung mit Timberlake. Fremdgegangen seien sie beide: "Eine Nacht war für uns etwas, das mal passieren konnte, wenn man so jung ist." Es folgte eine Abtreibung auf dem Boden des Badezimmers, zu der Timberlake sie drängte - und schließlich die Trennung. "In den Medien wurde ich als Schlampe beschrieben, die Amerikas Goldjungen das Herz gebrochen hat." Kein Wort sei darüber zu lesen gewesen, dass auch er sie betrogen hatte. Bei Männern war das nicht der Rede wert, und andersherum vermarktete es sich ohnehin viel besser, denn Timberlake hatte gerade die Single "Cry Me a River" über eine schmerzhafte Trennung rausgebracht. Mit 20 kam also der Wechsel im Blick auf Spears: Jetzt war sie nicht mehr die unerreichbare Jungfrau, die jeder wollte, sondern das dreckige Flittchen, an dem sich alle abarbeiteten. Das war der Anfang der Nullerjahre, und die Klatschpresse liebte diese Art von Geschichten: Paris Hilton, Lindsay Lohan, Christina Aguilera. Keiner der jungen Frauen gestand die Presse zu, erwachsen zu werden und selbstbestimmt über ihr Sexualleben oder Alkoholkonsum entscheiden zu können.
Daran änderte sich auch in Spears' Beziehung mit Federline nichts, die kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes endete und medial wieder einmal zu ihrer Entwürdigung führte. "Es gab niemanden, der bemerkte, wie sich mein Zustand immer weiter verschlechterte - abgesehen natürlich von den Paparazzi Amerikas." 2008 folgte die Einweisung in eine psychiatrische Klinik und die gerichtliche Anordnung, ihren Vater - "einen bankrotten Alkoholiker", wie sie sagt - als Vormund einzusetzen.
Er blieb es dreizehn Jahre lang.
In dieser Zeit spielte Spears Hunderte Shows, schrieb Welthits, trat in Serien auf, und vor allem verdiente sie Abermillionen, auf die sie selbst in all der Zeit keinen Zugriff hatte, die aber Vater und Management reich machten. Es waren Jahre des Missbrauchs, die sie heute so benennen kann, in denen ihr Vater sie rund um die Uhr abhorchen und von Sicherheitsmännern begleiten ließ, ihr Handy ebenso wie ihre Ernährung kontrollierte, sie von ihren Freunden isolierte, jeden potentiellen Date-Partner vorher interviewte, ihr das Autofahren verbot und ihr weniger als Taschengeld zugestand, als er selbst für die Vormundschaft bezahlt bekam. Sogar ihre Verhütung und Toilettengänge soll er überwacht haben. "Ab sofort bin ich Britney Spears", habe er bei der Übernahme gesagt. "Wie viele Männer haben ihr gesamtes Geld verzockt, wie viele hatten Drogenprobleme oder psychische Störungen? Aber niemand hat versucht, ihnen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Geld zu nehmen", schreibt Spears. Eine bittere Einsicht. Ihre Weiblichkeit mag vielleicht nicht der Grund für die Einsetzung der Vormundschaft gewesen sein, zweifellos aber die Ursache dafür, dass diese über so viele Jahre bestehen blieb.
Spears' Körper war über all die Jahre etwas, das als Gemeingut betrachtet wurde. Menschen waren sauer, wenn sie Haare oder Gewicht änderte, als gehe es um ihren eigenen Leib. Der Raub ihrer Freiheit war auch Produkt einer misogynen medialen Öffentlichkeit, die einer erwachsenen Frau, die einmal aus der Bahn geraten war, nicht zugestand, ihren Weg wieder finden zu können. KIRA KRAMER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Sängerin hat über viele Jahre Missbrauch durch Vater, Management und Medien erfahren. Mit "The Woman in Me" erzählt sie ihre Geschichte selbst.
Über mehr als zwei Jahrzehnte hat sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt, das als Skandal zu betrachten, was Britney Spears tat. Dabei war der eigentliche Skandal immer schon das, was ihr widerfahren ist. Nur hat diese Geschichte lange keiner hören wollen; zu profitabel war die "Prinzessin des Pop", wie ihre Fans sie nannten, zu anziehend der frühreife Teenager, zu dem sie stilisiert wurde, zu unterhaltsam die arme Irre, als die sie bald diffamiert wurde. Nur eines war sie bis heute selten in den Augen der Klatschmedien, die über sie schrieben, und all jener, die Millionen an ihr verdienten: ein Mensch, der, wie so viele andere auch, seinen Weg sucht, in einer Welt, die nicht für ihn gemacht zu sein scheint. Nun hat Britney Spears ihre Geschichte niedergeschrieben. Mit "The Woman in Me" stellt sie den unzähligen Deutungen, die über ihr Leben angestellt wurden, die eigene entgegen - und die Welt scheint endlich auch bereit, ihr zuzuhören.
Es gibt heute kaum jemanden, der sich nicht daran erinnert, wie Spears 2007 mit der Schermaschine in der Hand in einem Friseursalon saß und sich den Kopf rasierte. Paparazzi hatten ihren Wagen verfolgt, filmten durch die milchige Scheibe des Salons, als die Mitte Zwanzigjährige in einer Phase der akuten postnatalen Depression einen Zusammenbruch erlitt, wie sie schreibt. Kurz zuvor hatte sie das Sorgerecht für ihre Kinder verloren, und ihr ehemaliger Partner, Kevin Federline, von dem sie kaum seit drei Monaten getrennt war, hatte erwirkt, dass sie ihre Söhne - fünf Monate und anderthalb Jahre alt - nicht mehr sehen durfte. Unmittelbar vor den Szenen, die um die Welt gingen, stand sie vor seiner Haustür, bettelte darum, ihre Kinder kurz sehen zu dürfen, und wurde abgewiesen.
Während sie damals als Partygirl mit Alkohol- und Drogenproblem galt, das nicht wusste, was es tat, schreibt die heute Einundvierzigjährige, dass die langen blonden Haare, die sie sich vom Kopf rasierte, ein wichtiger Teil dessen waren, was die Menschen - vor allem die Männer - an ihr mochten. Sie waren Symbol ihrer Gefälligkeit. "Mir den Kopf kahl zu scheren war eine Möglichkeit, aller Welt zu sagen: Fuck you. Ich soll hübsch für euch sein?" Die Glatze war ein Bruch mit den Erwartungen, die Abkehr vom Image des braven Mädchens. Selbst ihre Mutter habe sie plötzlich hässlich gefunden. Es war ein Akt des Aufbegehrens gegen die Fremdbestimmung ihrer Person, die sie zeitlebens über sich ergehen lassen musste: wahlweise wurde sie als Sexsymbol oder Flittchen, Herzensbrecherin, Rabenmutter, Süchtige und Wahnsinnige betrachtet. Vor allem aber als jemand, der allen gehörte und allen etwas bieten musste. Ein Narrativ, das schließlich in einer Vormundschaft gipfelte, die aus heutiger Sicht nicht anders denn als jahrelange Freiheitsberaubung zu betrachten ist - und als eigentlicher Skandal im Leben von Britney Spears. Davon erzählt sie heute in nüchternen Worten. Ihre Berichte decken sich mit journalistischen Recherchen der letzten Jahre und lassen kaum Zweifel an der Glaubwürdigkeit.
Schon mit zehn Jahren war sie auf ersten Castings, kurz darauf Teil einer Show am Broadway. Damals habe ein Mann ihr Komplimente für ihre Augen gemacht, sie gefragt, ob sie einen Freund habe. Bekanntheit erlangte sie mit elf, als sie neben Christina Aguilera, Ryan Gosling und Justin Timberlake im "Mickey Mouse Club" auftrat. Der Durchbruch kam mit ". . . Baby One More Time", einem Lied über eine verflossene Liebe. Im Video tanzt sie in knapper Schulmädchenuniform, blickt lasziv in die Kamera, während sie die Liedzeilen "Hit me baby one more time" singt (das sei, sagte der Produzent Jahre später, Jugend-Slang für "Ruf mich noch einmal an"). Damals war Spears sechzehn.
Wenn sie auf die Zeit zurückblickt, erinnert sie sich an immer mehr ältere Männer im Publikum ihrer Konzerte, die sie "schier wahnsinnig vor Angst" machten mit ihren lüsternen Blicken. Sie sei eine Art Lolita-Phantasie für sie gewesen. Zeitgleich begann die Kritik an ihren Auftritten: Ihre Outfits seien zu sexy. Bei MTV wurde sie gefragt, was sie von dem Vorwurf halte, die Jugend zu verderben? In schlechter Gesellschaft kann sie sich damit nicht wähnen, möchte man ihr beispringen, doch damals tat alle Welt so, als habe sie das alles als Minderjährige selbst zu verantworten.
Im gleichen Jahr begann Spears eine Beziehung mit Timberlake. Fremdgegangen seien sie beide: "Eine Nacht war für uns etwas, das mal passieren konnte, wenn man so jung ist." Es folgte eine Abtreibung auf dem Boden des Badezimmers, zu der Timberlake sie drängte - und schließlich die Trennung. "In den Medien wurde ich als Schlampe beschrieben, die Amerikas Goldjungen das Herz gebrochen hat." Kein Wort sei darüber zu lesen gewesen, dass auch er sie betrogen hatte. Bei Männern war das nicht der Rede wert, und andersherum vermarktete es sich ohnehin viel besser, denn Timberlake hatte gerade die Single "Cry Me a River" über eine schmerzhafte Trennung rausgebracht. Mit 20 kam also der Wechsel im Blick auf Spears: Jetzt war sie nicht mehr die unerreichbare Jungfrau, die jeder wollte, sondern das dreckige Flittchen, an dem sich alle abarbeiteten. Das war der Anfang der Nullerjahre, und die Klatschpresse liebte diese Art von Geschichten: Paris Hilton, Lindsay Lohan, Christina Aguilera. Keiner der jungen Frauen gestand die Presse zu, erwachsen zu werden und selbstbestimmt über ihr Sexualleben oder Alkoholkonsum entscheiden zu können.
Daran änderte sich auch in Spears' Beziehung mit Federline nichts, die kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes endete und medial wieder einmal zu ihrer Entwürdigung führte. "Es gab niemanden, der bemerkte, wie sich mein Zustand immer weiter verschlechterte - abgesehen natürlich von den Paparazzi Amerikas." 2008 folgte die Einweisung in eine psychiatrische Klinik und die gerichtliche Anordnung, ihren Vater - "einen bankrotten Alkoholiker", wie sie sagt - als Vormund einzusetzen.
Er blieb es dreizehn Jahre lang.
In dieser Zeit spielte Spears Hunderte Shows, schrieb Welthits, trat in Serien auf, und vor allem verdiente sie Abermillionen, auf die sie selbst in all der Zeit keinen Zugriff hatte, die aber Vater und Management reich machten. Es waren Jahre des Missbrauchs, die sie heute so benennen kann, in denen ihr Vater sie rund um die Uhr abhorchen und von Sicherheitsmännern begleiten ließ, ihr Handy ebenso wie ihre Ernährung kontrollierte, sie von ihren Freunden isolierte, jeden potentiellen Date-Partner vorher interviewte, ihr das Autofahren verbot und ihr weniger als Taschengeld zugestand, als er selbst für die Vormundschaft bezahlt bekam. Sogar ihre Verhütung und Toilettengänge soll er überwacht haben. "Ab sofort bin ich Britney Spears", habe er bei der Übernahme gesagt. "Wie viele Männer haben ihr gesamtes Geld verzockt, wie viele hatten Drogenprobleme oder psychische Störungen? Aber niemand hat versucht, ihnen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Geld zu nehmen", schreibt Spears. Eine bittere Einsicht. Ihre Weiblichkeit mag vielleicht nicht der Grund für die Einsetzung der Vormundschaft gewesen sein, zweifellos aber die Ursache dafür, dass diese über so viele Jahre bestehen blieb.
Spears' Körper war über all die Jahre etwas, das als Gemeingut betrachtet wurde. Menschen waren sauer, wenn sie Haare oder Gewicht änderte, als gehe es um ihren eigenen Leib. Der Raub ihrer Freiheit war auch Produkt einer misogynen medialen Öffentlichkeit, die einer erwachsenen Frau, die einmal aus der Bahn geraten war, nicht zugestand, ihren Weg wieder finden zu können. KIRA KRAMER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Emerging radiant through the chaos . . . in Britney Spears's memoir, she's stronger than ever. . . . [It's] presented so cleanly and candidly that The Woman in Me seems designed to be read in one sitting. It's nearly impossible to come out of it without empathy for and real outrage on behalf of Spears, whose admitted bitterness over the dire circumstances of the last decade-plus of her life . . . is tempered by an enduring, insistent optimism." -The New York Times
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2023Ein Stück von ihr
Britney Spears’ niederschmetterndes Buch „The Woman in Me“ über ihr Leben in Vormundschaft
Es gibt viel Spott darüber, wie sich Britney Spears auf Instagram präsentiert, seit der Popstar wieder eigene Entscheidungen treffen darf. Gespottet wird darüber, dass sie knapp bekleidet in ihrem Wohnzimmer tanzt. Manchmal mit Messern. Manchmal sind die Tänze sexuell. Oft blickt sie dabei direkt in die Kamera, als sähe sie sich selbst zum ersten Mal. Eine gewisse verstört-erstaunte Neugier im Blick. „Sperrt sie wieder ein“ lauten viele der Kommentare zu diesen Videos, die Clips seien bizarr, das habe man nun davon. Liest man Spears am Mittwoch erschienene Autobiografie, versteht man allerdings den Sinn hinter diesen Videos.
Man versteht, dass Spears sich in gewissem Sinne wohl tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren wirklich ansehen kann, dass sie – die sich über 13 Jahre in ihren Menschenrechten beschnitten fühlte, kontrolliert, zum Arbeiten gezwungen und eingesperrt – demnach zum ersten Mal die Möglichkeit hat, anzuziehen, was sie will, und ins Internet zu stellen, wonach ihr gerade ist. Sie staunt über ihre Freiheit und sieht sich selbst dabei zu.
Man sollte sich nicht täuschen lassen: Auch wenn der Titel der Autobiografie „The Woman In Me“ erst einmal nach einem Online-Selbstfindungskurs für 40 Dollar die Woche inklusive Morgenmeditation klingt – dies ist kein erbauliches Buch. Die Autobiografie berichtet nochmal aus ihrer Perspektive, wie harsch die Umstände der Vormundschaft ihres Vaters für sie waren. Spears, so berichtet sie, durfte nicht entscheiden, was sie isst. Nicht entscheiden, wen sie trifft. Männer, die sie daten wollte, mussten vorher ein Screening durchlaufen, schreibt sie. Sie durfte „unpassende“ Freunde nicht sehen, keine Nahrungsergänzungsmittel nehmen, nicht über ihr eigenes Geld verfügen. War gegen ihren Willen auf birth control. Wurde selbst in ihrem eigenen Schlafzimmer überwacht.
„Man behandelte mich wie eine Kriminelle. Mir wurde eingeredet, ich hätte es verdient, und sie sorgten dafür, dass ich mein Selbstwertgefühl und meine Selbstachtung verlor“, schreibt sie, und: „Wie viele männliche Künstler haben ihr gesamtes Geld verzockt, wie viele hatten Drogenprobleme oder psychische Störungen? Aber niemand hat versucht, ihnen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Geld zu nehmen. Ich habe nicht verdient, was meine Familie mir angetan hat.“
Verstörend an dem, was sie in ihrem Buch schildert, ist aus heutiger Perspektive auch, wie wenig all das versteckt wurde. Wenn Spears im Buch ihre Songs „Piece Of Me“ und „Work Bitch“ erwähnt, erinnert man sich plötzlich anders an diese Songs: „Work Bitch“ erschien 2017, während Spears ihrer Erzählung nach tatsächlich gezwungen wurde zu touren, während ihr Vater sich selbst ein höheres Gehalt auszahlte als ihr.
In den Neunzigern, schreibt sie, sei sie schwanger von ihrem Kollegen aus dem Mickey-Mouse-Club Justin Timberlake geworden, ein Detail, auf das sich die Boulevardmedien schon vor Erscheinen des Buches gestürzt haben. Er sei nicht glücklich gewesen, schreibt sie darin, und: „Wahrscheinlich werden mich einige Leute dafür hassen, aber letztendlich stimmte ich zu, das Kind nicht auszutragen.“
Später bekam sie zwei Söhne mit dem Musiker Kevin Federline, die ihr nach einem heftigen Sorgerechtsstreit weggenommen wurden. „Niemand schien zu verstehen, dass ich verrückt war vor Schmerz, weil mir meine Kinder weggenommen worden waren“, schreibt sie über die Zeit, in der sie sich öffentlich den Kopf rasieren ließ und auf Paparazzi losging. Und zitiert eine Freundin, die später zu ihr sagte: „Hätte man mir mein Baby weggenommen, hätte ich viel mehr getan, als mir nur den Kopf zu scheren. Ich hätte die ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt.“
In gewissem Sinne ähnelt Britney Spears’ Geschichte der von Sinead O’Connor, die 15 Jahre vorher zur Popfeindin Nummer 1 erklärt wurde, nachdem sie ein Bild des Papstes zerrissen hatte, um auf Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam zu machen. Die Leben beider Frauen werden gerade neu bewertet. Wären sie ohne „Me Too“ einfach als irre gewordene Popstars in die Geschichte eingegangen? Hoffen wir, dass es noch viel mehr Autobiografien geben wird. Und die Popgeschichte neu geschrieben.
JULIANE LIEBERT
Eine freie Frau: Britney Spears 2019 in Hollywood.
Foto: Kay Blake/Zuma Wire/dpa
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Britney Spears’ niederschmetterndes Buch „The Woman in Me“ über ihr Leben in Vormundschaft
Es gibt viel Spott darüber, wie sich Britney Spears auf Instagram präsentiert, seit der Popstar wieder eigene Entscheidungen treffen darf. Gespottet wird darüber, dass sie knapp bekleidet in ihrem Wohnzimmer tanzt. Manchmal mit Messern. Manchmal sind die Tänze sexuell. Oft blickt sie dabei direkt in die Kamera, als sähe sie sich selbst zum ersten Mal. Eine gewisse verstört-erstaunte Neugier im Blick. „Sperrt sie wieder ein“ lauten viele der Kommentare zu diesen Videos, die Clips seien bizarr, das habe man nun davon. Liest man Spears am Mittwoch erschienene Autobiografie, versteht man allerdings den Sinn hinter diesen Videos.
Man versteht, dass Spears sich in gewissem Sinne wohl tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren wirklich ansehen kann, dass sie – die sich über 13 Jahre in ihren Menschenrechten beschnitten fühlte, kontrolliert, zum Arbeiten gezwungen und eingesperrt – demnach zum ersten Mal die Möglichkeit hat, anzuziehen, was sie will, und ins Internet zu stellen, wonach ihr gerade ist. Sie staunt über ihre Freiheit und sieht sich selbst dabei zu.
Man sollte sich nicht täuschen lassen: Auch wenn der Titel der Autobiografie „The Woman In Me“ erst einmal nach einem Online-Selbstfindungskurs für 40 Dollar die Woche inklusive Morgenmeditation klingt – dies ist kein erbauliches Buch. Die Autobiografie berichtet nochmal aus ihrer Perspektive, wie harsch die Umstände der Vormundschaft ihres Vaters für sie waren. Spears, so berichtet sie, durfte nicht entscheiden, was sie isst. Nicht entscheiden, wen sie trifft. Männer, die sie daten wollte, mussten vorher ein Screening durchlaufen, schreibt sie. Sie durfte „unpassende“ Freunde nicht sehen, keine Nahrungsergänzungsmittel nehmen, nicht über ihr eigenes Geld verfügen. War gegen ihren Willen auf birth control. Wurde selbst in ihrem eigenen Schlafzimmer überwacht.
„Man behandelte mich wie eine Kriminelle. Mir wurde eingeredet, ich hätte es verdient, und sie sorgten dafür, dass ich mein Selbstwertgefühl und meine Selbstachtung verlor“, schreibt sie, und: „Wie viele männliche Künstler haben ihr gesamtes Geld verzockt, wie viele hatten Drogenprobleme oder psychische Störungen? Aber niemand hat versucht, ihnen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Geld zu nehmen. Ich habe nicht verdient, was meine Familie mir angetan hat.“
Verstörend an dem, was sie in ihrem Buch schildert, ist aus heutiger Perspektive auch, wie wenig all das versteckt wurde. Wenn Spears im Buch ihre Songs „Piece Of Me“ und „Work Bitch“ erwähnt, erinnert man sich plötzlich anders an diese Songs: „Work Bitch“ erschien 2017, während Spears ihrer Erzählung nach tatsächlich gezwungen wurde zu touren, während ihr Vater sich selbst ein höheres Gehalt auszahlte als ihr.
In den Neunzigern, schreibt sie, sei sie schwanger von ihrem Kollegen aus dem Mickey-Mouse-Club Justin Timberlake geworden, ein Detail, auf das sich die Boulevardmedien schon vor Erscheinen des Buches gestürzt haben. Er sei nicht glücklich gewesen, schreibt sie darin, und: „Wahrscheinlich werden mich einige Leute dafür hassen, aber letztendlich stimmte ich zu, das Kind nicht auszutragen.“
Später bekam sie zwei Söhne mit dem Musiker Kevin Federline, die ihr nach einem heftigen Sorgerechtsstreit weggenommen wurden. „Niemand schien zu verstehen, dass ich verrückt war vor Schmerz, weil mir meine Kinder weggenommen worden waren“, schreibt sie über die Zeit, in der sie sich öffentlich den Kopf rasieren ließ und auf Paparazzi losging. Und zitiert eine Freundin, die später zu ihr sagte: „Hätte man mir mein Baby weggenommen, hätte ich viel mehr getan, als mir nur den Kopf zu scheren. Ich hätte die ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt.“
In gewissem Sinne ähnelt Britney Spears’ Geschichte der von Sinead O’Connor, die 15 Jahre vorher zur Popfeindin Nummer 1 erklärt wurde, nachdem sie ein Bild des Papstes zerrissen hatte, um auf Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam zu machen. Die Leben beider Frauen werden gerade neu bewertet. Wären sie ohne „Me Too“ einfach als irre gewordene Popstars in die Geschichte eingegangen? Hoffen wir, dass es noch viel mehr Autobiografien geben wird. Und die Popgeschichte neu geschrieben.
JULIANE LIEBERT
Eine freie Frau: Britney Spears 2019 in Hollywood.
Foto: Kay Blake/Zuma Wire/dpa
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