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Was bleibt von der Realität noch übrig, wenn Lügen unser Leben bestimmen? Ein Palast der Illusionen, ohne Schmerzen und Sorgen vielleicht, aber auch ohne das Glück der Erkenntnis. Dabei ist es völlig gleich, ob wir belogen werden oder uns selbst belügen. Gesellschaften können nicht bestehen ohne Wahrheit, und ebenso wenig das Individuum. Wahrheit ist unser Lebenselixier.

Produktbeschreibung
Was bleibt von der Realität noch übrig, wenn Lügen unser Leben bestimmen? Ein Palast der Illusionen, ohne Schmerzen und Sorgen vielleicht, aber auch ohne das Glück der Erkenntnis. Dabei ist es völlig gleich, ob wir belogen werden oder uns selbst belügen. Gesellschaften können nicht bestehen ohne Wahrheit, und ebenso wenig das Individuum. Wahrheit ist unser Lebenselixier.
Autorenporträt
Harry G. Frankfurt, geboren 1929, lehrte Philosophie u.a. in Cornell, Oxford und Yale. Seit 1990 ist er Professor für Philosophie an der Universität von Princeton. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.
Trackliste
CD
1Wahrheit00:08:58
2Wahrheit00:07:11
3Wahrheit00:08:34
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10Wahrheit00:07:12
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2007

Lügen, ohne zu täuschen
Harry Frankfurt kreist mit Shakespeare im Wahrheitszirkel

Das Beste an Harry Frankfurts neuem kleinen Büchlein ist Shakespeare. Das Schlechteste ist ein hochideologisches Gepolter gegen das, was Harry Frankfurt, emeritierter Philosophieprofessor an der Princeton University, sich so alles unter Postmoderne zusammenreimt. Leider kommt Shakespeare nur in einem einzigen Kapitel vor, das ideologische Gepolter in den übrigen acht. Jetzt mögen Sie sich schon denken, was von diesem Buch zu halten ist. Die Chancen, es gut zu finden, stehen erst einmal eins zu acht.

Blicken wir aber, wie stets, zunächst auf das Gute in allem. Und hören wir zu, was in diesem Buch über Shakespeare geschrieben steht. Harry Frankfurt zitiert das "bezaubernde und provozierende" Sonett 138 von Shakespeare. Er hat recht, es bezaubert und provoziert. Es geht so: "Wenn sie mir schwört, sie sei die Wahrheit selbst, So glaub ich ihr, obgleich ich weiß, sie lügt, / Damit sie in mir einen grünen Jungen sieht, Der mit der Welt Finessen nicht vertraut. / Indem ich wähn', dass sie für jung mich hält, Wiewohl sie weiß, was hinter mir schon liegt, / Glaub einfach ihrer falschen Zunge ich: So leidet schlichte Wahrheit beiderseits. / Warum verhehlt sie aber, dass sie lügt? Und warum sag ich nicht, dass alt ich bin? / Der Liebe bestes Teil ist Scheinvertraun, Und Liebe weiß nichts von der Jahre Zahl. / Darum lüg ich sie an und sie mich auch, Und lügend schmeicheln unseren Fehlern wir."

Kann man etwas Besseres über die Wahrheit sagen als dies? "Über die Wahrheit" heißt das Büchlein von Harry Frankfurt. Und jetzt wissen wir: Mit diesem einen Kapitel, in dem das zauberhafte Sonett steht, hat es sich schon bezahlt gemacht. Dieses Sonett sollte man seinen Kindern vorlesen, nachdem man ihnen eingeschärft hat, die Wahrheit zu sagen. Damit sie nicht denken, es gehe nichts über die Wahrheit. Damit sie nicht zu Wahrheitsideologen werden. Damit sie lernen, dass es auch dies gibt: dass zwei Menschen sich belügen, ohne dass einer von ihnen getäuscht wird. Damit sie lernen, dass die Liebe selbst die Wahrheit überlebt. Solange Harry Frankfurt unter dem Eindruck von Shakespeare steht, schreibt er nur Wahres über die Wahrheit. Er schreibt: "Gewöhnlich bin ich nicht dafür, zu lügen oder Lügen zu dulden. In den meisten Fällen bin ich uneingeschränkt für die Wahrheit. Gleichwohl möchte ich sagen: Wenn Sie sicher sind, dass Sie sich in eine Situation hineinlügen können, wie Shakespeare sie in seinem Sonett skizziert, dann rate ich Ihnen: Tun Sie sich keinen Zwang an!" Wunderbar wahr.

Doch dann ist da eben auch noch der Rest des Buches. Dieser Rest ist beklagenswert. Das Herz rutscht einem in die Hose, wenn man sieht, wozu ein Princeton-Professor in der Lage ist, wenn es um die Wahrheit geht. Was er sich selbst und uns vorzumachen sucht. Er streitet für die Wahrheit in einem luftleeren Raum. Als erkläre sich Wahrheit von selbst, als müsse sie nicht von irgendjemandem für wahr gehalten werden, um als Wahrheit auftreten zu können. Einerseits, sagt Frankfurt, gehe es ihm in seinem Buch nicht um das "Bemühen" um Wahrheit, nicht um Sichtweisen derselben, sondern nur um die Wahrheit als solche, um die nackte Wahrheit sozusagen. Andererseits setzt er sich naturgemäß - wie auch anders? - ausschließlich mit Sichtweisen der Wahrheit auseinander, als würde er erst beim Schreiben erkennen, dass auch eine den Sichtweisen entzogene Wahrheit eine Sichtweise voraussetzt.

In diesem Zirkel kreist das Buch. Man hat denn auch bisweilen den Eindruck, die Wut des Autors gegen die Postmodernen ist eine Wut gegen sich selbst, gegen sein eigenes Verwiesensein auf Sichtweisen. Es geht schon in Ordnung, etwas gegen Postmodernismus vorzubringen. Aber doch bitte nicht so, dass man am Ende Wahrheit mit (handwerklicher) Richtigkeit verwechselt und sich wie Harry Frankfurt gezwungen sieht, seine Beispiele für die "Objektivität" von Wahrheit den Konstruktionsplänen von Architekten und Ingenieuren zu entnehmen, den evidenzbasierten Rastern von Medizinern. Das führt in eine Wahrheitsklempnerei hinein, die der Wahrheit hohnspricht und dieses Buch ins Leere laufen lässt.

CHRISTIAN GEYER

Harry G. Frankfurt: "Über die Wahrheit". Aus dem Amerikanischen von Martin Pfeiffer. Carl Hanser Verlag, München 2007. 94 S., geb., 10,- [Euro].

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