"Unter dem Strich ist das 'Titan'-Hörbuch ein gut siebenstündiger Geschichtsunterricht, der durch das Glossar im Booklet, in dem die wichtigsten Personen und Ämter erklärt werden, hilfreich unterstützt wird." -- Harburger Anzeigen und Nachrichten
"'Titan' von Robert Harris ist ein handwerklich gut gemachtes Hörbuch, und eine konsequente Weiterführung des Vorgängers 'Imperium'. Aber auch alleinstehend ist das Werk für den Geschichts- und Krimi-Liebhaber eine spannende Erzählung. Besonders die gut recherchierten Hintergrundinformationen und -Bilder, sowie die neu eingeführte Nennung der Kapitel gefallen." -- www.audiobooks.at
Cicero hat es geschafft - Verhandlungsgeschick und sein Redetalent haben ihn an die Spitze der Macht gebracht, und er bekleidet als Konsul das höchste Amt in der römischen Republik. Aber seine Widersacher haben sich längst formiert. Eine große Verschwörung droht die Republik zu stürzen. Und immer wieder scheint es der gerissene Caesar zu sein, der im Hintergrund die Fäden zieht ...
"'Titan' von Robert Harris ist ein handwerklich gut gemachtes Hörbuch, und eine konsequente Weiterführung des Vorgängers 'Imperium'. Aber auch alleinstehend ist das Werk für den Geschichts- und Krimi-Liebhaber eine spannende Erzählung. Besonders die gut recherchierten Hintergrundinformationen und -Bilder, sowie die neu eingeführte Nennung der Kapitel gefallen." -- www.audiobooks.at
Cicero hat es geschafft - Verhandlungsgeschick und sein Redetalent haben ihn an die Spitze der Macht gebracht, und er bekleidet als Konsul das höchste Amt in der römischen Republik. Aber seine Widersacher haben sich längst formiert. Eine große Verschwörung droht die Republik zu stürzen. Und immer wieder scheint es der gerissene Caesar zu sein, der im Hintergrund die Fäden zieht ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2009Jetzt geht es der Republik an den Kragen
Das Böse zu verraten ist eine Tugend: Robert Harris setzt mit "Titan" seine Lebensbeschreibung Ciceros fort
Es ist das Buch, nach dem sich die Fachwelt die Finger abschlecken würde. Die Biographie des Marcus Tullius Cicero, verfasst von seinem langjährigen Sklaven, Privatsekretär und Vertrauten Tiro. Dass es geschrieben wurde, ist belegt, vermutlich wenige Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung - Tiro überlebte Cicero um Jahrzehnte. Sein Buch ist allerdings im Strudel der Zeiten versunken, für die Forschung schmerzlich, für Autoren, die sich dieses Lebens auf einer fiktionalen Ebene annehmen wollen, ein willkommener Umstand. Der Brite Robert Harris hat ihn clever genutzt und mit "Imperium" (2006), dem ersten einer auf drei Bände angelegten Romanbiographie, einen Bestseller gelandet.
Die Antike, erklärt Harris derzeit in allen Interviews, sei ihm deshalb so sympathisch, weil sie Ambition und Machtstreben nicht verwarf, sondern gut damit zurechtkam, wenn einer seine Ansprüche laut und deutlich artikulierte. Das ist einerseits sehr fern von uns - Baron zu Guttenberg darf keinesfalls zugeben, dass er ins Kanzleramt möchte - und andererseits noch nah, wenn man sich an Gerhard Schröder erinnert, der keine Zweifel daran ließ, dass er genau da "reinwollte". Harris hat als Autor mittlerweile ein ähnliches Problem. Er ist zum Erfolg verdammt, weil er als internationale Marke im Geschäft mit den großen Geschichten nicht versagen darf. Seit seinem Debüt "Vaterland" (1994) hat er sich zeitgeschichtlicher Stoffe bemächtigt (Hitler, Geheimdienste etc.) und sie lebendig gemacht. Sein erster Ausflug in die Antike "Pompeji" (2003) war ein gelungenes Beispiel dieser Anverwandlungskunst.
Man sagt Harris einen legendären Vernetzungsgrad in den politischen Eliten des Vereinigten Königreichs nach. Davon kündet wie zum Beweis bereits die Widmung an einen gewissen "Peter" - wohinter sich niemand anders verbirgt als Baron Peter Mandelson, britischer Handelsminister, Mitglied des Oberhauses und ehemaliger Kommunikationsstratege von Tony Blair. So geht schon vor dem ersten Satz ineinander über, was den gelernten politischen Journalisten Harris immer schon bevorzugt interessiert hat: Politik, Politik und nochmals Politik. Es ist kein Zufall, dass sich das Erscheinen des Nachfolgers von "Imperium" verzögerte. Harris wollte mit "Ghost" (2007) partout eine aktuelle Bilanz des Blair-Imperiums dazwischenschieben - und lieferte prompt ein schwaches Werk ab.
Dafür legt er jetzt seinen bislang komplexesten Roman vor. Das liegt aber primär an der historischen Vorlage. Denn die Wirren in den Endjahren der römischen Republik diktieren die Abfolge der Erzählung. Kannte die Laufbahn Ciceros im ersten Band nur eine Richtung, Karriere marsch!, steht der homo novus nun im höchsten Amt, wenn das Buch einsetzt: Er ist Konsul. Die Sitten verfallen, die politische Klasse ist korrupt bis ins Mark, das Amt gönnt ihm keine Atempause, und ohne dass er es merkte, treibt seine Existenz schon unbarmherzig auf jenen Wendepunkt zu, von dem er sich nie mehr erholen wird. Zwar gelingt es ihm, die Verschwörung des Catilina zu vereiteln, aber am Ende zwingt Cäsar ihn ins Exil.
Davor liegt eine schier endlose Kette von Intrigen, Ruf- und Lustmorden, Ehebruch, Bestechung, Verrat. Überall Gefahren: Pompeius wartet mit vierzigtausend Legionären noch immer auf seinen Triumphzug, die verarmte Landbevölkerung ist Verfügungsmasse für Aufrührer, die Römer selbst stecken in der Schuldenfalle, Attentate sind an der Tagesordnung - und inmitten dieses Malstroms fährt der begnadete Redner und gar nicht instinktsichere Cicero einen riskanten Schlingerkurs, der in der Lesart seines Autors Robert Harris nur belegt, dass das moralisch Richtige in der Politik das Falsche sein kann - und es meistens ist. Anders als Cäsar fehlte Cicero das letzte Quentchen Machtgier, der unbedingte Wille zur Alleinherrschaft. Einen solchen Mann lenken zu wollen, darauf konnte auch nur ein Cicero verfallen, weil er selbst Opfer seiner falschen Selbsteinschätzung war. Vor allem aber macht Harris schön anschaulich, was den römischen Politikbetrieb fundamental von unserem unterschied: Es bestand zu jeder Zeit Gefahr für Leib und Leben.
Schade, dass man in der deutschen Übersetzung den alles und nichts sagenden Titel "Titan" gewählt hat. Denn der Originaltitel "Lustrum" hat eine raffiniertere Schattierung. Er bezeichnet zum einen ein Tieropfer, dann die Reinigung und Neuaufstellung des Bürgerheeres, welche konstitutiv für die Identität des römischen Bürgerrechts war und alle fünf Jahre vonstattenging; woraus sich die dritte und geläufigste Bedeutung herleitet - der zufolge das Wort für eine Zeitspanne von fünf Jahren steht und damit das längste verbindliche Zeitmaß der römischen Welt beschreibt. Harris verwendet es, weil er die fünf entscheidenden Jahre im Leben Ciceros von 63 bis 58 vor Christus abhandelt.
Der Faden, aus dem diese Geschichte gewirkt ist, ist lang und verworren, zu kompliziert für einen Page-Turner. Robert Harris ist seriös genug, nicht zu simplifizieren. Das wird die Position des Buches auf den Bestellerlisten schwächen und seinen Ruf, ein Autor zu sein, der stets stark anfängt und mittelmäßig fortfährt, nicht beseitigen. Aber er hat etwas riskiert. Dem Leser dämmert die Einsicht, dass der fiktionale Transport der antiken Lebenswelt ein Geschäft ist, dem nicht immer mit den Mitteln des Thrillers beizukommen ist - zumal, wenn sich das wahre Drama in den Köpfen und nicht auf dem Schlachtfeld abspielt. Und er kann sich an den vielen herrlichen Zitaten freuen, die Koautor Cicero mitliefert, etwa wenn er über Cato so urteilt: "Im Senat spricht er, als lebe er in Platons Idealstaat und nicht in Romulus' Drecksloch."
HANNES HINTERMEIER
Robert Harris: "Titan". Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Wilhelm Heyne Verlag, München 2009. 541 S., 2 Karten, geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Böse zu verraten ist eine Tugend: Robert Harris setzt mit "Titan" seine Lebensbeschreibung Ciceros fort
Es ist das Buch, nach dem sich die Fachwelt die Finger abschlecken würde. Die Biographie des Marcus Tullius Cicero, verfasst von seinem langjährigen Sklaven, Privatsekretär und Vertrauten Tiro. Dass es geschrieben wurde, ist belegt, vermutlich wenige Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung - Tiro überlebte Cicero um Jahrzehnte. Sein Buch ist allerdings im Strudel der Zeiten versunken, für die Forschung schmerzlich, für Autoren, die sich dieses Lebens auf einer fiktionalen Ebene annehmen wollen, ein willkommener Umstand. Der Brite Robert Harris hat ihn clever genutzt und mit "Imperium" (2006), dem ersten einer auf drei Bände angelegten Romanbiographie, einen Bestseller gelandet.
Die Antike, erklärt Harris derzeit in allen Interviews, sei ihm deshalb so sympathisch, weil sie Ambition und Machtstreben nicht verwarf, sondern gut damit zurechtkam, wenn einer seine Ansprüche laut und deutlich artikulierte. Das ist einerseits sehr fern von uns - Baron zu Guttenberg darf keinesfalls zugeben, dass er ins Kanzleramt möchte - und andererseits noch nah, wenn man sich an Gerhard Schröder erinnert, der keine Zweifel daran ließ, dass er genau da "reinwollte". Harris hat als Autor mittlerweile ein ähnliches Problem. Er ist zum Erfolg verdammt, weil er als internationale Marke im Geschäft mit den großen Geschichten nicht versagen darf. Seit seinem Debüt "Vaterland" (1994) hat er sich zeitgeschichtlicher Stoffe bemächtigt (Hitler, Geheimdienste etc.) und sie lebendig gemacht. Sein erster Ausflug in die Antike "Pompeji" (2003) war ein gelungenes Beispiel dieser Anverwandlungskunst.
Man sagt Harris einen legendären Vernetzungsgrad in den politischen Eliten des Vereinigten Königreichs nach. Davon kündet wie zum Beweis bereits die Widmung an einen gewissen "Peter" - wohinter sich niemand anders verbirgt als Baron Peter Mandelson, britischer Handelsminister, Mitglied des Oberhauses und ehemaliger Kommunikationsstratege von Tony Blair. So geht schon vor dem ersten Satz ineinander über, was den gelernten politischen Journalisten Harris immer schon bevorzugt interessiert hat: Politik, Politik und nochmals Politik. Es ist kein Zufall, dass sich das Erscheinen des Nachfolgers von "Imperium" verzögerte. Harris wollte mit "Ghost" (2007) partout eine aktuelle Bilanz des Blair-Imperiums dazwischenschieben - und lieferte prompt ein schwaches Werk ab.
Dafür legt er jetzt seinen bislang komplexesten Roman vor. Das liegt aber primär an der historischen Vorlage. Denn die Wirren in den Endjahren der römischen Republik diktieren die Abfolge der Erzählung. Kannte die Laufbahn Ciceros im ersten Band nur eine Richtung, Karriere marsch!, steht der homo novus nun im höchsten Amt, wenn das Buch einsetzt: Er ist Konsul. Die Sitten verfallen, die politische Klasse ist korrupt bis ins Mark, das Amt gönnt ihm keine Atempause, und ohne dass er es merkte, treibt seine Existenz schon unbarmherzig auf jenen Wendepunkt zu, von dem er sich nie mehr erholen wird. Zwar gelingt es ihm, die Verschwörung des Catilina zu vereiteln, aber am Ende zwingt Cäsar ihn ins Exil.
Davor liegt eine schier endlose Kette von Intrigen, Ruf- und Lustmorden, Ehebruch, Bestechung, Verrat. Überall Gefahren: Pompeius wartet mit vierzigtausend Legionären noch immer auf seinen Triumphzug, die verarmte Landbevölkerung ist Verfügungsmasse für Aufrührer, die Römer selbst stecken in der Schuldenfalle, Attentate sind an der Tagesordnung - und inmitten dieses Malstroms fährt der begnadete Redner und gar nicht instinktsichere Cicero einen riskanten Schlingerkurs, der in der Lesart seines Autors Robert Harris nur belegt, dass das moralisch Richtige in der Politik das Falsche sein kann - und es meistens ist. Anders als Cäsar fehlte Cicero das letzte Quentchen Machtgier, der unbedingte Wille zur Alleinherrschaft. Einen solchen Mann lenken zu wollen, darauf konnte auch nur ein Cicero verfallen, weil er selbst Opfer seiner falschen Selbsteinschätzung war. Vor allem aber macht Harris schön anschaulich, was den römischen Politikbetrieb fundamental von unserem unterschied: Es bestand zu jeder Zeit Gefahr für Leib und Leben.
Schade, dass man in der deutschen Übersetzung den alles und nichts sagenden Titel "Titan" gewählt hat. Denn der Originaltitel "Lustrum" hat eine raffiniertere Schattierung. Er bezeichnet zum einen ein Tieropfer, dann die Reinigung und Neuaufstellung des Bürgerheeres, welche konstitutiv für die Identität des römischen Bürgerrechts war und alle fünf Jahre vonstattenging; woraus sich die dritte und geläufigste Bedeutung herleitet - der zufolge das Wort für eine Zeitspanne von fünf Jahren steht und damit das längste verbindliche Zeitmaß der römischen Welt beschreibt. Harris verwendet es, weil er die fünf entscheidenden Jahre im Leben Ciceros von 63 bis 58 vor Christus abhandelt.
Der Faden, aus dem diese Geschichte gewirkt ist, ist lang und verworren, zu kompliziert für einen Page-Turner. Robert Harris ist seriös genug, nicht zu simplifizieren. Das wird die Position des Buches auf den Bestellerlisten schwächen und seinen Ruf, ein Autor zu sein, der stets stark anfängt und mittelmäßig fortfährt, nicht beseitigen. Aber er hat etwas riskiert. Dem Leser dämmert die Einsicht, dass der fiktionale Transport der antiken Lebenswelt ein Geschäft ist, dem nicht immer mit den Mitteln des Thrillers beizukommen ist - zumal, wenn sich das wahre Drama in den Köpfen und nicht auf dem Schlachtfeld abspielt. Und er kann sich an den vielen herrlichen Zitaten freuen, die Koautor Cicero mitliefert, etwa wenn er über Cato so urteilt: "Im Senat spricht er, als lebe er in Platons Idealstaat und nicht in Romulus' Drecksloch."
HANNES HINTERMEIER
Robert Harris: "Titan". Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Wilhelm Heyne Verlag, München 2009. 541 S., 2 Karten, geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main