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Wie konnte IN TAUSEND TAGEN so viel passieren?
Wer sich selbst nach einem halben Jahrhundert wiederbegegnet, muss auf Überraschungen gefasst sein. Hans Magnus Enzensberger hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen: Ein zufälliger Kellerfund gab den Anlass für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Entstanden ist ein autobiografischer Rückblick auf ein Jahrzehnt des Tumults. 1963 wird der Autor unverhofft zum Gast auf Chruschtschows Datscha in Gagra. Drei Jahre später durchreist er die UdSSR vom äußersten Süden bis nach Sibirien. Indes nehmen die Verwicklungen der…mehr

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Produktbeschreibung
Wie konnte IN TAUSEND TAGEN so viel passieren?

Wer sich selbst nach einem halben Jahrhundert wiederbegegnet, muss auf Überraschungen gefasst sein. Hans Magnus Enzensberger hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen: Ein zufälliger Kellerfund gab den Anlass für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Entstanden ist ein autobiografischer Rückblick auf ein Jahrzehnt des Tumults. 1963 wird der Autor unverhofft zum Gast auf Chruschtschows Datscha in Gagra. Drei Jahre später durchreist er die UdSSR vom äußersten Süden bis nach Sibirien. Indes nehmen die Verwicklungen der konfliktreichen Beziehung zu seiner zweiten, russischen Frau ihren Anfang. 1968/69 gerät der Dichter dann in eine Phase des politischen und privaten Tumults. Mitten im Vietnamkrieg folgt er einer Einladung an die Wesleyan University, aber schon lockt das Kuba der Revolution. Doch sind die Fraktionskämpfe der außerparlamentarischen Opposition in Berlin nicht so weit entfernt, als dass der Dichter nicht auch auf diesem Schauplatz zum Akteur würde ...

(4 CD, Laufzeit: 5h 10)

Autorenporträt
Enzensberger, Hans Magnus§Hans Magnus Enzensberger, 1929 in Kaufbeuren geboren, zählt zu den renommiertesten Schriftstellern der deutschen Literatur seit 1945. Neben seinen vielen Büchern für Erwachsene hat der Vater zweier Töchter auch immer wieder Texte für Kinder und Jugendliche veröffentlicht: Seine 1961 herausgegebene Kinderreim-Sammlung "Allerleirauh" findet bis heute große Beachtung. Seine Einführung in die Mathematik "Der Zahlenteufel" aus dem Jahr 1997 wurde mit dem "LUCHS" ausgezeichnet und von Focus und DeutschlandRadio zu einem der "7 besten Bücher für junge Leser" gewählt. Zu seinen aktuellsten Werken zählen "Nomaden im Regal" (2003), "Dialoge zwischen Unsterblichen, Lebendigen und Toten. Natürliche Gedichte." (2004), "Schreckens Männer" (2006) und "Tumult" (2014). Hans Magnus Enzensberger lebt heute in München.

Hunstein, Stefan§Der Künstler und Schauspieler Stefan Hunstein, geboren 1957, studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart. Seit 1977 betätigt er sich neben Theaterengagements, Lesungen und Rollen in Fernseh- und Kinofilmen auch erfolgreich als Fotokünstler. Stefan Hunstein ist Mitglied des Bayerischen Staatschauspiels.
Trackliste
CD 1
1Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:00:08
2Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:05:26
3Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:06:39
4Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:05:59
5Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:05:20
6Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:05:44
7Aufzeichnungen von einer ersten Begegnung mit Russland, 196300:06:11
8Postscripta, 201400:02:23
9Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:06:25
10Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:06:15
11Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:06:48
12Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:06:46
13Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:08:10
14Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:49
CD 2
1Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:42
2Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:59
3Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:52
4Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:06:56
5Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:54
6Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:20
7Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:30
8Gekritzelte Tagebuchnotizen von einer Reise durch die Sowjetunion und ihre Folgen, 196600:05:27
9Postscripta, 201400:03:52
10Prämissen, 201500:07:36
11Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:04:46
12Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:37
13Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:04:37
14Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:04:37
CD 3
1Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:41
2Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:51
3Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:04
4Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:44
5Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:06:32
6Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:31
7Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:54
8Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:01
9Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:05:51
10Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:06:33
11Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:06:58
12Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:06:21
13Erinnerungen an einen Tumult, 1967-197000:06:58
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2014

Das Marmorierte im Menschen

Im Gespräch mit seinem jüngeren Ich: Hans Magnus Enzensbergers Erinnerungen an die sechziger Jahre sind höchster Literaturgenuss und ein Meisterstück der Ironie.

Dieses Buch ruft ständig den Satz eines anderen Dichters in Erinnerung: "In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen." Das, was Brecht 1927 im Gedicht "Vom armen B. B." feststellte, das bekräftigt Hans Magnus Enzensberger in seinem neuen Buch "Tumult" für sich selbst mit Lust. Eine Kostprobe? Lieber gleich zwei, drei. Zum Beginn der Studentenproteste im Jahr 1967 schreibt Enzensberger lapidar: "Ich war nicht dabei. Ich war wieder einmal woanders." Wenig später heißt es: "Ich habe das meiste vergessen und das Wichtigste nicht verstanden." Und: "Mehr als eine Nacht hinter Gittern habe ich nicht vorzuweisen. Einen deutlicheren Beweis für meine Harmlosigkeit kann es kaum geben." Warum sollten uns die Erinnerungen eines Mannes an die sechziger Jahre interessieren, der abwesend, unverständig und harmlos war und unverändert zu sein behauptet?

Weil er all das nicht war oder ist. Es war Enzensberger, zu dem sich Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin mit Andreas Baader 1970 aufmachten, nachdem sie diesen gerade gewaltsam befreit und damit den Geburtsakt der RAF vollzogen hatten - der Hausherr wies ihnen die Tür mit Verweis darauf, dass er polizeilich überwacht werde. Es war Enzensberger, in dessen Wohnung 1967 die Kommune 1 ihr erstes Domizil fand - der Hausherr weilte auf Reisen in Italien. Es war Enzensberger, der als einziges deutsches Mitglied einer internationalen Schriftstellerdelegation 1963 ins Ferienquartier des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow eingeladen wurde - der Hausherr erwies sich als schlichtes Gemüt, wie sein alles andere als schlichter Besucher in einem beispiellosen Kabinettstück der Porträtkunst festgehalten hat (F.A.Z. vom 18. Oktober). Doch all dies, so beteuert Enzensberger jedes Mal, widerfuhr ihm ohne eigenes Zutun, auch "daß ich aus reinem Zufall, um nicht zu sagen aus Versehen, bei Chruschtschow in seiner Sommerresidenz zu Gast war".

Zufall aber ist bei Enzensberger gar nichts. Spätestens seit er 1963 als erst Dreiunddreißigjähriger den Büchnerpreis zugesprochen bekam, ist er eine maßgebliche Stimme nicht nur der deutschen Literatur, und diesen Status hat er durch nimmermüde publizistische und auch politische Aktivitäten gestärkt, ohne dabei wie seine Generationsgenossen Günter Grass und Martin Walser allzu forciert vorzugehen. Das widersprach dem Selbstverständnis dieses Gentleman-Versprechers. Zum Selbstverständnis Enzensbergers gehört aber durchaus die Rolle des Hans Magnus im Glück.

Und das hat auch bei der Abfassung von "Tumult" die Hände mit im Spiel gehabt. Im Buch erfahren wir, weshalb Enzensberger - "Ich will mir gar nicht alles merken, was mich betrifft" - seine Erinnerungen an die sechziger Jahre nun doch veröffentlicht hat: weil das Material schon da war, nur lag es vergessen im Münchner Keller. "Zwischen Weinregal und Werkzeugkasten dämmerten einige Pappschachteln vor sich hin. Ich öffnete sie auf der Suche nach irgendeinem alten Vertrag und stieß auf vergessene Briefe, Photos, Zeitungsausschnitte, liegengelassene Manuskripte." Darunter der Bericht vom Chruschtschow-Besuch, der schon allein den im selben Jahr erhaltenen Büchnerpreis gerechtfertigt hätte - wenn er denn nicht so lange "liegengelassen" worden wäre.

Wobei man aufpassen muss, nicht wieder einer neuen Finte Enzensbergers auf den Leim zu gehen. Denn von allen Teilen aus "Tumult" weist nur diese Schilderung der Russlandreise des Jahres 1963 eine Textgestalt auf, die tatsächlich zeitgenössisch sein könnte. Die Aufzeichnungen der späteren Russlandaufenthalte bezeichnet Enzensberger selbst nur als "gekritzelte Notizen", und die den größten Teil des Buchs ausmachenden Berichte über die späten sechziger Jahre sind gar in der Form eines auf zwei Personen verteilten Gesprächs gefasst: Der nunmehr fünfundachtzigjährige Enzensberger befragt sein nicht einmal halb so altes damaliges Ich. Das ist ein schönes literarisch-biographisches Spiel, das seinen Höhepunkt in der saloppen Bemerkung des alten Enzensberger zum jungen findet: "Welcher Teufel hat dich in diesem Doppelspiel geritten?" Die richtige Antwort müsste lauten: Es ist der teuflisch geschickte Fragesteller selbst, der Enzensberger von heute.

Auch die eben referierte Fundgeschichte des Basiskonvoluts für "Tumult" ist Fiktion. Tatsächlich fanden Archivare des Deutschen Literaturarchivs in Marbach die Materialien, als sie in Vorbereitung eines etwaigen Erwerbs von Enzensbergers Vorlass die Bestände sichteten. Und was betreffs dessen Inhalt im Buch nur allgemein bezeichnet wird, hat der Autor im Gespräch kürzlich etwas präzisiert. So zählt zu den erwähnten Briefen etwa seine komplette Korrespondenz mit der Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs. Auch die von der Fachwelt seit langem ersehnten Briefe von Ingeborg Bachmann an Enzensberger dürften sich dort finden. Im Münchner Keller liegt somit ein veritabler Schatz für uns Leser.

Dass in "Tumult" nun die ersten Pretiosen daraus zugänglich werden, lässt auf mehr hoffen. Allerdings schließt der sich als zögerlich gerierende Enzensberger das Buch programmatisch mit dem Gedicht "Andenken" von 1978 ab, das mit folgenden beiden Zeilen beginnt: "Also was die siebziger Jahre betrifft, / kann ich mich kurz fassen." Und mit diesen beiden endet: "Daß irgendwer ihrer mit Nachsicht gedächte, / wäre zuviel verlangt." Das soll wohl den Erwartungen auf eine Fortsetzung von "Tumult" entgegentreten, aber kann das mehr sein als eine weitere Enzensbergersche Koketterie?

Es wäre schlimm. Denn dieses Buch leistet für das Verständnis seiner Zeit und mehr noch seines Autors unendlich viel. Es legt raffiniert Rechenschaft ab. "Gelegentlich wurde mir in den Jahren des Tumults eine Protagonistenrolle zugeschrieben, an der mir wahrlich nie gelegen war. Aber einen Rest von Komplizenschaft konnte und kann ich nicht abstreiten. Jeder, der in das Durcheinander verwickelt war, haftet mehr oder weniger mit." Der Tausendsassa Enzensberger aber entzieht dieser Haftung den Boden: durch erzählerische Brillanz und Ironie. Die vom älteren Alter Ego des Verfassers ständig bespöttelte Wiederkehr der Erinnerungen des jüngeren an einen Aufenthalt in Castros Kuba 1968/69 etwa gipfelt in einer Formulierung, die nur scheinbar von Ratlosigkeit kündet: "Schwerer fällt es, die mentalen Mischformen zu entziffern, die daraus hervorgegangen sind: das Marmorierte im Selbstverständnis der Menschen, ihre Auffassung von Macht, Kompromiß und Korruption." Fünfzig Jahre kubanische Geschichte in einem Satz.

Einmal fragt der jüngere Enzensberger den älteren: "Und wenn die Geschichten der anderen interessanter wären als unsere eigenen?" Sind sie nicht. Was für ein Buch!

ANDREAS PLATTHAUS

Hans Magnus Enzensberger: "Tumult".

Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 287 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wie immer fühlt sich Martin Zingg bei Hans Magnus Enzensberger gut unterhalten mit selbstironischer und angenehm unzuverlässiger Selbst- und Fremdbeobachtung. Wenn der heute 85 Jahre alte Autor die tumultösen Jahre 1967 bis 1970 Revue passieren lässt und dafür in ein Selbstgespräch mit dem jungen Ich eintritt, staunt Zingg nicht übel, was dabei zum Vorschein kommt. Dass der junge Enzensberger umtriebig war, wusste er. Aber so? Von allerhand Reisen berichtet der Autor, von einer amour fou und seinem Leben in Norwegen, immer anregend, immer detailreich, freut sich der Rezensent. Dabei wird für Zingg die alte Bundesrepublik lebendig, doch mehr noch die "Rückseite" von Enzensbergers damaliger Existenz.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Enzensberger führt in Tumult ein geistvoll-kontroverses Selbstgespräch und stellt sich seinem Jahrzehnte jüngeren Alter Ego."
Tobias Schwartz, Der Tagesspiegel 23.10.2014
»Was für ein Buch!« Andreas Platthaus Frankfurter Allgemeine Zeitung 20141206