Wenn Jonathan im Urlaub nicht die Muscheleimer vertauscht hätte, dann wäre der Nix niemals zu ihm gekommen. Dann hätte er nie erfahren, was alles passieren kann, wenn so ein Seejungmann an Land geht. Nein, Jonathan hat nicht geträumt, der freche grüne Nix ist echt! Und weil dieser die meiste Zeit unsichtbar ist, kann er besonders gut Verwirrung stiften - zum Beispiel in der Schule! Als er sich auch noch in die Lehrerin verliebt, ist das Chaos perfekt. Das gleichnamige Buch ist im Friedrich Oetinger Verlag erschienen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003Wie man einen Nix lieben soll
Kirsten Boies neues Kinderbuch
Worum geht es beim Verlieben eigentlich? Um den Busen und die schönen Beine? Oder um das, was der Vater innere Werte nennt? Darunter kann sich der sieben Jahre alte Jonathan nichts vorstellen. Freundin Leonie weiß immerhin: Verlieben auf Bestellung geht nicht. Genau das aber will Nix, ein grantiger, kleiner Wassermann, den Jonathan von der Ostsee mit nach Hause gebracht hat. Der hatte es eigentlich auf eine Bikini-Schönheit abgesehen, aber die war ihm zu mager. Doch eine Frau muß her, denn er will in der Menschenwelt berühmt werden. So wie das Disney-Geschöpf Arielle, jene Adaption von Andersens "Kleiner Meerjungfrau", die die Filmindustrie verkitscht hat, bis von der Melancholie des Märchens nichts mehr übrigblieb.
Was im Leben nicht klappt, beschönigt Kirsten Boie auch im Schreiben nicht. Angenehm konsequent verweigert sie sich, einfache Lösungen zu bieten. Zweifel erörtern die Kinder mit der ihnen eigenen Logik. Diese Art der Welterklärung ist oft kühn, macht aber Spaß: Ob man die Lehrerin wohl ins Wasser schubsen darf? Bestimmt, wenn es in Herzensdingen weiterhilft und man sich hinterher entschuldigt.
Zu den schönsten Szenen des Buches gehören jene, in denen Jonathan seinen Vater davon überzeugen will, daß es ein Nix war, der das Klassenzimmer verwüstet und die Wohnung geflutet hat. Der aber vermutet ein Aufmerksamkeitsdefizit eines vernachlässigten Kindes - weil die Mutter die Familie verlassen hat und er seit kurzem mit einer Kollegin ausgeht. Es ist die besondere Kunst von Kirsten Boie, typische Familienkonstellationen und alltägliche Konflikte auf leichte Art zu Geschichten zu machen, die frei bleiben von zwanghafter Problembewältigung. Schnell hätte daraus schwere Kost über ein zerbrochenes Familienglück oder die Mühen Alleinerziehender werden können.
Der im besten Sinne schlichten Geschichte fehlt es weder an Tiefe noch an emotionaler Intensität. Sie ist klar und pointiert erzählt, dabei stilsicher in der Tonlage. Mit seltener Fähigkeit zur Ironie spielt Boie mit der engen Wirklichkeitssicht Erwachsener, die beim Anblick eines kleinen grünen Männchens mit Dreizack und wildem Haar - von Stefanie Scharnberg als herrlich verschmitztes, dickbäuchiges Wesen gezeichnet - an Überarbeitung und übermäßigen Alkoholgenuß glauben.
Boies Sinn fürs Magische und Wunderbare geht nicht so weit, die Zweckliebe zu bestrafen oder die Romantik siegen zu lassen. Der Nix hat nur einfach kein Glück. Jonathans Lehrerin, das "göttliche Menschenweib", das er sich als Herzensdame ausgeguckt hat, hält Wassermänner für einen albernen Scherz ihrer Zweitkläßler. Deswegen geht der Nix zurück ins Meer. Denn der Glaube an den andern ist doch das Wesentliche der Liebe. Traurig ist das nicht, denn er kann ja wiederkommen. Schließlich sind nicht alle Bikini-Schönheiten mager.
ELENA GEUS
Kirsten Boie: "Verflixt - ein Nix!" Bilder von Stefanie Scharnberg. Oetinger Verlag, Hamburg 2003. 176 S., geb., 12,- [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kirsten Boies neues Kinderbuch
Worum geht es beim Verlieben eigentlich? Um den Busen und die schönen Beine? Oder um das, was der Vater innere Werte nennt? Darunter kann sich der sieben Jahre alte Jonathan nichts vorstellen. Freundin Leonie weiß immerhin: Verlieben auf Bestellung geht nicht. Genau das aber will Nix, ein grantiger, kleiner Wassermann, den Jonathan von der Ostsee mit nach Hause gebracht hat. Der hatte es eigentlich auf eine Bikini-Schönheit abgesehen, aber die war ihm zu mager. Doch eine Frau muß her, denn er will in der Menschenwelt berühmt werden. So wie das Disney-Geschöpf Arielle, jene Adaption von Andersens "Kleiner Meerjungfrau", die die Filmindustrie verkitscht hat, bis von der Melancholie des Märchens nichts mehr übrigblieb.
Was im Leben nicht klappt, beschönigt Kirsten Boie auch im Schreiben nicht. Angenehm konsequent verweigert sie sich, einfache Lösungen zu bieten. Zweifel erörtern die Kinder mit der ihnen eigenen Logik. Diese Art der Welterklärung ist oft kühn, macht aber Spaß: Ob man die Lehrerin wohl ins Wasser schubsen darf? Bestimmt, wenn es in Herzensdingen weiterhilft und man sich hinterher entschuldigt.
Zu den schönsten Szenen des Buches gehören jene, in denen Jonathan seinen Vater davon überzeugen will, daß es ein Nix war, der das Klassenzimmer verwüstet und die Wohnung geflutet hat. Der aber vermutet ein Aufmerksamkeitsdefizit eines vernachlässigten Kindes - weil die Mutter die Familie verlassen hat und er seit kurzem mit einer Kollegin ausgeht. Es ist die besondere Kunst von Kirsten Boie, typische Familienkonstellationen und alltägliche Konflikte auf leichte Art zu Geschichten zu machen, die frei bleiben von zwanghafter Problembewältigung. Schnell hätte daraus schwere Kost über ein zerbrochenes Familienglück oder die Mühen Alleinerziehender werden können.
Der im besten Sinne schlichten Geschichte fehlt es weder an Tiefe noch an emotionaler Intensität. Sie ist klar und pointiert erzählt, dabei stilsicher in der Tonlage. Mit seltener Fähigkeit zur Ironie spielt Boie mit der engen Wirklichkeitssicht Erwachsener, die beim Anblick eines kleinen grünen Männchens mit Dreizack und wildem Haar - von Stefanie Scharnberg als herrlich verschmitztes, dickbäuchiges Wesen gezeichnet - an Überarbeitung und übermäßigen Alkoholgenuß glauben.
Boies Sinn fürs Magische und Wunderbare geht nicht so weit, die Zweckliebe zu bestrafen oder die Romantik siegen zu lassen. Der Nix hat nur einfach kein Glück. Jonathans Lehrerin, das "göttliche Menschenweib", das er sich als Herzensdame ausgeguckt hat, hält Wassermänner für einen albernen Scherz ihrer Zweitkläßler. Deswegen geht der Nix zurück ins Meer. Denn der Glaube an den andern ist doch das Wesentliche der Liebe. Traurig ist das nicht, denn er kann ja wiederkommen. Schließlich sind nicht alle Bikini-Schönheiten mager.
ELENA GEUS
Kirsten Boie: "Verflixt - ein Nix!" Bilder von Stefanie Scharnberg. Oetinger Verlag, Hamburg 2003. 176 S., geb., 12,- [Euro]. Ab 6 J.
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