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Unser Gehirn ist hochkomplex – verändert es sich, verändern wir uns mit ihm. Sanftmütige werden aggressiv, vormals treue Ehemänner belästigen plötzlich fremde Frauen sexuell, bei anderen äußert sich ein lang verdrängter Kummer körperlich und wieder andere rettet allein die Tatsache, dass ein Mensch an sie glaubt. Unsere Persönlichkeit, unsere Seele „steckt“ im Gehirn – und so faszinieren die Fallgeschichten, die der Neurologe Christof Kessler in „Wahn“ erzählt, ungemein. In den 12 Berichten schreibt Kesser – Direktor der Klinik für Neurologie an der Universität Greifswald – teils über wahre…mehr

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Produktbeschreibung
Unser Gehirn ist hochkomplex – verändert es sich, verändern wir uns mit ihm. Sanftmütige werden aggressiv, vormals treue Ehemänner belästigen plötzlich fremde Frauen sexuell, bei anderen äußert sich ein lang verdrängter Kummer körperlich und wieder andere rettet allein die Tatsache, dass ein Mensch an sie glaubt. Unsere Persönlichkeit, unsere Seele „steckt“ im Gehirn – und so faszinieren die Fallgeschichten, die der Neurologe Christof Kessler in „Wahn“ erzählt, ungemein. In den 12 Berichten schreibt Kesser – Direktor der Klinik für Neurologie an der Universität Greifswald – teils über wahre Begebenheiten, meist aber webt er Fiktion und die Inspiration durch einen Fall oder ein Krankheitsbild zusammen und präsentiert uns verdichtete Erzählungen, die lange nachwirken.

Kessler ist zwar Neurologe und Schlaganfallspezialist, interessiert sich also beruflich besonders für die körperlichen Aspekte von Hirnerkrankungen. Aber da Menschen sich dadurch immer auch persönlich verändern – manchmal massiv und für die Außenwelt erschreckend, manchmal leise und kaum wahrnehmbar –, spielen die seelischen Vorgänge natürlich ebenfalls eine tragende Rolle. In einem Fernsehinterview erzählte er, dass er ein Buch schreiben wollte, das man auch gut im Urlaub lesen kann, gemütlich im Liegestuhl , und bei dem man dennoch ganz nebenbei etwas erfährt über das komplizierte Zusammenspiel zwischen diesem Organ Hirn und unserem Sein.

Da drückt zum Beispiel in „Der Grapscher“ ein kleiner und gutartiger Tumor bei einem Patienten so auf eine Stelle im Gehirn, dass ein zuvor liebevoller Ehemann immer enthemmter wird, Kolleginnen und Nachbarinnen begrapscht und sich auch sonst seinen Mitmenschen gegenüber ungewohnt rücksichtslos verhält. Diagnose: Frontalhirnsyndrom. Das äußert sich „typischerweise durch eine sexuelle und soziale Enthemmung“.

Ja, es ist auch beunruhigend, Kesslers Geschichten zu lesen. Denn meist verdrängen wir, wie schmal der Grat zwischen gesund und krank, normal und nicht mehr normal ist. Die Grenzen sind fließend, und es kommt übrigens gar nicht so selten vor, dass Persönlichkeitsveränderungen körperliche Ursachen haben … Oft ist allerdings nicht ganz klar, ob die Psyche den Körper beeinflusst oder umgekehrt. So wie in der Geschichte „Der Tausch“.

Da beschließen zwei befreundete Paare einen Partnertausch, zuerst nur für eine Nacht, dann übers Wochenende und plötzlich schlagen drei der vier Beteiligten vor, es solle ein Tausch für immer werden. Robert, der Vierte im Bunde, spielt mit, leidet aber massiv darunter, dass er nun z. B. nicht mehr mit seinen Kindern leben kann, sondern gefälligst die Kinder seiner neuen Partnerin akzeptieren soll. Er flüchtet aus seinem Leben, bleibt länger in der Firma und betreibt exzessiv Sport – und dennoch liegt die Sehnsucht nach seinem alten Leben „wie eine dunkle Wolke“ über ihm. Eine abgrundtiefe Melancholie erfüllt ihn, auch während einer Joggingrunde, bei dem er einen schweren Schlaganfall erleidet. Er lernt nie wieder richtig sprechen, lebt nach der Rehabilitation mit erst 42 Jahren in einem Pflegeheim und beschließt letztendlich, sein Leben zu beenden.

Ob die Geschichte wirklich so passiert ist oder ob sich Christof Kessler all das ausgedacht hat, ist unwesentlich. Wesentlich ist, was in uns nach der Lektüre nachhallt, uns amüsiert oder ängstigt. In „Wahn“ treten wir eine Reise zwischen Wahn und Wirklichkeit an – und diese Reise ist Abenteuer und Seelenforschung zugleich.

Autorenporträt
Als Hörspiel- und Feature-Sprecher wurde Schauspieler Bodo Primus bekannt. Im Radio tritt er u.a. neben Peer Augustinski in der Hörspielserie "Der letzte Detektiv" von M. Koser auf. Für die Lesung von E. Hilsenraths "Der Nazi & der Friseur" erhielt er den Deutschen Hörbuchpreis.